Ben Bovas Grand Tour
Eine Reise durch das Sonnensystem ins 21. Jahrhundert
„Science-Fiction Schriftsteller erforschen diese vielen möglichen Zukünfte. Jede SF-Geschichte ist eine Erkundung einer möglichen Zukunft.“ (Ben Bova, The SF Game, in: Viewpoint 1977)
Science-Fiction-Erzählungen sagen nicht die Zukunft voraus – so Ben Bova. Denn so etwas wie die Zukunft gibt es gar nicht. Science Fiction erzählt eben mögliche Zukünfte. Und deshalb lohnt es sich, sich die Erzählkonzepte der großen Autorinnen und Autoren des Goldenen Zeitalters der Science Fiction ins Gedächtnis zu rufen und sie mit den etwas anders gelagerten Narrativen der Schriftstellerinnen und Schriftsteller dieses Genres im 21. Jahrhunderts zu vergleichen. Dadurch bekommen Leserinnen und Leser ein Gefühl dafür, welche Bedeutung diese Literatur damals hatte und welche Rolle sie heute spielt, bei der Diskussion des Alltagslebens und bei den Gestaltungsmöglichkeiten möglicher Zukünfte im Zeitalter des Menschen, des Anthropozäns.

Ben Bova at Minicon 8 (1974). Foto: Db-D. Wikimedia Commons. Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Ich möchte in diesem Essay den US-amerikanischen Autor Ben Bova vorstellen, der am 8. November 1932 geboren wurde und am 29. November 2020 starb. Ben Bova ist einer der produktivsten Science-Fiction-Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Ben Bova hat in seinen achtundachtzig Lebensjahren ein umfangreiches Werk mit 150 futuristischen Romanen und Sachbüchern, Essays und vielen Kommentaren zum Zeitgeschehen verfasst. Es lohnt sich, auf sein Werk zu schauen und einige wichtige Erzählungen exemplarisch herauszuheben, die auch heute noch von besonderer Bedeutung sind, insbesondere seine „Grand-Tour“-Romane durch das Sonnensystem, die ein einzigartiges großes Epos der – so möchte ich es vielleicht etwas anmaßend nennen – Heldenreise des Menschen ins All darstellen und gleichzeitig zur Diskussion der Conditio Humana in Zeiten der Raumfahrt beitragen.
Ein Schriftstellerleben für die Erforschung des Sonnensystems
Die „Grand-Tour“-Romane, einige davon bereits vor Jahrzehnten geschrieben, sind literarische Visionen der wissenschaftlichen Erforschungen unseres Sonnensystems, die die Menschheit mit Raumsonden im 21. Jahrhundert bis zu den äußeren Planeten erforscht und mit Voyager 1 und Voyager 2 bereits den interstellaren Raum erreicht haben. Die Menschheit hat durch diese Weltraumissionen viele neue Erkenntnisse über ihren am Rande der Galaxie gelegenen Heimatplaneten gewonnen und ihre marginale Rolle im Universum verstanden, aber eines noch immer nicht erreicht, nämlich Kontakt mit außerirdischen Intelligenzen herzustellen.
Ben Bova hat über Erstkontakte geschrieben, diese aus der Perspektive wissenschaftlicher Möglichkeiten konstruiert und mit literarischer Vorstellungskraft spannend ausgemalt. Ben Bovas Erzählungen sind auch in der Gegenwart noch immer lesenswert und besonders interessant für Leserinnen und Leser, die sich für das große Abenteuer der Menschheit bei der Erforschung des Weltalls begeistern können. Leider sind nur die frühen „Grand-Tour“-Romane auf deutsch erschienen, aber für alle, die englische Literatur lesen können, bietet Ben Bova ein großes Lesevergnügen an.
Der US-amerikanische Science-Fiction Schriftsteller Ben Bova (1932 – 2020) ist ein Meister der wissenschaftsbasierten Science-Fiction und hat vor allem mit seiner „Grand Tour“ eine epische Reise durch das Sonnensystem geschrieben. Bova hatte einen Bachelortitel in Journalismus der Temple University, einen Master of Arts Degree in Kommunikationswissenschaften der State University of New York und einen Doktortitel als PhD in Erziehungswissenschaften der California Coast University.
Zunächst war Ben Bova 1956 bis 1958 technischer Herausgeber für das Projekt Vanguard und Wissenschaftsautor für das Avco Everett Research Laboratory 1960 bis 1971. Bova war Herausgeber der Zeitschrift „Analog Science Fiction and Fact“ als Nachfolger von John W. Campbell Jr. und danach Herausgeber von „Omni“. Bova fungierte als Präsident der „National Space Society“ und der Vereinigung „Science Fiction and Fantasy Writers of America“. Bova lehrte Science Fiction an der Harvard University und am Hayden Planetarium.
Ben Bova ist einer der großen Autoren aus dem goldenen Zeitalter der Science-Fiction, als Wissenschaftler der beginnenden Raumfahrt und Schriftsteller mit ihren Fiktionen über das Sonnensystem fast Hand in Hand gearbeitet haben.
Die Veröffentlichung von guten Erzählungen, sei es als Kurzgeschichte, Roman, Essay oder Fachbeitrag beginnt immer mit guten Autorinnen und Autoren, die auf der Suche nach einer Publikationsmöglichkeit sind. Alle Autorinnen und Autoren kennen die Schwierigkeit, einen Verlag zu finden und ihre am Anfang oft vergeblichen Bemühungen, ihre Geschichten irgendwo unterzubringen. Heutzutage bekommen sie – selten – eine Zusage oder – meist – nicht einmal eine Rückantwort, geschweige denn eine begründete Ablehnung.
Dies war in den goldenen Zeiten der Science-Fiction-Magazine Mitte des 20. Jahrhunderts anders. Damals waren die Herausgeber solcher Magazine sehr belesen, selbst Schriftsteller und wissenschaftlich gebildet und obendrein an neuen Entwicklungen in Wissenschaft, Gesellschaft und Literatur interessiert. Zu den großen Herausgebern und Science-Fiction Autoren dieser goldenen Zeit gehörte damals auch Ben Bova, der gleichermaßen ein außerordentlich großes Werk an Literatur hinterließ, als Wissenschaftserklärer und anerkannter Herausgeber bei den Magazinen „Analog“ und „Omni“ wirkte.
Ben Bova war ein Kind seiner Zeit, der beginnenden Raumfahrt. Es lohnt sich, seine Fiktionen zu lesen und etwas über seine Arbeit und seine Beweggründe für seine Herausgebertätigkeiten zu erfahren. Im deutschsprachigen Raum sind Franz Rottensteiner und Wolfgang Jeschke als Herausgeber von ähnlicher Bedeutung für das deutschsprachige Publikationswesen der Science-Fiction, wie es Ben Bova für die USA gewesen ist.
Ben Bova sagte in dem Interview von Ernest Lilley (in SFRevu, 2002), dass Science-Fiction auf „solider wissenschaftlicher Grundlage und glaubwürdigen menschlichen Charakteren“ aufgebaut sein sollte. Dies war sein Credo, gleichermaßen für seine Herausgebertätigkeiten und seine eigenen Erzählungen.
Ben Bovas erste Erzählung wurde im Jahre 1949 oder 1950 von einem Magazin in Philadelphia gekauft, das allerdings vor der Veröffentlichung pleiteging. Zu dieser Zeit hatte er bereits seinen ersten Roman fertiggestellt, der jedoch keinen Verleger fand, weil der Plot zu fantastisch war. Bova hatte darüber geschrieben, dass die Russen Satelliten ins All geschossen und die Amerikaner daraufhin ein Notfallprogramm ins Leben gerufen hätten, um Amerikaner auf den Mond zu schicken. Im Jahre 1950 war das ein zu verrücktes Thema für Verleger in New York. Einer der angeschriebenen Herausgeber sagte zu Bova, dass die antikommunistischen Hexenjäger der damaligen McCarthy-Zeit jeden gekreuzigt hätten, der in einem Buch geschrieben hätte, dass die Russen schlauer seien als die Amerikaner. Kennedys Reaktion auf den sogenannten Sputnik-Schock und seine Ankündigung des „New Frontier“ lag noch etwa eine Dekade in der Zukunft.
Auf die Frage von Ernest Lilley, was Ben Bova zu Beginn des 21. Jahrhunderts am meisten zum Guten und zum Schlechten überrascht habe, sagte er: „Die größte gute Nachricht ist, dass wir so früh auf dem Mond waren. Und die schlimmste Überraschung ist, dass wir aufgehört haben, dorthin zu fliegen.“
Bei den Romanen und Erzählungen von Ben Bova handelt es sich nicht um schnell geschriebene oder wiederverwertete Texte, sondern um kreative und sachkundige individuelle Erzählungen und fundierte Sachbücher, manchmal als Reihe gestaltet, die seinen Ruf als einer der größten Zukunftsautoren des 20. Jahrhunderts begründen. Seine Reise durch das Sonnensystem beispielsweise ist auch heute noch lesenswert, spannend und kenntnisreich. Opus Magnum von Ben Bova ist die Grandtour durch das Sonnensystem.
Die Grand Tour durch das Sonnensystem

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Die „Grand Tour“ ist harte Science-Fiction, aber kein Sternenkrieg, sondern erzählte Forschung und Erkundung der Planeten unseres Sonnensystems vor dem Hintergrund der nahen Zukunft der Menschheit, eine Heldenreise zu den äußeren Planeten, wie sie nur von wenigen anderen Autoren derart interessant gestaltet wurde.
Es geht um die Möglichkeiten der Kolonisation der Planeten, Monde und Asteroiden, erzählt vor dem Hintergrund politischer und religiöser Entwicklungen, die uns heute, die wir in der Zeit leben, für die Ben Bova seine Romane vor einigen Jahrzehnten geschrieben hat, in Erstaunen versetzen, denn der Autor ist so dicht bei unseren gegenwärtigen Problemlagen, dass man ihn fast als prophetischen Erzähler bezeichnen könnte.
Es geht um die Entwicklung nachhaltiger Energiesysteme in „Powersat“ (2005), um die Erforschung des „Mars“ (1992), um die Auseinandersetzungen bei der Besiedlung des Mondes in „Moonrise“ (1996) und „Moonwar“ (1998), um Kriege zur Ausbeutung der Asteroiden in „The Precipite“ (2001), um die Erforschung der äußeren Planeten in „Jupiter“ (2001), „Saturn“ (2003), „Titan“ (2006), „Mercury“ (2005), „Uranus“ (2020), „Neptune“ (2021). Als letztes Buch wird posthum im November 2025 der Roman „Pluto“ (2025) erscheinen, vervollständigt von Les Johnson, dem Cheftechnologen des NASA Marshall Space Flight Centers.
Ben Bova erzählt seine Geschichten nicht nur über seine gut gezeichneten Protagonisten, die oft Wissenschaftler oder Forscher sind, sondern auch durch die Konstruktion internationaler Organisationen, die politischen Druck entfalten und in die Forschungsreisen direkt eingreifen, zum Beispiel das „Global Economic Council“, die „International Astronautical Authority“, das „International Consortium of Universities“, die „International Green Party“ und die Mondkolonie „Selene“, die andere Interessen vertritt als der nahe Heimatplanet. Hier hat der Autor politische Programme und religiöse Orientierungen in dogmatischen Institutionen verdichtet, die bemüht sind, einen Teil der Weltherrschaft an sich zu reißen und die Zukunft der Menschheit zu bestimmen.
Besonders interessant, gerade vor dem Hintergrund der kulturellen und religiösen Spannungen der 2020er Jahre auf dem Planeten Erde, sind die fundamentalistischen Organisationen „Flower Dragon“, „Holy Disciples“, „New Dao Movement“, „New Morality“ und „Sword of Islam“. Alle versuchen ihren Einfluss bis in die äußersten Kolonien der Menschheit auszudehnen und die wissenschaftliche Erforschung des Sonnensystems nach ihren religiösen Vorstellungen zu beeinflussen, zu behindern oder ihren Dogmen zu unterwerfen. Die Wissenschaft spielt bei Ben Bovas Erzählsträngen immer eine entscheidende Rolle als Wahrheitsfinder und Wegweiser aus dem Dunkel.
Einer der erzählerischen Höhepunkte der Grand ist, so meine ich, die Entdeckung von intelligenten Lebensformen in den Tiefen des Jupiter. Hier verlagert Ben Bova die Handlungsstränge von menschlichen Problemen aus dem Roman „Jupiter“ (2001) hin zum ersten Kontakt mit intelligenten Lebewesen in unserem Sonnensystem in dem Roman „Leviathans of Jupiter“ (2011) und eröffnet neue Perspektiven für das Leben im Universum. Besser kann man Science Fiction als Erkenntnisprozess eigentlich nicht schreiben.
Der Herausgeber Ben Bova
Hugo Gernsback wird als der Begründer der modernen Science-Fiction angesehen, vor allem durch die Herausgabe der Zeitschrift „Amazing Stories“ im Jahre 1926. Gernsback schrieb selbst Science-Fiction-Erzählungen, die heute weniger aufgrund ihrer literarischen Qualität als durch die Vielfalt seiner Ideen bekannt sind. Der „Science-Fiction Achievement-Preis“, der „Hugo-Award“, ist ein Leserpreis, der seit 1953 durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Worldcons verliehen wird.

Eine Ausgabe aus dem Jahr 1974 der von Ben Bova herausgegebenen Zeitschrift analog Science Fiction / Science Fact. Weitere Informationen, auch über weitere Ausgaben der Zeitschrift, erhalten Sie mit einem Klick auf das Bild in der International Speculative Fiction Database.
Im Jahre 1930 wird das Magazin „Astounding Stories of Super-Science“ durch William Clayton und Harry Bates gegründet. 1950 erscheint das Magazin „Galaxy“, das bis zum Jahre 1980 erscheint und das die größte Konkurrenz für „Astounding“, später „Analog“ ist. Ende 1937 übernimmt John Wood Campbell Jr. die Herausgeberschaft und führte das Magazin, das ab 1960 „Analog Science Fiction and Fact“ heißt, zu großer Bekanntheit. Campbell erwirbt sich große Verdienste als Förderer neuer Ideen der Science-Fiction, wird aber heute auch von vielen Kritikern offen als „Faschist“ bezeichnet, wie beispielsweise Cory Doctorow in seinem Essay „Jeanette Ng was right: John W. Campbell was a fascist“ schrieb (in LOCUS November 4, 2019). Campbell blieb Herausgeber bis zu seinem Tode im Jahre 1971.
Der neue Herausgeber von „Analog Science Fiction / Science Fact“ sieht sich mit einer großen Herausforderung konfrontiert. Es werden mehrere auch sehr bekannte Namen gehandelt, aber der Vizepräsident von Condé Nast, einem Verlag mit Hauptsitz in New York, wählt Ben Bova aus, weil, wie er sagt, die Geschichten und Artikel von Bova die einzigen sind, die er verstehen würde. So wird Ben Bova der Herausgeber von „Analog Science Fiction / Science Fact“ in den Jahren 1972 bis 1978 und verändert den Charakter des Magazins ganz erheblich, indem er auch Geschichten veröffentlicht, die sexuelle Inhalte und Obszönitäten enthalten. Der Nachfolger von Ben Bova im Jahre 1978 wird Stanley Schmidt bis zum Jahre 2012, danach übernimmt Trevor Quachri.
Im Jahre 1976 wird Ben Bova, der für seine Tätigkeiten als Herausgeber von „Analog Science Fiction Science Fact“ viermal hintereinander den Hugo-Award der Jahre 1973 bis 1976 erhielt, als Ehrengast zum „Boskone“, der Science-Fiction and Fantasy Convention von New England, USA, eingeladen. Für diese Convention fasst Bova in dem Buch „Viewpoint“ (Cambridge, Massachusetts The NESFA Press, 1977), einige wichtige Vorworte und Essays aus seiner Herausgeberschaft für „Analog“ zusammen. Das Vorwort enthält einige bemerkenswerte Aussagen über die Zeit seiner Herausgeberschaft.
Für Ben Bova ist „Analog“ eine „Arena der Ideen“ und die Aufgabe des Herausgebers sei es, „die Leser bei der Stange zu halten“. Er würde keine Zusammenfassungen der Artikel benötigen, weil Zusammenfassungen zumeist bedeutungslos seien, denn es seien der Schreibstil und die Charakterisierung, die die Verkäuflichkeit einer Story bestimmen würden, mehr noch als die Handlung. Er würde niemals Material veröffentlichen, sagt Bova, das er nicht leiden könne, denn er habe kaum Platz genug zur Veröffentlichung der Stories, die er gut fände. Bova liest regelmäßig Wissenschaftsmagazine und lässt in seinem Magazin keine Werbung für Zigaretten und Handfeuerwaffen zu, was für die damalige Zeit in den USA außergewöhnlich ist. Auf die Frage des Interviewers, warum er die Werbung für Zigaretten nicht zulässt, antwortet Ben Bova: „Aus demselben Grund werbe ich nicht für Handfeuerwaffen. Sie mögen für manche Menschen beruhigend sein, aber sie sind Killer.“
In der Ausgabe von Januar 1972 wird Ben Bova zum ersten Mal als Herausgeber von „Analog“ genannt, aber das Editorial wird von Poul Anderson geschrieben, während Bova mit einem Essay über galaktische Geopolitik in der Faktenreihe vertreten ist. Das Editorial der Februar Ausgabe 1972 hat Ben Bova selbst verfasst. Er schreibt über die Weisheit der Allgemeinheit und das Erbe von John Campbell und gibt das Versprechen ab, dass er das Beste von allen Beteiligten – Leser, Schriftsteller, Künstler, Herausgeber – in die weitere Entwicklung von „Analog“ einbringen will.
Die frühen Ausgaben von „Analog“ sind auf der Webpage der Luminist Archives als pdf-Dokumente zu finden. Das Magazin existiert noch heute. Der gegenwärtige Herausgeber, Trevor Quachri, gibt dort einen Überblick über die Geschichte des Magazins.
Bei „Analog“ hatte Ben Bova an das Erbe von John Campbell angeknüpft und das Spektrum der Geschichten erweitert, hin zu Astronomie, Astronautik und Raumschiffen und der stärkeren Zusammenarbeit mit Ingenieuren und Wissenschaftlern. Nach seiner Meinung war die Schnittstelle von wissenschaftlicher Forschung und Politik besonders interessant, als Material für Geschichten, aber vor allem als lebenswichtiger Bestandteil der Gesellschaft und des Wohlbefindens aller Menschen in dieser Gesellschaft. Diese Aussage, die Ben Bova in dem Interview mit Darrell Schweitzer in „Orson Scott Card´s Intergalactic“, Issue 24, macht, verdeutlicht die demokratische Gesinnung des Herausgebers Ben Bova. Sie steht in deutlichem Widerspruch zu den Ansichten seines Vorgängers bei „Analog“, John Campbell.
Nachdem Ben Bova sieben Jahre lang das Magazin Analog herausgegeben hatte, wurde er zu einem Vollzeit-Schriftsteller, der von seinen Einkünften leben konnte. Bova blieb dennoch vier Jahre lang Herausgeber von „Omni“ und veröffentlichte dort auch Stories, die er bei „Analog“ hatte ablehnen müssen, weil sie den Hardcore-Science-Fiction Kriterien nicht entsprachen. Bova sagt, dies sei die Zeit seines Lebens gewesen, mit viel Freiheit zum Schreiben der eigenen Erzählungen und für Weltreisen mit seiner Frau Barbara. Als er „Omni“ verließ, hatte das Magazin eine Auflage von einer viertel Million Exemplaren im Monat und einer geschätzten Leserschaft von fünf Millionen Menschen.
Die interessantesten und langlebigsten Aussagen von Ben Bova über „Analog“ und Science-Fiction finden sich in dem Essay „The Idea Factory“ in „Viewpoint“ (1977). Science-Fiction sei nicht bei irgendwelchen Erzählungen, sei es über Imperien, Raumfahrt oder andere große Erzählungen, „dabei, sondern weit voraus“. Ideen sind bedeutsam, sie sind nicht das „A und O oder das Nonplusultra, aber der notwendige Inhalt jeder guten Science-Fiction-Geschichte. Das Wichtigste sei es, über Menschen zu schreiben, sagt Ben Bova;:„Alle guten Fiktionen handeln von Menschen, und der Rest – die exotischen Hintergründe und cleveren Ideen – sind lediglich Versuche, den menschlichen Geist in einen Schmelztiegel zu stellen, in dem wir seinen Wert testen können. Das ist die eigentliche Idee der Ideenfabrik.“
Der Religions- und Gesellschaftskritiker – mit einem Hauch von Ironie
Ben Bova war Atheist und Kritiker des unhinterfragten Glaubens an Religionen. Im Jahre 2012 schrieb er ein sogenanntes „op-ed“-Stück, das als „opposite the editorial page“ ein starkes Schriftstück für eine bestimmte Position ist und das in den USA oft in Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen und Online-Publikationen zu finden ist. Bova argumentiert in seinem Text: „History says atheists just as moral as believers“, dass Atheisten ebenso moralisch seinen wie Religionsgläubige. Sein Fazit: „Ich denke, die Geschichte zeigt, dass Atheisten genauso moralisch sein können wie Gläubige. Das sagt nicht so viel, wenn man bedenkt, wie viel Böses von Männern und Frauen begangen wurde, die sich zum Glauben an Gott bekennen.“
Ben Bova hat mehrere Kommentare zum Zeitgeschehen geschrieben und sich oft in wissenschaftliche und politische Diskussionen der USA eingemischt. Bemerkenswert, und seinen Humor widerspiegelnd, ist sein Text: „Living, and Loving, in low gravity“ über Sex im Weltall. Seine Empfehlung: „Wenn Sie Wasserbetten mögen, werden Sie ganz sicher die Schwerelosigkeit lieben.“ Es verwundert nicht, dass in mehreren seiner Grand-Tour–Romane das Thema des Glaubens als ein tragendes Element der Erzählung auftaucht.

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Ben Bova hat in seinen Büchern „Jupiter“ (2001) und „Leviathans of Jupiter“ (2011) eine stark auf die wissenschaftliche Exploration von Lebewesen in einem für Menschen lebensfeindlichen Lebensraum abgehobene Erzählung geschrieben. Er konzentriert sich auf die extremen Umweltbedingungen auf Jupiter und beschreibt, wie Menschen solche Extrembedingungen bei der Kontaktaufnahme mit anderen Lebewesen meistern können.
Die Geschichte des Astrophysikers Grant Archer, der eigentlich Schwarze Löcher und Pulsare studieren möchte, gerät zwischen die Fronten seiner Wissenschaft und der herrschenden religiösen Fundamentalisten der „New Morality“, die ihn als Spion zur Raumstation über dem Jupiter schicken, die von der „International Astronautical Authority“ betrieben wird, um dort Grundstoffe für Fusionsenergie-Generatoren zu gewinnen.
Im zweiten Band stehen die riesigen Lebensformen in den Seen des Jupiters, die „Leviathans“ im Zentrum der Erzählung. Grant Archer ist nun Direktor der Jupiterstation und setzt alles daran, diese geheimnisvollen und vermutlich intelligenten Lebewesen zu erforschen, in einem Lebensraum auf dem Jupiter, der für Menschen vollkommen lebensfeindlich ist.
Ben Bova öffnete über einen Publikationszeitraum von mehreren Jahrzehnten das Fenster zu den Planeten unserer unmittelbaren Umgebung im All und verstand es wie kaum ein zweiter Autor, die Heldenreise im Weltraum mit Forscherdrang, Erkenntnisinteresse und alltäglichen, auch in der Zukunft noch geltenden menschlichen Eigenschaften, zu verbinden wie Ehrgeiz, Ehrgefühl, Solidarität, Neid, Glaubenskonzepten und politischen Absichten. Ben Bova zu lesen bedeutet, die Planeten auf dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft kennenzulernen und das Forscherinteresse der Menschheit im Angesicht ihrer, auch in der Zukunft noch vorhandenen Eigeninteressen, ihrer Normen und Werte zu verstehen. Wir sehen neue Welten und erkennen unsere Eigenheiten. Darin ist Ben Bova wirklich ein Meister.
Zur Aktualität der Science Fiction von Ben Bova – einige Beispiele
Das Gesamtwerk von Ben Bova ist umfangreich und reichhaltig an Ideen, die er als mögliche Visionen einer kommenden Zukunft bearbeitet hat, sowohl in den Romanen als auch in Sachbüchern, Vorträgen und Kommentaren zum Zeitgeschehen. Sein Werk ist jedoch nicht so unübersichtlich wie das Werk älterer Autoren wie Arthur C. Clarke, Isaac Asimov und Robert Heinlein, deren Arbeiten lange vor der Zeit der digitalen Dokumentation entstanden sind, man findet die Chronologie seiner Veröffentlichungen im Internet.
Ben Bova steht durchaus in der Tradition und im Wirkungskreis älterer Autoren wie Arthur C. Clarke, Isaac Asimov oder Robert Heinlein, aber er ist auch ein Autor des beginnenden 21. Jahrhunderts und hat seinen Leserinnen und Lesern viele Ideen und Anregungen für ein Leben in der modernen Welt zu geben, einer Welt, in der Wissenschaft, Technologien, philosophische Konzepte und politische und gesellschaftlichen Umsetzungen zunehmend den Alltag bestimmen.
Ich möchte aus dem umfangreichen Werk von Ben Bova einige Beispiele vorstellen, die die Aktualität seiner Bücher im 21. Jahrhundert belegen:
- Science Fiction im Zeitalter des Kalten Krieges: „Millennium“ (1976, deutsch: „Jahrtausendwende“, 1978): Einer der wichtigsten Romane von Ben Bova im ausgehenden 20. Jahrhundert ist seine Erzählung Millennium (1976), die im Jahre 1978 unter dem Titel Jahrtausendwende (1978, 2015 bei Heyne erscheint. Darin schildert Bova, dass die Großmächte auf der Erde im Dezember 1999 kurz vor einem globalen Atomkrieg stehen, während einige Amerikaner und Russen auf ihren Mondbasen sich zusammenschließen, um das Schlimmste zu verhindern. Der Roman gehört zu einer als Kinsman-Saga bekannt gewordenen Serie von Geschichten besteht aus mehreren Titeln, die nicht alle auf Deutsch erschienen sind, neben „Jahrtausendwende“ „Kinsman“ (1983), „Projekt Tornado“ (1968), „Nur fünfzehn Meilen“ (1967).
- „The Dueling Machine“ (1969, deutsch: „Die Duellmaschine“, 1980): Konflikte zwischen Menschen werden in der Zukunft nicht mehr als reales Duell mit möglicher Todesfolge eines der Duellanten ausgetragen, sondern in eine Illusionsmaschine verlegt. Die Schönheit der Duellmaschine liegt darin, dass niemand wirklich verletzt wird. Man kann Konflikte zwischen Menschen in einer Traumwelt lösen, seine aggressiven Gefühle ausleben, ohne mentalen oder physischen Schaden zu nehmen. Aber welche Wirkung auf die Menschen hat die Duellmaschine noch? Was Ben Bova hier in einem Roman aus dem Jahre 1969 erzählt, ist die frühe Beschreibung der virtuellen Realität, die von William Gibson in Romanen wie Mona Lisa Overdrive (1988) und anderen ausgearbeitet worden.
- „Colony“ (1978, deutsch: „Die Kolonie“ (1980, 2015): Der genetisch verbesserte, perfekte Mann David Adams lebt auf der Raumstation „Eiland Eins“, die eine Erde umkreist, die von aufgebrauchten Rohstoffen, Überbevölkerung und Terrorismus zerstört wird, die eine schwache Weltregierung nicht in den Griff bekommt. David Adams ist allerdings ein Gefangener der künstlichen Welt über der Erde, der durch Besuche von Neuankömmlingen auf der Raumstation von den schlimmen Zuständen auf dem Heimatplaneten erfährt und einen waghalsigen Plan zur Rettung der Erde entwickelt. Die Erzählung changiert zwischen Dystopie und Utopie und endet mit der frohen Botschaft: „Das hier draußen ist ein riesiges Universum, und es bietet Raum für uns alle.“ Ben Bova hat diesen Roman seiner Frau Barbara gewidmet und mit einem Statement des damaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen, U Thant, eingeleitet. Dieses Vorwort hat im Jahre 2025 leider nichts von seiner Aktualität eingebüßt, es ist ein Menetekel aus dem Jahre 1969, das 56 Jahre später noch immer uneingelöst ist. Ben Bovas dystopische Vision erschreckt und ermutigt zugleich, heute, im Zeitalter des anthropogenen Klimawandels. U Thant schreibt im Jahre 1969: „Ich will die Zustände nicht dramatisieren. Aber nach den Informationen, die mir als Generalsekretär der Vereinten Nationen zugehen, haben nach meiner Schätzung die Mitglieder dieses Gremiums noch etwa ein Jahrzehnt zur Verfügung, ihre alten Streitigkeiten zu vergessen und eine weltweite Zusammenarbeit zu beginnen, um das Wettrüsten zu stoppen, den menschlichen Lebensraum zu verbessern, die Bevölkerungsexplosion niedrig zu halten und den notwendigen Impuls zur Entwicklung zu geben.“
- „Immortality: How Science is Extending your Life Span – and changing the world” (1998): „Die ersten Unsterblichen leben bereits unter uns – Sie könnten einer davon sein.“ So beginnt das Sachbuch über die wissenschaftlichen Grundlagen einer möglichen Unsterblichkeit von Menschen, das Ben Bova im Jahre 1998 vorgelegt und das er seinem Freund Isaac Asimov gewidmet hat. Das Buch beginnt mit einem Zitat von Michael Faraday: „Nichts ist zu schön, um wahr zu sein.“ Ben Bova schreibt über die veränderten Lebenserwartungen der Menschen und ihre Hoffnung auf ein langes oder ewiges Leben und stellt die medizinischen Erfolge und die wissenschaftlichen Erkenntnisse der damaligen Zeit für Lebensverlängerungen vor.
- Die Reihe „Power Surge“ (2012, 2021) ist ein politischer Thriller um Jake Ross, der einen neuen Plan für eine umweltfreundliche Energieversorgung Amerikas entwickelt hat und diese nun gegen die politischen Ränkespiele in Washington durchsetzen will. Zu der Reihe gehören diese Romane, die alle nicht auf Deutsch erschienen sind: „Power Play“ (2012), „Power Surge“ (2015), „Power Failure“ (2018), „Power Challenges“ (2021).
Philosophie und Science Fiction für das 21. Jahrhundert
Ben Bova hat sich in seiner Schaffenszeit als innovativer Herausgeber und kreativer Schriftsteller große Verdienste um die wissenschaftsbasierte Science-Fiction erworben. Zu seinen größten Leistungen gehört das grandiose Epos der „Grand Tour“ durch das Sonnensystem, in dem er die Abenteuerlust der Menschen ins Unbekannte mit ihrem Entdeckerdrang zu neuen, unbekannten Ufern mit dem menschlichen Schicksal verbindet, das immer von Liebe, Leid, Tragödie und Glück gekennzeichnet ist. Dabei spielen die Erzählungen um Wissen, Wissenschaft, Aufbruch ins Unbekannte, Glaube, Verzweiflung und Hoffnung immer die tragende Rolle. Ben Bova schreibt nicht über neue Technologien als Zentrum einer Handlung, sondern über menschliche Wege in die Zukunft, die mit Zukunftstechnologien neue Möglichkeiten eröffnen. Der Mensch der Zukunft steht im Mittelpunkt aller Erzählungen von Ben Bova.
In den Erzählungen von Ben Bova geht es um unterschiedliche Handlungsschwerpunkte in einem großen Spektrum der Erzählmöglichkeiten. In der Kurzgeschichte „Inspirationen“ (1994, 2017) arrangiert er ein Treffen von H.G. Wells mit Lord Kelvin und Albert Einstein, um die Frage zu diskutieren, ob die Physik mit ihren Erkenntnissen abgeschlossen hat oder ob noch etwas völlig Neues entdeckt werden wird. Der Arrangeur des Treffens ist ein Zeitreisender, der dafür sorgen muss, dass Albert Einstein seine Relativitätstheorie formuliert und veröffentlicht. Dazu gibt er ihm als Anregung den Roman „Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells. Lord Kelvin hält Zeitreisen für absoluten Unsinn, während Einstein nachdenklich wird. Das Problem für den Zeitreisenden ist, dass es viele Zeitlinien gibt und dass lediglich in einer davon Albert Einstein lange genug leben würde, „um eine Wirkung auf die Welt zu erzielen. In Dutzenden von anderen vegetierte er unbeachtet dahin oder wurde in einem Todeslager vergast.“ Hier dient die Fiktion als Anregung für die Entwicklung von Wissenschaft. Eine interessante Umkehr der damals üblichen Zusammenhänge von Science und Fiction.

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Ben Bova gehört zur alten Garde der großen Autoren der Science-Fiction des 20. Jahrhunderts, obwohl er nicht zur ersten Garde der Großmeister wie Robert Heinlein, Isaac Asimov und Arthur C. Clarke gehört. Bova ist etwas jünger und hat noch im beginnenden 21. Jahrhundert lesenswerte und philosophisch hintergründige Werke geschrieben, also den Übergang in die moderne Welt jenseits der Weltraumabenteuer der NASA-Zeiten mitgemacht und in Erzählungen fiktionalisiert. Zu den wichtigen Werken von Ben Bova im 21. Jahrhundert zähle ich seine Kurzgeschichtensammlung „My Favorites“ (2020), in der er die Zeit um das Jahr 1492 mit der Gegenwart vergleicht und über die sogenannte „Entdeckung“ Amerikas durch Europäer (wer entdeckte da eigentlich wen?) schreibt, die aus einem zerrütteten Kontinent stammten und einen neuen Weg zu den Reichtümern des Orients suchten. Heute sei die Menschheit auf einer neuen Suche, nach dem Meer des Weltalls dort draußen. Das Buch endet mit den Worten: „Unsere Zukunft ist grenzenlos. Du hast noch nichts gesehen.“
Fritz Heidorn, Oldenburg
(Anmerkungen: Erstveröffentlichung im Juli 2025, Internetzugriffe zuletzt am 15. Juli 2025, Titelbild: CERN, Large Hedron Collider, View of the LHC tunnel sector 3-4, Maximilien Brice (CERN), Wikimedia Commons – Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0)
Ben Bova spielt auch eine Rolle in dem Essay von Fritz Heidorn vom Juni 2025 im Demokratischen Salon: „Aliens, Asteroiden, Gammablitze“. Ein ausführliches Werkverzeichnis von Ben Bova bietet die Internet Speculative Fiction Database.