Der Staat als Beute

oder die Resilienz der Demokratie

Erwischt werden sie (fast) alle. Im Frühjahr 2019 hat es prominente FPÖ-ler erwischt. Vielleicht ist jedoch nicht die Art und Weise, wie sie versuchten, jemandes Geld für ihre Partei zu erlangen, der eigentliche Skandal, sondern die Einstellung dahinter: nach der Übernahme von Regierungsverantwortung (ich scheue mich, „Machtübernahme“ zu schreiben) wollen sie offenbar den Staat nach Belieben zur Sicherung ihres eigenen Machterhalts verkaufen. Der Staat als Beute.

Die Vergabe von lukrativen Aufträgen gegen Parteispenden ist nur ein Schritt. Weitere Schritte wären beispielsweise die Übernahme möglichst vieler Medien (Berlusconi, Orban, Türkei, Debatte um den ORF), die Einschränkung einer unabhängigen Justiz (Polen, Rumänien), Änderungen im Wahlrecht (Gerrymandering in den USA, Ungarn), Verhaftung von Journalist*innen (Türkei, Venezuela).

All das lassen sich Bürger*innen aber nun doch nicht so einfach gefallen. Es gab und gibt Proteste in Polen, in Rumänien, in der Slowakei (die zu einem Wechsel in der Präsidentschaft führten), in den USA, selbst in Ungarn. Sichere Mehrheiten haben die Ausverkäufer und Gleichschalter in der Regel nicht. Man darf sogar fragen, wie es kommt, dass beispielsweise ein Erdoĝan es trotz massiver Repression kritischer Stimmen nicht schafft, eigene qualifizierte Mehrheiten zu erlangen und sogar Wahlen verliert – wie kürzlich in Istanbul und in Ankara geschehen. Vielleicht ein Zeichen für die Resilienz der Demokratie.

Norbert Reichel, Bonn

(Anmerkung: Erstveröffentlichung im Juli 2019.)