Liebe Freund*innen des Demokratischen Salons,

in der Maiausgabe 2022 des Demokratischen Salons finden Sie zwei Essays zu Erinnerungskultur(en) in Osteuropa und im Iran, einen Essay zur Debatte um den Krieg in der Ukraine sowie zwei Begegnungen mit der Osteuropahistorikerin Katja Makhotina und der Beteiligungspädagogin Marina Weisband. Sie finden wie üblich Hinweise auf Veranstaltungen zu unterschiedlichen Themen, darunter Veranstaltungen unter Mitwirkung des Demokratischen Salons, von denen einige in Präsenz stattfinden können. Themen der Veranstaltungen: Folgen der sogenannten „Zeitenwende“, Erinnerungskultur(en) in Osteuropa, sowie Kinderrechte in der Ganztagsbildung. Kurznachrichten und weitere Empfehlungen runden mein Angebot ab.

Das Editorial:

Drei Landtagswahlen – mit recht unterschiedlichen Ergebnissen. Im Saarland siegte die SPD mit absoluter Mehrheit, während die CDU abstürzte. In Schleswig-Holstein gewann die CDU ebenso deutlich wie die SPD verlor. In Nordrhein-Westfalen verlor die schwarz-gelbe Regierung ihre Mehrheit, einen Teil der FDP-Stimmen konnte die CDU auffangen und sich dadurch prozentual verbessern, obwohl auch sie angesichts der stark gesunkenen Wahlbeteiligung an Stimmen verlor. Die FDP schnitt in allen drei Ländern kurz über beziehungsweise kurz unter der magischen Fünfprozentmarke ab. Die Grünen schafften in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen ein Ergebnis, das sie in die Nähe der 20-Prozent-Marke brachte, in Nordrhein-Westfalen waren sie die einzige Partei, die nicht nur prozentual, sondern auch absolut an Stellen gewann, sie verpassten im Saarland jedoch – sicherlich nicht ohne Nachwirkung des Desasters vor der Bundestagswahl – die Fünfprozentmarke um 23 Stimmen. In Schleswig-Holstein verlor die AfD ihre Mandate, in den beiden anderen Ländern lag sie knapp über der Fünfprozentmarke. Ein Desaster waren alle drei Wahlen für die LINKE. Ihre Ergebnisse erreichten Regionen, in denen sonst immer die sonstigen Parteien zusammengefasst werden.

Ob diese Ergebnisse irgendeine Bedeutung für die zukünftige Bundespolitik haben, mag offenbleiben. Ich glaube nicht, dass eine der Wahlen eine Abstimmung über den Bundeskanzler beziehungsweise die Berliner Ampel gewesen ist. In Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen hatte die SPD für das Amt des Ministerpräsidenten zwei relativ unbekannte und wenig profilierte Männer aufgestellt, während sie im Saarland eine äußerst bekannte und profilierte Frau aufbot. Auch die Kandidaten der CDU in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen hätten keinen Charisma-Contest gewonnen, wirkten aber solide und Vertrauen erweckend. Sie profitierten von ihrem Amtsbonus, im Gegensatz zu ihrem Kollegen im Saarland, dessen Gegenkandidatin sehr profiliert auftrat. Ein Faktor für die Erfolge der CDU ist nicht nur die Schwäche der SPD, sondern auch der Vorsitzende Friedrich Merz, dem es wohl gelingt, die wirtschaftsliberalen Stimmen wieder einzusammeln, die die CDU in vorangegangenen Wahlen an die FDP verloren hatte. Die guten Ergebnisse der Ministerpräsidenten der CDU in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein erfreuen manche Kommentator*innen vor allem deshalb, weil sie Konkurrenten für Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union gefunden zu haben glauben.

Sandra del Pilar, Los Distraidos, alle Rechte bei der Künstlerin

Vor allem sollte uns jedoch interessieren, dass es Themen gab, die in den Wahlkämpfen nur eine Nebenrolle zu spielen schienen, obwohl sie eigentlich Kernthemen einer zeitgemäßen Politik in Deutschland, in Europa, in der Welt sein sollten. Es gab immer wieder Debatten, die sich aus dem Angriffskrieg Putins in der Ukraine ergaben, aber im Großen und Ganzen wurden die Themen Klimakrise, Migration und soziale Gerechtigkeit nur am Rande berührt. Die bloße Forderung nach einer Energiewende macht noch keine konsistente Klimapolitik, zumal die Länder wenig Spielräume haben, wenn die Bundespolitik ihnen diese nicht lässt.

Mehr oder weniger unbeachtet blieb die Meldung der World Meteorological Organisation, dass eine Erwärmung des Planeten Erde um 1,5 Grad Celsius in den nächsten fünf Jahren zumindest teilweise erreicht werden dürfte und dass eine Erwärmung um mehr als 2 Grad immer wahrscheinlicher wird. Das Migrationsthema beschränkte sich auf die Geflüchteten aus der Ukraine. Völlig vernachlässigt wurde die Frage, was mit all den aus arabischen, asiatischen und afrikanischen Ländern Geflüchteten geschieht, die schon seit Jahren auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung warten. Wie der Fachkräftemangel behoben werden soll, wenn Menschen, die bereit wäre zu arbeiten, nicht arbeiten dürfen und ihre Berufs- und Studienabschlüsse nicht anerkannt werden, bleibt ein Geheimnis.

Das entscheidende Manko scheint mir jedoch darin zu bestehen, dass die soziale Situation derjenigen, die von Hartz IV leben, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen leben, die das Monatsende mehr fürchten als Krieg und Klimakrise, kaum eine Rolle zu spielen scheint. Die Forderung, dass es bei allen Notwendigkeiten zur Bewältigung der Klimakrise eine soziale Absicherung geben muss, wirkt in den Parteiprogrammen von SPD und Grünen immer so, als schiebe das schlechte Gewissen sie noch schnell hinterher, bevor man wieder zur üblichen Tagesordnung zurückkehrt. Die Linke hätte diese Themen durchaus in die Debatte einbringen können, hatte in Nordrhein-Westfalen auch sehr ansprechende Plakate, doch stattdessen stritt sie sich über Krieg und Frieden, den Umgang mit sexualisierter Gewalt in den eigenen Reihen und ob ihr eigenes Spitzenpersonal geeignet wäre.

Es gibt viele Menschen, die von keiner der demokratischen Parteien mehr vertreten werden. Die LINKE ist angesichts ihrer suboptimalen Performance für sie schon lange kaum noch von Interesse. Erhöhung des Mindestlohns, Grundsicherung, bezahlbare Mieten – all das wird in den Parteiprogrammen angesprochen, ist auf Bundesebene auch im Koalitionsvertrag angedacht, aber scheint die Menschen, die es betrifft, nicht zu erreichen. Für die SPD kaum noch ein Thema? Die Grünen sind eine bürgerliche, im Grunde linksliberale Partei, die Zeiten eines Norbert Blüm oder Hans Katzer gehören in der CDU längst der Vergangenheit an und die FDP hat nie einen Hehl aus ihrer neoliberalen Gesinnung gemacht.

Die Krise der LINKEN ist eben auch eine Krise der Sozialpolitik. Dass diese Krise unsere freiheitliche Demokratie nicht destabilisiert, hat vielleicht auch damit zu tun, dass die AfD in Deutschland bei Weitem nicht die Popularität des französischen Rassemblement National erreicht und auch keine rechtspopulistische Partei nach dem Muster der ungarischen FIDESZ oder der polnischen PiS in Sicht ist, die ihre jeweilige Wiederwahl mit umfangreichen Sozialprogrammen gesichert haben.

Prekäre Verhältnisse, Vernachlässigung von Sozialpolitik – das ist nicht nur ein deutsches oder europäisches Problem. Es gab mal den Satz von der Weltinnenpolitik, die ich als Weltsozialpolitik wieder in Erinnerung rufen möchte. Was heißt dies für Afrika, für Asien, für Lateinamerika, für den Süden des Planeten Erde? Die WHO und die deutsche Außenministerin haben auf die drohende Hungerkrise in Folge des russischen Angriffskriegs hingewiesen, Putin lässt Weizendepots und Weizenfelder bombardieren, der Hafen von Odessa ist blockiert. Ist Autarkie eine Lösung? Was im Westen, auch in Indien und China jedoch durch Exportverbote kompensiert werden könnte, wird in Afrika zu Hungersnöten führen und damit letztlich auch zu mehr Migration. Der Klimawandel wird das Seine hinzutun, Parag Khanna hat dies in seinem 2021 erschienenen Buch „Move – Das Zeitalter der Migration“ eindrucksvoll dargestellt. Die Klimakrise ist eine Krise sozialer Ungleichheiten und wenn wir nicht die Chancen der Migration nutzen, werden sich beide Krisen gegenseitig verstärken.

Anders gesagt: die Globalisierung ist nicht tot. Im Gegenteil: wir brauchen sie, aber die Bedingungen müssen neu ausgehandelt werden. Amrita Nariklar, Präsidentin des Institute for Global and Area Studies in Hamburg hat am 13. Mai 2022 in einem Interview für den Berliner Tagesspiegel mehr als deutlich gesagt, dass der Westen gegenüber Indien und anderen Ländern sehr diversifiziert auftreten müsse, einschließlich der Unterstützung dieser Länder bei einer Diversifizierung ihrer Waffeneinkäufe. Das eine hat viel mit dem anderen zu tun. Wer dafür sorgen will, dass Putin mit seinem Angriffskrieg keinen Erfolg hat, muss vor allem die Länder gewinnen, die sich in der UNO bei einer Verurteilung von Putins Angriffskrieg enthalten haben. Die Gefahr: „Die Armen zahlen für die Sanktionen des Westens.“ Aber dies könnte verhindert werden: Kurzfristig sollten die wichtigsten Industriestaaten sicherstellen, dass mehr Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt werden. Viele Länder werden in Versuchung geraten, Exportbeschränkungen zu erlassen, damit die knapp gewordenen Lebensmittel im eigenen Land bleiben. Die G7-Staaten sollten sich verpflichten, das selbst nicht zu machen, und auch an andere zu appellieren, nicht diesen Weg zu gehen, einschließlich Länder der EU.“

Fazit: die Landtagswahlkämpfe kratzten an der Oberfläche. Und vielleicht ist dies auch ein Grund für die dramatisch eingebrochene Wahlbeteiligung in Nordrhein-Westfalen, vielleicht. Und die Klimakrise werden wir nur bewältigen, wenn wir auch die Krise des Sozialen bewältigen, in Deutschland mit einem stets offenen und empathischen Blick auf die Geschehnisse und Entwicklungen in anderen Ländern des Planeten Erde.

Die neuen Texte im Demokratischen Salon:

  • Rubriken Liberale Demokratie, Antisemitismus und Shoah: Mein Gespräch mit der Beteiligungspädagogin und Publizistin Marina Weisband hat den Titel „Demokratie ist kein Luxusgut“. Ich habe das Gespräch mit ihren Zeichnungen illustriert. Sie kam als Sechsjährige aus Kiew nach Deutschland, ihre Muttersprache ist russisch. Die Jüdische Gemeinde erlebte sie zunächst als Russischer Kulturclub, als Siebzehnjährige entdeckte sie das Judentum. In dem Buch „Frag mich doch!“ beantwortet sie gemeinsam mit Eliyah Havemann die Frage, was Judentum für sie bedeutet. Sie beschreibt das Puzzle ihrer Identitäten, die diese verbindende Rolle der Literatur und spricht offen über den immer gefährlicheren Antisemitismus. Ein gepackter Notfallrucksack steht immer bereit. Der Antisemitismus bedroht die freiheitliche Demokratie ebenso wie dies die zunehmende Attraktivität autoritärer Politiker tut, durchaus auch eine Folge davon, dass Politiker*innen dazu neigen, ihre Wähler*innen wie unmündige Kinder zu adressieren. Eine Ausnahme sei Robert Habeck, der mit uns wie mit Erwachsenen kommuniziere. Mehr Beteiligung der Bürger*innen, das bedeute nicht unbedingt mehr direkte Demokratie. Es gibt viele Beteiligungsformen, die je nach Gegenstand und Situation eingesetzt werden können. Marina Weisband schrieb darüber in ihrem Buch „Wir nennen es Politik“. Ein Vorbild ist das von ihr betreute Schulprojekt „aula – Schule gemeinsam gestalten“. Das vollständige Gespräch finden Sie hier.
  • Rubriken Opfer und Täter*innen sowie Weltweite Entwicklungen: Die Bonner Osteuropahistorikerin Katja Makhotina spricht in dem Text „Gewaltgeschichte(n), Gefühle, Geschichtspolitik“ über ihren wissenschaftlichen Weg von St. Petersburg über Karlsruhe und München nach Bonn. Sie habilitiert sich zurzeit mit einer Arbeit über russische Klostergefängnisse im 18. Jahrhundert. In dem Buch „Offene Wunden Osteuropas“ haben sie und ihre Münchner Kollegin Franziska Davies Reisen an Erinnerungsorte an Zweiten Weltkrieg, Shoah und Stalinismus nach Belarus, Polen, Litauen, Russland und in die Ukraine dokumentiert, die die unterschiedlichen Perspektiven der Aufarbeitung von Gewaltgeschichte(n) und ihre Instrumentalisierung in nationalen Geschichtspolitiken erkennbar werden lassen. Sie würdigt die Verdienste von Widerstandskämpfer*innen wie Fania Brancowski und Kämpfer*innen für eine ehrliche Erinnerungskultur wie Juri Dmitriev. Vergleichen bedeutet nicht Gleichsetzung, benannt werden müssen die Unterschiede, beispielsweise zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus. In diesem Zusammenhang sind die Arbeiten von Hannah Arendt, nicht zuletzt „Die Banalität des Bösen“, hochaktuell. Angesichts der Debatten, die uns seit dem 24. Februar 2022 belasten, sprachen wir, unbeschadet der Verantwortung des russischen Präsidenten, auch über die traurige Erosion des Friedensbegriffs. Das vollständige Gespräch finden Sie hier.
  • Chatyn, Foto und Rechte Katja Makhotina

    Rubriken Opfer und Täter*innen sowie Shoah: In dem Essay „Sternenstaub im Wind“ – den Titel entnahm ich einem Gedicht von Lajser Ajchenrand – stelle ich das von den beiden Osteuropahistorikerinnen Katja Makhotina und Franziska Davies geschriebene Buch „Offene Wunden Osteuropas Die Autorinnen dokumentieren ihre Reisen an Orte der Erinnerung an die Shoah, den Zweiten Weltkrieg beziehungsweise Großen Vaterländischen Krieg, an Widerstand und nicht zuletzt an Antisemitismus in Osteuropa. Sie haben mit Zeitzeug*innen gesprochen, Tagebücher und Archive ausgewertet, Friedhöfe und Gedenkstätten besucht. Sie dokumentieren staatliche und diverse aus der Geschichte motivierte Versuche, bestimmte Erinnerungen zu kodifizieren und andere auszuschließen. Welchen Mythen, welchen Legenden, welchen Voids begegnen wir? Was geschah in Leningrad, in Stalingrad, im Wilner Ghetto, in den beiden Warschauer Aufständen, die so oft miteinander verwechselt werden? Die Autorinnen fragen nach dem Sinn von Erinnerung, auch im Kontext der Folgen des 24. Februar 2022. Kann Erinnerung Gerechtigkeit schaffen? Die Lektüre eines Buches ersetzt keine Reise, aber dieses Buch erfüllt alle Bedingungen, Gelesenes zu Erlebtem zu machen. Ich habe den Essay mit Texten von Joseph Roth und Lajser Ajchenrand sowie einem Blick in die Geschichte ihrer Heimatorte Brody und Czernowitz gerahmt und mit Bildern aus den bereisten Regionen illustriert. Den vollständigen Essay finden Sie hier.

  • Rubriken Treibhäuser und Weltweite Entwicklungen: In meinem Essay „Denkmal der Unbekannten“ stelle ich ein Buch vor, das die Literatur von zwei Ländern miteinander vergleicht, die zu vergleichen sicherlich kaum jemandem auf den ersten Blick einfallen dürfte. Es gibt auch wohl nur wenige Menschen, die Polnisch und Farsi gleichermaßen beherrschen. Dies tut Lena F. Schraml, die fünf polnische und vier iranische Romane beziehungsweise Erzählungen analysiert, in denen Kriege eine zentrale Rolle spielen, der Zweite Weltkrieg und der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak. In den Erzählungen entstehen Bilder, Selbstbilder, Widersprüche von Märtyrer- und Heldennarrativen, wie sie über die offiziellen Geschichtspolitiken der Länder propagiert oder auch bekämpft werden. Die Hauptpersonen der persischen Erzählungen sind junge Soldaten, deren Gefühle und Erlebnisse sich durchaus mit denen vergleichen lassen, die Erich Maria Remarque in „Im Westen nichts Neues“ beschrieb. Gibt es so etwas wie soldatische Unschuld? Gibt es Vergangenheit, gibt es Zukunft? In den polnischen Erzählungen dominiert der Widerspruch zwischen dem polnischen Selbstbild des „Christus unter den Völkern“ und dem immer wieder geleugneten Antisemitismus. Den vollständigen Essay finden Sie hier.
  • Rubriken Treibhäuser und Weltweite Entwicklungen: Die aktuelle Debatte um den Krieg in der Ukraine dreht sich immer wieder um das Thema der Lieferungen schwerer Waffen. Meines Erachtens geht es jedoch um viel mehr. In meinem Essay „Ukrainian Standoff – Es geht nicht nur um schwere Waffen“ habe ich versucht, die kontroversen, nicht zuletzt durch die beiden offenen Briefe profilierter Intellektueller diskutierten Positionen zu analysieren. Mich erstaunt, dass mehr über das Instrument gestritten wird als über die Ziele, die mit seinem Einsatz erreicht werden sollen. Und was heißt „Nie wieder“? „Nie wieder Krieg“? „Nie wieder Vernichtung“? „Nie wieder wehrlos“? Eigentlich sollte ein Ziel klar sein: der Rückzug der Truppen Putins aus der Ukraine und die Wiederherstellung ihrer territorialen Integrität. Ohne logistische Unterstützung der Ukraine ist dies jedoch nicht erreichbar. Manche hoffen auf einen Regime Change in Russland. Wäre eine Revolution in Russland zurzeit denkbar? Analysiert man die gegebenen Bedingungen mit den meines Erachtens treffenden Kriterien Lenins, kann die Antwort nur lauten: nein. Die Situation ähnelt eher einem Mexican Standoff, aus dem sich ein Ukrainian Standoff entwickeln könnte, ein Kalter Krieg, ein fauler Frieden, möglicherweise eine Koreanisierung des Konflikts. Den vollständigen Essay finden Sie hier.

Veranstaltungen mit Beteiligung des Demokratischen Salons:

  • Kinderrechte und Ganztagsbildung: Am 31. Mai 2022, 19 – 21 Uhr, bieten das Netzwerk Kinderrechte, UNICEF, Education Y und der Demokratische Salon: die digitale Informationsveranstaltung „Kinderrechte in der Ganztagsbildung – Wie Kinder ihre OGS gestalten – neue Chancen mit dem Rechtsanspruch“ an. Sie schließt an die erfolgreiche Veranstaltung zum Rechtsanspruch vom 2. November 2021 an. Thema ist die Beteiligung der Kinder an Konzeption und Umsetzung im Sinne der Forderung des 15. Kinder- und Jugendberichts nach einer kinder- und jugendorientierten Ganztagsbildung. Zugesagt haben Ulrich Deinet, Hochschule Düsseldorf, Lisa Stroetmann, Koordinatorin des Netzwerks der Kinderrechteschulen in Nordrhein-Westfalen, Gerd Landsberg, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Anne Lütkes, Vorsitzende des Vereins Kinderfreundliche Kommune und Boris Preuß, Abteilungsdirektor in der Bezirksregierung Köln. Vorgestellt werden Praxisbeispiele. Zu Programm und Anmeldung geht es hier. Ergänzend empfehle ich einen Blick auf die Seite des Instituts für Soziale Arbeit und dessen Projekt „Auf dem Weg zur jugendorientierten Ganztagsbildung“.
  • Bonner Forum für Demokratie: Am 13. Juni 2022, 18.30 Uhr diskutiere ich mit Katrin Uhlig MdB, Gerd Landsberg, Städte- und Gemeindebund, Daniel Weber Gustav-Stresemann-Institut, der Bonner Osteuropahistorikerin Katja Makhotina und zwei jungen Vertreter*innen der Generation Z über die Konsequenzen der vom Bundeskanzler ausgerufenen Zeitenwende. Thema der Veranstaltung: „Zeitenwende – Der Ukrainekrieg, die Demokratie, der Wohlstand und die Kommunen“. Wir werden drei Perspektiven diskutieren: Wohlstand und Kommunen in Zeiten von Klimakrise und Krieg, Demokratie und weltweite Verpflichtungen, Zukunftsfragen, nicht nur im Hinblick auf Waffenlieferungen, Friedensperspektiven, Klima- und Artenschutz, sondern auch im Hinblick auf die historisch-politische Bildung. Weitere Informationen und Anmeldeformular finden Sie hier.
  • Buchvorstellung „Offene Wunden Osteuropas: Das Buch „Offene Wunden Osteuropas – Reise zu Erinnerungsorten des Zweiten Weltkriegs“ von Franziska Davies und Katja Makhotina erschien am 28. April 2022, dem diesjährigen Yom HaShoah (Holocaust Remembrance Day), bei wbg Theiss in Darmstadt. Eine Buchvorstellung mit den beiden Autorinnen findet am 4. Juli 2022 um 18 Uhr im Gustav-Stresemann-Institut Bonn (GSI) statt, die ich moderieren werde. In neun Kapiteln werden Erinnerungsorte und sich erinnernde Menschen vorgestellt, von denen wir in Deutschland viel zu wenig wissen. Näheres zum Buch in meinem Essay „Sternenstaub im Wind“. Die Veranstaltung ist eine gemeinsame Veranstaltung von GSI, Verein Wissenskulturen, Theatergemeinde Bonn, Verein Für Demokratie – Gegen Vergessen und Demokratischem Salon, sie wird von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert, Bücher Bartz aus Bonn-Beuel organisiert einen Büchertisch, an dem Interessierte sich das Buch signieren lassen können. Weitere Informationen und Anmeldeformular finden Sie hier. Lesenswert auch ein Text von Franziska Davies im Merkur-Blog mit dem Titel „Deutschland, die Ukraine, Russland und das Erbe des Deutschen Kolonialismus in Osteuropa“.

Veranstaltungen im Rückblick:

  • Kollateralschäden in der Willkommenskultur? Dies war der Titel einer digitalen Veranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen am April 2022, die ich moderiert habe. Meine Gesprächspartner*innen waren Sergej Prokopkin, Neue Deutsche Medienmacher, Anastasia A. Tikhomirova, Journalistin, Moderatorin und Redakteurin u.a. für taz, ZEIT-online und Jungle World sowie Olga Rosow, Leiterin der Sozialabteilung der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Sie können die Veranstaltung auf youtube nachverfolgen. Die Landeszentrale bietet auf ihrer Internetseite Hintergrundmaterial.
  • Ökologische Kinderrechte und BNE: Am April 2022 moderierte ich ein Podiumsgespräch im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung von UNICEF, Education Y, dem Netzwerk Kinderrechtsbildung, der DASA Arbeitswelt Ausstellung und dem Ministerium für Schule und Bildung NRW. Es ging um die Frage, wie sich die in der UN-Kinderrechtskonvention verbrieften Kinderrechte und die Sustainable Development Goals (SDG) zueinander verhalten. Die Veranstaltung wird dokumentiert. Ich informiere, sobald die Dokumentation vorliegt.
  • Ungarn: Am 6. Mai 2022 fand im Instituto Cervantes (ehemaliges Amerika-Haus) in Frankfurt am Main eine Veranstaltung der Margit-Horváth-Stiftung zum Thema „Das Ungarn Orbáns – eine putinaffine Autokratie in der EU?“ Anlass war das Buch „Das System Orbán“ von György Dalos, erschienen im C.H. Beck-Verlag. Die Veranstaltung ist auf dem youtube-Kanal der Heinrich Böll Stiftung Hessen dokumentiert. Für den Hinweis danke ich dem Verein Für Demokratie – Gegen Vergessen, Regionale Arbeitsgruppe Rhein-Main.

Weitere Veranstaltungen, Ausstellungen und Wettbewerbe:

  • Transitional Justice: Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur führt am Mai 2022 um 18:00 Uhr die Abschlusstagung ihrer Reihe durch. In zehn Veranstaltungen wurden die unterschiedlichen Formen und Aspekte gesellschaftlicher und rechtlicher Aufarbeitungsprozesse nach Krieg, Gewaltherrschaft und Diktatur vorgestellt. Die Veranstaltungen werden alle von Tamina Kutscher, der Chefredakteurin von dekoder.org, moderiert. Teilnehmer*innen der Abschlussveranstaltung sind Thomas Hacker MdB, Anna Kaminsky, Bundesstiftung Aufarbeitung, Anja Mihr, DAAD Bischkek (Kirgistan) und Ralf Wüstenberg, Europa-Universität Flensburg. Die Veranstaltung kann im livestream verfolgt werden. Präsenz ist möglich, zur Anmeldung geht es hier. Die bisherigen neun Veranstaltungen sind auf der Seite der Bundesstiftung Aufarbeitung verfügbar.
  • Jahrestagung der Initiative Kulturelle Integration: Die fünfte Jahrestagung findet am Juni 2022 in Berlin statt, Thema: „Zusammenhalt gegen Rassismus“. Gäste sind u.a. der Sozialwissenschaftler Aladin El-Mafaalani, die Kulturwissenschaftlerin und Autorin Mithu M. Sanyal, die Staatsministerinnen Reem Alabali-Radovan und Claudia Roth. Vertiefende Workshops befassen sich mit Rassismus und (Aus-)Bildung, Alltagsrassismus, sowie Rassismus in den sozialen Medien und in der Kultur. Das Programm finden Sie hier, Anmeldung ist erforderlich.
  • Wettbewerb „L’Chaim: Schreib zum jüdischen Leben in Deutschland!“: Diesen bundesweiten Wettbewerb haben Kulturstaatsministerin Claudia Roth, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus Felix Klein, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster sowie Olaf Zimmermann als Sprecher der Initiative kulturelle Integration ausgelobt. Der Schreibwettbewerb läuft bis zum Juni 2022. Es stehen Preisgelder in Höhe von 12.500 Euro zur Verfügung, der erste Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Die feierliche Prämierung findet am 6. Oktober 2022 in Berlin statt. Weitere Informationen finden Sie hier.
  • Fachgespräch Christlicher und islamisierter Antisemitismus: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K + R) und die Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) führen am Juni 2022 von 14 – 18.30 Uhr in Berlin ein Fachgespräch durch. Akteur*innen sind Klaus Holz, Generalsekretär der Ev. Akademien in Deutschland, Christian Staffa, Antisemitismusbeauftragter der EKD und Désirée Galert, Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus. Thema sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Formen des religiös begründeten Antisemitismus und die Frage des Einflusses des christlichen Antijudaismus auf islamisierte Formen des Antisemitismus. Anmeldung ist erbeten.
  • © Maks Levin 2022, Museum Zentrum für verfolgte Künste

    Kriegsbilder: Das Museum Zentrum für verfolgte Künste in Solingen zeigt bis zum 26. Juni 2022 die Ausstellung „Deadlines – Kriegsbilder des ukrainischen Fotojournalisten Maks Levin (1981-2022)“. Die Ausstellung wurde von Nataliia Volianikuk, Journalistin, Direktorin der Regionalen Berichterstattung PBC, Kiew, mit Unterstützung von Olena Tanchynets, Direktorin des Kultur- und Bildungszentrums „TepLytsia“ in Brovary bei Kiew und des Teams des Zentrums für verfolgte Künste kuratiert. Der Fotojournalist Maks Levin hat den Krieg in der Ukraine seit acht Jahren dokumentiert. Er wurde am 1. April 2022 in der Nähe des Dorfes Guta Mezhyhirska nördlich von Kiew erschossen aufgefunden.

  • Kindgerechte Justiz: Das Deutsche Kinderhilfswerk lädt am 29. Juni 2022 von 9:30 bis 16:00 Uhr ein zu einem digitalen Fachtag der Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes und der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte Dabei sollen u.a. die Ergebnisse des gemeinsamen Pilotprojektes „Kinderrechtsbasierte Kriterien im familiengerichtlichen Verfahren“ vorgestellt werden, die auch in den Praxisleitfaden zur Anwendung kindgerechter Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren des Nationalen Rates gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen einfließen. Es geht um Handlungsstrategien für einen verbesserten Zugang von Kindern zum Recht. Weitere Informationen können Sie per Mail anfordern.
  • African Book Festival: Vom 26. bis zum 28. August bietet das Festival zahlreiche Debatten und Einblicke in die zeitgenössische Literatur des afrikanischen Kontinents. In Berlin treffen sich afrikanische und afroeuropäische Autor*innen. Kurator ist der südafrikanische Autor Lidudumalingani, dessen Ideen, Visionen und Arbeiten Sie in einem Gespräch mit Alexandra Antwi-Boasiako erleben können. Das diesjährige Thema „Yesterday. Today. Tomorrow“. Informationen über die Teilnehmer*innen finden Sie hier, darunter ist auch Margaret Busby, Herausgeberin der Anthologien „Daughters of Africa“ (1992) und „New Daughters of Africa“ (2019). Weitere Informationen und Anmeldung finden Sie hier.

Kurznachrichten und weitere Empfehlungen:

  • Afrohaare: Zu den vielen Unannehmlichkeiten, denen Schwarze Menschen im Alltag begegnen, gehören Kommentare weißer Menschen zu ihren Haaren. Ciani-Sophia Hoeder schrieb darüber in ihrem Essay „Afrohaare als Politikum – Es ist an der Zeit, Schönheit neu zu denken“, der im Berliner Tagesspiegel erschien. Die Autorin ist Gründerin des RosaMag, des ersten Online-Magazins für Schwarze Frauen im deutschsprachigen Raum. In ihrem Essay zitiert sie Chimamanda Ngozi Adichie, die die These wagte, Michelle Obama wäre nie ins Weiße Haus gekommen, hätten sie ihre Afro-Haare nicht geglättet. Nach wie vor werden Frisuren Schwarzer Frauen politisiert. „Schönheitspolitik war schon im Zuge der Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents ein Instrument, um die weiße Vorherrschaft zu etablieren.“
  • Sahel: Wer den Reisebericht „Wer sind die Blauen Männer“ von Beate Blatz in der letzten Ausgabe des Demokratischen Salons gelesen hat, interessiert sich vielleicht auch für den in der Frühjahrsausgabe 2022 von Lettre international erschienenen Bericht „Den Sahel vermessen – Eine Reise hinter vermeintliche Horizonte reiner Gewalt“ von Rahmane Idrissa. Der Autor bietet einen Überblick über mehrere Jahrhunderte sowie eine Analyse aktueller Konflikte, in denen französische, deutsche und russische Interventionen eine bedeutende Rolle spielen. Karten geben einen Einblick in diese geopolitisch umstrittene, aber wenig bekannte Region.
  • Russische Kriegspropaganda: In der Süddeutschen Zeitung veröffentlichte Silke Bigalke die Reportage „Verordnete Liebe zum Vaterland“. Der 28jährige Geographielehrer Kamran Manafly wurde entlassen, weil er seinen Schüler*innen nicht die staatlich verfügten Antworten gab, sondern sagte: „Was muss in euren Köpfen vorgehen, damit ihr eine Maschinenpistole in die Hände nehmt und Menschen töten geht?“ Er lebt jetzt in den USA. Das Moskauer Bildungsministerium – es heißt übersetzt „Aufklärungsministerium“ – gibt über das Internet und in Broschüren Musterantworten vor, von denen nicht abgewichen werden darf. Kinder stellen sich für Fotos in Z-Formation auf, singen patriotische Lieder, hissen die russische Flagge. Kamran Manafly ist nicht der einzige Lehrer, dem gekündigt wurde.
  • Arina Nâberezhneva, Target Artist. Das Bild wurde mir freundlicherweise von der Künstlerin und Ekaterina Makhotina, Universität Bonn, zur Verfügung gestellt. Die Rechte liegen bei der Künstlerin.

    Ein Krieg um Geschichte: In seinem in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Essay „Das Gedächtnis des Krieges“ skizziert Dan Diner die Geschichte der Ukraine im Gedächtnis der dort in der Vergangenheit und heute lebenden Menschen. In Städtenamen finden sich griechische Anklänge, in Odessa – die Stadt wurde nach Odysseus benannt – gab es nicht nur immer eine bedeutende jüdische Gemeinde, sondern auch den ersten Pogrom. Immer wieder wechselten die Menschen nach diversen Kriegen ihre Staatsbürgerschaft. Dan Diner verweist auf das literarische Echo der wechselnden Zeiten in den Werken von Isaac Babel, Adam Mickiewicz, Alfred Tennyson, Lew Tolstoi. Ein Thema ist auch die schleichende Vereinnahmung des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg durch die Russische Föderation. Der aktuelle Krieg erhält für die Ukraine „die Bedeutung eines Gründungsereignisses“. Allerdings zeichnet sich auch die Gefahr ab, dass in diesem Kontext russische Traditionen ausgegrenzt werden. Geschichtsrevision hat mehrere Seiten.

  • Sexismus und Rassismus: Die Kulturwissenschaftlerin und ZEIT-Autorin Anastasia Tikhomirova veröffentlichte am 3. Mai 2022 ihren Artikel: „Ich streichle keine deutschen Egos mehr“. Die Autorin ist Alumna des Marion-Gräfin-Dönhoff-Journalistenstipendiums der Internationalen Journalisten Programme 2021, im Rahmen dessen sie bei der Novaya Gazeta in Moskau hospitierte. Sie schreibt über die Verknüpfung sexistischer und antislawistisch-rassistischer Diskriminierung und Übergriffe. Sie beschreibt ihre eigenen Erfahrungen in Deutschland sowie die zurzeit an deutschen Bahnhöfen und in diversen Medien virulente Sexualisierung geflüchteter Frauen aus Russland und aus der Ukraine. Ihr Fazit: „Es wird Zeit, dass der historisch gewachsene und so lange unsichtbar gebliebene Antislawismus von Schulbüchern und Antidiskriminierungsstellen aufgegriffen wird. Es bedarf Forschung, Meldestellen, mehr Sensibilität für Betroffene und einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit einem so lange nicht beachteten Phänomen, das die größte Migrantinnengruppe in Deutschland betrifft.“ Im Demokratischen Salon: wird demnächst ein Interview mit Anastasia Tikhomirova veröffentlicht.
  • Diskriminierung Geflüchteter: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und das DIW Berlin warnen in einer Studie vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft unter Geflüchteten. Ukrainische Geflüchtete haben von Anfang an, anders als beispielsweise syrische und afghanische, das Recht zu arbeiten und erhalten ab Juni 2022 die höhere Grundsicherung statt der Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Eine Zusammenfassung bietet Andrea Dernbach im Berliner Tagesspiegel. Die Presseerklärung der Institute finden Sie hier.
  • Kindgerechte Medien zum Krieg in der Ukraine: Die schockierenden Bilder und Berichte zum Krieg in der Ukraine sowie Falschmeldungen führen auch bei Kindern zu vielen Fragen und Ängsten. Wie könnten Eltern und Pädagog*innen mit Kindern darüber sprechen? Und wo finden sie Nachrichten, die die Situation kindgerecht erklären? Tipps zum Umgang mit den aktuellen Nachrichten und kindgerechte Medien zum Krieg in der Ukraine finden sich auf der Website des LVR-Zentrums für Medien und Bildung. Weitere Hintergrundinformationen und Unterrichtsmaterialien zum Krieg in der Ukraine bietet die Bildungsmediathek NRW.
  • Was macht der Krieg mit uns? Welche psychologischen Folgen hat die dauernde Präsenz des Krieges in der Ukraine auf uns? Diese Frage diskutierte Ulrike Bieritz mit der in Lwiw geborenen und in Israel aufgewachsenen Psychologin Marina Chernivsky. Marina Chernivsky leitet die auf Antisemitismus spezialisierte Fachberatungsstelle OFEK e.V. und arbeitet mit Menschenrechtsorganisationen in der Ukraine zusammen. Der aktuelle Krieg sei nicht der erste Krieg der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, auch wenn manche diesen Eindruck vermitteln, aber die Kriegssprache ist zurückgekehrt, auch mit vielen Begriffen und Kontexten, die den Zweiten Weltkrieg erinnern. Wir alle müssen uns fragen, wie wir mit der Präsenz des Kriegs umgehen. Es gibt keine allgemein gültigen Rezepte. Thema des Gesprächs war auch die hohe Aufnahmebereitschaft für ukrainische Geflüchtete in den jüdischen Gemeinden. Das Gespräch, das bei RBB 24 info gesendet wurde, finden Sie hier.
  • Anna Politkowskaja und Anna Altschuk: Die russische Journalistin Anna Politkowskaja wurde am 7. Oktober 2006 ermordet. Der Mord wurde bis heute nicht aufgeklärt. Michail Ryklin erinnerte in einem von Caroline Fetscher geführten Interview im Berliner Tagesspiegel an sie. Sein Fazit gilt auch 16 Jahre später: „Keiner ist mehr sicher“. Er spricht von einem „Paradigmenwechsel“. Sie hatte Namen von korrupten Funktionären und Folterern im Zweiten Tschetschenienkrieg genannt. Putin nannte sie eine Journalistin „mit extremen Ansichten“. Michail Ryklin erinnert an Gerhard Schröders Wort vom „lupenreinen Demokraten“, lobt aber auch Angela Merkel, die „den Mord bei ihrem Dresdner Treffen mit Putin immerhin zum Thema gemacht und Ermittlungen gefordert hat.“ Fortsetzungen folgten. Michail Ryklins Frau Anna Altschuk stand in Moskau wegen der 2003 gezeigten Ausstellung „Achtung Religion!“ aufgrund einer Anzeige der russisch-orthodoxen Kirche wegen „Verletzung religiöser Gefühle“ vor Gericht. Beide emigrierten nach Deutschland. Anna Altschuk verschwand am 21. April 2008, ihre Leiche wurde nach wenigen Wochen in der Spree gefunden. Ihr Mann geht von Selbstmord aus, weil sie den fortwährenden Druck nicht mehr aushielt.
  • Ein antisemitischer Krieg: Im Missy Magazine schrieb Debora Antmann, warum Putins Krieg auch ein antisemitischer Krieg ist: Es sei kein Zufall, „dass Putin ausgerechnet der Ukraine vorwirft, ein Land zu sein, das entnazifiziert werden müsse. Tatsächlich ist diese Form der Umkehr sogar ein klassisches antisemitisches Motiv. Dass Putin eine globale Bedrohung zu einem Land konstruiert, das eine starke jüdische Vertretung in der Regierung hat und diese dann auch noch als die eigentlichen Faschist*innen in seiner Kriegspropaganda ausmacht, zeigt, wie stark die antisemitische Narration der russischen Invasion ist.“ Debora Antmann schreibt jedoch auch über Lebenslügen in Deutschland, zu denen die Ignoranz und Empathielosigkeit deutscher Politiker*innen und Behörden gegenüber der Altersarmut vieler jüdischer eingewanderter Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion gehört. Den vollständigen Essay finden Sie hier.
  • Tödliche Schüsse: Am 11. Mai 1952 wurde in Essen der Jungkommunist Philipp Müller bei einer illegalen Demonstration in Essen von der Polizei erschossen. In seiner Person lassen sich die Geschichte des Kalten Kriegs und die geteilte Erinnerungskultur im vereinten Deutschland darstellen. Ulrich Mählert hat mit dem Leipziger Historiker Alfons Kenkmann über dessen Forschungen zu Philipp Müller gesprochen. Das vollständige Gespräch finden Sie hier.
  • Verfassungsschutz: Am 26. April 2022 kommentierte Konstantin von Notz, stv. Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen im Deutschen Bundestag, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. eingereichten Klage gegen das Bayerische Verfassungsschutzgesetz: Das Gericht zeigt in etlichen Punkten klar die verfassungsrechtlichen Grenzen für Befugnisse von Verfassungsschutzbehörden auf, auf die wir gemeinsam mit einer sehr engagierten Zivilgesellschaft seit vielen Jahren kritisch hingewiesen und deren Überschreitungen wir auch selbst immer wieder mit entsprechenden Klagen nach Karlsruhe getragen haben. Die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie beweist sich in ihrer Rechtsstaatlichkeit, die auch den Behörden notwendige Rechtssicherheit bietet.“

(Alle Zugriffe im Internet erfolgten zuletzt zwischen dem 8. und 16. Mai 2022).

Ich wünsche allen meinen Leser*innen viel Gewinn beim Lesen und Nachdenken! Mein herzlicher Dank gilt all denen, die mich auf die ein oder andere der oben genannten Empfehlungen hingewiesen haben oder mich durch Anregungen, Gespräche, Korrekturen so diskussionsfreudig unterstützen. Ich würde mich freuen, wenn diejenigen, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, dort auf den Demokratischen Salon: hinweisen.

In etwa vier Wochen melde ich mich wieder.

Ich grüße Sie / euch alle herzlich.

Ihr / Euer Norbert Reichel

P.S.: Sollte jemand an weiteren Sendungen meines Newsletters nicht interessiert sein, bitte ich um Nachricht an info@demokratischer-salon.de. Willkommen sind unter dieser Adresse natürlich auch wertschätzende und / oder kritische Kommentare und / oder sonstige Anregungen.