60 Jahre Jugendhilfe – ein Jubiläum

Portrait des Kölner Trägers Netzwerk e.V.

„Ziel von Netzwerk e.V. ist es, gemeinsam verantwortungsvoll zu handeln und zukunftsfähige Entscheidungen im Sinne der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) zu treffen. Im Arbeitskontext von Netzwerk e.V. bedeutet das konkret, dass sowohl in der schulischen als auch in der außerschulischen Bildung – von der Kita über die Primarstufe bis hin zum Übergang Schule-Beruf – die Vermittlung und der Erwerb notwendiger Kenntnisse und Qualifikationen zur Umsetzung einer nachhaltigen Lebensweise ihren festen Platz haben. Bei der ganzheitlichen Kompetenzentwicklung stehen die Handlungsfelder der Zukunft, wie z.B. Bildung, Klimawandel, Landwirtschaft, Konsum, Lebensstile und soziale Gerechtigkeit, im Mittelpunkt unseres Handelns.“ (Die Ziele von Netzwerk e.V. laut eigenem Internetauftritt)

Der Kölner Jugendhilfeträger Netzwerk e.V. – Soziale Dienste und Ökologische Bildung, kurz: Netzwerk e.V. feierte im August 2023 sein 20-jähriges Bestehen. Im Jahr 2003 ist der Verein durch die Verschmelzung zweier Jugendhilfeträger entstanden. Netzwerk e.V. ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe gemäß § 75 SGB VIII und führt an mehr als dreißig Standorten in Köln, Rösrath und Mönchengladbach vielfältige Angebote zur Pädagogik und Bildung im Kindes- und Jugendalter durch.

Das 20-jährige Jubiläum von Netzwerk e.V. bietet den Anlass, das Engagement und die (Um-)Wege, die die handelnden Personen in den vergangenen Jahrzehnten gegangen sind, in diesem kurzen historischen Rückblick zu würdigen. Auf der Startseite seines Internetauftritts fasst Netzwerk e.V. die Kernaussagen seines Leitbilds zusammen:

  • Durch überlegtes Handeln erhalten wir unsere Lebensgrundlagen und vermitteln dieses Ziel in unseren Einrichtungen und Projekten.
  • Alle Kinder, Jugendlichen und ihre Familien, alle Mitarbeiter*innen sind Teil von Netzwerk e.V. und erfahren Wertschätzung. Die Kinder und Jugendlichen in unseren Einrichtungen können mitgestalten und erfahren persönliche Entwicklungsmöglichkeiten. Dabei liegen die Stärken jedes einzelnen im Mittelpunkt.
  • Wir setzen die zur Verfügung stehenden Mittel bewusst und sorgfältig ein.

Die Ökumenische Förderergemeinschaft für soziale Dienste e.V.

Niederschrift zur Gründung der Förderergemeinschaft

Die Geschichte von Netzwerk e.V. beginnt bereits mit der Gründung der beiden Vorgängervereine – die Ökumenische Förderergemeinschaft für soziale Dienste e.V. im Jahr 1960 und Natur & Kultur – Institut für Ökologische Forschung und Bildung e.V. im Jahr 1991. Der Verein wurde im Jahr 1960 als Förderergemeinschaft „Kinder in Not“ gegründet und 1961 und unter diesem Namen in das Vereinsregister des Amtsgerichts Düsseldorf eingetragen. Nach verschiedenen Namens- und Satzungsänderungen in den Jahren 1976 und zuletzt 1991 entstand schließlich die Ökumenische Förderergemeinschaft für soziale Dienste e.V. (kurz: ÖFG). Geschichte und Vorgeschichte zeigen exemplarisch, wie sich die Kinder- und Jugendhilfe in den vergangenen 75 Jahren in (West)-Deutschland entwickelte.

Den Anstoß zur Gründung des Vereins gab der junge Schaufensterdekorateur Johannes Wasmuth. Er prägte die ersten Aufbaujahre, während die strukturelle Weiterentwicklung bis hin zur Etablierung von noch heute bestehenden Einrichtungen von Netzwerk e.V. ohne den späteren Geschäftsführer, Pfarrer Wolfgang Kelm, nicht denkbar gewesen wäre.

Ausgangspunkt für die Gründung war die prekäre Situation obdachloser Kinder im Raum Düsseldorf und Neuss gegen Ende der 1950er Jahre. Johannes Wasmuth war Ende der 1950er Jahre zuerst in Neuss auf obdachlose Kinder gestoßen, die ihm beim Dekorieren zuschauten. Er kam mit ihnen ins Gespräch und erfuhr von ihren Lebensverhältnissen in einem Obdachlosenlager in der Nähe eines Bahngeländes. Hier fristeten die Kinder mit ihren Familien nach den Berichten der Kinder ein erbarmungswürdiges Dasein. Wasmuth unterstützte diese Kinder zusammen mit weiteren Helfer:innen bei ihren Hausaufgaben. Durch seine Aktivitäten wurde öffentlich wahrgenommen, dass Armut und Chancenlosigkeit für viele Menschen auch in einer reichen Stadt wie Düsseldorf den Alltag bestimmte.

Um den Familien zu helfen, wollte Johannes Wasmuth Ziel auf dem Bahngelände in der Nähe einer Obdachlosensiedlung eine Anlaufstelle für die von ihm und seinen Helfer:innen betreuten Kinder schaffen. In einem Memorandum weist die von ihm angestoßene Aktion „Kinder in Not“ noch vor der Vereinsgründung auf „Elendssiedlungen mit Hunderten von Menschen, die in Baracken, abgewrackten Autos und Bretterverschlägen hausen“ hin.

Der Beirat der Förderergemeinschaft

Johannes Wasmuth versuchte in dieser Zeit über Kunstauktionen Mittel für „Kinder in Not“ zu akquirieren und einflussreiche Personen für sein Anliegen zu gewinnen. Mit unterschiedlichem Erfolg, aber sein Engagement führte dazu, dass der damalige Ministerpräsident des Landes NRW, Franz Meyers, zu Beginn des Jahres 1960 die Schirmherrschaft übernahm und das Vorwort für eine dieser Kunstauktionen schrieb. Prominente Künstler spendeten ihre Kunstwerke und legten mit den Auktionen den Grundstein. Zusätzlich zu den auf den Kunstauktionen gewonnenen Mitteln wurden weitere Mittel vom Landschaftsverband Rheinland für den Bau von Kindergärten in vier nordrhein-westfälischen Städten, in Bonn, Mönchengladbach, Duisburg und Düsseldorf, bereitgestellt.

Die Verwaltung der Mittel und die Organisation der Aufgaben erforderten neue Strukturen. Dies gab letztlich den Impuls zur Gründung des gemeinnützigen Vereins, an der sich namhafte Personen aus Politik und Verwaltung beteiligten. Am 24. November 1960 wurde das Gründungsprotokoll erstellt und ein Beirat mit prominenten Persönlichkeiten aus ganz Nordrhein-Westfalen für die Förderergemeinschaft „Kinder in Not“ e.V. eingerichtet.  Die Aktivitäten fokussierten in den ersten Jahren auf Hilfen für obdachlose Menschen in Düsseldorf, später auf Unterstützungsangebote mit Schwerpunkten in den Städten Bonn und Köln.

Die Gründung eines Kindergartens in Bonn nahm der Vorstand zum Anlass, ein weiteres Memorandum zu veröffentlichen, in dem die Situation der Obdachlosen beschrieben und um Unterstützung gebeten wurde. Dieses zweite Memorandum, das mit einem Spendenaufruf verbunden war, nahm die damals weit verbreitete „Katholische Bildpost“ zum Anlass für einen Aufmacher in Form eines längeren Beitrags. Die große Resonanz dieser öffentlichkeitswirksamen Aktion führte zu einem Freundeskreis aus Förderern. Diese Förderer spendeten über Jahre hinweg regelmäßig Geld für die Aktivitäten des Vereins, und einige schlossen auch Erbschaften zugunsten der Förderergemeinschaft ab. Über die guten Kontakte von Johannes Wasmuth zur Künstlerszene kamen durch Fernsehauftritte des international bekannten Pantomimen Marcel Marceau weitere Gelder hinzu. All diese Zuwendungen sicherten dem Verein in den Anfangsjahren eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit.

Modellprojekte und erste Evaluationen

1962 wurde die Ökumenische Hausgemeinschaft in Bonn neue Basis des Vereins. Johannes Wasmuth hatte auf seiner Suche nach einem „geistigen Zentrum“ für den jungen Verein Kontakt zu einer Hausgemeinschaft hergestellt, die sich aus Benediktinermönchen und evangelischen Theologen des „Laurentiuskonvents“, dem die späteren Geschäftsführer Wilfried Warneck und Wolfgang Kelm angehörten, zusammensetzte.

Nachdem der neue Sitz des Vereins zur Hausgemeinschaft in Bonn verlagert war, übernahm der evangelische Theologe Wilfried Warneck die Geschäftsführung, bis er im Jahre 1966 schließlich vom Pfarrer Wolfgang Kelm in dieser Funktion abgelöst wurde. Zur Unterstützung der Vereinsaktivitäten akquirierte Johannes Wasmuth weiterhin Mittel über Aktionen mit bekannten Künstler:innen und einflussreichen Persönlichkeiten. So konnte er beispielsweise Yehudi Menuhin für ein Wohltätigkeitskonzert gewinnen. Der Kontakt, den Wasmuth mit Yehudi Menuhin und dessen Familie aufgebaut hatte, sollte auch für die inhaltliche Arbeit der Förderergemeinschaft bedeutsam werden. Die Schwester von Menuhin, Hephzibah Hauser, war mit dem englischen Soziologen Richard Hauser verheiratet, der die Grundlage für die damals neue und zielführende Methode der aktivierenden Befragung in Obdachlosenunterkünften legte.

Damit war die Basis für die Arbeitsmethodik der kommenden Jahre geschaffen. Ziel war die Selbstaktivierung der von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen durch außenstehende Fachkräfte, die diese aktivierende Befragung durchführten. Ab 1964 führten Mitarbeitende des Vereins Modellprojekte für obdachlose Familien in Bonn und Köln durch. Neben der Arbeit in einer Obdachlosenunterkunft in Köln-Poll fand insbesondere das Engagement in der ehemaligen „Hacketäuerkaserne“ in Köln-Mülheim öffentliche Beachtung. Von Obdachlosigkeit Betroffene konnten mit Hilfe der Aktivierung ihr Schicksal nunmehr selbst in die Hand nehmen, während die Arbeit bis dahin- so formulierte es Wolfgang Kelm – als „Faß ohne Boden“ erschien.

Mit der erfolgreichen Anwendung der vom Soziologen Richard Hauser eingeführten Methode der katalytischen Aktivierung gelang es, die Bewohner:innen zu eigenen Aktivitäten zu ermuntern und zielgerichtete Angebote für Kinder zu etablieren. Von Mitarbeitenden des Vereins wurden Spielstuben eingerichtet, die als eine Art Verbindung von Kindergarten und sozialpädagogischem Zentrum konzipiert waren und durchaus als Vorstufen und Vorbilder für Familienzentren gesehen werden können, wie es sie inzwischen in mehreren Bundeländern gibt.

Die Arbeit des Vereins und die Methodik waren ein innovatives Element in der Obdachlosenarbeit und fanden bundesweit Beachtung, so dass „bis Ende 1964 die Förderergemeinschaft nicht nur in der Bundesrepublik, sondern sogar auch im internationalen Bereich wohl bekannt (war)“ Auch überregionale Medien wurden auf den Verein aufmerksam. Ilma Sturm berichtete beispielsweise am 18. Dezember 1971 enthusiastisch in der FAZ: „Wir gewahren einen Koloß von Kunsthändler und einen schlanken Juden aus London; einen Inder und einen Benediktinermönch; eine zum Aufruhr blasende Sozialarbeiterin und eine ökumenische Hausgemeinschaft, einen Arzt und verschiedene Pfarrer (…), dazu zahlreiche Studenten und Leute vom Republikanischen Club, im Hintergrund Heinrich Böll, Yehudi Menuhin, Marcel Marceau, ein Universitätsinstitut und ein Amt.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit lag in dieser Zeit auf der regionalen und überregionalen Vernetzung sowie der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der neuen methodischen Ansätze. Die Veröffentlichungen von Ursula Adams und Gerd Iben entstanden während der Arbeit im Verlauf der Modellprojekte. Hinzu kamen Schulungen, Einzelberatungen und Praktika zur Verbreitung der Methoden, „die sich zunehmend zu einer neuen ‚katalytischen‘ Sozialarbeit ausprägten“.

Im Jahre 1965 wurde der Malteserhof in Römlinghoven bei Königswinter neuer Stammsitz des Vereins. Ein Jahr später übernahm Pfarrer Wolfgang Kelm die Geschäftsführung und Johannes Wasmuth zog sich aus dem operativen Geschäft zurück.

Auf Initiative der Förderergemeinschaft wurde im Herbst 1967 eine Bundestagung in Wiesbaden mit dem Thema „Hilfen für Kinder und Jugendliche in Notunterkünften“ durchgeführt und ein Beschluss gefasst, der Grundlage für die Bildung von Kommissionen für Spielstubenarbeit, Schülerhilfe, Kinder- und Jugendgruppen und Erwachsenenberatung war. Auch international vernetzte sich der Verein mit der Initiative „Aide à toute détresse“ (später: ATD Quart Monde) aus Frankreich und Organisationen aus England, Belgien und Holland. 1967 wurde gemeinsam die „Internationale Föderation“ (FIDAD) gegründet und 1970 wurde ein internationaler Kongress in Köln organisiert. 1971 wurde der Verein Mitglied in der „Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden“ (AGDF), ein Zusammenschluss von 20 christlich begründeten Organisationen mit dem Ziel einer innergesellschaftlichen Friedensarbeit.

Neubesinnung zu Beginn der 1970er Jahre

Der Theologe Otker Bujard und der Sozialwissenschaftler Prodosh Aich unternahmen in ihrem Buch „Soziale Arbeit, Beispiel Obdachlose – eine kritische Analyse“, eine Bestandsaufnahme der Obdachlosenarbeit am Beispiel der Förderergemeinschaft. Im Zentrum ihrer Analyse stand die Entwicklung der Arbeit und deren gesellschaftliche Ausrichtung. Sie beurteilten vor allem die Abhängigkeit von Finanzmitteln aus der öffentlichen Hand kritisch.

Das Bahnhaus Mitte der 1970er Jahre

Die geplante Veröffentlichung dieses Manuskripts führte zu einem Rechtsstreit zwischen den Autoren und dem Verein bezüglich der Auftragsbedingungen und der Autorenrechte. Die geplante Vorstellung auf der Frankfurter Buchmesse im Jahre 1971 fand trotz der bereits vorgenommenen Plakatierung des Buches aus diesem Grund nicht statt. Dies veranlasste den Geschäftsführer der Förderergemeinschaft, Wolfgang Kelm, den methodischen Ansatz und die Ziele des Vereins in der Veröffentlichung „Faß ohne Boden“ ausführlich darzulegen.

In diesem Werk wurden zehn Rundbriefe an die Förderer des Vereins in der Zeit von 1969 bis 1972 veröffentlicht, die Erfolge der bisherigen Arbeit und nicht zuletzt auch die finanzielle Lage des Vereins thematisierten. Diese Veröffentlichung kann als Statement für das Selbstverständnis und die Ausrichtung des Vereins in den kommenden Jahren gesehen werden.

Zu Beginn der 1970er Jahre wurde aufgrund der prekären finanziellen Situation eine mögliche Auflösung des Vereins diskutiert. In der Chronik des Vereins aus den 1980er Jahren heißt es: „Vorstand diskutiert mehrmals kritische Situation: Zusammentreffen von finanziellen Schwierigkeiten und Kritik an der sozial- und gesellschaftspolitischen Situation (der Mitarbeiter) der FG, Auflösung des Vereins zum 31.03.1971 erwogen“. Ab Mitte der 1970er Jahre standen jedoch bereits wieder zukunftsgerichtete Veränderungen auf der Agenda. Der Arbeitsschwerpunkt der Förderergemeinschaft hatte sich inzwischen zunehmend auf die Arbeit mit benachteiligten Menschen im Kölner Stadtteil Bilderstöckchen verlagert.

Im Jahre 1975 wurde das Bürgerzentrum (später: „Bürgertreff“) in der Geldernstraße eröffnet – gedacht war es als Zentrum der Gemeinwesenarbeit zur Integration der Menschen im Stadtteil. Im gleichen Jahr konnte in einem der Bürgerhäuser in der Longericher Straße die bis heute bestehende Kindertagesstätte eröffnet werden.

Einweihung der Photovoltaikanlage 1996

In der Mitgliederversammlung vom 12. März 1976 wurde nach längerer Diskussion der Beschluss gefasst, die Kölner Initiative „Soziale Dienste und Ökumene“ (SDÖ) aufzunehmen. Dies führte zu einer veränderten Vereinsstruktur und nach entsprechenden Satzungsänderungen wurde der Verein unter dem neuen Namen „Ökumenische Förderergemeinschaft für soziale Dienste – „Kinder in Not“ e.V.“ in das Vereinsregister beim Amtsgericht Düsseldorf eingetragen.

Pfarrer Wolfgang Kelm wurde in diesem Jahr zum stellvertretenden Vorsitzenden und geschäftsführenden Vorstandsmitglied gewählt und die Geschäftsstelle nach dem Umzug des „Laurentiuskonvents“ in das nordhessische Diemelstadt-Wethen verlegt.

Im Oktober 1977 startete in Köln-Bilderstöckchen in Trägerschaft der Förderergemeinschaft der Heilpädagogische Dienst (später: „Kinder- und Familienberatung“). In diesem Jahr gab es im Haushalt der Stadt Köln erstmalig eine eigene Kostenstelle und die Finanzlage des Vereins entspannte sich aufgrund des Spendenaufkommens der Förderer sowie durch eine größere Erbschaft.

Ein Jahr später konnte das „Bahnhaus“, die spätere Geschäftsstelle, in der Longericher Straße 138 angemietet werden. Im gleichen Jahr wurde eine Schreinerwerkstatt für 15 Jugendliche im Keller des Bürgerzentrums Geldernstraße gegründet. Hieraus entwickelten sich eine Ausbildungswerkstatt und die spätere Jugendwerkstatt Nippes mit Sitz in der Florastraße. In Mönchengladbach ging 1979 schließlich auch die Jugendwohngemeinschaft an den Start. Als stationäre Jugendhilfeeinrichtung betreut sie bis heute ganztägig junge Menschen und konnte im Jahr 2019 ihr 40-jähriges Bestehen feiern.

Ende der 1970er Jahre werden folgende Arbeitsschwerpunkte in Köln beschrieben:

  • eine Kindertagesstätte in der Longericher Straße
  • das Bürgerzentrum mit Werkstatt für arbeitslose Jugendliche
  • das Bundesbahnhaus mit Sozialberatung
  • der Heilpädagogischer Dienst

Dazu kamen in Mönchengladbach neben der Jugendwohngemeinschaft ein Bürgerbüro am Römerbrunnen und die Projektgruppe Bahnhofskaserne in Minden für die Betreuung von obdachlosen Menschen. Am Ende des Jahrzehnts hatten die Ausgaben der Förderergemeinschaft erstmals fast die Grenze von einer Mio. DM erreicht. Der Haushaltsentwurf des Vereins für 1979 sah Ausgaben in Höhe von 953.050 DM vor, darin enthalten waren auch die Mittel für die neu gegründete Jugendwohngemeinschaft in Mönchengladbach. Die Ausgaben wurden inzwischen zu einem immer größeren Anteil aus Mitteln der öffentlichen Hand refinanziert.

Der Geschäftsführer Wolfgang Kelm beschreibt im Rahmen einer Mitgliederversammlung am 10. Februar 1979 Innovation als „Lebensgesetz unseres Vereins“ und weiter, es sei nach der „kühnen und risikoreichen Aufnahme neuer Projekte eine Konsolidierung durch Expansion (eingetreten)“.

Die 1980er Jahre – Von einer Bürgerinitiative zum professionellen Trägerverein

Während zu Beginn der 1980er Jahre die immer wieder prekäre Finanzlage des Vereins zum wiederholten Mal zum Anlass genommen wurde, die Weiterexistenz in Frage zu stellen, beispielsweise in einer Mitgliederversammlung am 27. April 1983 in Mönchengladbach, verbesserte sich die wirtschaftliche Lage bis Mitte der 1980er Jahre wieder deutlich. Im Jahre 1985 konnten in den neu angemieteten Räumlichkeiten in Köln-Nippes die Ausbildungswerkstatt und die Jugendwerkstatt Nippes ihre Arbeit aufnehmen.

Die Geschäftsstelle von Netzwerk mit Dachbegrünung

In der Festschrift „25 Jahre Wagnis“ blickte Pfarrer Wolfgang Kelm im Jahre 1985 auf ein Vierteljahrhundert soziales Engagement und eine wechselvolle Vereinsgeschichte zurück und zog aber auch das bedauernde Fazit, dass es für Randgruppen noch immer „keine Lobby“ gäbe: „Obdachlosigkeit ist vielfältiger und langfristiger als wir uns vor 25 Jahren träumen ließen. Neue Probleme treten hinzu. Dauerarbeitslosigkeit der Älteren, Chancenlosigkeit der Jungen. Die Hoffnung, in einer so reichen Gesellschaft wie der unseren brauche bald niemand mehr zu fürchten, daß materielle Not ihm und seinen Kindern das Grundlebensmittel Wohnung entziehen könnte, ist zerstoben.“

Ende des Jahres 1986 arbeiten insgesamt 72 Mitarbeitende beim Verein, und der Umsatz belief sich mittlerweile auf ca. vier Mio. DM. Ein Meilenstein auf dem Weg zur Professionalisierung als Trägerverein wurde auf der Mitgliederversammlung am 23. Mai 1991 im Haus Landeskirchlicher Dienste in Düsseldorf mit einer erneuten Satzungsänderung gelegt. Unter dem neuen Namen Ökumenische Förderergemeinschaft für soziale Dienste e.V. lautete § 9 der Vereinssatzung nun: „Der Vorstand kann eine(n) Geschäftsführer(in) einstellen. Der Vorstand kann den Geschäftsführer (die Geschäftsführerin) als seine(n) besondere(n) Vertreter(in) nach § 30 BGB bestellen.“ Nach dieser Satzungsänderung und der finanziellen Konsolidierung des Vereins war damit der Weg frei für die Einstellung eines hauptamtlichen Geschäftsführers. Die Arbeitsschwerpunkte des Vereins konzentrierten sich inzwischen auf den Raum Köln, so dass auch die Verlagerung der Geschäftsstelle an diesen Standort überfällig war.

Im Jahre 1991, 30 Jahre nach der Vereinsgründung, befand sich die Geschäftsstelle des Vereins damit erstmals in Köln und wurde am 13. Dezember 1991 vom neuen Geschäftsführer Jochen Sander von der Meden und vom damaligen Bürgermeister Johannes Blum im alten Bahnhaus in der Longericher Straße 138 feierlich eröffnet.

Nach 30 wechselvollen und arbeitsreichen Jahren im Dienste des Vereins wurde Pfarrer Wolfgang Kelm damit als Geschäftsführer des Vereins abgelöst. In der Mitgliederversammlung vom 14. Mai 1992 erklärte Wolfgang Kelm auch seinen Rückzug aus dem Vorstand des Vereins. Anlässlich seines Abschieds wünschte er sich für das zukünftige Selbstverständnis des Vereins ein „institutionelles ‚Biotop‘, weder nur kurzlebige Pflanzen (= spontane Initiativen) noch nur vieljähriges Gehölz (= routinierte Professionalität), sondern ein Miteinander, das sich gegenseitig herausfordert, stützt und belebt.“ Ein Wunsch, der in den folgenden drei Jahrzehnten Realität werden sollte.

Seit 1991 mit Sitz in Köln: Konsolidierung

Im Jahr 1991, fast zeitgleich mit der Gründung des Vereins Natur & Kultur, lag nach der Verlagerung der Geschäftsstelle in die Longericher Straße das organisatorische Zentrum der von der Förderergemeinschaft betriebenen Sozialen Dienste also erstmals in Köln. Zu den Einrichtungen, die bis zur Verschmelzung zu Netzwerk e.V. im Jahre 2003 bestehen bleiben sollten, gehörten damals:

  • die Jugendwohngemeinschaft in Mönchengladbach
  • der Bürgertreff Bilderstöckchen
  • der Heilpädagogische Dienst und der Soziale Dienst
  • der Kindergarten in der Longericher Straße 153 sowie
  • die Jugendwerkstatt in der Florastraße 55–57

Bis zum Jahr 2003 wurden weitere Kindertagesstätten in die Trägerschaft der ÖFG übernommen.

Durch die zunehmende Verlagerung der Arbeit auf den Raum Köln wurden, nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen, verschiedene überregionale Tätigkeiten aufgegeben. Dazu gehörte die Obdachlosenarbeit in der Bahnhofskaserne Minden und die Mitgliedschaft in der Aktionsgemeinschaft für den Frieden.

Am 24. Oktober 1997 fasste die Mitgliederversammlung den zukunftsweisenden Beschluss, das alte „Bahnhaus“ in der Longericher Straße 138 zu erwerben und zu sanieren. Mit dem Kauf des Bahnhauses und anliegender Grundstücke besaß der Verein erstmals Grundeigentum, das für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den folgenden Jahrzehnten eine bedeutende Grundlage werden sollte.

Ein großer Einschnitt für den Verein war die Schließung der 1985 gegründeten Ausbildungswerkstatt Nippes im Jahre 1999. Einsparmaßnahmen der öffentlichen Hand ließen nur noch den Weiterbetrieb der Jugendwerkstatt zu. Aus diesem Grund wurden die Räumlichkeiten der Geschäftsstelle im alten Bahnhaus vermietet und die Geschäftsstelle im Jahre 2000 – vorübergehend – in die nach der Schließung der Ausbildungswerkstatt frei gewordenen Räume in Köln-Nippes verlegt. Hier sollte sie für die Verwaltung und Organisation der Sozialen Dienste bis zur Fertigstellung des Neubaus in der Longericher Straße 136 im Jahre 2009 bleiben.

Bis 2003 erfolgte die Sanierung des Bahnhauses in Köln-Bilderstöckchen und der Abriss der neben dem Gebäude befindlichen alten Halle. Anstelle der Halle wurde in einer Neubaumaßnahme ein weiteres Gebäude errichtet, das nach Fertigstellung im Jahre 2003 an das Raphaelshaus Dormagen vermietet wurde. Hier werden in der „Edith-Stein-Gruppe“ bis heute 10 Mädchen und Jungen in einer 5-Tages-Gruppe untergebracht und betreut.

In der Jahreshauptversammlung am 2. Dezember 2002 stimmten die Mitglieder schließlich dem Verschmelzungsvertrag der Förderergemeinschaft mit Natur & Kultur mit Wirkung zum 1. Januar 2003 zu. Natur & Kultur beschloss am 14. Dezember 2002 gleichlautend. Die Vereinsarbeit wurde unter dem Dach von Netzwerk e.V. weitergeführt.

Eine neue Dimension: Natur- und Umweltschutz

Umwelterfahrungstage in Nadeshda (Nadeshda heißt Hoffnung).

Die Gründung des Vereins „Natur & Kultur e.V.“ (später: „Natur & Kultur – Institut für Ökologische Forschung und Bildung“, kurz: „Natur & Kultur“) erfolgte auf Initiative von Pädagog:innen, Naturwissenschaftler:innen und Künstler:innen, die sich für umweltbewusstes Handeln im Raum Köln engagierten.

Zu Beginn der 1990er Jahre waren ökologische Fragestellungen zunehmend in das öffentliche Bewusstsein gerückt, und im Rheinland bildeten sich erste umweltpädagogische Arbeitskreise. Es wurden immer mehr Projekte in Schulen und verschiedene kommunale Ökologievorhaben realisiert. Die Gründer:innen des Vereins hatten sich in unterschiedlichen Kontexten für ökologisch sinnvolles Handeln engagiert und sich zum Ziel gesetzt, diese Ansätze zu bündeln und hierfür eine organisatorische und finanzielle Basis zu schaffen.

Diese Aufgabe konnte nur mit der Unterstützung von Institutionen und Menschen realisiert werden, die sich mit diesen Zielen identifizierten und den Verein in den Anfangsjahren ideell, finanziell und ehrenamtlich unterstützten. Dazu gehörten auch Verantwortliche der Deutschen Bundesbahn, die im Jahre 1991 für einen symbolischen Mietpreis Räumlichkeiten auf dem Gelände des ehemaligen Bundesbahn-Ausbesserungswerks in Köln-Nippes zur Verfügung stellten. Der erste Sitz von Natur & Kultur war somit in der Werkstattstraße 100 in Köln-Nippes verortet. Im Jahre 1999 konnten in Nippes schließlich zentrumsnahe Räumlichkeiten in der Steinbergerstraße 40 angemietet werden. In dieser neuen Geschäftsstelle wurden die Projekte und Angebote von Natur & Kultur bis zum Umzug in die neu errichtete Geschäftsstelle von Netzwerk e.V. im Jahre 2009 weitergeführt.

Kompetenzteam Klimabildung Köln. Das Fot entstand am 5. August 2015 im Bürgerzentrum Ehrenfeld anlässlich einer Diskussionsveranstaltung mit den beiden Kandidat:innen für das Amt des:der Oberbürgermeister:in Henriette Reker (parteilos) und Jochen Ott (SPD). © Hacky Hagemeyer

Zusammen mit dem Umweltamt der Stadt Köln und dem Schulministerium des Landes Nordrhein-Westfalen konnten bald nach der Gründung erste größere Projekte realisiert werden, die den Aufbau und die Weiterentwicklung des Vereins ermöglichten. Im Laufe der folgenden Jahre gelang es, sukzessive feste Planstellen zu schaffen und den Austausch mit regionalen und internationalen Partnerorganisationen zu intensivieren.

Am 30. November 2000 wurde von Natur & Kultur das Stadtteilbüro für Nippes eröffnet. Es wurde im Rahmen der Lokalen Agenda 21 gegründet und hatte die Vernetzung der Initiativen und Akteur:innen im Stadtteil zum Ziel. Seit 2003 bringt Natur & Kultur nunmehr als eine Einrichtung von Netzwerk e.V. seine Expertise im Projektmanagement mit dem Schwerpunkt „Nachhaltige Entwicklung“ ein. Der Ansatz einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung blieb der inhaltliche Schwerpunkt von Natur & Kultur und wurde vor 20 Jahren die Grundlage für das Leitbild des neu entstandenen Jugendhilfeträgers Netzwerk e.V.

Natur & Kultur hat seit 1991 zahlreiche innovative Projekte mit dem Schwerpunkt einer „Ökologischen Bildung“ bzw. einer „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (BNE) konzipiert und durchgeführt.

Die im Laufe der letzten Jahrzehnte erarbeitenden Inhalte und Erfahrungen fließen nach der Verschmelzung beider Vorgängervereine in die Gestaltung der neuen Aufgabenfelder von Netzwerk e.V. ein. Folgende stichpunktartig dargestellte Inhalte wurden in den vergangenen 30 Jahren erarbeitet und finden sich bis heute in den Strukturen, Kooperationspartnerschaften und Angeboten von Netzwerk e.V.:

  • Umweltbildung (seit 1994): Naturerlebnisangebote, Stadtteilerkundungen sowie Entwicklung und Durchführung von Rallys für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter, Exkursionen für Schulklassen, Fortbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen für Multiplikator:innen, Entwicklung von Handreichungen für Lehrkräfte
  • Stadtökologie (seit 1994): Initiierung von Arbeitskreisen, Konzipierung und Präsentation von Ausstellungen, Entwicklung stadtökologischer Lernpfade, Bildungsangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Öffentlichkeitsarbeit
  • Energiesparen und Regenerative Energien (seit 1996): Ausrichtung von Kongressen mit Foren und Workshops für Schüler:innen und Lehrkräfte, Energiesparprojekte an Schulen, Zusammenarbeit mit Berufskollegs, theaterpädagogische Angebote, internationale Projekte und Workshops zu Regenerativen Energien
  • Kooperationen Schule – Wirtschaft zur Nachhaltigen Entwicklung (seit 1997)
  • Betriebsführungen in Wirtschaftsunternehmen, Messebesuche und Materialentwicklung für Schüler:innen und Lehrkräfte, Zusammenarbeit mit Hochschulen, Qualifizierungsmaßnahmen mit ökologischem Schwerpunkt zur beruflichen Bildung für Erwachsene und benachteiligte Jugendliche.
  • Klimaschutz-Bildung (seit 2010)
  • Erstellung des Klimaschutz-Bildungskonzepts für Köln und Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen zur Umsetzung des Konzepts, Gründung und Moderation des Kompetenzteams „KlimaBildung Köln“, Koordination und Jurybeteiligung bei der Mittelvergabe für Kleinprojekte im Raum Köln
  • Gesunde Ernährung (seit 2016): Analyse der Energieeffizienz und der Qualität bei der Zubereitung des Mittagessens in Offenen Ganztagsschulen in einem bundesweiten Projekt, Fachtagungen und Materialentwicklung für Multiplikator:innen, „Ernährungsparcours“ für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter.

Netzwerk e.V. – Soziale Dienste und Ökologische Bildung

Arbeitsfelder von Netzwerk 2023

Nach der Verschmelzung der beiden Vorgängervereine startete im Jahr 2003 der neue Jugendhilfeträger „Netzwerk – Soziale Dienste und Ökologische Bildungsarbeit e.V.“ mit 12 Einrichtungen in eine neue Zeit. Im Namen spiegelten sich die Arbeitsschwerpunkte und Ausrichtungen beider Vorgängervereine, die sich seit Beginn des gemeinsamen Weges um zahlreiche Facetten erweitert haben. Der Name symbolisiert zum einen die Weiterführung der inhaltlichen Schwerpunkte „Soziale Dienste“ und „Ökologische Bildung“ und zum anderen die Vernetzung und Kooperation mit zahlreichen Partnerorganisationen, um die erweiterten Vereinsziele gemeinsam zu verwirklichen.

Ausgangspunkt für die Verschmelzung der Vorgängervereine zu Netzwerk e.V. war die mehrjährige enge Kooperation beider Vereine im Rahmen verschiedener Projekte. Die sich ergänzenden Erfahrungen während der intensiven Zusammenarbeit führten zu dem Beschluss, beide Vereine strukturell miteinander zu verbinden. Die Verzahnung der beiden Standbeine „Soziale Dienste“ und „Ökologische Bildung“ versprach eine längerfristige Planungssicherheit und verringerte Abhängigkeit von zeitlich befristeten Projektvorhaben.

Es dauerte einige Jahre, bis sich erste sichtbare Synergieeffekte zeigten. Die Zusammenlegung der Verwaltung und die Orientierung des „neuen“ Jugendhilfeträgers Netzwerk e.V. am Leitbild einer „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ waren erste Schritte. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass es von einem formalen gemeinsamen Dach bis zu einem gemeinsamen Selbstverständnis aller Mitarbeitenden ein langer Weg war.

Die Einrichtungen und Angebote beider Vorgängervereine wurden in den Anfangsjahren organisatorisch unabhängig voneinander weitergeführt. So gab es zu Beginn der Geschichte von Netzwerk e.V. zwei Geschäftsstellen in Köln-Nippes: für die Einrichtung Natur & Kultur in der Steinbergerstraße 40 und für die Sozialen Dienste in der Florastraße 55–57.

Es sollte bis zum Jahr 2010 dauern, bis in der Longericher Straße 136 eine gemeinsame Geschäftsstelle für die inzwischen deutlich gewachsenen Verwaltungsaufgaben und Organisationsstrukturen eingerichtet werden konnte. Mit dem Erwerb des Bahnhauses und des benachbarten Bahngrundstücks an der Longericher Straße durch die ÖFG in den 1990er Jahren waren hierfür die Voraussetzungen geschaffen worden.

Arbeitsfelder von Netzwerk 2003

Die Errichtung der gemeinsamen Geschäftsstelle war ein Meilenstein in der Entwicklung. Anstoß für den Neubau war die Suche der Stadt Köln nach einem neuen Standort für das Kinderheim Köln-Sülz. In enger Abstimmung mit den Fachämtern der Stadt Köln wurde der Neubau in den Jahren 2007 bis 2010 in Regie und Verantwortung von Netzwerk e.V. errichtet. Das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss wurde der Kinder- und Jugendpädagogischen Einrichtung der Stadt Köln (KiDS) auf Mietbasis zur Verfügung gestellt.

Netzwerk e.V. konnte damit endlich beide Geschäftsstellen im zweiten Obergeschoss zusammenlegen und den Erfordernissen gerecht werden, die sich durch die stark wachsende Mitarbeiterschaft ergaben. Für Workshops und Veranstaltungen steht seitdem ein eigener großer Seminarraum zur Verfügung, und es gibt ausreichend Platz für Lagerräume.

Allerdings musste der Verein im Laufe der 20-jährigen Geschichte von Netzwerk e.V. auch wichtige Einrichtungen aufgrund von Mittelkürzungen, Umstrukturierungen oder veränderten organisatorischen Rahmenbedingungen aufgeben. Dazu gehörten das Stadtteilbüro für Nippes und der Bürgertreff Bilderstöckchen, die beide in anderer Trägerschaft weitergeführt werden konnten. Der Heilpädagogische Dienst (später: Kinder- und Familienberatung) und der Soziale Dienst mussten demgegenüber nach 45 Jahren erfolgreicher Arbeit im Stadtteil Bilderstöckchen Ende 2022 aufgrund von Sparmaßnahmen und anderer Prioritätensetzungen durch die Kommune schließen. Beide Dienste haben in der Historie von Netzwerk e.V. eine tragende Rolle gespielt und waren maßgeblich an der positiven Entwicklung der Sozialstruktur im Stadtteil Bilderstöckchen beteiligt. Bis in die jüngste Zeit waren sie für viele Bürger:innen ein fester Anlaufpunkt – ein großer Verlust insbesondere für benachteiligte Menschen im Stadtteil. Weiterhin ist in Köln-Bilderstöckchen eine Sozialraumkoordinatorin in Trägerschaft von Netzwerk e.V. damit beauftragt, relevante Akteure vor Ort mit dem Ziel zu vernetzen, die Lebensbedingungen, Chancen und Perspektiven aller Einwohner:innen zu verbessern.

Am 12. Dezember 2008 verabschiedete die Mitgliederversammlung eine Satzungsänderung, mit der ein ehrenamtlicher Aufsichtsrat als Kontrollorgan für den Verein eingerichtet wurde und die Leitung der Geschäfte nunmehr auf zwei hauptamtlich beschäftigte Vorstände übertragen wurde. Damit wurde der erreichten Größe und den inzwischen gewachsenen professionellen Erfordernissen des Vereins Rechnung getragen. Im Rahmen der Satzungsänderung wurde auch der bis heute gültige Vereinsname modifiziert: „Netzwerk e.V. – Soziale Dienste und Ökologische Bildung, kurz: Netzwerk e.V.“

Und dann kam die OGS

Maskenbau und Maskenspiel im Offenen Ganztag

Nach dem Start des Projekts „Offener Ganztag“ zu Beginn des Schuljahres 2003/2004 wurde für das folgende Schuljahr an sechs Grundschulen für rund 300 Kinder eine Betreuungs- und Angebotsstruktur aufgebaut. In der Folgezeit kam es zu einer rasanten Entwicklung und Expansion des Vereins. Heute hält Netzwerk e.V. Ganztagsangebote in 26 Kölner Schulen bereit und die Teams sind in den meisten Schulen deutlich größer als die Lehrerkollegien.

Neben dem Bildungsauftrag kam auf Netzwerk e.V. in den Offenen Ganztagsschulen nun auch die Aufgabe zu, jeden Tag Hunderte von Kindern mit einem ausgewogenen Mittagessen zu versorgen. Entsprechend des Leitbildes war es für Netzwerk e.V. von Beginn an ein Anliegen, die Mahlzeiten für die Kinder hochwertig und frisch vor Ort zuzubereiten. Hierfür steht an jedem Standort ein kompetentes Team von Küchenkräften zur Verfügung.

Im Rahmen der Kooperation mit Offenen Ganztagsschulen kamen in den Folgejahren zusätzliche Jugendhilfeangebote hinzu, beispielsweise die Schulsozialarbeit und die Inklusionsbegleitung. Gleichzeitig wurden praxisnahe Projekte und Angebote zu einer „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ als Querschnittsaufgabe weiterentwickelt. Synergieeffekte, die sich die Verantwortlichen durch die Verschmelzung der beiden Vorgängervereine erhofft hatten, kamen somit wenige Jahre nach der Gründung zum Tragen.

Ziel der Arbeit in den Offenen Ganztagsschulen ist eine neue Lernkultur. Die Kinder nehmen am Unterricht teil und verbringen ihre Freizeit sowie einen Teil ihrer Ferien im Schulumfeld. Kinder und Jugendliche erhalten neben der formalen Bildung Zugänge zu non-formalen und informellen Bildungsangeboten. In Kooperationspartnerschaften mit Schulen steht damit nicht allein die klassische Vermittlung von Wissen im Vordergrund. Schule wird so immer mehr zu einem Ort des Lernens und des Lebens. Kinder und Jugendliche werden befähigt, eigene Handlungen kritisch zu reflektieren und eine Nachhaltige Entwicklung mitzugestalten. Mit der Aneignung von Schlüsselkompetenzen werden kognitive, praktische und kreative Fähigkeiten mobilisiert. Sie lernen mit unvollständigen und komplexen Informationen umzugehen, Entwicklungen vorausschauend zu analysieren und zu beurteilen, Perspektivenwechsel vorzunehmen und sich interdisziplinäre Erkenntnisse anzueignen.

20 Jahre Offener Ganztag – Runde der Expert:innen

Mit der OGS wuchs der Arbeitsbereich Schule. Im Jahr 2010 war der Verein, vor allem durch den Ausbau der Offenen Ganztagsschulen (OGS) auf über 400 Mitarbeitende angewachsen. Die Übernahme neuer Aufgaben in der Kooperation mit Schulen und das Hinzukommen neuer Verwaltungsaufgaben erforderten veränderte organisatorische Strukturen. Der in den Anfangsjahren von Natur & Kultur aufgebaute Ganztagsbereich wurde als Fachbereich Schule unter dem Dach von Netzwerk e.V. als eigenständige Einrichtung geführt und weiterentwickelt. Im folgenden Jahrzehnt sollte dieser Bereich mit neuen Angeboten an der Schnittstelle Jugendhilfe und Schule weiter stark wachsen:

  • Seit 2010: „Sicher Schwimmen“: In Kooperation mit der Stadt Köln und der KölnBäder GmbH begleiten Mitarbeitende von Netzwerk e.V. im Rahmen des Angebots „Sicher Schwimmen“ Kinder zum Schwimmunterricht. Ziel ist es, möglichst keine Kinder als Nichtschwimmer:innen nach der Grundschulzeit zurückzulassen.
  • Seit 2012: Schulsozialarbeit: Das Bildungs- und Teilhabegesetz ermöglichte es zahlreichen Grundschulen seit dem Jahr 2012, Schulsozialarbeiter:innen einzustellen. Mittlerweile unterstützen diese Fachkräfte die Kinder und Eltern ganztägig in zehn Schulen.
  • Seit 2012: Lernförderung: Für Kinder, deren Eltern auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind, besteht die Möglichkeit unter festgelegten Rahmenbedingungen eine Lernförderung für ihre Kinder zu beantragen. Dieses Angebot wird seit dem Schuljahr 2012/2013 an verschiedenen Schulen von Mitarbeitenden von Netzwerk e.V. erfolgreich wahrgenommen.
  • Seit 2014: Inklusionsbegleitung: Als weiteres Jugendhilfeangebot kam im Schuljahr 2014/2015 die Begleitung von Schüler:innen mit Behinderung hinzu. Grundlage war eine Pilotphase für einen Inklusionspool, der auch an zwei Schulstandorten in Trägerschaft von Netzwerk e.V. installiert wurde. Pool bedeutet, dass sowohl ein Kind von mehreren Inklusionsbegleiter:innen als auch mehrere Kinder von einer Person begleitet und unterstützt werden können.

Im Zeichen der Pandemie: neue Strukturen und Digitalisierung

Lebensmittelpakete während der Corona-Zeit

Viele Vorhaben und Planungen aus den vergangenen fünf Jahren wurden durch die Corona-Pandemie geprägt oder auch unterbrochen. Am 13. März 2020 verhängte die Bundesregierung aufgrund der rasant steigenden Infektionszahlen den ersten Corona-Lockdown. Es sollten viele Monate mit Kontaktbeschränkungen folgen, die insbesondere für die Arbeit in Schulen und Kindertagesstätten zu einer großen Herausforderung wurde.

Die pädagogischen Mitarbeitenden mussten sich in schneller Abfolge auf immer neue Hygieneregeln zum Infektionsschutz einstellen. In Schulen und Kindertagesstätten wurden auch zu Lockdownzeiten Kinder von Eltern aus „systemrelevanten“ Arbeitsfeldern in Notgruppen betreut und mit einem Mittagessen versorgt.

Die Arbeit mit Schutzmasken und face-shields sowie teilweise tägliche Testungen der Kinder brachte die Mitarbeitenden nicht selten an ihre Belastungsgrenze. Zusammen mit der Betriebsärztin konnte Netzwerk e.V. im eigenen Hause in den Jahren 2021 und 2022 Schutzimpfungen anbieten.

Im Zeitraum von 2019 bis 2023 gelang es trotz Corona, neue Angebote zu etablieren und bestehende Strukturen weiterzuentwickeln:

  • Seit 2018: Praxis- und Fortbildungskonzepte für Mitarbeitende: In Onboarding-Seminaren werden neue Mitarbeitende – von Quereinsteiger:innen bis zu gestandenen Leitungskräften – auf ihr jeweiliges Einsatzgebiet vorbereitet. Für pädagogische Mitarbeitende im Offenen Ganztag wurde mit dem Netzwerk-Kompass ein Regel- und Anleitungswerk erstellt. In Inhouse-Qualifizierungskursen für Gruppenleitungen und Ergänzungskräfte im Offenen Ganztag wird Mitarbeitenden eine Vielzahl an Methoden und didaktischen Konzepten an die Hand gegeben.
  • Seit 2019: Institutionelles Kinder- und Jugendschutzkonzept: Ein Team rund um die „insofern erfahrenen Fachkräfte Kinderschutz“ (InsoFa) von Netzwerk e.V. ist seit 2019 mit der Erarbeitung eines „Institutionellen Kinder- und Jugendschutzkonzepts“ (ISK) befasst. Es wird aktuell in allen Einrichtungen des Vereins installiert.
  • Seit 2019: Praxisstelle für Dual-Studierende im Studiengang Soziale Arbeit: Netzwerk e.V. bietet den Dual-Studierenden in Kooperation mit verschiedenen Hochschulen eine Praxisstelle. Die Studierenden sammeln Praxiserfahrungen in den Einrichtungen des Offenen Ganztags, der Inklusionsbegleitung und in Kindertagesstätten.
  • Seit 2020 informiert die Nachhaltigkeitsmanagerin von Netzwerk e.V. über Zusammenhänge einer „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ und über Handlungsmöglichkeiten am jeweiligen Einsatzort. In einem Online-Newsletter werden die Mitarbeitenden über aktuelle Entwicklungen und Angebote von Netzwerk e.V. informiert.
  • Seit 2023: Social Media und Digitalisierung der Verwaltungsstrukturen: Seit Beginn des Jahres ist Netzwerk e.V. auf Instagram vertreten. Aktuelle Events, besondere Highlights sowie Veranstaltungen werden präsentiert und auch Werbung für die Mitarbeit bei Netzwerk e.V. gemacht.

Eine digitale Personalakte und weitgehend papierlose Kommunikation mit Mitarbeitenden und Kooperationspartner:innen ist das Ziel der Steuerung der Verwaltungsaufgaben. Hierzu haben die Mitarbeitenden in der Verwaltung begonnen, sukzessive ein Personalmanagementprogramm einzuführen und ein professionelles Betriebsabrechnungsprogramm für Netzwerk e.V. auf den Weg zu bringen.

Jubliläumsjahr 2023

Im Jahr 2023 kann Netzwerk e.V. auf 20 Jahre Geschichte zurückblicken und begeht sein 20-jähriges Jubiläum! Zum Auftakt in das Jubiläumsjahr wurde am 24. März 2023 unter dem Motto „20 Jahre OGS“ zusammen mit Akteur:innen rund um den Fachbereich Schule im Rahmen des jährlich stattfindenden „Austauschforums Schule“ gefeiert. Zu diesem Anlass wurde ein Kurzfilm präsentiert, der die Kooperation zwischen Netzwerk e.V. und der Peter-Lustig-Schule in Köln Ossendorf portraitiert. Nach 20 Jahren ist Netzwerk e.V. – Soziale Dienste und Ökologische Bildung nunmehr zu einem gemeinnützigen Unternehmen herangewachsen, in dem über 900 Mitarbeitende Angebote für mehr als 6.000 Kinder und Jugendliche bereithalten.

Zum Weiterlesen:

Ursula Adams, Nachhut der Gesellschaft, Freiburg i. Br., Lambertus-Verlag, 1971.

Prodosh Aich, Preis des aufrechten Gangs. Lebenserinnerungen eines Universitätslehrers aus den Jahren 1957–1987, Oldenburg, Acharyya Verlag, 2000

Otker Bujard, Prodosh Aich, Soziale Arbeit, Beispiel Obdachlose – eine kritische Analyse, Köln, Kiepenheuer & Witsch, 1972.

Gerd Iben, Kinder am Rande der Gesellschaft, München, Juventa Verlag, 1968 (Wissenschaftliche Arbeit von Dr. Iben in Verbindung mit dem Marburger Erziehungswissenschaftlichen Seminar unter Mitarbeit von Mitarbeitenden der ÖFG)

Wolfgang Kelm, Hg, Faß ohne Boden – Beiträge zum Obdachlosenproblem – Aus der Arbeit der Förderergemeinschaft „Kinder in Not“; Wuppertal, Jugenddienst-Verlag, 1973.

Wolfgang Kelm, 25 Jahre Wagnis; Die Arbeit der Förderergemeinschaft Kinder in Not e.V. 1960/1985, Köln, 1985.

Jana Muthny / Tobias Engelmann / Michael Scharp, KEEKS-Leitfaden für die klimaschonende Schulküche, Friedberg und Berlin, 2019

Christiane Reinecke, Wohlstand verpflichtet oder die Internationale der Moralisten, in: Sonja Levsen / Cornelius Torp, Hg., Wo liegt die Bundesrepublik? Göttingen, Vandenhoeck & Rupprecht, 2016.

Dominique Simone Rychen; in: Inka Bormann / Gerhard de Haan, Hg., Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung, Berlin, Springer-Verlag, 2005.

Friedhelm Meier, Köln

Der Autor:

Der Autor dieses Portraits, Friedhelm Meier, Jahrgang 1958, ist im ostwestfälischen Porta Westfalica geboren und aufgewachsen. Nach einer kaufmännischen Ausbildung absolvierte er ein Studium der Biologie und forschte an der Universität Oldenburg zur Ökologie des Wattenmeeres. Er lebt heute mit seiner Ehefrau im Rheinland und war federführend an der Konzeptionierung und Durchführung zahlreicher Projekte und Veröffentlichungen zur Umweltbildung und Bildung für Nachhaltige Entwicklung beteiligt. Friedhelm Meier war 1991 Gründungsmitglied des Kölner Jugendhilfeträgers „Natur & Kultur – Institut für Ökologische Forschung und Bildung e.V.“ und ist seit 2003 Geschäftsführer der Nachfolgeorganisation „Netzwerk e.V. – Soziale Dienste und Ökologische Bildung“.

(Anmerkungen: Der Text folgt im Wesentlichen den Inhalten der zum 20. Jahrestag veröffentlichten Festschrift. Erstveröffentlichung im Demokratischen Salon im September 2023, Internetzugriffe zuletzt am 28. August 2023.)