Das galizische Paradigma
Lehren aus einem dreißigjährigen Krieg im Westen der heutigen Ukraine
„Politisch sehen wir uns dem Heranwachsen von nazistischen Nationalismen gegenüber. Das geschieht in der Ukraine und in anderen Republiken, dasselbe gibt es in Polen. Wenn diese Explosion stattfindet, wird sie blind sein, die Menschen werden einander töten, die Probleme von Lwiw, des Friedens von Riga werden akut werden, und in dem Fall sollten wir bereit sein, endgültig unter der Last dieser Katastrophe zugrunde zu gehen“. (Jerzy Giedroyć, Herausgeber der polnischen Exilzeitschrift „Kultura“ in Paris, in einem Brief vom 5. Dezember 1969 an Czesław Miłosz über die Welt, die nach dem Sturz des Kommunismus in Osteuropa entstehen wird)
Mit dem „Problem von Lwiw“ meinte Giedroyc den polnisch-ukrainischen Krieg um das ehemalige österreichische Galizien und dessen Hauptstadt. Dieser Krieg begann am 1. November 1918, zehn Tage vor dem Ende des Ersten Weltkrieges. Strategisch war der Krieg weder für die Pole, noch für die Ukrainer sinnvoll. Ihre strategischen Interessen lagen woanders: Der neue polnische Staat musste mit den Deutschen im Westen zurechtkommen, während sich das Schicksal des ukrainischen Staates weiter im Osten, in Kyiv, entschied, wo die Truppen der Ukrainischen Volksrepublik nach dem Abzug der deutschen Besatzungstruppen und der Regierung von Skoropadskyj der russischen Roten und Weißen Armee Widerstand leisten mussten.
Ein Gemisch der Nationalismen
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Foto aus einer Serie zur Holzverarbeitung im winterlichen Galizien. Es handelt sich um russische Kriegsgefangene, dahinter ein österreichischer Bewacher. Das Bild ist mit großer Wahrscheinlichkeit nach der Brusilov-offensive 1916 entstanden. K.u.k. Kriegspressequartier, Lichtbildstelle – Wien. Wikimedia Commons.
Die Ukrainer Galiziens bildeten nur 20-25% der ethnisch ukrainischen Bevölkerung. Trotzdem stellten sie eine Armee auf, die zahlenmäßig der Armee der Ukrainischen Volksrepublik ebenbürtig war und sie an militärischer Disziplin und Effektivität sogar noch übertraf. Wenn die Ukrainische Galizische Armee, sich ihren östlichen Brüdern hätte anschließen können statt gegen die Polen um Lwiw zu kämpfen, hätten die Bolschewiken weniger Chancen gehabt, Kyiv zu erobern. Dementsprechend hätte die Geschichte einen anderen Weg einschlagen können. Aber die Polen und Ukrainer brachten einander lieber im Krieg um Galizien und Lwiw um als an strategische Interessen zu denken.
Dieses Beispiel zeigt: Galizien gehört zu jenen historischen Gebieten, deren Bedeutung ihre Größe und ihren Status übertrifft. Hier befand sich ein gordischer Knoten der geopolitischen Interessen, dessen Lösung ganz Osteuropa beeinflussen vermochte. So war es am Ende des Ersten Weltkrieges und auch vor dessen unmittelbarem Anfang. Galizien war einer der wichtigsten Casus Belli zwischen Wien und Sankt-Petersburg. Der Wichtigkeit nach war der galizische Faktor in diesem Zusammenhang nur der Balkanfrage unterlegen. Am Vorabend des Krieges beschloss das russische Generalkommando, die Hauptstoßrichtung seiner Attacke von Preuβen nach Galizien zu verlegen.
In der Vorstellung der russischen Regierung stellte das österreichische Galizien ein Nest polnischer und ukrainischer Nationalismen dar, die für das Bestehen des Russischen Reiches eine tödliche Gefahr darstellten. Deshalb musste Galizien besetzt und von Anfang an neutralisiert werden.
Das vergessene Galizien
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Karte des Königsreichs Galizien und Lodomerien 1789-1806. Franz Johann Joseph von Reilly. Wikimedia Commons.
Der Erste Weltkrieg begann als ein Krieg der Imperien und endete als ein Krieg der Nationen. Galizien spielte eine besondere Rolle im ersten und im zweiten Fall. Es gibt aber einen großen Unterschied zwischen dem, was Galizien während des Krieges in der Tat war, und dem Wenigen, das wir darüber wissen oder woran wir uns als Zeitgenossen erinnern können. Wer zum Beispiel weiß heutzutage, dass am Anfang des 20.Jahrhunderts Galizien der drittgrößte Erdölförderer war, und dass die deutsche Marine zu Kriegsende das galizische Erdöl verbrauchte? Und dass das galizische Erdöl eine der Hauptfragen war, die den Verlauf der Verhandlungen während der Konferenz von Versailles beeinflussten?
Dieses Vergessen Galiziens wurde durch eine Reihe von Faktoren verursacht. Wie Larry Wolff in seinem brillanten Buch „The Idea of Galicia“ (Stanford University Press, 2012) zeigte, war dieses österreichische Land das erste Territorium, auf dem die Gestalt Osteuropas – eine Art Quasi-Europa – konstruiert wurde. Man pflegte über Galizien mit Ironie zu sprechen, als ein Symbol der osteuropäischen Not und Rückständigkeit. Es sei hier Schwejk, der „Held“ des Romans von Jaroslav Hašek, zitiert: „In der ganzen Welt habe ich nichts gesehen, was majestätischer wäre als dieses idiotische Galizien.“ Man behauptete, dass aus einem solchen Lande, ähnlich wie aus dem neutestamentarischen Nazareth nichts Gutes oder Edles stammen könne (Joh. 1,46). Daher sei es größerer Beachtung nicht wert.
Der andere Grund für die Amnesie war die allgemeine Lage an der Ostfront. Bis zum Frühjahr 1917 war der Verlauf des Ersten Weltkrieges an dieser Front ziemlich arm an interessanten Ereignissen. Die dramatischsten Ereignisse fanden zu Beginn des Krieges statt, als die russischen Truppen Galizien und Lemberg besetzten. Die russische Besatzung dauerte aber nicht allzu lange. Im Herbst 1915 war die russische Armee nach der gemeinsamen Gegenoffensive der österreichisch-ungarischen und der deutschen Armee gezwungen, nicht nur die kürzlich eroberten Territorien zu verlassen, sondern auch das benachbarte bis dahin russische Wolhynien abzugeben. Im Sommer 1916 versuchten die russischen Truppen während der sogenannten Brussilow-Offensive ihren Erfolg zu wiederholen. Aber diese Versuche waren nur teilweise erfolgreich. Sie konnten nur die Territorien an der Ostgrenze Galiziens erobern. Eine wiederholte Offensive im Sommer 1917 endete für Russland mit einem Fiasko.
Auch war die Geschichte des Ersten Weltkrieges hier nicht durch solche menschlichen Katastrophen gekennzeichnet wie die Schlachten an der Marne oder bei Ypern an der Westfront. Spricht man nicht vom Maßstab, sondern von der Dramatik der Ereignisse, so kann nur die lang andauernde Verteidigung der Kriegsfestung in Przemysl im Oktober 1915 mit diesen Schlachten mithalten. Aber sogar dieses Beispiel hält keinem Vergleich mit den Ereignissen an der Westfront stand. Ist das vielleicht die Erklärung dafür, dass es keiner hiesigen Literatur einen Autor und ein Werk zu liefern gelang, das dem Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque (1928) gleichgestellt werden könnte?
Es versteht sich von selbst, dass Krieg immer Krieg ist. Und damit waren natürlich auch die Kriegsereignisse an der Ostfront von großen Verlusten unter Soldaten und ziviler Bevölkerung begleitet. Was Galizien betrifft, so hat sich nach meiner Kenntnis leider niemand mit der genauen Einschätzung dieser Verluste beschäftigt. Eine zehn Jahre nach dem Krieg unter ukrainischen Schülern durchgeführte Umfrage bietet ein ungefähres Bild dessen, was der Krieg für die zivile Bevölkerung bedeutete. Sie erinnerten sich daran, dass der Feind mit dem Gewehrkolben den Freund erschlug, dass der Bruder zur Erschießung gebracht wurde, dass die Feinde vor ihren Augen die Schwester vergewaltigten, ferner fielen ihnen viele sterbende Menschen und Leichen auf dem Kampffeld ein. Zu diesen mit dem Krieg unmittelbar verbundenen Verlusten und Grausamkeiten müssen hunderttausende gebrochene Menschenschicksale hinzugefügt werden, die durch Verhaftungen, Zwangsaussiedlung, Flucht vor dem Feind und so weiter verursacht wurden. Die österreichisch-ungarische Armee suchte nach den Ursachen oder eher nach der Rechtfertigung ihrer unehrenhaften Niederlage in Galizien in den ersten Tagen des Krieges.
Ruthenen und Juden als Sündenböcke
Zum Sündenbock wurden dabei meistens die hiesigen Ruthenen (Ukrainer) und Juden gemacht, die zugunsten der russischen Armee spioniert hätten. Verhaftungen und Hinrichtungen nach Urteilen von Standgerichten sowie Pogrome, die ungarische Truppen unternahmen, gehörten für galizische Ruthenen und Juden zu den tragischsten Momenten des Ersten Weltkrieges. Zum Symbol antiruthenischer Repressionen wurde das k.u.k.-Interniertenlager Thalerhof bei Graz, in dem zwischen September 1914 und Mai 1917 etwa 20.000 galizische Ruthenen interniert wurden. Diese beiden Gruppen – Juden und Ruthenen – waren auch die Hauptleidtragenden von Repressionen seitens des russischen Besatzungsregimes in Galizien, dessen Verhalten sogar in Petersburg als „europäischer Skandal“ bezeichnet wurde.
Die Kenntnis dieser Tatsachen ist heute das Monopol von Fachhistorikern. Die meisten Menschen wissen darüber sehr wenig oder überhaupt nichts. Im ukrainischen Fall sind die Hauptgründe die Besonderheiten der sozialen Struktur der lokalen Bevölkerung. Sie bestand hauptsächlich aus Bauern, die in ihrer Mehrheit ungebildet waren. Und obwohl Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr Bauern ihre Kinder in die Schule, in Gymnasien und auf Universitäten schickten, war das allgemeine Bildungsniveau der galizischen Ruthenen im Vergleich zu anderen Volksgruppen beklagenswert. Studien zur Zusammensetzung des Offizierskorps zeigen, dass der Anteil der Offiziere unter jeder Bevölkerungsgruppe von der Anzahl der Personen mit Hochschulbildung abhing. Hierbei belegten die Ruthenen mit 3,6 % an Akademikern den letzten Platz. Dementsprechend belegten sie auch den letzten Platz ihrer Anzahl an Offizieren der österreichisch-ungarischen Armee (0,4%), während ihr prozentualer Anteil an Soldaten mit 7,8% exakt ihrer Anzahl im nationalen Bestand des Imperiums entsprach.
Übersetzt man die Sprache der Statistik in natürliche Sprache, bedeutet das, dass diejenige Erinnerung die höchste Chance auf Bestehen hat, die schriftlich festgehalten wurde. Da aber das Gedächtnis des Krieges in Galizien mehrheitlich das Gedächtnis von des Lesens und des Schreibens unkundiger Soldaten war, starb es zusammen mit ihren Trägern aus. Daraus folgt noch eine weitere Besonderheit: Über den Ersten Weltkrieg in Galizien schrieben meist nicht Ruthenen (Ukrainer), sondern Polen oder Juden, unter denen der Anteil gebildeter Menschen höher war.
Es gab aber eine wichtige Ausnahme: Die ukrainischen Sitsch-Schützen. Mitglied dieser nationalen Legion waren etwa 2.500 Personen, vorwiegend Absolventen von Gymnasien und Studenten. Als Freiwillige gingen sie an die Front, um gegen das russische Imperium zu kämpfen und auf dessen Trümmern einen unabhängigen ukrainischen Staat aufzubauen. Ihr Verhältnis zu Russland spiegelte nicht die Stimmung aller galizischen Ruthenen wider. Es gibt Quellen, die zeigen, dass die Bauern die Donkosaken im Allgemeinen positiv einschätzten, weil sie unter anderem gläubige Menschen waren und eifrig beteten. Das Verhältnis der Freischützen spiegelte nur die Meinung der galizischen Ruthenen wider, die sich als Ukrainer identifizierten.
Ruthenen werden Ukrainer
Der Krieg wurde zu einem mächtigen Katalysator der Transformation der Ruthenen in Ukrainer. Wie weit dieser Prozess während des Krieges ging, ist wegen des Mangels an konkreten Forschungsarbeiten schwer zu sagen. Deshalb ist nur schwer nachvollziehbar, wie groß der Anteil an der galizisch-ruthenischen Gesellschaft war, deren Einstellung, mit der der Freischützen übereinstimmte. Wichtig ist jedenfalls, dass es ihnen gelang, einige besonders anziehende Kulturgüter einschließlich melodischer und oft humorvoller Lieder zu schaffen. Wenn ein zeitgenössischer Ukrainer etwas über den Krieg weiß, dann ist es ein national geprägtes und vorwiegend heroisch-romantisches Bild des Krieges, geschaffen von Freischützen, und nicht die Schützengrabenerfahrungen der hunderttausenden ruthenischen Bauern, die stumm während des Krieges oder einige Jahrzehnte danach starben.
Und hier nähern wir uns der letzten, aber freilich der wichtigsten Ursache, warum dem galizischen Thema im Ersten Weltkrieg wie auch des Weltkrieges allgemein in Osteuropa so wenig gedacht und sich daran erinnert wird. Diese Ursache ist sehr einfach: Das, was nach dem Krieg geschah, verdrängte die Erinnerungen an den Krieg an sich. Die Erinnerung an die Novemberrevolution (die Ausrufung der Westukrainischen Volksrepublik am 1. November 1918 und der Kampf gegen die Polen um Lwiw) überlagerte die Erinnerung an die russische Besatzung von Lwiw. Ähnlich verblasst die Erinnerung an die österreichisch-ungarische oder russische Grausamkeit am Anfang des Krieges 1914 im Vergleich zu der Politik Polens gegenüber nationalen Minderheiten in der Zwischenkriegszeit oder im Vergleich zu den sowjetischen Repressionen 1939-1941.Im Fall der Juden rücken die tragischen Erinnerungen an die antijüdischen Pogrome aus der Zeit des Ersten Weltkrieges in den Hintergrund, wenn es um den Holocaust geht.
Ein solches Überlagern der Erinnerungen hängt nicht nur mit den Mechanismen des Gedächtnisses zusammen, sondern auch mit der historischen Realität. Forschungen von Historikern zeigen, dass selbst in der formal friedlichen Zwischenkriegszeit die Einwohner Osteuropas Gräuel erlebten, wie sie die restlichen Europäer nicht einmal in der Kriegszeit durchgemacht haben! Das wird überzeugend durch den Vergleich der Lebenserwartung von Ukrainern und den restlichen Europäern im Laufe des gesamten 20.Jahrhunderts gezeigt. Die niedrigste Lebenserwartung im Westen Europas, sei es im Ersten (42 Jahre für Männer im Jahr 1916) oder im Zweiten Weltkrieg (49 Jahre im Jahr 1942) entspricht den durchschnittlichen 42-49 Jahren Lebenserwartung für Ukrainer in der Zwischenkriegszeit. Am kürzesten war das durchschnittliche Leben eines Ukrainers jedoch nicht während des Ersten Weltkrieges (31 Jahre im Jahr 1916), sondern 1933 (11,3) und 1942 (17,7)!
Diese Statistik in Betracht ziehend kann man mit einigem Recht sagen, dass, wenn es um Osteuropa und seine Bevölkerung geht, es wenig sinnvoll ist, von Erstem und Zweitem Weltkrieg und der Zwischenkriegszeit zu sprechen, sondern von einem durchgehenden dreißigjährigen Krieg, der 1914 begann und erst 1945 zu Ende war (oder wie manche behaupten, bis zum Tod Stalins oder sogar bis zum Fall des Eisernen Vorhangs andauerte). Der dreißigjährige Krieg des 20. Jahrhunderts hat das Gesicht Osteuropas einschließlich Galiziens völlig verändert: Er hat hier der Existenz traditioneller ukrainischer Dörfer oder polnisch-ukrainisch-jüdischer Städtchen, die in der relativ liberalen Atmosphäre der Habsburger-Monarchie existierten, ein Ende gesetzt, indem er sie in kollektivierte sowjetische Dörfer und Städte mit ukrainischer Mehrheit und relativ großer russischer Minderheit verwandelte. Man kann sich kaum ein anderes Land vorstellen, das eine so tiefe und gewaltsame Transformation in so kurzer Zeit durchgemacht hat. Die Tiefe dieses kollektiven Traumas erklärt, warum die Bevölkerung dieser Region ein so großes Problem mit ihrem historischen Gedächtnis hat. Und in diesem Sinne ist der Erste Weltkrieg keine Ausnahme, sondern die Regel.
1914 und 2014
Die Verarbeitung der Vergangenheit ist eine Herausforderung für ganz Osteuropa und für Galizien im Einzelnen. Hier haben wir einige Erfolge erzielt: Nach dem Sturz des Kommunismus gelang es den Ukrainern, sich mit den Polen in Bezug auf Lwiw und Galizien zu versöhnen. Daher ist die Gefahr eines polnisch-ukrainischen Krieges um Lwiw, den Giedroyć 1969 noch befürchtete, hoffentlich für immer verschwunden. Schlimmer ist aber die Lage an der Ostgrenze der Ukraine. In dem Moment, in dem diese Zeilen geschrieben werden, im Jahr 2014, versuchen prorussische Separatisten, ihre Herrschaft in einigen Städten des Donezk-Beckens zu etablieren und diese Region von der Ukraine abzuspalten. Das Donezk-Becken ist das geworden, was Galizien vor hundert Jahren darstellte: Eine historische Region, deren Bedeutung ihre Größe und ihren Status übertrifft, ein geopolitischer Casus Belli, diesmal zwischen der Ukraine und Russland.
Der ukrainisch-russische Konflikt dauert an. Aber abgesehen davon, womit, wie und wann ihm ein Ende gesetzt wird, bestehen verschiedene Aufgaben, die auf jeden Fall erfüllt werden müssen. Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Bewältigung der Vergangenheit. Offensichtlich hätte es den Konflikt nicht gegeben, oder er hätte weniger Chancen auf Eskalation gehabt, wenn in Russland in den letzten Jahren – bereits vor 2014 – keine hemmungslose Heroisierung des Krieges stattgefunden hätte. Unter solchen Bedingungen wird das historische Gedächtnis zum schlimmsten Gift, produziert von der Chemie des Gehirns. Widerstand kann diesem Gift nur geleistet werden, indem das Gegengift produziert wird – ein solches, wie dieses Buch, zu dem dieser Text als Einleitung geschrieben wurde, das auf künstlerische und überzeugende Weise zeigt, was der Krieg wirklich ist.
Jaroslaw Hrycak, Lwiw
Der Autor ist Historiker und Publizist, Professor an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lwiw. Er ist Direktor des Instituts für historische Forschung an der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw. Der Text war die Einleitung zu dem von Alla Paslawska, Tobias Vogel und Wolodymir Kamianets herausgegebenen zweisprachig ukrainischen und deutschen Band „Galizien – Aus dem Großen Krieg“, der 2014 in Lwiw erschien. Der Band wurde in Deutschland leider nicht verlegt. Alla Paslawska, Lwiw, und Alois Woldan, Wien, ermöglichten, diesen nach wie vor wichtigen und aktuellen Text im Demokratischen Salon zu veröffentlichen. Er wurde aus dem Ukrainischen von Alla Paslawska und Tobias Vogel übersetzt und am Schluss behutsam an die Lage nach der Vollinvasion Russlands in der Ukraine vom 24. Februar 2022 angepasst.
(Anmerkungen: Veröffentlichung im Demokratischen Salon im Februar 2025, Internetzugriffe zuletzt am 18. Februar 2025. Titelbild: Firouzeh Görgen-Ossouli.)