Where is the End, the End, my Friend 

Kosmologische Reflexionen in der Science Fiction

„Auf den ersten Blick in den Nachthimmel erscheint das Kosmologische Prinzip ziemlich abwegig. (…) Das Kosmologische Prinzip ist also plausibel. Aber eine unanfechtbare Wahrheit ist es nicht.“  (Tobias Hürter / Max Rauner, Die verrückte Welt der Paralleluniversen, München / Zürich, Piper, 2009)

Wie man auch immer „das Kosmologische Prinzip“ definieren mag, verändert sich die Sicht auf die Welt, in der räumlichen Ausdehnung bis hin zu dem, was möglicherweise hinter den Grenzen unseres Universums zu finden wäre, wenn es die nun gibt, oder auch in der Zeit, vor dem Urknall, unmittelbar danach und in der Zukunft. Wie auch immer stellt sich die Frage, wie das Ende der Menschheit, des Planeten Erde oder gar des Universums geschehen mag. Pro und Contra oder besser: Viele Pros, viele Contras und sehr viel dazwischen. Eine Fundgrube für Science und Fiction, erst recht für die kosmologische Science Fiction. Und wer sind dann wir, die Menschen? Oder anders gefragt: Wo sind wir? Im Raum, in der Zeit?

Die Menschheit wird auf der Erde ein Ende erleben. Spätestens wenn sich die Sonne zu einem Roten Riesen aufbläht. Aber bis dahin kann viel geschehen, der Einschlag eines Kometen zum Beispiel. Es wäre nicht das erste Mal. Zurzeit, zu Beginn des Jahres 2025, wird debattiert, ob im Jahr 2032 möglicherweise ein Asteroid die Erde treffen könnte, kleiner als der, der vor 65 Millionen Jahren einschlug, aber dennoch mit verheerenden Auswirkungen, etwa vielleicht so wie das Tungusische Ereignis, dass es schon mehrfach in die Literatur geschafft hat (Karlheinz Steinmüller beschrieb dies in seinem Beitrag zum Science Fiction Jahr 2023, Berlin, Hirnkost, 2023). We should look up! In den USA ist das sogar politisches Programm, nicht in dem Sinne, dass die Erde besser geschützt werden sollte, sondern Evakuierung der Menschheit zum Mars – das ist die Politik gewordene Fantasie eines Milliardärs und seines Präsidenten, die neue „New Frontier“, die neue „Manifest Destiny“. Die kosmologische Science Fiction jedoch wagt sich viel weiter hinaus und spekuliert nicht nur über das Ende der Menschheit und des Planeten Erde, sondern gleich über das Ende des Universums.

Der Mensch im Kosmischen Kalender

Wie lange dauert ein Menschenleben? Wie lange wird die Menschheit existieren, wie lange die Erde, die Sonne, das Universum? Gibt es ein ewiges Leben für Menschen, Intelligenz oder das Universum? Oder endet alles irgendwann im Nichts? Wann begann das Leben auf der Erde und wann wird es enden? Ist das Universum für intelligentes Leben ausgerichtet? Können Zivilisationen am Ende des Universums überleben? Können Superzivilisationen den Sprung in ein neues Universum überstehen und vielleicht sogar die Bedingungen in einem neuen Universum gestalten?

Dies sind Fragen nicht nur der Science-Fiction-Literatur, sondern auch der wissenschaftlichen Kosmologie der Gegenwart. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Literatur gehört zu den philosophisch anregenden Diskursen der Gegenwart. Es sind Themen der Eschatologie, der Lehre von den letzten Dingen, die zum Standardrepertoire der großen Weltreligionen gehören, die sich seit dem Aufsatz „The Collapse of the Universe: An Eschatological Study“ (1969) von Sir Martin Rees auch in der wissenschaftlichen Kosmologie niedergeschlagen haben. Science-Fiction-Literatur bearbeitete solche Themen schon zuvor mit bemerkenswertem philosophischem Tiefgang.

Kosmologische Science-Fiction Literatur bearbeitet, wenn sie gut ist, ähnliche Narrative wie die Weltreligionen. Als Lehre von den letzten Dingen werden Fragen nach dem Tod, der Auferstehung oder Wiedergeburt, der Eingang ins Nirwana, das ewige Leben, das Jüngste Gericht bis hin zum Aufstieg zu einem Leben an der Seite eines Gottes oder gleich mehrerer Götter behandelt. Dabei gehen diese fundamentalen kulturellen Lehren der Menschheit davon aus, dass die menschliche Seele nach dem Vergehen der körperlichen Hülle ewig weiterlebt, in eine Gemeinschaft körperloser Wesen aufgenommen wird und dass ein Weiterleben in einer in der Regel als „Paradies“ beschriebenen Wirklichkeit möglich ist.

Schauen wir einmal auf die großen Zeiträume, die die Menschen überblicken können.

Das Universum entstand nach allgemeiner wissenschaftlicher Kenntnis vor ungefähr 13,8 Milliarden Jahren aus dem Urknall. Wenn man die Zeit nach dem Urknall auf einen Jahreskalender, also einen Zeitraum von zwölf Monaten, überträgt, dann beginnt das Universum im Januar, die Milchstraße entsteht im März, die Sonne und die Planeten im August, erstes Leben auf der Erde im September. Und wann beginnt die Geschichte des Menschen? Der Homo sapiens erscheint auf der Bildfläche der Erde vor sechs Millionen Jahren, in einer Jahresdarstellung am 31. Dezember um 09:11 Uhr. Eine Sekunde vor Mitternacht, in dieser Darstellung, in der Realgeschichte im Jahre 1492, „entdeckt“ Christopher Kolumbus Amerika. Die Menschheit ist also nach kosmischen Maßstäben gemessen im Alter eines Neugeborenen, unbedarft und schutzbedürftig.

Wenn es intelligente Zivilisationen außerhalb der Erde geben sollte, dann hätten diese eigentlich genug Zeit gehabt, das Universum zu entdecken und zu besiedeln. Wo sind sie? Das Fermi-Paradoxon ist noch immer ungelöst.

Die menschliche Lebenserwartung im zweiten Viertel des 21. Jahrhunderts liegt in Deutschland bei Männern bei ungefähr 78 Jahren und bei Frauen bei 83 Jahren. Das biblische Alter von 100 Jahren erreichten von den im Jahre1900 geborenen lediglich ein Prozent der deutschen Bevölkerung. Von den im Jahre 2000 geborenen Einwohnern Deutschlands könnten nach Prognosen bereits etwa die Hälfte das hundertste Lebensjahr erreichen.

Die Lebenserwartung von Menschen ist, verglichen mit kosmischen Ereignissen, derart gering, dass alle Zeiten des Homo sapiens völlig unbedeutend sind. Auch die Zeit der menschlichen Kultur ist nur dreihunderttausend Jahre alt, seitdem der Homo sapiens von Afrika aus, wo die ältesten kulturellen und technologischen Zeugnisse gefunden wurden, in die Welt gewandert ist. Die Zeit der Dinosaurier auf der Erde wird dagegen mit ungefähr 170 Millionen Jahren angegeben. Ihre Existenz wurde durch einen Asteroideneinschlag vor 65 Millionen Jahren abrupt beendet. Alles Leben auf der Erde ist von kosmischen Ereignissen abhängig.

Blicken wir in die weite Zukunft: Die Sonne befeuert alle Lebenszyklen auf der Erde. Ohne sie wird alles Leben auf dem Planeten Erde sterben. Die Sonne entstand vor ungefähr 4,6 Milliarden Jahren und sie wird sich in ungefähr sechs Milliarden Jahren zu einem Roten Riesen aufblähen, der alles Leben auf der Erde schon weit vor dieser Zeit ausgelöscht haben wird. Einige Milliarden Jahre weiter in der Zukunft wird aus der Sonne ein kalter und dunkler Weißer Zwerg werden. Für die Menschheit bedeutet dies, dass sie bereits lange vor dem Ende der Sonne zu einer raumfahrenden Zivilisation geworden sein und die Erde verlassen haben muss.

Zukunft der Menschheit – Zukunft des Kosmos

Eine andere Möglichkeit wäre es, die Erde selbst zu einem Raumfahrzeug umzubauen und sich ein anderes, junges Sonnensystem als Energiequelle zu suchen. Cixin Liu hat darüber in seiner Novelle „Die Wandernde Erde“ (2000, 2018) geschrieben.

Unsere Nachkommen würden zu interstellaren Nomaden werden müssen, die von Sternensystem zu Sternensystem wandern. Cixin Liu hat dies für seine „Galactic Humans“ in dem dritten Band seiner Drei-Sonnen-Trilogie ausgearbeitet: „Jenseits der Zeit“ (2010, 2019). Die dafür anzusetzenden Zeiten erscheinen uns aus heutiger Sicht sehr lange zu sein, aus kosmischer Perspektive allerdings sind solche Zeiträume, verglichen mit dem Alter und der Lebenserwartung des Universums, immer noch äußerst gering.

Die Möglichkeiten für interstellare Zivilisationen, von einem ausgebrannten zu einem jungen Sternensystem zu emigrieren, werden im Laufe der Milliarden von Jahren immer geringer, bis zu dem Zeitpunkt, an dem alle Sterne erloschen sein werden. Gibt es dann überhaupt noch eine Lebensmöglichkeit für Zivilisationen in unserer Galaxis?

Die theoretische kosmologische Physik sagt: ja, Leben ist auch nach dem Erlöschen aller Sterne möglich – und zwar durch das Anzapfen der letzten Schwarzen Löcher. Wir sind jetzt in der Zeitbetrachtung von hunderttausend Milliarden Jahren angelangt. Das Universum ist kalt, dunkel, leer und lebensfeindlich, bis auf die letzten Zwergsterne, Neutronensterne und Schwarzen Löcher, die noch Energiequellen darstellen.

Noch weiter vorausgedacht in die Zeit von Billionen mal Billionen Jahren in der Zukunft, sieht Stephen Baxter in seinem tiefgründigen Buch „Deep Future“ (2001) die Bergleute des Schwarzen Loches am Werk. Sie sind in der Lage, Gravitationsenergie aus dem Schwarzen Loch anzuzapfen und für ihre Zwecke zu nutzen. Sie können Schwarze Löcher verschmelzen und dabei Gravitationsenergie gewinnen. Oder den sogenannten Penrose-Prozess nutzen, bei dem aus einem rotierenden Schwarzen Loch Energie extrahiert werden kann.

Dies alles sind theoretische physikalische Konstrukte am Ende von allem, aber sicher ist, dass Schwarze Löcher die größte und langlebigste Energiequelle des Universums sind. Deshalb könnten intelligente Zivilisationen auch am Ende des Universums überleben und vielleicht wäre dies sogar die beste Zeit für Leben im Universum. Insgesamt betrachtet wird allerdings niemand und nichts dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik entkommen können: die Entropie, also die Unordnung, wird sich im Universum zu einem Zustand größter Verteilung entwickeln.

Oder wird es eine Neugeburt des Universums geben?

Am Ende von allem wird nichts und niemand überleben können. Oder doch? Wir sind jetzt in Ewigkeitsbetrachtungen angekommen. Dennoch wird Leben auch am Ende von allem und darüber hinaus für möglich gehalten. Die Wissenschaft spekuliert darüber und die Science-Fiction-Literatur spekuliert darüber.

Alle Materie ist jetzt, am Ende von allem, in Energie umgewandelt. Aber ein wie auch immer geartetes Überleben in Form von Energiewesen erscheint den Vertretern der kosmologischen Physik noch immer möglich zu sein. Es wird sogar diskutiert, dass sich das Leben am Ende von allem einfach ein neues Universum nach seinen Wünschen konstruiert, die Naturgesetze nach dem eigenen Willen gestaltet und darin oder in einem verschachtelten Multiversum als körperlose Energiewesen auf ewig weiterleben kann.

Endzeitszenarien in der Wissenschaft

Die physikalische Wissenschaft von den kosmologischen letzten Dingen ist ähnlich spannend und spekulativ wie Science-Fiction-Erzählungen über das Ende von allem. Beide, Wissenschaft und Science-Fiction habe sich gegenseitig befruchtet und waren manchmal kaum noch zu unterscheiden. Ich habe darüber in meinem Buch „Kurz vor Ewig – Kosmologie und Science-Fiction“ (2016) geschrieben und Bezüge zu wichtigen Themen aus Wissenschaft und Literatur hergestellt.

Für die Diskussionen in der kosmologischen Wissenschaft werden unter anderen die Arbeiten von Freeman Dyson, Stephen Hawking und Frank J. Tipler als Meilensteine angesehen.

Freeman J. Dyson hat in seiner grundlagengebenden Studie: „Time Without End – Physics and Biology in an open Universe“ (1979) über ein offenes, unendliches Universum geschrieben: „Es werden quantitative Schätzungen für drei Klassen von Phänomenen abgeleitet, die in einem offenen kosmologischen Modell vom Friedmann-Typ auftreten können. (1) Normale physikalische Prozesse, die mit sehr langen Zeitskalen ablaufen. (2) Biologische Prozesse, die sich ergeben, wenn sich das Leben an niedrige Umgebungstemperaturen anpasst nach einem postulierten Skalierungsgesetz. (3) Kommunikation per Funk zwischen Lebensformen die in verschiedenen Teilen des Universums existieren. Die allgemeine Schlussfolgerung der Analyse ist, dass ein offenes Universum sich nicht in einen Zustand des permanenten Stillstandes entwickeln muss. Leben und Kommunikation können ewig weitergehen und einen endlichen Energievorrat nutzen, wenn die angenommenen Skalierungsgesetze gültig sind.“

Als erste grundlegende wissenschaftliche Arbeit über das Ende des Universums wird der von mir bereits erwähnte Aufsatz des britischen Astronomen Sir Martin Rees angesehen: „The Collapse of the Universe: An Eschatological Study“ (1969). Rees benutzt den unwissenschaftlichen Begriff der Eschatologie, der aus den Religionswissenschaften stammt, für seine mathematische Ableitung der theoretischen Abläufe beim Ende des Universums. Martin Rees hat außerdem mehrere populäre Sachbücher über diese Thematik geschrieben, von denen diese drei im Diskussionskontexts bedeutsam sind: „Vor dem Anfang – Eine Geschichte des Universums“ (1998), „Das Rätsel unseres Universums – Hatte Gott eine Wahl?“ (2003) und „Unsere Zukunft – Perspektiven für die Menschheit“ (2020).

Stephen Hawking hat mit seinem Sachbuch-Bestseller „Eine kurze Geschichte der Zeit“ (1988) das Thema der Raum-Zeit im Universum für das große Weltpublikum aufgeschlossen und populär gemacht.

Frank J. Tipler wird im Gegensatz zu den beiden vorher genannten Autoren als kontrovers angesehen und die meisten seiner Wissenschaftskollegen lehnen seine Schlussfolgerungen ab, über die er in seinem Bestseller „Die Physik der Unsterblichkeit – Moderne Kosmologie, Gott und die Auferstehung der Toten“ (1994) schreibt. Gegenwärtig allerdings nähern sich seine damals als abstrus angesehenen Schlussfolgerungen den Diskursen in Wissenschaft und Literatur wieder an und werden von vielen Menschen in Erwägung gezogen.

Ein weiterer bedeutender theoretischer Physiker und Vertreter der Stringtheorie ist Michio Kaku, der Inhaber der Henry Semat Professur am City College of New York ist. Kaku ist außerdem ein brillanter Didaktiker und sehr erfolgreicher Sachbuchautor, der selbst hochtheoretische Beiträge der Kosmologie anschaulich in seinen Vorträgen und Büchern vermitteln kann. Kaku hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, an dieser Stelle möchte ich auf eins besonders hinweisen: „Parallel Worlds – A Journey Through Creation, Higher Dimensions and the Future of the Cosmos” (2005, Deutsch: „Im Paralleluniversum. Eine kosmologische Reise vom Big Bang in die 11. Dimension“, 2023). Dieses Buch ist meiner Meinung nach das Standardwerk für wissenschaftliche Endzeitbetrachtungen des Universums.

Kann man über dermaßen große und kaum vorstellbare Zeiten und Zustände sinnvolle, nachzuvollziehende und spannende Erzählungen schreiben? Ja, man kann. In der Geschichte der Science-Fiction haben dies bereits einige Autoren gut hinbekommen. Poul Anderson mit „Tau Zero“, Frederic Pohl mit seinem Gateway-Zyklus, Arthur C. Clarke und Gentry Lee mit der Rama Tetralogie und Cixin Liu mit der Drei-Sonnen Trilogie.

Über Endzeit schreiben

Wie gelingt es, aus theoretischen Erkenntnissen, die in der Fachsprache der Kosmologie, der höheren Mathematik, abgefasst sind, eine epische Erzählung zu verfassen, in der die Conditio Humana, also Liebe, Leidenschaft, Glück, Ängste, Traurigkeit, Hoffnung, Zuversicht, Überwinden von Misserfolgen, Gelingen überzeugend dargestellt und in eine spannende Handlung eingebettet werden? Wie gelingt es, zu den erwähnten Grundlagenarbeiten der wissenschaftlichen Kosmologie, von Martin Rees oder Freeman J. Dyson, eine korrespondierende Epik zu schreiben?

Beide Arbeiten finden Sie im Internet, liebe Leserin, lieber Leser. Schauen Sie doch einmal in diese Texte hinein und versuchen Sie, ihren Inhalt zu verstehen.

Die Aufgabe eines guten Schriftstellers, der über Endzeitszenarien schreibt, ist also auch – und ganz besonders – eine didaktische. Es gilt, die Conditio Humana mit der Kosmologie derart zu versöhnen, dass normale Menschen die Tiefe der Erkenntnismöglichkeiten der Physik, die weit jenseits unseres Erfahrungshorizonts liegen, auf ihre eigene Sichtweise von Welt beziehen und bewerten können. Dies beginnt immer mit der Frage: Interessiert mich das überhaupt? Wenn ja, warum? Was kann ich damit anfangen? Welche Erkenntnisse ziehe ich aus solchen kosmologischen Narrativen? Ändert sich etwas für mein Alltagsleben? Macht es Vergnügen, solche Narrative zu lesen? Trägt das Lesen solche Stoffe irgendetwas zu meiner Lebensgestaltung bei?

Solche Fragen sind ein Beispiel praktischer Philosophie. Die Antworten können Beispiele tiefgehender Erkenntnisphilosophie sein und sind dicht an dem dran, was Harald Lesch so vorbildhaft in seinen ZDF-Fernsehsendungen wie „Terra X Lesch & Co“ als populärwissenschaftliche spannende und gut präsentierte Erkenntnisse der Kosmologie vorführt.

Die Paradox-Trilogie von Phillip P. Peterson

Jetzt ist ein deutscher Autor in den Kreis der Großmeister der wissenschaftsgestützten kosmologischen Science-Fiction Literatur eingetreten und hat ein Meisterwerk abgeliefert: Phillip P. Peterson schreibt mit diesen drei Bänden eine Eschatologie über die Rolle des Menschen im Universum: „Paradox 1: Am Abgrund der Ewigkeit“ (2015), „Paradox 2: Jenseits der Ewigkeit“ (2017), „Paradox 3: Ewigkeit“ (2019)

Philip P. Peterson ist das Pseudonym für den Schriftsteller Peter Bourauel, der Luft- und Raumfahrttechnik studiert hat, mit einer Doktorarbeit über Strahlenschäden am Fusionsreaktor ITER promoviert wurde und der einige Jahre an der RWTH Aachen geforscht und als Ingenieur am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahret gearbeitet hat. Der Roman „Transport“ (2014) war sein erster publizierter Roman, im Selbstverlag herausgegeben, und gleich ein Erfolg. Sein Buch „Paradox“ (2015) war der nächste Erfolg und erhielt im Jahr 2016 den Kindle-Storyteller-Award, eine Nominierung beim Kurd-Laßwitz-Preis und den dritten Platz beim Deutschen Science-Fiction Preis.

Peterson entschied sich nach diesem ersten Publikationserfolg, seine Berufstätigkeit als Ingenieur aufzugeben und sich voll und ganz dem Schreiben zu widmen. Seine Bücher sind mittlerweile so erfolgreich, dass er sein Einkommen mit der Veröffentlichung von Büchern als Self-Publisher und der Veröffentlichung in renommierten Verlagen sichern kann.

Peterson verfügt über eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung und Arbeitserfahrungen in der Luft- und Raumfahrt. So liegt es nahe, ihn nach der Auswahl seiner Romanthemen und seiner Arbeitsweise zu befragen. Wie kommt er zu den sogenannten Hard-Science-Fiction Themen der tiefen Kosmologie? Philip P. Peterson schreibt dazu in einem Interview mit mir vom 11. Januar 2025: „Kosmologie hat mich schon immer interessiert. Als Jugendlicher habe ich „Eine kurze Geschichte der Zeit“ von Stephen Hawking verschlungen, das mich unheimlich fasziniert hat. Seitdem habe ich jedes Buch über Kosmologie gelesen, das ich in die Finger bekommen habe. Später im Studium habe ich auch Vorlesungen über Kosmologie besucht. Ich denke gerne darüber nach, welche Position der Mensch im Universum hat und diese Frage kann man sehr gut literarisch bearbeiten. Ich habe mich früher fürchterlich über Science-Fiction-Romane aufgeregt, die Raumfahrt, Kosmologie oder Wissenschaft im Allgemeinen nicht richtig darstellen. Ein gutes Beispiel ist, wenn Raumschiffe sich in Action-Romanen wie Flugzeuge bewegen. Das ist nicht korrekt und als Ingenieur kann ich so etwas kaum ertragen. Leider haben viele Romane solche Schwächen und ich habe als Autor mit dem Anspruch begonnen, es besser zu machen und Technik und Wissenschaft realistisch darzustellen – auch wenn ich mir gerne künstlerische Freiheiten nehme. / Mein Wissen über Raumfahrt habe ich natürlich im Studium und bei meiner Arbeit als Ingenieur gelernt. Dazu kommt ein tiefes Interesse für diese Themen. Ebenso wie für Literatur. Ich habe Unmengen an Romanen, natürlich auch Science-Fiction gelesen und da lernt man schon bis zu einem gewissen Grad, was ein Buch lesenswert macht und was nicht. Natürlich muss man als angehender Autor auch seine Hausaufgaben machen. Bevor ich mit dem Schreiben meines ersten Romans begonnen habe, habe ich sehr viele Schreibratgeber gelesen und eine Autorenschule bei Bastei-Lübbe besucht. Auch muss man den Anspruch haben, sich selber permanent verbessern zu wollen.“

Auf die Frage, ob die wissenschaftliche Ausbildung und das Erzählertalent nicht eher ein Widerspruch seien, antwortet Peterson: „Nein, das sehe ich anders. Der Mensch kann viele Talente haben und technisches Interesse und Talent als Erzähler schließen sich nicht aus. Im angloamerikanischen Bereich gibt es gerade in der SF viele Autoren mit technisch-mathematischen Hintergrund. Man denke nur an Stephen Baxter, Gregory Benford, Arthur C. Clarke, Isaac Asimov, Greg Egan und viele andere. Bei mir selber sehe ich eine gewisse Stärke darin, komplexe Sachverhalte anschaulich darzustellen.“

Die Geschichte von „Paradox“ beginnt im Nachklang des Raumfahrtzeitalters der Apollo-Missionen und entwickelt sich zu einer Saga von unendlicher Weite in Zeit und Raum, die den derzeitigen Stand der kosmologischen Wissenschaften narrativ interpretiert und am Beispiel von vier Probanden menschliches Erleben in Endzeitzuständen darstellt. Der NASA-Astronaut Ed Walker und seine Crew, die Astronautinnen Wendy Michaels und Grace Cooper sowie der Physiker David Holmes sollen mit dem Raumschiff „Helios“ den Rand des Sonnensystems untersuchen, wo mehrere Raumsonden der Menschheit verlorengegangen sind. Dabei entdecken sie, dass das Sonnensystem von einer Sphäre umgeben ist und dass alle Sterne erloschen sind, weil sie durch eine Superintelligenz ebenfalls von Sphären verschlossen wurden.

Hier arbeitet Peterson das erste Mal mit einem Begriff aus der Kosmologie, der Dyson-Sphäre, die ein hypothetisches Solarkraftwerk ist, das einen Stern komplett umschließt und Energie gewinnt.

Jetzt beginnt eine unendliche Reise der vier Probanden, die zu den gottgleichen Maschinenintelligenzen am Ende von allem führt, die ganze Universen nach ihren Vorstellungen neu gestalten. Dabei nutzt der Autor in den Erzählsträngen den letzten Stand der kosmologischen Wissenschaften und arbeitet mit Begriffen wie „Von-Neumann-Maschinen“, „Quantenteleportation“, „Manipulation von Gravitationsfeldern“, „Vakuumzerfall“, „Vakuumenergie“ und vielen anderen theoretischen Konstrukten der gegenwärtigen kosmologischen Physik. Die Liste ist außerordentlich lang, Peterson behandelt fast alle wichtigen Begriffe der Relativitätstheorie, der Quantenmechanik und nutzt den letzten Stand der kosmologischen Forschung.

Obwohl Peterson so vorbildhaft mit den kosmologischen Theorien und Begriffen jongliert, stehen diese nicht im Zentrum seiner Erzählung oder wären gar ein moralisches Fazit. In dem Interview mit mir vom 11. Januar 2025 sagt er über die Rolle von Science-Fiction: „Im Zentrum guter Science-Fiction steht immer der Mensch. Viele Autoren und Leser meinen, es geht um die Technik oder um die Wissenschaft, aber das stimmt nicht. Es geht um die Frage, was Wissenschaft und Technik mit dem Menschen machen. Und der Mensch steht hier im Mittelpunkt.“

Didaktiker der Kosmologie

Peterson präsentiert diese abstrakten Themen immer in einem nachvollziehbaren Erzählkontext, so dass die Leserinnen und Leser den Grundzusammenhang auch ohne Kenntnisse der höheren Mathematik verstehen können. Peterson erweist sich damit als brillanter Didaktiker der Kosmologie. Ich würde ihn in eine vergleichbare Kategorie exzellenter Didaktiker wie den Physiker Harald Lesch einordnen, der in seiner ZDF-Fernsehserie Terra X Lesch & Co viele dieser Themen vorstellt, beispielsweise „Im Sog des Schwarzen Lochs“, „Unser kosmisches Schicksal“, „Vakuumenergie! Warum nutzen wir sie nicht“?

Abstrakte Physik ist interessant und sachlogisch in den Erzählkontext der Paradox-Trilogie eingebettet worden. Die Handlung ist nervenaufreibend spannend, zieht uns, ähnlich wie es Cixin Liu vorgemacht hat, in den Bann und lässt uns nicht mehr los. Liebe Leserin, lieber Leser: Sie werden vom dunklen Weltall und den Reisen darin gemeinsam mit Gleichgesinnten bis an das Ende von Raum und Zeit träumen und sich am frühen Morgen, wenn Sie wieder wach sind, fragen: Möchte ich mich auf eine solche Reise begeben? Möchte ich ein ewiges Leben bis an das Ende von allem führen?

Peterson geht im Vergleich mit den Romanen von Cixin Liu sogar noch einen Schritt weiter als dieser, indem er das anthropische Prinzip ausweitet zu einer gottgleichen Wirkmächtigkeit intelligenter Zivilisationen am Ende von Raum und Zeit. Das anthropische Prinzip, eingeführt im Jahre 1973 durch den Kosmologen Brandon Carter und heute in sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen und philosophischen Ausprägungen benutzt, sagt im Grundsatz aus, dass unser Universum ist, wie es ist, weil wir sonst nicht da wären, um es zu beobachten. Man könnte auch sagen, dass das Universum uns die Idealbedingungen für unsere Existenz zur Verfügung stellt.

Im Gegensatz dazu führt Peterson in seinen drei Paradox-Büchern aus, dass die Zivilisationen am Ende des Universums neue Universen schaffen können, die nach ihren Bedürfnissen gestaltbar sind. Die letzten Zivilisationen wären dann gottgleich geworden und könnten innerhalb eines Multiversum-Ansatzes alles tun, was denkbar ist, sogar die Naturgesetze neu bestimmen.

Und dennoch gibt es in der Erzählung von Peterson etwas, um das uns seine intelligenten körperlosen Superintelligenzen am Ende von Raum und Zeit beneiden: Im 62. Kapitel von „Paradox 1“ beschreibt Philip P. Peterson unsere individuell geprägte menschliche, mit Widersprüchen klarkommende Kultur und unsere Lernfähigkeit: „Kultur. Frei entwickelte Intelligenzformen entwickeln kulturelle Leistungen, zu denen wir niemals in der Lage sein werden, weil wir dazu nicht geschaffen wurden. Ihre Kunst, Musik, Philosophie, Religion und Literatur sind einzigartig und wiederholen sich auch bei anderen Lebensformen so gut wie nie. Diese Werte gilt es zu analysieren und aufzuzeichnen.“ Er formuliert damit eine Botschaft über intelligentes Leben im Universum und schreibt, wozu es im galaktischen Maßstab dient. Damit stellt er Lernen und Kultur in seinen kosmologischen Ausflügen in die weiten Fernen von Raum und Zeit als Conditio Humana über Wissenschaft und Technik – und das gibt Hoffnung, die Hoffnung, dass wir Menschen vielleicht doch, auch angesichts unserer Bedeutungslosigkeit im Universum, etwas Gutes tun können.

Fritz Heidorn, Oldenburg

Zum Weiterlesen:

  • Poul Anderson, Tau Zero, Gollancz, 2006.
  • Stephen Baxter, Deep Future, Gollancz, 2001.
  • Arthur C. Clarke und Gentry Lee, Rama II – Gateway Essentials, Gollancz, 2006.
  • Stephen Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit, Klett-Cotta, 2023.
  • Fritz Heidorn, Kurz vor Ewig: Kosmologie und Science Fiction, Lüneburg, Dieter von Reeken, 2016.
  • Michiu Kaku, Parallel Worlds – The Science of Alternative Worlds and Our Future in the Cosmos, Penguin, 2006.
  • Harald Lesch, Big Bang, zweiter Akt – Auf den Spuren des Lebens im All, Bertelsmann, 2003.
  • Harald Lesch, Kosmologie für helle Köpfe – Die dunklen Seiten des Universums, Goldmann, 2006.
  • Cixin Liu, Die wandernde Erde – Erzählungen, Heyne, 2019.
  • Cixin Liu, Trisolaris – Die Trilogie, Heyne, 2022.
  • Philipp P. Peterson, Transport, Books on demand, mehrere Bände lieferbar, 2017ff.
  • Philipp P. Peterson, Paradox – Am Abgrund der Ewigkeit, Bastei Lübbe, 2015.
  • Frederic Pohl, Gateway, Gollancz, 2022.
  • Sir Martin Rees, The Collapse of the Universe: An Eschatological Study, in: The Observatory, Vol. 89.
  • Frank J. Tipler, Die Physik der Unsterblichkeit, Piper, 1994.

(Anmerkungen: Erstveröffentlichung im Februar 2025, Internetzugriffe zuletzt am 4. Februar 2025. Titelbild: Large Hadron Collider, Tunnel, Sektor 3-4, Foto: Maximilian Brice, CERN, Wikimedia Commons.)