Liebe Freund*innen des Demokratischen Salons,

die mit der Septemberausgabe 2021 des Demokratischen Salon veröffentlichten Texte befassen sich mit für unsere liberale Demokratie grundlegenden Fragen. Es geht letztlich in allen Texten um „Ambiguitätstoleranz“ (Thomas Bauer). Hierzu finden Sie drei Begegnungen und zwei Essays. Neben den Ihnen bereits geläufigen Rubriken gibt es eine neue Rubrik mit Literaturtipps, die die in den Essays und den Begegnungen enthaltenen Literaturtipps ergänzen. In dieser Ausgabe des Newsletters stelle ich Gabriele TergitEffingers“ und den von Olaf Zimmermann und Theo Geißler herausgegebenen Band „Die Corona-Chroniken I“ vor.

Das Editorial:

Etwa zwei Wochen vor der Wahl zum Deutschen Bundestag erleben wir eine Personalisierung des Wahlkampfes, die vor einem Jahr niemand vorherzusagen gewagt hätte. Eine solche Personalisierung in Wahlkämpfen prägte bereits mehrere Landtagswahlkämpfe, die Parteien der Ministerpräsident*innen schnitten immer überdurchschnittlich gut ab. In Mecklenburg-Vorpommern wird sich dies wiederholen, auf Bundesebene hat der SPD-Kandidat fast schon den Bonus eines Amtsinhabers, in Berlin zeichnet sich bei der SPD-Spitzenkandidatin Ähnliches ab, möglicherweise zehrt sie von ihrer Zeit als Bezirksbürgermeisterin in Neukölln.

Personen dominieren Inhalte – dieser Trend hat auch viel damit zu tun, dass grundlegende Positionen kaum angesprochen werden. Stattdessen gibt es merkwürdige Scheinalternativen wie am 7. September 2021 in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben, die auf der Titelseite fragte: „Klima oder Job – was schützen wir zuerst?“. Beliebt sind in der Wahlwerbung auch Komparative: alles soll moderner, fortschrittlicher, besser werden, geradezu olympisch: „citius, altius, fortius“. Vielleicht sollten wir lieber auf solche Komparative verzichten oder sie zumindest durch zwei andere ersetzen: nachhaltiger und gerechter, und nicht zuletzt demokratisch(er), ein Wort für das eigentlich keine Steigerung erforderlich sein sollte.

Ich habe den Wahl-O-Mat getestet und musste feststellen, dass der Wahl-O-Mat keine grundsätzlichen Positionen abfragt, so fragt er nicht, was eine Partei zum freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, zu den Menschenrechten, zu den Rechten von Kindern vertritt. Mehrere politische Sparten fehlen völlig. Der Deutsche Kulturrat kritisiert mit Recht, dass keine der 38 Fragen des Bundes-Wahl-O-Mats sich mit einem kulturpolitischen Thema befasst. Es gibt keine Frage zur Kinder- und Jugendpolitik, Politik für die Rechte von Frauen beschränkt sich auf die Frage nach geschlechtsgerechter Sprache, Europapolitik auf eine Frage zum Verbleib oder Austritt aus der EU, nichts zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland. Außenpolitik ist nur mittelbar in den Fragen zu Familiennachzug und Asylrecht ein Thema, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit (Afghanistan, Belarus, China, Polen, Russland, Ungarn u.v.m.) spielen keine Rolle.

Ich denke, es gibt andere Kriterien für die Wahlentscheidung als im Wahl-O-Mat ersichtlich und zitiere drei ausgewählte kurze Texte, zu denen wir meines Erachtens Kandidat*innen für welches Amt auch immer befragen könnten und sollten. An den Antworten könnten wir erkennen, wie reflektiert ihre Vorstellung von Politik ist.

  • Farzana Kochai, eine der engagierten Frauen im afghanischen Parlament, sagte: „Jetzt, da all diese Dinge passieren – wer ist verantwortlich? Meine Antwort lautet: Die ganze Welt. Ich spreche nicht von einzelnen Ländern oder Zivilisten, wir sind allen sehr dankbar, denn sie haben viel für Afghanistan getan – insbesondere für Frauen sowie Kinder und ihre Zukunft in diesem Land. Die Verantwortlichen haben versagt; die Entscheider haben fatale Fehlentscheidungen getroffen. Afghanistan ist kein Versuchslabor, in dem die Welt nach Belieben neue Strategien oder sonstige Entscheidungen testen kann, um zu schauen, was funktioniert und was nicht!“
  • Den zweiten Text schrieb Elsa Anselm, eine belarussische Autorin, über deren Schicksal wir keine weiteren Informationen haben. Der Text wurde in der von Alina Lisitzkaya im Verlag Das kulturelle Gedächtnis herausgegebenen Band „Stimmen der Hoffnung“ veröffentlicht, er beginnt mit den Worten: „Am Morgen des 9. August …“ Einige Seiten weiter lesen wir: „Die ersten Kundgebungen waren Feste, deren wichtigstes Ziel es war, Glück, Kraft und Lebensfreude miteinander zu teilen. / Dann kam der Herbst und die Lebensfreude auf den Kundgebungen nahm ab. Die Routine brach über sie herein, wie der Alltag nach der Geburt eines Kindes über die Eltern hereinbricht. Man kann nicht unendlich lange die Ankunft aus der Entbindungsklinik feiern. Das Kind muss gebadet, gefüttert und erzogen werden.“
  • Und Esther Schapira schrieb im Juli 2021 in der Jüdischen Allgemeinen: „Freiheit zerbricht nicht an der Stärke ihrer Gegner, sondern an der Schwäche ihrer Verteidiger.“

Wie stark sind wir als „Verteidiger“ der „Freiheit“? Was tun wir, damit das Kind der belarussischen Demokratie „gebadet, gefüttert und erzogen“ wird? Welche Solidarität geben wir den afghanischen Frauen, die – so eine Meldung vom 9. September 2021 – nicht mehr ohne männliche Begleitung vor die Tür gehen dürfen, die nicht mehr außer Haus arbeiten dürfen und wenn sie das tun nur ohne Bezahlung? Was werden wir tun, um Frauen wie Farzana Kochai zu stärken, was tun wir für Mascha Kolesnikowa? Sie wurde am 6. September 2021 zu 11 Jahren Haft verurteilt und formte selbst im Gerichtssaal, trotz Handschellen, mit ihren Händen das Zeichen, das für viele das Symbol zukünftiger belarussischer Freiheit ist. Das sollte unsere „Herzenssache“ sein, nicht die verkitschte Version, mit der eine Berliner Spitzenkandidatin und andere Wahlkampf machen. Der berühmte Satz von Peter Struck, unsere Freiheit werde auch am Hindukusch verteidigt, könnte sich ganz anders bewahrheiten als dies vor zwanzig Jahren gemeint war. Und natürlich in Belarus!

Die neuen Texte im Demokratischen Salon: zwei Essays und drei Begegnungen:

  • Rubriken Liberale Demokratie und Migration: Mein Gespräch mit der Islamwissenschaftlerin und Arabistin Lamya Kaddor habe ich unter dem Titel „Der Weg zur Vielfalt“ dokumentiert. Lamya Kaddor ist eine Schülerin des Münsteraner Islamwissenschaftlers Thomas Bauer. Sie vertritt mit ihm und anderen Kolleg*innen die These, dass „Ambiguitätstoleranz“ der Kern einer liberalen Demokratie ist. Im Islam gab es eine solche Toleranz in Zeiten, in denen in Europa nur wenige die aufklärerischen Positionen des 17. und 18. Jahrhunderts vorhersahen. In ihren Büchern formuliert Lamya Kaddor die Grundlagen eines liberalen Islam, in ihrem Religionsunterricht stellt sie bei vielen Kindern und in deren Familien Liberalisierung fest, vielleicht vergleichbar mit der Liberalisierung in christlichen Familien der 1960er und 1970er Jahre. Problematisch ist nicht der Islam, problematisch ist das Framing des Sprechens über den Islam. Sogenannte „Islamkritiker*innen“ spielen das Spiel fundamentalistischer Richtungen des Islam, mitunter durchaus rassistisch konnotiert. Dieser Teufelskreis betrifft nicht nur den Islam! Das komplette Interview finden Sie hier.
  • Rubriken Kinderrechte und Pandemie: In dem Essay „Das Leben rückwärts – Über Menschenwürde und Kinderrechte in der Pandemie“ habe ich eine Bilanz der Auswirkungen der Pandemie auf den Alltag sowie psychische und physische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen versucht. Habe ich sie auch neu bewertet? Leider hält sich das Neue in der Bewertung in Grenzen. Kinder und Jugendliche werden nach wie vor nicht gefragt, nichts ist von dem in der UN-Kinderrechtskonvention auch von der deutschen Bundesregierung unterschriebenen Vorrang des Kindeswohls zu spüren, es geht offenbar nur um Luftfilter und Tests, im Grunde eine end-of-the-pipe-Strategie. Das Grundgesetz, die KMK-Beschlüsse zur Demokratie verlangen etwas anderes. Pädagogik verschwindet hinter Prüfungen und Selektion, den Tests auf eine Infektion, hinter Klassenarbeiten, Prüfungsklausuren, PISA- und weiteren Tests. Schule droht ihre Seele zu verlieren, die vielen außerunterrichtlichen Aktivitäten zu Kultur, Sport und Demokratie, der Besuch außerschulischer Lernorte, Ganztagsbildung, all das, was Schule zu einem Lebensort gemeinsamen Aufwachsens und gemeinsamen Lernens machte, droht zu verschwinden. Den kompletten Text finden Sie hier.
  • Rubriken Antisemitismus und Treibhäuser: Mit Julia Bernstein habe ich über Ängste und Antisemitismus gesprochen. Der Titel: „Das Schweigen danach“. Das Gespräch ergänzt meine im Demokratischen Salon veröffentlichten Essays zu ihren Büchern, beispielsweise den Text „Antisemitismus 2.0“. Ausgehend von Diskriminierungserfahrungen haben wir über Traumata und Ängste gesprochen, die Studierende bewegen. Julia Bernstein erlebte bei ihren Studierenden in Deutschland Prüfungsängste, die sie in dieser Form als Lehrende weder in Israel noch als Schülerin und Studentin in der Sowjetunion (!) erlebt hatte. Die andere Angst: Vielen Studierenden ist es „peinlich“, die Vergangenheit ihrer Großeltern oder anderer Verwandter während des nationalsozialistischen Terrors anzusprechen. Wie kann es sein, dass etwas, das nicht sein darf, dennoch ständig präsent ist? Und dennoch entsteht in der vorsichtigen Thematisierung von Diskriminierungen und von erfahrener Gewalt die Chance, Verständnis auch für das Leid anderer zu entwickeln. Lehrende und Sozialpädagog*innen brauchen durchaus psychologisches Geschick. Das komplette Interview finden Sie hier.
  • Rubriken Treibhäuser und Liberale Demokratie: In dem kurzen Essay „Vielfalt und Respekt – Die Sache, die so einfach, doch schwer zu machen ist“ habe ich versucht, das Gemeinsame und das Spezifische verschiedene Ausprägungen von Diskriminierung und Exklusion gleichermaßen herauszuarbeiten. Letztlich geht es immer um dieselbe Frage. Wie halten wir es mit Minderheiten? VerAnderung und Trilemma der Inklusion sind Begriffe, mit denen sich die Problematik der diversen Debatten um das, was landläufig und meines Erachtens wenig präzise „Identitätspolitik“ genannt wird, beschreiben lässt. Den Text finden Sie hier.
  • Rubriken Liberale Demokratie und Treibhäuser: Die Klimakrise, auch als Klimakatastrophe oder Klimawandel bezeichnet, wird unser Leben erheblich ändern – wenn wir es nicht ändern. Es droht die Erwärmung unseres Planeten um 1,5 Grad, 2 Grad oder vielleicht sogar deutlich mehr. Im August-Newsletter habe ich das Buch „Move“ von Parag Khanna erwähnt, der von einer Erwärmung um etwa 4 Grad ausgeht. Die Veränderungen des Klimas bedrohen die Vielfalt der Arten, das Überleben vieler Menschen, machen ganze Regionen unbewohnbar, sie betreffen auch die Demokratie in ihrem Kern. In dem Text „Die Welt retten! Warum nicht?“ habe ich mein Gespräch mit Katrin Uhlig, Expertin für Klimaschutz und Energiepolitik, dokumentiert. Sie bewertet die deutsche und die europäische Klima- und Energiepolitik, erläutert die Chancen einer Mobilitätswende, nennt Entwicklungsmöglichkeiten in Landwirtschaft und Wirtschaft, spricht darüber, warum Atomenergie keine Alternative ist. Ein zentraler Punkt ist der soziale Ausgleich, denn Klimaschutz muss für alle machbar sein. Wer das Interview liest, entdeckt vielleicht auch die Zuversicht, Klimaschutz offensiv und mutig zu gestalten. Das vollständige Interview finden Sie hier.

Veranstaltungen mit Beteiligung des Demokratischen Salons:

  • Thema Demokratie: Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur lädt für den Abend des 15. September 2021 ab 18 Uhr in die Kronenstraße 5, 10117 Berlin-Mitte ein. Der 15. September wurde 2007 durch die Vereinten Nationen zum Internationalen Tag der Demokratie erklärt, Titel der Veranstaltung: „Wir müssen reden“. In der ersten Diskussionsrunde darf ich mit Judith C. Enders über das Thema „Demokratie – ein Generationenprojekt? Oder wofür es sich zu kämpfen lohnt“ sprechen. In einer zweiten Diskussionsrunde diskutieren Vera Lengsfeld und Werner Schulz über die Frage „Leben wir wirklich in einer ‚DDR 2.0?‘“. Weitere Informationen auf der Seite der Stiftung. Die Veranstaltung ist digital auf dem you-tube-Kanal der Stiftung nachverfolgbar, auch nach dem 15. September. Über Chat oder e-mail ist eine Beteiligung möglich.
  • Thema Religion: Der Verein für transkulturelle Bildung in Bonn bietet am 4. Oktober 2021, 18-20 Uhr live im Trinkpavillon Bonn-Bad Godesberg eine Veranstaltung zum „Alltag als Religionslehrer*in“, die ich moderieren darf. Meine Gesprächspartner*innen sind Lehrer*innen des katholischen, islamischen und jüdischen Religionsunterrichts. Es geht um Religion in den Zusammenhängen gesellschaftlicher und politischer Debatten, die Frage des interreligiösen Dialogs und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht sowie Aus- und Fortbildung. Meine Gesprächspartner*innen sind Bernd Ridwan Bauknecht, Beni Pollak und Agnes Steinmetz. Die Veranstaltung ist ausschließlich eine Präsenzveranstaltung. Es gelten die 3-G-Regeln.
  • Thema Widerstand in Deutschland und in Italien: Am 19. Oktober 2021 (18-20 Uhr) moderiere ich die hybride gemeinsame Veranstaltung von Gustav-Stresemann-Institut in Bonn (GSI), Verein Wissenskulturen e.V. und Demokratischem Salon: „Der lautstarke und der lautlose Aufstand“. Thema ist eine vergleichende Betrachtung der Rezeption der Geschichte und des Interpretationswandels in Bezug auf den italienischen und den deutschen antifaschistischen Widerstand. Gerd Pütz vom Verein Wissenskulturen wird in die Thematik einführen, für die Fondazione Gramsci onlus, Rom, spricht Tommaso Baris, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Palermo, über den italienischen Widerstand, die „Resistenza“, über den deutschen Widerstand Dieter Nelles vom Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V. Die Veranstaltung wird simultan deutsch-italienisch gedolmetscht. Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.
  • Thema Lernen in der Pandemie: Am 25 . Oktober 2021 findet im GOP Variété Theater Bonn die Premiere eines Films der OGS Gottfried Kinkel Kinderwerk Baronsky gGmbh über das Lernen in Distanz und die Erfahrungen der Kinder, Lehr- und Fachkräfte sowie von Eltern und Schulleitung statt. Anschließend moderiere ich ein Gespräch mit Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer Deutscher Städte- und Gemeindebund, Myrle Dziak-Mahler, Kanzlerin Alanus Hochschule, Selma Brand, Regisseurin des Films, Susanne Blasberg-Bense, Bildungsministerium NRW, und dem Schulleiter der OGS Gottfried Kinkel Christian Eberhard. Einen ersten Eindruck gibt der Trailer des Films. Anmeldung bis zum 8. Oktober 2021 an schulleitung@gottfried-kinkel-grundschule.de. Es gelten die 3G-Regelungen.
  • Thema Rechtsanspruch auf Ganztag: Bundestag und Bundesrat haben sich am 6. September 2021 auf die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz in den Grundschulen ab 2026 geeinigt. Gemeinsam mit der Serviceagentur Ganztägig lernen (SAG) im Institut für Soziale Arbeit (ISA) bietet der Demokratische Salon am 2. November 2021, 19 – 21 Uhr (nach wie vor digital) die Veranstaltung „Ganztagsbildung ist Kinderrecht – Perspektiven des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz“ an. Der Ganztag ist eine Erfolgsgeschichte der vergangenen zwanzig Jahre, die Einführung des Rechtsanspruchs ist nicht nur eine quantitative, sondern auch und vielleicht sogar vor allem eine qualitative Frage. Es geht um die im 15. Kinder- und Jugendbericht geforderte kindorientierte Ganztagsbildung, die am besten durch eine verlässliche und verbindliche Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule gewährleistet wird. Ganztagsbildung – das ist strukturierter Ganztag, der pflichtige und freiwillige Elemente miteinander verknüpft, die die Kinder aktiv mitgestalten. Expert*innen aus Jugendhilfe und Schule werden unterschiedliche Perspektiven beleuchten, beispielsweise die Ausgestaltung von Familiengrundschulzentren, von Schutzkonzepten im Ganztag, des Dialogs zwischen Schule und Jugendhilfe in einer Kommune. Anmeldung ist hier möglich. Rechtzeitig vor der Veranstaltung wird von der SAG der Zugangslink versandt.

Weitere Veranstaltungen, Ausstellungen und Wettbewerbe:

  • Thema Mauerbau: Am 13. August 2021 jährte sich zum 60ten Mal der Bau der „Berliner Mauer“, die – wie man*frau weniger Tage vorher so hörte – wohl niemand die Absicht zu bauen hatte, aber manchmal werden auch Dinge gebaut und veranlasst, die eigentlich niemand wollte, zumindest zu denen sich niemand bekennen möchte. Zur Erinnerung an den Mauerbau und seine Folgen bieten die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und die Bundeszentrale für Politische Bildung zahlreiche Informationen und Veranstaltungen, die auch digital nachverfolgt werden können. Ein Beispiel ist die vom 13. August bis zum 6. Oktober 2021 in Berlin am Potsdamer Platz (Nord) zu sehende Open-Air-Ausstellung „Die Mauer 1961 bis 2021“.
  • Thema Kultur und Pandemie: Am 14. September 2021 um 18 Uhr diskutieren Christine Berg (Vorstandsvorsitzende HDF KINO), Christian Höppner (Deutscher Musikrat), Annekatrin Klepsch (Beigeordnete für Kultur Dresden), Olaf Zimmermann (Deutscher Kulturrat) unter Moderation der Journalistin Barbara Haack über das Thema „1,5 Jahre Corona versus Kultur: Wo stehen wir heute?“. Die Veranstaltung ist Teil der Debattenplattform „JaAberUnd“. Sie ist auf dem youtube-Kanal des Deutschen Kulturrats live verfügbar. Siehe auch meine Rezension der „Corona-Chroniken Teil I“ in diesem Newsletter.
  • Thema Kinderrechte: Das Institut für soziale Arbeit lädt ein zum Fachkongress Kinderrechte 2021 am 16. und 17. September 2021. Der online-Kongress will Raum und Rahmen bieten, über Bedeutung und Praxis der Kinderrechte zu debattieren, und er will kritisch fragen, was und wie Kinderrechte konkret dazu beitragen, allen Kindern ein gelingendes Aufwachsen zu ermöglichen. Expert*innen aus Praxis, Wissenschaft, Politik und Forschung unterstützen den Kongress mit Vorträgen und Diskussionsbeiträgen. Partner ist die Outlaw-Stiftung. Weitere Informationen hier, alle Interessierten können sich online verbindlich registrieren.
  • Thema Umbruchszeiten: Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ruft vom 15. September 2021 bis zum 1. März 2022 Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren auf, sich in Gruppen auf historische Spurensuche zu begeben. Das Thema der diesjährigen Runde des Jugendwettbewerbs „ Deutschland im Wandel seit der Einheit“ ist „Jungsein“: Wie hat sich das Leben von Jugendlichen seit dem Mauerfall und der Einheit verändert? Und inwieweit sind die Auswirkungen auch in der Gegenwart noch spürbar? Ziel ist es, mit dem Thema „Jungsein“ Geschichten und Erfahrungen junger Menschen aus dieser Zeit in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken und Jugendliche deutschlandweit dazu anzuregen, sich mit der jüngsten Vergangenheit auseinanderzusetzen. Es geht um Geschichten aus den Familien, aus dem Wohnort, aus Vereinen, von Begegnungen mit Menschen aus dem jeweils anderen Landesteil oder auch um Veränderungen, die junge Menschen seit 1989/90 mitgemacht haben. Zu gewinnen gibt es bis zu 30 Preise in Höhe von 500 bis 3.000 Euro sowie die Teilnahme an der Preisverleihung im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin im Juni 2022. Am 28. September 2021 findet um 16 Uhr im Livestream auf youtube eine Infoveranstaltung statt.
  • Thema Bildung digital und demokratisch: Am 6. und 7. Oktober 2021 findet online der 9. Bildungspartnerkongress unter dem Titel „Gut vernetzt! – Kooperation geht digital“ statt. Veranstalter ist Bildungspartner NRW. Ziel ist es, neue Impulse für das Lernen im digitalen Wandel setzen und Möglichkeiten der Digitalität im Bereich des außerschulischen Lernens vorzustellen und zu diskutieren. Es gibt eine Fülle von Praxisbeispielen zu allen Themen, die – so möchte ich es nennen – die Seele der Schule ausmachen und in vorbildlicher Form dem Bildungsauftrag des Grundgesetzes entsprechen: Bildung für nachhaltige Entwicklung, kulturelle Bildung, Erinnerungskultur, Sport, bürgerschaftliches Engagement und vieles mehr. Das Programm finden Sie hier, Anmeldung über diesen Link.
  • Thema Handel und Menschenrechte: Zum 20. Mal findet vom 10. bis zum 24. September 2021 bundesweit die Faire Woche statt, Thema: „Menschenwürdige Arbeitsbedingungen“ unter dem Motto „Zukunft fair gestalten – #fairhandeln für Menschenrechte weltweit“. Veranstaltungen in Ihrer Region sind in einem Kalender zu finden. Rundreisen sind auch virtuell möglich.
  • Thema Sustainable Development Goals (SDG): Die Bonner SDG-Tage finden vom unter dem Motto „17 Tage für die 17 Ziele“ vom 18. September bis zum 4. Oktober 2021 statt. Die SDG-Tage werden am 18. September um 11 Uhr von der Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner auf dem Münsterplatz eröffnet. Dort, in der Bonner Friedrichstraße (war schon lange vor ihrer Berliner Namenskollegin autofreie Zone) und an vielen Orten lässt sich konkret erfahren, wie engagierte Menschen in Bonn Nachhaltigkeit gestalten.
  • Thema Jüdisches Leben in Deutschland: Zum Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ veranstaltet der Verein 321 – 2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V. für Lehrkräfte und Multiplikator*innen sogenannte Digitale Impulse, in denen außerschulische Bildungspartner spannende Lernangebote präsentieren. Der nächste Digitale Impuls am 28. September 2021 von 16:00 – 17:30 Uhr präsentiert aktuelle Filmbeispiele und die dazu entwickelten Unterrichtsmaterialien, darunter Eine pädagogische Handreichung zu dem Film „Jung und Jüdisch in Baden – Württemberg“, die hat das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg entwickelt hat, sowie die von Film + Schule NRW entwickelten Unterrichtsmaterialien zu den Filmen „Kippa“ und „Masel Tov Cocktail“. Die Teilnahme ist kostenfrei. Zur Anmeldung geht es hier

Literaturtipps:

Gabriele Tergit, Effingers:

Der Roman wurde 1951 veröffentlicht und ist die Geschichte einer untergegangenen Welt. Er beginnt und endet mit einem Brief einer der Hauptpersonen, des Unternehmers Paul Effinger, aus den Jahren 1978 und 1942. Der Epilog blickt aus dem Jahr 1948 zurück. Der Roman wurde 2019 von Schöffling & Co. wiederveröffentlicht und in diversen Rezensionen mit Thomas Manns „Buddenbrooks“ verglichen. Ich habe eher an Marcel Prousts „A la recherche du temps perdu“, Giorgio Bassanis „Il giardino dei Finzi Contini“ oder Lion Feuchtwangers „Geschwister Oppermann“ gedacht. Untergegangene jüdische Welten, latenter und manifester Antisemitismus – das sind leitende Inhalte dieser drei Romane.

Der Romane und Novellen von Thomas Mann, auch die „Buddenbrooks“, prägende Gegensatz von Bürger und Künstler spielt als Zitat durchaus seine Rolle in „Effingers“, insbesondere „Tonio Kröger“. Unter den Frauen der „Effingers“ gibt es mehrere Künstlerinnen, aber sie leiden nicht an nicht erreichbarer Bürgerlichkeit, sondern daran, dass ihnen als Frauen von Männern Rollen zugewiesen werden, die sie kaum zu durchbrechen vermögen. Die „Effingers“ ist aus meiner Sicht auch ein feministischer Roman.

Frauen und Männer leiden unter dem Antisemitismus der preußisch-deutschen Mehrheitsgesellschaft. Es geht letztlich um die Möglichkeiten und Grenzen von Assimilation und Arrangement in einer latent antisemitischen Gesellschaft. Zunächst erscheint der Antisemitismus eher als wenig relevante Begleitmusik, durchaus auch als Karriere-Hindernis, er wird jedoch erst wirklich gefährlich, als sich im nächsten Umfeld Nazis organisieren. Gerade noch loyale Mitarbeiter*innen oder Kolleg*innen entpuppen sich fast von einem Tag auf den anderen als Nazis und Judenhasser.

Die Effingers sind eine Handwerkerfamilie aus der fränkischen Provinz, deren Sohn Benno nach England und deren Söhne Paul und Karl nach Berlin ziehen. Die beiden Neu-Berliner bauen in Weißensee eine Autofirma auf, beide heiraten Schwestern, die Töchter Annette und Klärchen der Bankiersfamilie Oppner, Kinder des Bankiers Markus Goldschmidt. Pauls Tochter Lotte heiratet Karls Sohn Erwin, es ist eine schwierige Ehe, Lotte Effinger wird unter dem Namen Angelika Oppen in den 1920er Jahren eine berühmte Schauspielerin. Klärchens und Annettes Schwester Sofie wird Künstlerin, lebt zeitweise in Paris, heiratet einen preußischen Leutnant der Reserve, von dem sie sich wieder scheiden lässt.

Marianne, Tochter von Karl und Klärchen, ist vielleicht die selbstbewussteste und emanzipierteste der Frauen. Sie beschäftigt sich mit sozialistischen Ideen, verpflichtet sich ihnen ehrenamtlich und beruflich, wird Regierungsbeamtin und muss 1933 erleben, wie sie von einem Tag auf den anderen entlassen wird. Ihre Kolleg*innen, die zunächst nur verstummten, wenn sie den Raum betrat, agieren mit der Zeit immer offener antijüdisch. Ein besonderer Fall ist der Revolutionär Schröder, der bolschewistische Positionen vertritt und später sich zwar von den Nazis distanziert, weil er glaubt, schlauer zu sein, sich ihnen aber dann hingibt und sich nicht mehr und nicht weniger antijüdisch und antisemitisch verhält wie sie. Marianne, die keine Zionistin sein wollte, findet ihre Zukunft in Palästina.

Beeindruckend ist die Gestalt des Onkels Waldemar, jüngster Sohn des Bankiers Markus Goldschmidt, der als Jude nicht Professor werden kann, aber im Roman vielleicht die die politischen Verhältnisse kommentierende Stimme der Autorin ist. Auch seine Frau, die er nach langer Bekanntschaft in hohem Alter heiratet, beeindruckt in ihrer Zerrissenheit, eine Opernsängerin, die mit ihrer ersten Ehe den Beruf aufgibt, dann durch wechselnde Wege ihres Schicksals bei Waldemar eine zumindest temporäre Stabilität des Alters findet, aber ansehen muss, wie die NS-Schergen ihren Waldemar verhaften.

Eine zentrale Rolle spielen die Berliner Häuser der Familien in der Tiergartenstraße und der Bendlerstraße. Heute sind diese Straßen Adressen von Botschaften und Landesvertretungen. Der Niedergang dieser großbürgerlichen Häuser nach dem Ersten Weltkrieg und unter den Nazis begleitet das Schicksal der dort lebenden Menschen, die Schikanen und Vertreibungen, die die Bewohner*innen erleiden, Das Schicksal der mit Ludwig Goldschmidt verheirateten Russin Eugenie Soloweitschick, deren Bruder in den Wirren der russischen Revolution getötet wird, sodass sie ihr Erbe verliert, zeigt den Weg von ihren rauschenden Festen zur immer kleiner werdenden Wohnung, die sie mit einquartierten Mietern teilen muss. Wie die Wohnverhältnisse verengen sich die gesellschaftlichen Spielräume.

Der im Buch abgedruckte Stammbaum der beiden Familien nennt bei mehreren Personen Todesdaten während der NS-Zeit bis 1942. Der letzte Brief Pauls datiert auf das Jahr 1942 und wurde wohl aus einem Vernichtungslager der Nazis herausgeschmuggelt. Es bleibt zum Schluss im Epilog die Haushälterin Frieda, die einen Gemüsegarten pflegt. Die Familien überwanden die Wechselfälle des Gründerkrachs, des Ersten Weltkriegs, der Spanischen Grippe, die Inflation – bei allen persönlichen und gesellschaftlichen Verlusten, aber nichts ist vergleichbar mit der Zeit der sich abzeichnenden und dann obsiegenden NS-Herrschaft. Das 142. Kapitel trägt den Titel „Macht“. Es herrschen Rollkommandos der SA und NS-Betriebszellen, in den Unternehmen, in den Theater, in allen öffentlichen Bereichen.

Eine große Stärke des Romans liegt im Aufbau. Jedes einzelne der 151 Kapitel ist in sich eine eigene kurze Geschichte, fast im Stil einer amerikanischen Short Story geschrieben, doch aus der Reihung der Kapitel, dem Verlauf der Geschichte und der Geschichten ergibt sich das Panorama des zwangsläufigen Untergangs jüdischer Welten im großbürgerlichen Berlin wie im honorigen Handwerksmilieu der fränkischen Provinz. Marianne und Waldemar diskutieren die Konsequenzen. Marianne: „Es war ein Irrtum. Die ganze Emanzipation. Die Entwurzelung der deutschen Juden, nämlich aus dem Judentum, war ein Irrtum. Eine Verwurzelung im Deutschtum kann ich nicht mehr anerkennen.“ Waldemar widerspricht: „Ich bin nie gläubig gewesen im Sinne des Glaubens an einen persönlichen Gott, aber ich glaube, dass die Ethik der Propheten, ja aller Weltreligionen heute notwendiger ist als je. Eine Lüge muss wieder eine Lüge genannt werden. Das ist der Gegensatz zwischen den Gläubigen des Rechts und den Anbetern der Macht, der Weltgegensatz zwischen denen, die, welchem Volk sie immer angehören, kämpfen für das Gesetz des Sinai. Das ist kein Gegensatz zwischen heute und morgen. Sondern dieser ist ewig. Es ist der Gegensatz zwischen Jahwe und Amalek.“

Olaf Zimmermann / Theo Geißler (Hg.) Die Corona-Chroniken Teil I:

Es ist ein Verdienst des Deutschen Kulturrats, dass Kultur in der Pandemie nicht vergessen wurde. Die Gefahr bestand, wurde doch Kultur vom Chef des Bundeskanzleramts als Freizeitaktivität eingeordnet und im Infektionsschutzgesetz in einem Atemzug mit Bordellen genannt. Olaf Zimmermann und Theo Geißler haben in dem Band „Die Corona-Chroniken Teil 1“ in der Zeitung „Politik & Kultur“ erschienene Texte zusammengeführt. 124 Autor*innen formulieren in acht Kapiteln und 181 Texten ihre Erfahrungen und Perspektiven. Vier Papiere des Deutschen Kulturrats runden das Bild ab. Ein zweiter Band ist für Sommer 2022 geplant.

Alle Texte sind im besten Sinne des Wortes eine „Chronik“ der Zeit, die sich – so der provokante Untertitel – unter dem Motto „Corona vs. Kultur“ charakterisieren lässt. Das zweite Kapitel untertitelt noch deutlicher: „Die Pandemie frisst sich durch.“ Beide Bände wären meines Erachtens ein guter Point de départ für eine wissenschaftliche Auswertung der Auswirkungen der Pandemie und der diversen Unterstützungsleistungen in Bund, Ländern und Kommunen, möglichst differenziert nach Sparten und Status der betroffenen Einrichtungen und Künstler*innen. Empirische Formate sollten diese Auswertung ergänzen.

Der Band bietet eine Fülle von Erfahrungen während der Pandemie in den verschiedenen künstlerischen Sparten, im Rundfunk, in den Religionsgemeinschaften (warum fehlt hier das Judentum?), für den Buch- und Kunsthandel, für Buch- und Kunstmessen, die Kultur- und Eventwirtschaft, in Kommunen, in den Ländern, im Bund, sowie in der kulturellen Bildung. Mehrfach stoßen wir auf militärisch konnotierte Begriffe wie „Lagebild“ oder „Lagebericht“, die den Ernst der Lage veranschaulichen. In den Kapiteln zum Rundfunk und zu den Ländern gibt es jeweils zwei Beiträge, einen zur Phase I, sprich 2020, eine zur Phase II, sprich 2021.

Themen sind die Arbeitsbedingungen von Künstler*innen, die Entstehung neuer digitaler Formate sowie die Sehnsucht nach dem Publikum, das zurückgewonnen werden muss, aber auch die Ungleichbehandlung von Bildung, Kultur und Breitensport auf der einen Seite, dem Spitzensport auf der anderen Seite. Boris Kochan fordert analog zum „Digitalgipfel“ einen „Krisengipfel“, Susanne Keuchel den „Aufbau analog-digitaler Strukturen nicht nur für Krisenzeiten“, mehrfach ist die Grundsicherung von Künstler*innen Thema. Politische Erklärungen von Bundes- und Landesminister*innen schwanken zwischen einer Art Prinzip Hoffnung und den Beteuerungen ihres unablässlichen Bemühens um den Erhalt der Kulturszene. In mehreren Texten wird die Forderung nach einem Bundeskulturministerium angesprochen.

Gerald Mertens schrieb im Mai 2020: „Für ein paar Monate lässt sich der Lockdown irgendwie überbrücken, für eine ganze Spielzeit nicht.“ Amelie Deuflhard ist kämpferisch: „Wir müssen unsere Relevanz klarer behaupten.“ Oder in den Worten von Gerhart R. Baum: „Kunst ist kein beliebiges Freizeitvergnügen.“ Treffend fasste Monika Grütters im April 2020 die miteinander widerstreitenden Sichtweisen prägnant und hierarchisierend zusammen: „Kultur ist ein wichtiger Standortfaktor. Kultur ist der Modus unseres Zusammenlebens. Und Kultur ist vor allem eins. Kultur ist ein Ausdruck von Humanität. Darauf kommt es an. Jetzt mehr denn je.“ Monika Grütters war es, die in einem anderen Zusammenhang vor einigen Jahren in „Politik & Kultur“ forderte: „Democracy First“.

Kurznachrichten und weitere Empfehlungen:

  • Thema Weiter Schreiben! Die dritte Ausgabe des von der Initiative „Wir machen das. Jetzt!“ ist erschienen. Der Titel: Salzt uns!  !مالحونا. Mit diesen Worten fordert man in Syrien Gäste auf, gemeinsam ein Stück Brot zu essen und sich Freundschaft zu versprechen.  Von Bräuchen rund ums Brot erzählt Dima Al-Bitar Kalaji in ihrem Essay, der das politisch-private Spektrum des Magazins aufmacht: Essen und Identität. Weitere Gedichte, Briefe, Essays, Interviews und Rezepte, alle rund um das Thema Speisen und Schreiben, Essen und Sein bieten Galal Alahmadi, Mariam Al-Attar, Abdalrahman Alqalaq, Stella Gaitano, Dima Al-Bitar Kalaji, Katerina Poladjan, Ivana Sajko, Sabine Scholl, Sam Zamrik. In der Online-Plattform arbeiten Autor*innen und Künstler*innen aus Kriegs- und Krisengebieten gemeinsam mit renommierten deutschsprachigen Autor*innen in Tandems zusammen an literarischen Texten. Das Magazin ist kostenlos in gut sortierten Buchhandlungen, Literaturhäusern, Theatern, Cafés und Kneipen in vielen deutschen Städten erhältlich, Bestellung auch per Mail an: presse@weiterschreiben.jetzt.
  • Thema Jüdisches Leben: Sehr empfehlenswert ist die Teilnahme von Schüler*innen an der Ausschreibung des Leo-Trepp-SchülerPreises, Thema: „Lebendiges Judentum in Deutschland“, Motto: „Masel What?“ Details zu Aufgabenstellung, Ausschreibungsbedingungen und Jury finden Sie hier.
  • Thema Afghanistan: Auf der Internetseite der „Gesichter des Friedens“, der „Faces of Peace“ wurde ein Interview mit Farzana Kochai, Mitglied des Parlaments in Afghanistan, veröffentlicht, das zu lesen ich sehr empfehle. Auf der Seite finden sich auch „Gesichter der Demokratie“. Dort finden Sie Interviews mit zahlreichen prominenten Politiker*innen, Intellektuellen und Künstler*innen. Jeder einzelne Text lässt sich aus meiner Sicht gut als Gesprächsanlass in Bildungsveranstaltungen einsetzen.
  • Thema Kinderrechte: Die ZEIT hat Ergebnisse einer Befragung von Kindern veröffentlicht. Das erschreckende Ergebnis: „7 Prozent der Kinder zwischen 8 und 13 Jahren glauben, dass Politikern ihre Meinung wichtig ist.“ Mangelndes Interesse vieler Politiker*innen an der Meinung von Kindern ist ein Grundsatzproblem, die Pandemie machte dieses Problem – wie viele andere auch – nur sichtbar(er). Die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ist noch ein langer Weg. Den vollständigen Text finden Sie hier.
  • Thema Bundeskulturministerium: Mit Olaf Zimmermann habe ich ausführlich darüber gesprochen, warum wir ein Bundeskulturministerium brauchen. Dies ist kein Streit zwischen Parteien, sondern – von Ausnahmen abgesehen – innerhalb der Parteien. Nach Robert Habeck hat sich jetzt auch Monika Grütters positioniert: „Entweder emanzipiert sich die Kultur zu einem eigenen Ministerium, was vom Volumen und von der Bedeutung her mittlerweile wirklich gerechtfertigt wäre, oder sie bleibt ganz oben, im Kanzleramt.“ In einem FAZ-Interview erinnerte sie daran, dass Kultur im Infektionsschutzgesetz unter den Bereich Freizeiteinrichtungen subsummiert und neben Bordellen aufgeführt wurde. „Solche Pannen„, sagt Monika Grütters, „passieren zwischen Ministerien auf Augenhöhe eher nicht.“ (Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Kulturrats vom 4. September 2021)
  • Thema Treibhaus: Benedikt Wintgens hat für seine Dissertation „Treibhaus Bonn – Die politische Kulturgeschichte eines Romans“ (erschienen 2019 im Düsseldorfer Droste-Verlag) den Wissenschaftspreis des Deutschen Bundestags Ausgangspunkt ist der Roman „Das Treibhaus“ von Wolfgang Koeppen. Die Dissertation enthält über die Analyse des Romans und seiner Rezeption hinaus eine Kulturgeschichte der Transparenz parlamentarischen Handelns, auch im Hinblick auf die Architektur von Parlamentsgebäuden. In einem als Gastbeitrag für den Demokratischen Salon veröffentlichten Essay hat Benedikt Wintgens die Ergebnisse zusammengefasst.
  • Thema Pandemie: Der indische Immunologe Satyajit Rath hat am 28. August 2021 in der Süddeutschen Zeitung über den Verlauf der Pandemie in Indien sowie die Rolle der WHO und der westlichen Staaten gesprochen. Seine These: „Das sind keine Wellen, das ist ein Waldbrand.“ Er kritisiert vor allem die unzureichende Koordination innerhalb der Länder wie auf der internationalen Ebene sowie die Auslagerung der Verantwortung an die Privatwirtschaft, sprich die Pharmaindustrie: „Es existiert keine Logistik zum konsequenten Informationsaustausch zwischen Regierungen, Gesundheitsbehörden, internationalen Einrichtungen. Das wäre enorm wichtig gewesen, wurde aber versäumt. Trotz bester Absichten.“ Das vollständige Interview finden Sie hier.
  • Thema Kolonialismus-Debatte: Olaf Zimmermann und Theo Geißler, Herausgeber der Zeitung „Politik & Kultur“, haben den Sammelband „Kolonialismus-Debatte: Bestandaufnahme und Konsequenzen“ herausgegeben. In dem Band äußern sich 59 Autor*innen. Er kann kostenfrei heruntergeladen
  • Thema Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK): In meinem in der Jüdischen Allgemeinen am 2. September 2021 veröffentlichten Statement „Gefährliche Mischungen habe ich gefordert, die PMK-Statistik unter Beteiligung der jüdischen Gemeinden zu überarbeiten. Die 2001 von der Innenministerkonferenz verabredeten Kategorien „Religiöse Ideologie“ und „Ausländische Ideologie“ bilden die aktuellen Bedrohungslagen nicht ab. Es fehlt beispielsweise eine „intersektionelle Sicht“, weil viele Täter*innen mehrere Kategorien der PMK erfüllen, daher auch der Titel des Statements. Bei der Bewertung von israelbezogenem Antisemitismus wirkt die aktuelle Einteilung „fatal“.

(Alle Zugriffe im Internet erfolgten zuletzt zwischen dem 5. und 8. September 2021.)

Ich wünsche allen meinen Leser*innen viel Gewinn beim Lesen und Nachdenken! Mein herzlicher Dank gilt all denen, die mich auf die ein oder andere der oben genannten Empfehlungen hingewiesen haben oder mich bei meinen Texten durch Anregungen, Gespräche, Korrekturen so diskussionsfreudig unterstützen. Ich würde mich freuen, wenn diejenigen, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, dort auf den Demokratischen Salon hinweisen.

In etwa vier Wochen melde ich mich wieder.

Ich grüße Sie / euch alle herzlich.

Ihr / Euer Norbert Reichel

P.S.: Sollte jemand an weiteren Sendungen meines Newsletters nicht interessiert sein, bitte ich um Nachricht an info@demokratischer-salon.de. Willkommen sind unter dieser Adresse natürlich auch wertschätzende und / oder kritische Kommentare und / oder sonstige Anregungen.