The Road to Climate Dystopia?
Warum wir Kim Stanley Robinson lesen sollten!
„Dein Plan, meine DC-Trilogie zu übersetzen, gefällt mir sehr gut und ich schätze ihn sehr. Jetzt scheint die Erzählung aktueller denn je. Denk daran, dass am Anfang ein Klimaleugner Präsident ist, und dann erzählt das Buch die Geschichte der Progressiven, die wieder auferstehen. Wir brauchen diese Geschichte jetzt.“ (Kim Stanley Robinson in einer privaten E-Mail an Fritz Heidorn am Tag nach den Präsidentschaftswahlen in den USA)
Der amerikanische Präsident Donald Trump war in seiner ersten Wahlperiode als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 2017 bis 2021 aus dem Pariser Klimaabkommen vom 12. Dezember 2015 ausgetreten. Der 46. Präsident der USA, Joe Biden, trat wieder ein – und jetzt steht mit der erneuten Wahl von Donald Trump als 47. Präsident der USA für die Jahre 2025 bis 2028 ein wiederholter Ausstieg der USA aus allen Klimaschutzverpflichten bevor.
Den Verstand verlieren …
Trump hat als erste politische Absichtserklärung bereits am 11. November 2024 verkündet, sofort aus dem Klimaabkommen von Paris auszusteigen und die Erdöl- und Gasförderung in den USA zu erhöhen. Auf der Weltklimakonferenz COP29 in Baku, Aserbaidschan, sagt der amtierende Klimachef der US-Regierung John Podesta, dass der nächste US-Präsident eine scharfe Kehrtwende beim Klimaschutz einleiten werde. Trump sei ein Klimawandel-Leugner, aber die Klimakrise sei Realität und „eine Frage von Leben und Tod“.
Was tun? Was kann man tun, um nicht den Verstand zu verlieren und alle Hoffnung fahren zu lassen, wenn man zu der großen Gruppe von Menschen gehört, die den unwiderlegbaren wissenschaftlichen Beweisen glauben, dass der anthropogene Klimawandel kaum noch aufzuhalten ist? Worauf kann der Mensch seine Energie richten, um auch zukünftig weiter aktiv zu bleiben in Fragen von Verhinderung des Schlimmsten und Anpassung an das Notwendige im Klimawandel, der uns noch Jahrtausende mit zunehmender globaler Brutalität behelligen wird?
Die Antwort ist leider nicht einfach zu geben. Es gibt keine Patentrezepte und sicherlich ganz verschiedene Vorschläge für die unterschiedlichen Menschengruppen, politischen Strömungen und kulturellen Befindlichkeiten. Eines aber ist sicher: Hoffnung und Zuversicht sind das, was uns alle motiviert, weiterzumachen. Hoffnung ist eine individuelle Zustandsbeschreibung des Menschen für eine positive Sicht auf die Zukunft, deren Gestaltung in seinen oder ihren Händen liegt. Wir können die Zukunft positiv gestalten, wenn wir wollen!
… oder sollten wir uns auf unsere Hoffnungen verlassen?
Hoffnung ist der zentrale Begriff für das Verstehen von Handlungsfähigkeit und Gestaltungswillen. Jane Goodall, die große Primatenforscherin, sagt dazu: „Hoffnung verleiht uns die Fähigkeit, trotz aller Widrigkeiten weiterzumachen. Sie ist der Wunsch, dass etwas geschehen mag, aber wir müssen hart kämpfen, damit dieser Wunsch in Erfüllung geht.“ (Jane Goodall, Douglas Abrams, Das Buch der Hoffnung, München, Goldmann, 2021, englische Ausgabe: The Book of Hope).
Der Philologe Jonas Grethlein hat die Kulturgeschichte des Begriffs Hoffnung erforscht und in einem klugen Buch beschrieben (Jonas Grethlein, Hoffnung – Eine Geschichte der Zuversicht von Homer bis zum Klimawandel, München, C.H. Beck, 2024). Er versteht „Hoffnung als ein in der Zukunftsoffenheit des Menschen begründetes Weltverhältnis“.
Dieses Weltverhältnis von Zukunftsoffenheit müssen wir uns bewahren!
Kim Stanley Robinsons Trilogie „ Science in the Capital”
Kim Stanley Robinson hat bereits zum Anfang des Jahrtausendwechsels eine zukunftsweisende Trilogie über die gesellschaftlichen und politischen Prozesse über Klimapolitik in den USA geschrieben und diese in den Jahren 2004 bis 2007 veröffentlicht. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern. Bitte lesen Sie und ziehen Sie daraus Ihre eigenen Schlüsse!
Kim Stanley Robinson hat sich mit seinem Klimawandel-Bestseller „Das Ministerium für die Zukunft“ (2021) nicht zum ersten Mal zum Thema Klimawandel und seinen politischen Implikationen geäußert. Seine erste Erzählung dazu ist „Venice Drowned“ (1981, deutsche Übersetzung in: Fritz Heidorn / Kim Stanley Robinson, Kim Stanley Robinson – Erzähler des Klimawandels, Berlin, Hirnkost, 2022) und dann folgt mit der „Science-in-the-Capital“-Trilogie in den Jahren 2004 bis 2007 sein erstes umfangreiches Werk, das im November 2024 mit der erneuten Wahl von Donald Trump für die Wahlperiode 2025 bis 2028 eine geradezu prophetische Wirkung entfaltet. Die Trilogie besteht aus folgenden Titeln: „Forty Signs of Rain“ (2004), „Fifty Degrees Below” (2005), „Sixty Days and Counting” (2007). Es gibt eine gekürzte Fassung unter dem Titel „Green Earth“ (2015).
Manche Handlungsstränge der Trilogie erscheinen geradezu prophetisch. Der erste Teil beginnt mit einem Präsidenten, der den Klimawandel leugnet, einer Gruppe von Wissenschaftlern, die für die National Science Foundation oder im Feld der Bioinformatik arbeiten und die die Folgen des kommenden Klimawandels verdeutlichen wollen sowie einer Gruppe buddhistischer Mönche der Insel-Nation Khembalung, die das Konfliktfeld Wissenschaft-Glaube-Hoffnung symbolisieren. Es geht um Themen wie Mitigation und Adaptation an den Klimawandel, um den Golfstrom und um eine Geheimdienstaffäre zur totalen elektronischen Überwachung. Schließlich zieht mit Phil Chase ein neuer Präsident in das Weiße Haus ein, der den Klimawandel anerkennt. Ein Stück Hoffnung in schwierigen Zeiten.
Im Band „Sixty Days and Counting“ (2007) führt der Autor diesen neu gewählten Präsidenten der USA in die Erzählung ein, der das Problem des anthropogenen Klimawandels anerkennt und die National Science Foundation anweist, globale technische Lösungen umzusetzen, die dem Modell des „Global Engineering“ folgen. Am Ende wird deutlich, dass es nicht eine Lösung gibt, sondern dass viele Lösungen, die alle ihren eigenen und berechtigten Stellenwert haben und die in persönliche, kulturelle, wissenschaftlich-technische und politische Entwicklungen eingebunden sind.
In einem Interview mit der Literaturzeitschrift Locus („Chop wood, carry water“, in: LOCUS 58/4. April 2007) äußerte sich Robinson folgendermaßen über Science Fiction und seine „Science-in-the-Capital“ Trilogie:
- „Ich habe immer geglaubt, dass Science-Fiction die beste Art ist, das moderne amerikanische Leben auszudrücken, weil sich alles so schnell ändert und wir uns in einer gigantischen Technoumgebung befinden, der wir niemals entkommen können. Im Grunde leben wir in einem Science-Fiction-Roman – einer dieser riesigen kollaborativen Monstrositäten – und das ist heute die Geschichte. (…)
- Science-Fiction bietet den Menschen eine Reihe von Szenarien, die sie zu einem gigantischen Gruppenerlebnis zusammenfügen können, das durch die Kultur geteilt wird. (…)
- Ich habe versucht, das, was wir alle bereits wissen, in eine Geschichte dessen zu packen, was als nächstes passieren wird – das ist eigentlich nur die Standardarbeit beim Schreiben von Science-Fiction-Romanen. (…)
- Mein Buch handelt von der globalen Erwärmung und was wir dagegen tun können. Es ist eine Mischung aus Science-Fiction und modernem Realismus, die zusammen „Science in the Capital“ heißt. (…)
- Aber wenn der Klimawandel schlimmer wird und die Auswirkungen wirklich schlimm werden, denke ich, dass die Menschen anfangen werden, große Dinge zu erwägen, um ihn abzumildern. Die Wahrheit ist, wir haben die Erde bereits verändert, nur haben wir sie aus Versehen und aus Unwissenheit verändert, und alle Auswirkungen waren negativ. (…)
- Ein rascher kultureller Wandel ist offensichtlich durchaus möglich – wir haben ihn schon einmal erlebt –, also ist der Versuch, zu vergessen, dass er passieren kann, ein Teil des Machtkampfes, der derzeit stattfindet.“
Dringend benötigt: eine deutsche Übersetzung!
Leider gibt es noch keine deutsche Übersetzung dieser anspruchsvollen und jetzt, im November 2024, leider die Wirklichkeit treffend beschreibenden Romantrilogie von Kim Stanley Robinson. Dabei könnten wir seine Erzählungen als Hoffnungsträger und Mutmacher wirklich gut gebrauchen. Robinsons „Science-in-the-Capital“ Trilogie ist ein Weckruf fürs Handeln und eine politische Utopie des Machbaren, auch und gerade in dunklen Zeiten.
Fritz Heidorn, Oldenburg
(Anmerkungen: Erstveröffentlichung im November 2024, Internetzugriffe am 23. November 2024. Titelbild: Gletscher und Eisberge am Cape York, Australien, Foto: Brocken Inaglory, Wikimedia Commons.)