„Both Eyes in My Two Hands“
Dokumentation eines Gesprächs mit Sandra del Pilar vom 28. Oktober 2020 in der Berliner Galerie Zilberman
Am 10. September 2020 eröffnete Moiz Zilberman in seiner Galerie in Berlin eine Ausstellung mit Werken von Sandra del Pilar. Am 28. Oktober 2020 führten Sandra del Pilar und ich in diesem Rahmen ein Gespräch über ihre Kunst, das zur Ausstellung gehörige “Künstler*innengespräch”, das ich hier dokumentiere. Das Gespräch wurde in englischer Sprache geführt, ich habe übersetzt (den Originaltext füge ich hinter dieser Übersetzung für diejenigen bei, die das Original bevorzugen oder einfach nur nachschauen lassen, wie die deutsche und englische Fassung sich zueinander verhalten).
Die Galerie hat zur Ausstellung einen Katalog veröffentlicht. Er enthält Texte von Sandra del Pilar, Lotte Laub, Margo Glantz und von mir, alle Texte in deutscher, englischer und spanischer Sprache. Die deutsche Fassung meines Textes ist auch auf dieser Internetseite zu finden, der Katalog kann über die Galerie erworben werden. Ein weiteres Gespräch mit Sandra del Pilar habe ich im Frühjahr 2020 geführt und ebenfalls auf dieser Internetseite dokumentiert.:
Norbert Reichel: Ich freue mich, Sie heute Abend hier in der Zilberman Galerie begrüßen zu dürfen. Sandra, dir danke ich dafür, dass du mich als Gastgeber dieses Künstler*innengesprächs über deine Kunst und diese wunderbare Ausstellung, die Sie in den Räumen der Galerie sehen können, vorgeschlagen hast. Ich danke euch, Moiz, Lotte und all euren Kolleg*innen für die Initiative und euer Engagement bei der Vorbereitung dieser Ausstellung und dieses Abends.
Das ist nicht leicht in diesen pandemischen Zeiten, die unser tägliches und kulturelles Leben doch erheblich verändern. Unsere physische Gesundheit ist nur eine der Notwendigkeiten für unser Wohlbefinden. Auf die Kunst kommt es an, auf Englisch wage ich zu sagen: Art matters. Diesen Abend wollen wir versuchen auch etwas für unser spirituelles Wohlbefinden zu tun. Wir hoffen, dass das Gespräch über Sandras Arbeit uns alle inspirieren wird. Ihre Arbeit macht uns nachdenklich über das, was ich – ich darf einen französischen Begriff verwenden – „la condition humaine“ nenne, und lässt uns vielleicht neue Wege entdecken, Wirklichkeit wahrzunehmen.
Aber bevor wir beginnen, muss ich uns entschuldigen. Für Sandra und mich ist Englisch nicht Muttersprache. Wir werden Fehler machen, in Grammatik, Aussprache, Wortschatz, aber ich hoffe, wir machen diese Fehler so schnell, dass Sie sie gar nicht merken. Und wenn wir die angemessenen Worte nicht finden, werden wir die Sprache wechseln. Ich bin mir sicher, dass Sie uns helfen werden, die richtigen Worte zu finden.
Sandra, du arbeitest in Mexiko, in Cuernavaca, und in Deutschland, in Soest. Diese Wochen verbringst du als “Artist in Residence” in dieser Galerie. Gibt es Unterschiede in der Art und Weise, in der Menschen über deine Arbeiten in Deutschland, in Mexiko oder in anderen Ländern sprechen oder sie wahrnehmen?
Sandra del Pilar: Ja. Bevor ich deine Frage beantworte, möchte ich auch gerne euch allen danken, weil ihr diesen Abend hier mit mir gemeinsam verbringt. Vor allem Moiz, der all das möglich gemacht hat. Für mich ist es eine große Gelegenheit und ich bin so froh, Teil dieser Galerie zu sein. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie wohl ich mich hier mit Lotte, Frosia und Marie fühle. Sie sind außerordentlich liebenswürdige Menschen.
Nun zur Antwort deiner Frage. Das ist keine so einfache Antwort, denn anders als ein*e Schauspieler*in oder ein*e Musiker*in, nimmt ein*e Künstler*in, die darauf angewiesen ist, dass man*frau ihre Werke sieht, die Reaktion des Publikums nicht unmittelbar wahr. Nichtsdestoweniger denke ich, dass es einen Unterschied gibt und das mag daran liegen, dass die Menschen in verschiedenen Ländern in verschiedenen Sprachen leben. Denken, wahrnehmen, sich der Welt nähern – das ist je nach der Sprache, die sie verwenden, etwas völlig anderes.
Ich merke das jedes Mal, wenn ich versuche, einen meiner Texte vom Spanischen ins Deutsche zu übersetzen oder andersherum. Ich fühle immer, dass ich ganz und gar in die andere Sprache wechseln müsste und selbst dann fühlt sich das Resultat doch sehr verschieden an. Es ist vielleicht so, als wenn ich ein Haus durch verschiedene Türen betrete, das ist ein großer Unterschied, ob du es durch das Gartentor, den Vordereingang oder den Keller betrittst. So ist das auch ein wenig mit meinen Arbeiten, du kannst dich im wahrsten Sinne des Wortes von verschiedenen Seiten und Blickwinkeln nähern.
Norbert Reichel: “Both Eyes in My Two Hands”, der Titel dieser Ausstellung, ist so etwas wie ein künstlerisches Programm. Vor zwei Jahren hast du deine zweite Dissertation beendet: “Más allà della Visión” (auf Deutsch: “Jenseits der Erscheinung”). Könntest du vielleicht dein Verständnis dieses doch sehr vieldeutigen Begriffs der “vision”, der “Wahrnehmung” erklären und was für eine Art von “Wahrnehmung” das sein könnte.
Sandra del Pilar: In meiner Doktorarbeit habe ich über die Materialität von Kunstwerken im Allgemeinen geschrieben, vor allem in der Malerei und noch spezifischer in der figurativen, gegenständlichen Malerei. Als ich mit dieser Forschung begann, stellte ich fest, dass es noch keine tiefergehenden Forschungen zu diesem Thema gab. Im Allgemeinen wird es in unserer Gesellschaft in den Hintergrund gedrängt, umso mehr seit der Erfindung und Verbreitung des digitalen Bildes. Da wir nun sehr daran gewöhnt sind, mit digitalen Bildern zu manipulieren und zu leben, ist es noch viel schwieriger, die Materialität eines Kunstwerks, beispielsweise eines gemalten Bildes, zu fühlen oder tatsächlich wahrzunehmen.
Das digitale Bild hat keinen Körper mehr. Es ist ein zerbrechliches Konstrukt, das auf jedem elektronischen Bildschirm erscheinen kann. Es ist kaum von Bedeutung, ob es auf dem Bildschirm eines Mobiltelefons, eines Tablets oder eines Computers gesehen wird. Es ist immer das selbe Bild.
Das unterscheidet sich völlig von der Art, in der wir über Malerei sprechen. Das ist ein fundamentaler Unterschied, ob ein Gegenstand auf Leinwand gemalt ist oder auf einem Blatt Papier gezeichnet. Und während eine kleinformatige Zeichnung wie eine intime ästhetische Erfahrung erscheint, nähert man*frau sich einem großformatigem Gemälde mit ganzem Körper aus der Distanz. Ein gemaltes Bild hat auch einen spezifischen Geschmack und es verführt dazu, es zu berühren.
Ich habe den Titel dieser Ausstellung “Both Eyes in My Two Hands” gewählt, um genau dies auszudrücken, dass wir nicht nur mit den Augen, sondern mit unserem ganzen Körper wahrnehmen. Das ist die Absicht meiner Malerei, alle menschlichen Sinne anzusprechen. Die Schleier haben eine weiche Oberfläche, die Betrachter*innen verführt, es mit dem Finger zu streifen. Wenn du um das Gemälde herumgehst, beginnt es zu flimmern. So wie du dich bewegst, bewegt sich das Bild, und es gibt eine besondere Verbindung zwischen dem Körper des Bildes und dem Körper der*des Betrachter*in. Dann kannst du dich dem nähern, worüber ich in meinen Bildern spreche.
Norbert Reichel: Du verstehst dich selbst als Konzeptkünstlerin. Das ist viel mehr als Malerin. Du sprachst über die Materialien, die du verwendest, und in deiner mexikanischen Doktorarbeit bietest du eine detaillierte Analyse der von dir angewandten Techniken. In dieser Ausstellung sehen wir alle Materialien, die du verwendest und wir sehen Installationen wie den Schrank im Berliner Zimmer. Welche Absicht verfolgst du damit, verschiedene Techniken und Materialien zu verwenden und zu kombinieren?
Sandra del Pilar: Ja, du hast recht, ich nehme mich nicht so sehr als Malerin wahr. Ich ziehe die Idee vor, post-konzeptionelle Malerei zu machen. Das beschreibt den Versuch, Konzeptkunst mit traditionelleren Methoden des Schaffens zu versöhnen, wie Malerei, Skulptur oder Zeichnung. In der Konzeptkunst werden Konzept und Ideen als der wichtigste Teil verstanden, nicht der physische Gegenstand selbst. Deshalb weist es das Malen zurück – ein abgeschlossenes und vollendetes Produkt – und fokussiert sich stattdessen auf den künstlerischen Prozess selbst, in Form von Dokumentationen, Entwürfen, Notizen, Videos, Fotografien, etc. Ebenso ist die Einbeziehung der Betrachter*innen ein wichtiger Teil der Konzeptkunst. Diese Ideen waren außerordentliche Ergebnisse des 20. Jahrhunderts, von denen ich glaube, dass sie die Malerei des 21. Jahrhunderts erheblich bereichern werden.
Wenn Malerei diese Elemente der Konzeptkunst aufgreift, die darunter liegenden Konzepte sichtbar macht und die Betrachter*innen als einen integralen Teil des Werks selbst versteht, können wir das post-konzeptionell nennen.
Der Grund, warum ich in meiner Arbeit so viel auf die Materialität achte, indem ich verschiedene Techniken und Materialien kombiniere, liegt darin, dass mir das erlaubt, mich dem zu nähern, wonach ich suche, das zu schaffen, was ich eine sensitive ästhetische Erfahrung nenne. So ist es nicht nur eine Erfahrung für den Geist oder die Augen, es ist so, dass bei allem was wir wahrnehmen die Dinge ineinandergreifen, um eine volle, vollständige Erfahrung zu ermöglichen.
Die Arbeit, die du erwähnt hast, heißt “Casì una mariposa” (“Wie ein Schmetterling”). Hier werden die dünnen Schleier nicht über einen Rahmen gespannt. Das schafft ein visuelles Spiel zwischen Erscheinen und Verschwinden, und erlaubt die Erfahrung einer malerischen Tiefe, die keine Illusion ist, sondern völlig real, während das Gemalte selbst zweidimensional bleibt.
Irgendwie kehrt das Geschaffene in seinen ursprünglichen Kontext zurück, so wie die Schichten wie Kleider in einem Schrank hängen und darauf warten, die Person zu kleiden, der sie gehören, dem nackten Körper ein Bild zu geben, auf der Haut eines Menschen lebendig zu werden. Es ist irgendwie so wie eine Puppe, die drauf wartet, ein Schmetterling zu werden.
Norbert Reichel: Du vergleichst deine Arbeit mit der Haltung eines Menschen, der durch ein Fenster schaut. Gibt es Klarheit? Klarheit ist immer zerbrechlich. Manche Fenster sind schmutzig, beschlagen, manchmal scheitert die Absicht, hindurchzusehen. Perspektiven ändern sich, wenn du dich etwas von verschiedenen Seiten näherst, näher herangehst oder Abstand hältst. Und das geschieht, wenn ich deine Arbeit anschaue. Deine Arbeiten geben sozusagen einen Eindruck, wie fließend Wirklichkeiten sein können. Du zitierst oft Rilkes Panther, der nur die Gitter seines Käfigs sieht. Er verliert die Fähigkeit das zu sehen, was jenseits ist. Ist das Schicksal des Panthers auch unser aller Schicksal?
Sandra del Pilar: Fangen wir mit dem Fenster an. Das ist eine sehr alte Metapher für ein Bild und geht bis ins 15. Jahrhundert zurück, als der italienische Kunsttheoretiker Leon Battista Alberta sagte, dass sein Gemälde wie ein Fenster zu einer anderen Welt sei. Und viele Jahre später, im 20. Jahrhundert griff der spanische Philosoph Ortega y Gasset diese Metapher wieder auf und fügte eine Fensterscheibe hinzu, um zu erklären, was wir sehen, wenn wir auf ein abstraktes, nicht gegenständliches Bild schauen. Gasset sagte, dass es immer zwei Arten gibt, ein Bild anzuschauen.
Wir können durch eine Fensterscheibe schauen, wir können durch durchsichtiges Glas schauen und wir sehen, was dargestellt wird. Das ist die übliche Art, in der wir etwas beobachten. Bezogen auf die Malerei sehen wir, dass dort beispielsweise ein Kopf auf einem Teller ist.
Aber was werden wir tun, wenn es keine Darstellung, nichts Gegenständliches gibt wie in Yves Kleins monochromen Bildern? Es ist so als wenn die Fensterscheibe undurchsichtig geworden wäre. Was wir jetzt sehen, ist nicht länger ein Garten oder die Darstellung eines Bildes, es ist Materialität, es ist Medium.
Das Schönste an der Wahrnehmung eines Bildes ist, dass du beide Arten zu schauen bei jedem Kunstwerk anwenden kannst, nicht nur bei der Malerei, auch bei einem Foto, im Kino, sogar im Theater.
Schließlich fügte ich Albertis und Ortega y Gassets Theorien ein drittes Element hinzu, den*die Betrachter*in.
Ich komme auf die Metapher des Fensters zurück. Stellt dir vor, dass es draußen ein regnerischer Abend ist. Du bemerkst das Glas wegen der Regentropfen und du kannst den dunstigen Garten dahinter sehen. Wegen der Dunkelheit wendest du dich zum Licht. In genau diesem Augenblick trifft ein drittes Element die anderen: dein eigenes Gesicht erscheint auf der Fensterscheibe, verwoben durch Glas und Garten. Unser Gesicht in dieser Szenerie vor allem ist interessant, weil es sich ständig bewegt. Es bewegt sich wie du dich bewegst und verändert sich ständig je nachdem wer schaut. Deshalb erscheint Wirklichkeit in meinen Bildern als fließende Substanz.
Wirklichkeit ist sehr wichtig in meiner Arbeit, aber noch wichtiger ist die Frage, wie wir sie wahrnehmen.
Normalerweise ist Wahrnehmung ein automatischer Prozess, über den wir eigentlich nicht nachdenken. Wir nehmen einfach etwas wahr und reagieren automatisch. Kunst hat die Fähigkeit, uns diesen Prozess bewusst zu machen und so ändern wir die Art und Weise, in der wir die Dinge anschauen.
Das ist das Thema in “The loss of the other”: Au seiner bestimmten Entfernung sehen wir fünf Gesichter, die den selben Kopf immer und immer wieder mit leichten Variationen zeigen. Manchmal ist das Gesicht etwas nach oben, manchmal ein wenig nach unten verschoben, manchmal nach rechts oder nach links. Noch weniger zusammenhängend ist die Art, wie Farbe aufgetragen wird, die zwischen kräftiger Klarheit und bloßer Ahnung schwankt. Auf der Suche nach Klarheit möchtest du näher an das Bild herankommen, schon bei einer Entfernung von 1,50 m verschiebt sich das Bild. Der Kopf wird nicht klarer, aber er beginnt sich in viele unverbundene Farbflecke aufzulösen. Er wird von meinem eigenem Gesicht ersetzt, das von einer Spiegelwand hinter dem Schleier reflektiert wird und gegen die das Bild auf der Synthetikfaser optisch nicht länger ankommt.
Genau das ist die Wirkung, die mich an Rilkes Gedicht “Der Panther” denken ließ.
DER PANTHER
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
Der Panther verliert die Verbindung zur Welt, weil er eingesperrt ist. Und so geht es uns (gerade in diesen Corona-Zeiten). Hinter den Gittern, sieht der Panter “keine Welt”. In meiner Arbeit siehst du nur dein eigenes Gesicht. Das andere, das gemalte Gesicht, habe ich aus dem Blick verloren.
Norbert Reichel: In deinen Arbeiten sehen wir oft liegende Menschen. Wir wissen nicht, ob die liegenden Figuren leben, ob sie schlafen. Könnten oder sollten wir sie wecken, indem wir sie betrachten? Oder sollten wir uns selbst von unserem eigenen Schlaf befreien. Wer sind die Nachbarn der Misshandelten, der Ermordeten (ich nenne einige Beispiele, die wir hier in der Ausstellung sehen: “Was sollen die Nachbarn sagen”, “Der Traum der Jägerin”, “Wer bin ich und wie viel?” Und was ist mit all diesen Vögeln, die du uns zeigst?
Sandra del Pilar: Ich will ehrlich sein, ich habe eigentlich nicht über die Vögel nachgedacht. Aber ich liebe sie, weil sie Geschöpfe des Himmels und der Erde sind, und manche gehören auch dem Wasser. So gibt es verschiedene Dimensionen und Wirklichkeiten für diese Tiere. Aber sie haben keine besondere symbolische Bedeutung in meiner Arbeit.
Zu den liegenden Menschen: Vielleicht ist es für von Interesse zu wissen, dass wir im Spanischen für Schlaf und Traum dasselbe Wort haben: “el sueño”. Das verweist darauf, dass wir, wenn wir schlafen, nicht irgendetwas tun, sondern dass wir träumen. Und Träumen ist ein Weg, irgendwie in eine alternative Wirklichkeit hinüberzugehen, etwas, was der Wirklichkeit meiner Bilder sehr ähnelt. Dort ist Zeit verschieden. Manchmal kann ein Traum sich so anfühlen als wenn wir ein sehr langes Abenteuer erleben, während in der Wirklichkeit nur einige wenige Sekunden vergangen sind. Alles geschieht zur selben Zeit, wie in meinen Bildern, und das in einer nicht logisch aufeinander folgenden Reihenfolge. Sie haben Zeit, es ist eine andere Art von Zeit in Bildern.
Etwas anderes, das mich an Träumen interessiert, ist, dass unser Körper sich nie zu einem anderen Ort begibt. Schon wie unser Körper reagiert, als wenn wir gerade etwas durchlebten. Wir lachen laut, wir weinen, wir schwitzen, und wir bewegen unsere Beine, wenn wir träumen, eine Treppe hinauf- oder hinabzusteigen. Genau so nehme ich meine Bilder wahr und so möchte ich, dass sie von anderen Menschen gesehen warden. Ich möchte, dass sie meine physisch wahrnehmen. Ich wünsche für meine Bilder eine Verbindung zum Körper der Menschen, die sie anschauen.
Norbert Reichel: Wenn ich deine Arbeiten anschaue, entdecke ich in mir selbst den Flâneur, einen zentralen Charakter der Werke von Edgar Allen Poe, Charles Baudelaire and Walter Benjamin. Die Position des Flâneurs befindet sich immer draußen, er*sie schaut in einen Raum ohne an den Ereignissen in diesem Raum teilzuhaben. Der Flâneur ist nicht Teil der Gemeinschaft in diesem Raum. Was könntest du uns über die Beziehung zwischen Künstler*in, Betrachter*in und Wirklichkeit sagen? Wie können sie sich gegenseitig beeinflussen?
Sandra del Pilar: Ich wünsche mir, dass meine Flâneurs in der Nacht durch die Fenster meiner Arbeiten gehen, so dass sie ihre eigenen Gesichter im Glas reflektiert sehen und sich selbst so mit dem verbinden, was auf der anderen Seite des Glases geschieht. Nun sehen wir in der Dunkelheit nicht so viel, sodass wir unseren anderen Sinnen vertrauen müssen.
Im Spanischen gibt es dafür einen wunderbaren Ausdruck, den “cuerpo sensible”, in etwa übersetzbar als „empfindsamer Körper“. Das bezieht sich auf die Fähigkeit, unsere Umgebung mit all unseren Sinnen in einer integrierenden Art und Weise wahrzunehmen, auch ein Bild.
Unsere Sinne umfassen nicht nur die fünf traditionellen Sinne: Sehen, Fühlen, Hören, Schmecken, Riechen, sie umfassen viel mehr. Es gibt mindestens fünf weitere: den Gleichgewichtssinn, das Bauchgefühl, das Gefühl von Wärme und Kälte, das Schmerzempfinden und die Wahrnehmung der Bewegungen unseres Körpers im Raum.
Vor allem der letztgenannte Sinn, den ich “Proprioception” nenne, ist für meine Arbeit und mich wichtig. Er provoziert die Bewegung des Bildes und ist daher die Voraussetzung für eine intime, physische Beziehung zwischen Bild und Betrachter*in.
Ich glaube, dass es auch das ist, was die mexikanische Dichterin Sor Juana Inés de la Cruz in dem Gedicht ansprach, das dieser Ausstellung seinen Titel gab: “Both Eyes in My Two Hands”. Das Gedicht wurde nicht in einer ihrer Gedichtsammlungen veröffentlicht, sondern in einem Gemälde. Das Gemälde zeigt Sor Juana als Nonne, die sie war, weil sie nicht verheiratet werden wollte, und so schrieb sie die Verse, auf die ich mich beziehe. Die vollständige Fassung ist im Katalog auf Spanisch, Deutsch und Englisch nachlesbar. Vor allem die beiden letzten Verse haben mich inspiriert, diese Ausstellung zu gestalten.
que yo, más cuerda en la fortuna mía,
tengo en entrambas manos ambos ojos
y solamente lo que toco veo.
(und ich, klüger in meinem Glück,
halte in beiden Händen beide Augen
und nur was ich berühre, sehe ich.)
In dem Gedicht geht es wie in der Ausstellung um die schwankende Frage nach dem Vertrauen, das wir im Allgemeinen unseren Augen und unserem Verstand entgegenbringen, mit dem aber nicht alles verstanden werden kann.
Es geht um die Zerbrechlichkeit von Wahrnehmung und so auch um die Zerbrechlichkeit wahrgenommener Wirklichkeit.
Norbert Reichel: Wenn wir an den Serien “Olvido” (“Vergessen”) oder “Mujeres Castigadas” (“Gequälte Frauen”) vorbeigehen, sehen wir die Wirklichkeit des Leidens, verwischt in einem chiaroscuro vieler möglicher Vergangenheiten und Erinnerungen. Es ist nicht unser Leiden, nicht unsere Schuld, dass diese Menschen litten oder leiden, aber es bleibt immer der Eindruck gescheiterter und zerstörter Zukünfte, die wir bedenken sollten. Du provozierst dieses Gefühl, indem du das Dunkle und das Helle konstrastierst. Mein Eindruck: Das ist genau deine Technik. Sie schafft eine Art von Erinnerung, vielleicht sogar von Empathie in den Gedanken der Betrachtenden.
Sandra del Pilar: Ich hoffe, dass das so ist. Ich mag es über Kunst als einen Raum zum Denken nachzudenken, einen Platz, an dem du mit Gefühlen, Gedanken, Emotionen, Erfahrungen experimentieren kannst (im Spanischen sagen wir: “Espacio del pensar”, im Deutschen: “Denkraum”). Aristoteles hat schon entdeckt, dass Kunst Dinge zeigen und reflektieren kann, denen wir in der Wirklichkeit nicht begegnen wollen, über die es aber wichtig ist zu diskutieren und nachzudenken. Das erlaubt uns, uns mit ihnen in einer anderen Art zu konfrontieren als mit der Sprache. Es geht darum, über diese Dinge visuell zu sprechen und nachzudenken.
Norbert Reichel: Deine Kunst ist sehr politisch. Im Jahr 2011 fragtest du in einer anderen Ausstellung: „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“. Du zeigtest Bilder über den Tod von Osama Bin Laden, die Morde an den Frauen von Ciudad Juárez, die Folter in Abu Ghraib und Guantánamo. Du bist sehr an der Psychologie der Opfer und der Täter*innen interessiert. Du hast in Mexiko mit Frauen gearbeitet, die unter der Gewalt ihrer Ehemänner, ihrer Partner litten, du hast in Siegburg mit jungen Strafgefangenen gearbeitet, du bist am Schicksal von Frauen interessiert, die in früheren Jahrhunderten in Westfalen als Hexen verfolgt wurden, du zeigst uns David, der Goliath getötet hat, der auch Judith sein könnte, die Holofernes tötete. In “Amenaza” (“Bedrohung”) zeigst du dich selbst, bedroht von einem in der Luft schwebenden Revolver. Du versuchst wie die Opfer zu fühlen, aber du versuchst auch, das Fühlen der Täter*innen zu erforschen. Es gibt einen sehr tiefen psychologischen Zugang in deiner Arbeit.
Sandra del Pilar: Ja, ich versuche immer zu verstehen, was geschieht. Je mehr ich es versuche, umso mehr verstehen ich, dass Wirklichkeit etwas ist, das ich nicht fassen kann. Und wenn Wirklichkeit so unfassbar ist wie wir gesehen haben, sollten wir wenigstens versuchen, verschiedene Perspektiven einzunehmen.
Begonnen habe ich damit mit einem Projekt mit dem Titel “Diskurs der Macht”. Eines Tages stieß ich im Internet auf diese Handy-Fotos aus den US-amerikanischen Gefängnissen von Abu Ghraib und Guantánamo und konnte nicht glauben, was ich sah. Ich konnte nicht glauben, dass Menschen andere Menschen in einer solch lustvollen Art und Weise folterten und dann Bilder davon machten.
So versuchte ich, mich selbst in die Schuhe dieser Menschen zu begeben, zunächst in der Rolle der Opfer, aber auch in der Rolle der Täter*innen. Ich versuchte zu verstehen, was sie fühlten und ich versuchte zu malen, was ich fühlte, als ich das tat.
Bis heute ist das ein zentrales Element meiner Arbeit, eine ständige Suche nach einem Wechsel der Perspektive.
Norbert Reichel: Eine letzte Frage, ein Blick in die Zukunft. Was planst du in den nächsten Monaten oder Jahren. Welche neuen Erfahrungen möchtest du erforschen?
Sandra del Pilar: Was in den nächsten Monaten auf mich wartet, ist eine technische Herausforderung. Seit ich damit begonnen habe, diese durchsichtigen Folien zu verwenden, begann ich auch mit helleren Farben und arbeitete mich Stück für Stück zum dunklen vor. Und ich mag Dunkelheit sehr, sodas das, was ich zurzeit versuche, der Weg in die andere Richtung ist. Ich beginne mit einer schwarzen Grundlage und bewege mich schrittweise zu helleren tönen. Die ersten Experimente damit sind bereits in dieser Ausstellung zu sehen: “Gigantes” (oder “Riesen”), eine neue Serie, mit der ich begonnen habe.
Norbert Reichel (an das Publikum gerichtet): Das waren meine Fragen, vielleicht möchten Sie jetzt selbst Sandra das ein oder andere fragen.
Frage 1: Wenn Sie ihre Bilder rahmen, fügen sie Glas auf der Vorderseite ein, um diese Wirkung zu erzielen, dass die*der Betrachter*in sich selbst in die Arbeit einbezieht oder ist das eher eine Metapher?
Sandra del Pilar: Nein, das Glas ist geradezu eine Metapher, um zu verstehen, wie ich die*den Betrachter*in einbeziehen möchte. Wir haben diese Metaphern von Leon Battista Alberti und Ortega y Gasset, aber sie berücksichtigten nie die*den Betrachter*in. Sie sprachen nur über das Bild selbst. Aber ich denke, dass wir von der Konzeptkunst lernen können, dass eigentlich der*die Betrachter*in das Werk vollendet.
Frage 2: Und warum fügen Sie eine Glasschicht vor Ihre Bilder? Ich habe gerade über etwas Ähnliches geschrieben, gerade mit einem bewegenden Bild. In meinem Fall ist es wörtlich Glas, von der Leinwand, auf die man*frau schaut. Bewegende Bilder werden heute vorwiegend auf einer Plasmaleinwand wahrgenommen, nicht länger auf der Leinwand eines Kinos. Und wenn sie diese Wirkung haben, können sie nicht umhin, sich in dieser Leinwand des bewegenden Bildes zu sehen. Wenn das die Metapher ist, die Sie interessiert, warum nicht? Die meisten Bilder sind hinter Glas und man*frau hat diese Wirkung.
Sandra del Pilar: In der Regel arbeite ich mit Schichten, aber immer auf der selben Oberfläche. Ich kam zu einem Punkt, an dem ich mich dafür interessierte, die Schichten zu trennen und experimentierte mit Acryl und Glas. Aber ich mag es nicht, auf Glas zu malen, weil ich nicht mag, wie es sich anfühlt. Ich habe es lieber, auf diesem textilen Material zu arbeiten, was überrascht, denn wenn ich auf einer großen Oberfläche malen muss, muss ich es komplett nässen und wenn ich es nässe, sehe ich nichts mehr, weil das Textil seine Durchsichtigkeit verliert und milchig wird. So male ich als wäre ich blind. Und ich kann auch nichts korrigieren, denn das Gemalte geht durch das Textil, auf die andere Seite, und ich kann es nicht abwischen. Ich mag das. Vielleicht sollte ich mit Glas experimentieren, wenn ich es nicht zu bemalen habe. Wie in “Der Verlust des anderen” – darüber sprach ich eben – dort ist Glas und das ist sehr wichtig. Es hilft mit der Spiegelung des*der Betrachter*in zu spielen. So haben Sie recht: Glas ist ein sehr wichtiges und sehr interessantes Material.
Frage 3: Zunächst habe ich die Worte aufgeschrieben “sensitive ästhetische Erfahrung”, die Sie eben erwähnten, weil ich das sehr schön fand. Und dann traf mich etwas von diesem letzten Konzept, dass Wirklichkeit etwas ist, dem man*frau sich nicht einfach so nähern kannst und dass man*frau verschiedene Perspektiven einnehmen muss. Weil Sie in diesen Bildern extreme Perspektiven einnahmen und diese Situationen nicht Teil des täglichen Lebens sind, fragte ich mich, ob diese Art der Philosophie in die Malerei nicht auch verschiedene Perspektiven Ihres täglichen Lebens überträgt?
Sandra del Pilar: Ja, das tut es, ich versuche das jederzeit. Ich denke, es ist notwendig, wenn Sie zu jemandem sprechen und Sie haben nicht so dramatische Situationen. Es hilft immer, in die Schuhe von jemand anderem hineinzuschlüpfen, sodass eine Wirklichkeit, die wir eigentlich nicht sehen, komplexer wird. Ich weiß, ich werde es nie ganz und gar verstehen, aber ich könnte vielleicht mich selbst damit ein wenig umgeben.
Frage 4: Sie sagten, alle Sinne sind für Sie wichtig. Sie haben den Tastsinn erwähnt. Warum ist das Berühren von Bildern nicht erlaubt? Denn da gibt es natürlich eine Spannung zwischen der Berührung und der haptischen Wahrnehmung. Und Sie sprachen über haptische Wahrnehmung, warum sollte nicht der Tastsinn eine Rolle spielen?
Sandra del Pilar: Sie haben recht, das ist ein Konflikt. Wenn ich alleine im Atelier bin, berühre ich sie immer, ich liebe dieses Gefühl. Einmal war ich in einem Museum und stand bei einer meiner Arbeiten, und eine Frau kam und streifte das Bild. Sie schaute mich an, sie wusste nicht, wer ich war, und sie sagte: “Tut mir leid, ich konnte nicht anders.” Ich dachte, es war so schön, dass sie das tat. Wenn alle das tun, wird die Oberfläche in sehr kurzer Zeit sehr schmutzig. Aber Sie haben recht, das ist ein Problem, dass ich jetzt zu lösen versuche. Vor zwei Stunden zeigte ich Moiz meine neuen Arbeiten und die sind extrem berührbar. Sie wurden nicht geschaffen, um an einer Wand zu hängen. Sie wurden für eine Person geschaffen, die auf einem Stuhl an einem Tisch sitzt, es öffnet, es sieht, es berührt. Das ist etwas völlig anderes, den es ist nicht die Malerei, die wir gewohnt sind, an Wänden zu sehen. Das ist mir etwas sehr Wichtiges, und ich versuche, ein Problem nach dem anderen zu lösen. Mal sehen, wie es funktioniert.
Frage 5: In Ihrer Arbeit gibt es auch so eine Art Spannung zwischen der Körperlichkeit der Figuren auf den Bildern und der Oberfläche, die mir sehr besonders erscheint. So ist es berührbar und unberührbar zugleich. Es ist so illusionär und so fließend, sodass ich denke, Sie sollten mit der Haptizität arbeiten, nicht mit dem Tastsinn, weil ich denke, das reicht aus. Die Nonne aus dem 17. Jahrhundert schrieb über die haptische Wahrnehmung, mit den Augen in den Händen. Ich denke, das ist eine sehr schöne Beschreibung der haptischen Wahrnehmung. Und wenn Sie über diese sensitive körperliche Wahrnehmung sprechen, denke ich, dass Ihre Malerei sehr nahe an den Ideen der Somaästhetik von Richard Shustermann ist.
Sandra del Pilar: Ja, das ist ein Thema, in das viele Menschen investiert haben. Es ist sehr interessant. Sie haben verschiedene Menschen, die sich dem selben Problem oder Thema auf verschiedene Arten nähern. Das ist großartig.
Frage 6: Ich war aufgeschreckt, dass Sie die Proprioception hervorhoben. Das ist eine wirklich anregende Art und Weise, darüber nachzudenken, wie man*frau sich selbst in einem Raum empfindet.
Das vorgenannte Argument über Haptizität war wirklich interessant, weil es für mich genau das war, worüber Sie sprechen, wenn Sie von Wirklichkeit sprechen, die Unfähigkeit, es zu berühren und völlig zu verstehen. So scheint es zu sein, um was Sie sich kümmern. Und die Geschichte der Frau in dem Museum ist so schön, weil es die Berührung eines*einer Liebenden ist, nicht von jemandem, der anklagt oder versucht zu besitzen.
Sandra del Pilar: Ja, es war wie Zärtlichkeit.
Frage 7: Die Oberfläche des Bildes scheint eine sehr empfindsame Haut zu sein. Auch die Art der Verdeckung zwischen dem Bild und dem Menschlichen. Es ist wie das Gefühl, dass etwas hinter dem Bild verdeckt wird, aber ich habe nicht die Erlaubnis, es zu sehen. Ich habe gerade einen Fetzen von Ahnung, was auf der Innenseite sein könnte und was dort geschieht. Ich bin ein wenig innen und ein wenig außen. Ich betrachte und beginne zu fantasieren, was innen sein könnte. Es ist etwas anderes, eine Fantasie.
Sandra del Pilar: Ja, der Raum, auf den Sie sich beziehen, der Raum zwischen Schicht und Leinwand ist für mich magisch. Das ist ein Raum, in dem alles geschieht, in den Sie Ihre Fantasie und Ihre Einbildungskraft hineinlegen, weil sie kaum etwas von der Schicht auf der Leinwand sehen können. So geschieht alles in diesem Raum. Das sind zwei Dinge zugleich, es ist Teil des Bildes, aber es ist auch Teil meiner Wirklichkeit, weil ich hier stehe, die Luft atme, die dieser Raum ist und die auch zu dem Bild gehört. So bin ich von dem Raum dazwischen besessen.
Norbert Reichel: Du entdeckst dich selbst zwischen den Schichten.
Sandra del Pilar: Das ist schön, ja.
Frage 8: Sie sprachen über Ihren Wunsch, dass die Betrachter*innen die Arbeit in der Nacht sehen, sodass sie sich selbst in der Spiegelung des Glasfensters sehen. Ich merkte, dass dies bedeutet, dass Sie sich eine bestimmte Ebene von Intimität mit der*den Betrachter*in wünschen, dass sie*er mit Ihnen im Haus sind und neben Ihnen schaut. Ich dachte, das war wirklich liebenswert.
Sandra del Pilar: Danke, ja, sie sind mit mir. Ich hoffe das.
Frage 9: Ich bin ein sehr großer Anhänger von Rosalind Krauss, und sie sagte, das sein Medium nicht nur die materielle Basis des Bildes ist, sondern auch eine Erinnerung. Wenn ich Ihre Bilder wahrnehme, kann ich Anklänge zu verschiedenen Maler*innen finden. Ist das Absicht?
Sandra del Pilar: Als Kind habe ich viel Zeit in Museen verbracht und ich liebte die Malerei. Als ich zum ersten Mal ein Bild sah, war ich etwa vier Jahre alt. Es war in Mexiko. Es war ein Portrait der Kaiserin Carlota. Und ich war nicht von ihrer Schönheit beeindruckt, sondern vom Material, vom Gemalten. Mein Vater schaute mich an und sagte mir, es wäre mit Pinseln und Farbe gemacht. Ich dachte an meine Pinsel und meine Bilder aus dem Kindergarten, und ich dachte, das wäre unmöglich. Niemand könnte das mit diesen Händen und diesen Materialien machen. Er antwortete, dass wenn ich mich sehr anstrengte, wäre es möglich und ich könnte das schaffen. So ging ich in eine Menge Museen und sah eine Menge Bilder. Und ich denke, dass all diese Bilder, die ich sah, Teil meiner inneren Einbildungskraft wurden und wenn ich male, kommen sie automatisch zum Vorschein und reflektieren was ich tue, weil sie mich so sehr beeindruckt haben.
Frage 10: Sie sprachen über den Tastsinn und die sehr emotionale Beziehung, die Sie zu den Figuren Ihrer Bilder haben, von der ich hoffe, dass wir sie als Betrachter*innen auch haben. Und das ist eine offensichtliche Verbindung, aber Sie als jemand, der so viele Sprachen spricht, müssen wissen, dass die meisten Sprachen Emotion dem Tastsinn zuschreiben. Wir sind von einem Gefühl berührt, bewegt von einem Bild. Wir fühlen physisch was wir emotional fühlen. Ich denke, das ist diese intrinsische Verbindung, die Sie irgendwie in der Art aufgegriffen haben, wie Sie Berührung und Emotion hervorheben.
Sandra del Pilar: Ich habe einmal mit einem Biologen gesprochen, der mir sagte, dass frau*man nur dann synästhetisch wahrnehmen könne, wenn es einen physischen Defekt gäbe, beispielsweise im Sehnerv, der zu nah an dem Hörnerv wäre. In diesem Fall könnten wir Töne hören, wenn wir Farben sähen, weil die Impulse nicht dort ankommen, wo sie ankommen sollten. Dann dachte ich, das ist kein Defizit, sondern eine Gabe, Farben zu hören. Und ich denke, wir können das auch etwas trainieren, vielleicht nicht im Wortsinn eine Farbe hören. Aber für mich haben Farben beispielsweise einen bestimmten Geschmack. So haben wir alle die Fähigkeit, synästhetisch zu Denken. Vielleicht ist es das, was ich ein wenig suche.
(Anmerkung: Im Englischen lassen die jeweiligen Formulierungen offen, welches Geschlecht gemeint ist, im Deutschen ist dies anders. Für die Leser*innen habe ich daher die geschlechtsgerechte Sprache mit Genderstern verwendet, die sich leider nur schreiben, aber mit wenigen Ausnahmen nicht sprechen lässt.)
Englischer Originaltext
„Both Eyes in My Two Hands“ – Record of a Talk between Sandra del Pilar and Norbert Reichel on 28th of October, 2020, at Zilberman Gallery, Berlin
Norbert Reichel: I am happy to welcome you in the Zilberman Gallery this evening. Thanks to Sandra for proposing me for hosting this talk about her art and this wonderful exhibition you can see in the gallery’s rooms. Thanks to Moiz, Lotte and all your colleagues for the initiative and your work in preparing the exhibition and this evening. It is not easy in the times of a pandemic, which already change so much in our daily and cultural life. Our physical well-being constitutes only one of our needs of well-being. Art matters. This evening, we try to contribute to the spiritual well-being as well. We hope that talking about Sandra’s work will inspire us all. Her work will make us think about – I have permission to use a French saying – “la condition humaine“ and perhaps discovering new ways of perceiving reality.
But before we start to talk, I have to apologize. For Sandra and me, for both of us, English is not our mothertongue, we shall make mistakes, in grammar, in pronunciation, in semantics, but I hope we’ll make these mistakes so quickly that you never notice. And if we don’t find the adequate wording, we shall switch languages. I am sure you will help us find the right words, too.
Sandra, you are working in Mexico, Cuernavaca, and in Germany, Soest. These very weeks you are an artist in residence at this gallery. Are there differences in the way people are talking about or seeing your work in Germany, in Mexico or in other countries?
Sandra del Pilar: Yes. Before I answer your question, I would also like to say thank you to all of you, because you are here with me. Above all to Moiz, who made all this possible. For me it’s a great opportunity and I’m so happy to be part of this gallery. You cannot imagine how comfortable I’ve felt here with Lotte, Frosia and Marie. They are extremely lovely people.
Now, answering your question; it’s not such a simple answer, because unlike an actor or a musician, a visual artist generally does not directly perceive the reaction of the public. Nevertheless, I do think there is a difference and that might be because they live in different languages. Thinking, perceiving, approaching the world is completely different depending on the language you use. I become aware of this every time I try to translate a text of mine from Spanish into German or the other way around. It is not really possible to properly translate word for word or even sentence by sentence. I always feel like I really have to switch to the other language completely and even then the result feels very different. It is perhaps like entering a house through different doors, there is a great difference if you enter from the garden door, the front door or basement. This is also a bit how my paintings work; you can literaryly approach them from different angles or points of view.
Norbert Reichel: “Both Eyes in My Two Hands”, the title of your exhibition, is a kind of artistic program. Two years ago you finished your second thesis “Más allà della Visión” (in English: Beyond Vision). Could you please explain your understanding of this very ambivalent notion of what “vision” may be?
Sandra del Pilar: In my thesis I wrote about the materiality of artworks in general, especially in painting and even more specifically in figurative painting. When I started with the research, I noticed that there are no profound investigations yet on this topic. Generally it is pushed to the background in our society, even more so since the invention and dissemination of the digital image. Now that we are very used to manipulate and to live with digital images, it is even more difficult to feel or really perceive the materiality of an artwork, like a painting for example.
The digital image no longer has a body. It is a fragile construct, which can appear on any electronic display. It is hardly relevant whether it is seen on the screen of a cell phone, a tablet or a computer; it’s always the same image.
This is totally different when you’re talking about painting. There’s a fundamental difference a figure painted on canvas, or drawn on a piece of paper. And while a small-format drawing is like an intimate aesthetic experience, a large-format painting is approached from the distance, with your entire body. Also, a painting has a specific smell and it tempts you to touch it.
I chose the title of this exhibition “Both Eyes in My Two Hands” to express exactly this; that we don’t only perceive with our eyes, we perceive with our whole body. That is the proposal of my painting, to address all human senses. The veils have a smooth surface, which tempts the viewer to stroke it with the finger. When you move around the painting, the fabric begins to flicker. So the painting moves, you move, and there’s a special connection between the body of the painting and the body of the spectator. Then you can approach what I’m talking about in my paintings.
Norbert Reichel: You understand yourself as a conceptual artist; this is much more than being a painter. You spoke about the materials you use and in your Mexican thesis you are offering a very detailed analysis of the techniques you apply. In this exhibition we can see nearly all materials you use and we see installations like the closet in the Berliner Zimmer. What is the purpose of using and combining different techniques and materials?
Sandra del Pilar: Yes, you’re right I don’t perceive myself as a painter so much. I prefer the idea of making post-conceptual painting. This describes the attempt to reconcile conceptual art with more traditional ways of creating, like painting, sculpting or drawing. In conceptual art the concept and ideas are considered the most important part, not the physical object itself. That is why it rejects painting – a finished and consummate artistic product – and instead focuses on the artistic process itself, in form of documentations, sketches, notes, videos, photographs, etc. Also, involving the spectator is an important aspect of conceptual art. These ideas were enormous achievements of the 20th century, which I believe can greatly enrich painting in the 21st century.
If painting takes up these elements of conceptual art, making the underlying concepts visible and considering the viewer an integral part of the piece itself, we could call it post-conceptual.
The reason why I pay so much attention to the materiality (combining different techniques and materials) in my work is because it allows me to approach what I am looking for; to create what I call the sensitive aesthetic experience. So, it’s not only an experience for the mind or eyes, it’s like everything we have to perceive things is working together in order for you to get the full experience.
The piece you are speaking about is called Casì una mariposa (Almost a butterfly). Here, the thin veils are not stretched over a frame. This creates a visual game between appearance and disappearance, and allows the experience of a painterly depth that is not illusory but completely real while the painting itself remains two-dimensional.
The fabric sort of returns to its original context as the layers hang (like clothes) in a closet waiting to dress the person they belong to, waiting to give the nude body an image, waiting to become alive on a person´s skin. It is about something to be that is not yet, like a cocoon waiting to become a butterfly.
Norbert Reichel: You compare your work with the attitude of someone looking through a window. Is there clarity? Clarity is always fragile. Some windows are dirty, steamed up, sometimes transparency fails. Perspectives change when approaching something from different sides, getting closer or keeping distance. And the same happens regarding your work. Your works give, so to speak, an impression of how fluid realities can be. Rilke’s Panther, you are quoting this poem sometimes, only sees the bars of its cage. It loses the capacity of seeing what is beyond it. Is the panther’s destiny our very destiny, too?
Sandra del Pilar: Well, let’s start with the window. It is a very old metaphor for an image and goes back to the 15th century, when the Italian art-theorist Leon Battista Alberti said that a painting is like a window to another world. And many years later, in the 20th century, the Spanish philosopher Ortega y Gasset took up this metaphor again, and added a window pane in order to explain what is seen when we look at an abstract, non-figurative painting. Gasset said that there are two ways of looking at an image:
We can look through the windowpane, we see through the transparent glass and we see what is represented. This is the regular way we observe. Referring to painting we see that there is a head on a plate for example.
But what shall we do, if there is no representation, like in Yves Klein´s monochrome paintings? It is, as though the windowpane has become intransparent, opaque. What we see now is no longer the garden or the representation of an image, but its materiality, its media.
The most beautiful thing about the perception of an image is that you can use both ways of looking at any kind of artwork, not only in painting, but also in photo, in cinema, even in theatre.
Finally, to Albertis and Ortega y Gassets theories, I added a third element: The spectator.
Returning to the metaphor of the window, imagine that it’s a rainy evening outside. You’re aware of the glass because of the raindrops and you can see the blurred garden behind it. Now, because of the darkness you turn on the light. In this very moment, a third element joins the others: your own face appears reflected on the windowpane, interwoven by the glass and the garden. Our face in this scenario is especially interesting, because it is constantly moving. It moves as you move and it always changes depending on who is looking. This is why reality appears as a fluid substance in my paintings.
Reality is very important in my work, but even more important is the question of how we perceive it.
Normally perception is an automated process, we don’t really think about it. We just perceive and react automatically. Art has the ability to make us aware of this process and so to change the way we look at things.
This is the topic of The loss of the other: From a certain distance we see five faces that show the same head again and again with slight variations. Sometimes the face is shifted slightly upwards or a little downwards, sometimes to the right or to the left. Even more inconsistent is the application of color, which oscillates between powerful clarity and mere suggestibility. So, in search of clarity you want to come closer to the painting, yet at a distance of 1.5m already the image shifts. The head does not become clearer but starts to disintegrate into many unconnected spots of color or dissolves completely. It is replaced by my own face, which is reflected by the mirrored back wall behind the veil and against which the painting on the synthetic fiber can no longer compete optically.
This is precisely the effect that made me think of Rilke´s Poem „Panther“.
DER PANTHER
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
(His gaze against the sweeping of the bars
has grown so weary, it can hold no more.
To him, there seem to be a thousand bars
and back behind those thousand bars no world.
The soft the supple step and sturdy pace,
that in the smallest of all circles turns,
moves like a dance of strength around a core
in which a mighty will is standing stunned.
Only at times the pupil’s curtain slides
up soundlessly — . An image enters then,
goes through the tensioned stillness of the limbs —
and in the heart ceases to be.
– English translation by Stanley Appelbaum)
The Panther lost connection to the world because it is locked up. And so are we (especially now in Corona-Times). Behind the bars, the panther sees „no world“. In my piece, you just see your own face. The other one, the painted face, I have lost sight of.
Norbert Reichel: In your works, we often see people lying down. We don’t know if the reclining figures are alive or sleeping. Could or should we awaken them by watching? Or should we free ourselves from our own sleep? Who are the neighbours of the maltreated, the murdered (I give some examples that you can see here at the exhibition: What Should the Neighbours Say, The Huntress’s Dream, Who Am I and How Much?)? And what about all these birds you like showing us?
Sandra del Pilar: To be honest, I didn’t really think about the birds. But I love them because they are creatures of the heaven and the earth, and some even belong to the water. So, there are different dimensions and realities to these animals. Though, they don’t have a specific symbolic meaning in my work.
And what you said about people laying down, perhaps it’s interesting for you to know, that in Spanish we use the same word for sleep and dream: “el sueño”. This suggests that when we sleep we aren’t doing anything, but we’re dreaming. And dreaming is a way to kind of pass to an alternate reality, which is very similar to the reality of my paintings. There, time is different. Sometimes a dream can feel like we’re living a very long adventure, while in reality only a few seconds have passed. Everything happens almost at the same time, like in my paintings, and not in a sequential way. They have time, it’s just another sort of time in paintings.
Another thing that interests me about dreams is that our body never goes to a different place. Yet, our body reacts as if we were actually living through everything: we laugh out loud, we cry, we sweat, and we move our legs when we dream of going up or down the stairs. This is exactly how I perceive my paintings, and as I would like them to be seen by other people as well. I would like them to react physically. I would like for my works to connect to the body of the people that look at it.
Norbert Reichel: Looking at your work I discover myself as a flâneur, a central character in the works of Edgar Allen Poe, Charles Baudelaire and Walter Benjamin. The flâneur’s position is always on the outside, he or she is looking into a room without participating in the events happening inside. They are not part of the community inside. What could you tell us about the relationship between artist, spectator and reality? How could they interfere?
Sandra del Pilar: Well, I would like my flâneurs to pass through the windows of my works at night, so they can see their own faces reflected in the glass, thus connecting themselves to what is happening on the other side of the glass. Also, in the darkness we don’t see so much, we have to trust our other senses.
In Spanish there is a very beautiful expression, which is that of the “cuerpo sensible”, approximately translated to „sensitive body“. This refers to the ability to perceive our environment, and also a painting, with all our senses in an integral way.
This sensory apparatus includes not only the five traditional senses: vision, touch, hearing, taste and smell, but much more. There are at least five others: vestibular sense (the sense of balance), the visceral sense (everything that happens in our stomach), thermoception (the sense of temperature), nociception (the sense of pain) and proprioception (the sense of our body moving in space).
Especially the proprioception is important for my work and me. It provokes the movement of the picture and is therefore the precondition for an intimate, physical relationship between picture and viewer.
I believe that this is also what the Mexican poet Sor Juana Inés de la Cruz was referring to in the poem that inspired the title of this exhibition: “Both Eyes in My Two Hands”. This poem was not published in one of her poetry collections, but in a painting. The painting depicts Sor Juana as a nun, which she was as she didn’t want to get married, writing the verses I’m referring to. The full version can be read in Spanish, German and English in the catalogue. The last two lines in particular have inspired me to create this exhibition:
que yo, más cuerda en la fortuna mía,
tengo en entrambas manos ambos ojos
y solamente lo que toco veo.
(but I hold both eyes in my two hands
and see only what I can touch.)
The poem, as well as the exhibition, is about shaking and questioning the trust we generally have in our eyes and in rationality, with which not everything can be understood.
It is about the fragility of perception and thus also the fragility of perceived reality.
Norbert Reichel: Passing in front of the Olvido or Mujeres Castigadas series we see the reality of suffering blurred in a chiaroscuro of many possible pasts and memories. It is not our suffering, not our fault that these people are or were suffering, but there still rests an impression of failed and destroyed futures that we should consider. You are provoking this feeling by opposing the dark and the clear. My impression: this is your very technique. It causes some kind of remembrance, perhaps empathy in the spectator’s mind.
Sandra del Pilar: I hope it does in a certain way. I like to think about art as a space of thinking, a place where you can experiment sensations, thoughts, emotions, experiences. (In Spanish we say: “Espacio del pensar”, in German: “Denkraum”). Aristotle had already discovered that art could show and reflect things that one does not want to encounter in reality, but that are very important to discuss or reflect upon. It allows us to confront them in another way that is not language, to speak and to think about topics visually.
Norbert Reichel: Your art is highly political. In 2011 you asked in another exposition: How real is reality? („Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“). You showed paintings about the death of Osama Bin Laden, the murderers of women in Ciudad Juárez, the torture in Abu Ghraib and Guantánamo. You are very interested in the psychology of victims and perpetrators. You worked with women suffering under the violence of their husbands, their partners in Mexico, you worked with young prisoners in Siegburg, you are interested in the destiny of witches who were persecuted in former centuries in Westphalia, you show us David who is killing Goliath, who could also be Judith killing Holofernes. In Amenaza („Threat“) you show yourself threatened by a gun floating in the air. You try to feel like victims, but you also try to explore the feeling of perpetrators. There’s a very deep psychological approach to your work.
Sandra del Pilar: Yes, I always try to understand what’s happening. But the more I try, the more I understand that reality is something I cannot grasp. And if reality as such is already so intangible, as we have seen, then I think we should at least try to take different perspectives.
I started with this in a project called Discourse on Power. One day I came across these cell phone photos from the US American prisons of Abu Ghraib and Guantánamo on the Internet and I couldn’t believe what I saw. I couldn’t believe that people tortured other people in such a lustful way and took pictures of them.
So I tried to put myself in the shoes of these people; first in the role of the victims, but then also in the role of the perpetrators. I tried to understand what they felt and I tried to paint what I felt when I did this.
To this day, this is a central element in my work; a constant quest for a change of perspective.
Norbert Reichel: One last question, a view into the future: What are you planning in the next months or years? Which new experiences would you like to explore?
Sandra del Pilar: What is waiting for me in the next months is a technical challenge. Since I’ve started using the transparent layers I usually began with the lighter tones, working towards the dark little by little. And I like darkness very much, so what I’m trying to do now is go the other way around; starting with a black base and gradually moving on to the clearer tones. The first experiments with this can already be seen in in this exhibition: Gigantes (or “Giants”), a new series I started.
Norbert Reichel: So, we are finished with questions from my side, perhaps you would like to ask Sandra some yourself.
Question 1: When you frame your paintings, do you put glass in front of them to achieve this effect of the spectator inscribing themselves into the work or is that more of a metaphor?
Sandra del Pilar: No, the glass is just a metaphor to understand how I would like to involve the spectator. We have these metaphors from Leon Battista Alberti and Ortega y Gasset, yet they never considered the spectator. They only talked about the image itself. But I think, what we can learn from conceptual art is that the spectator is actually finishing the work.
Question 2: And why don’t you put a layer of glass in front of your paintings? I’ve actually written about something similar, just with moving image. In my case, there is literally glass, from the screen you watch on. Most consumption of moving image nowadays happens on a plasma screen, no longer the screen of a cinema. And you get this exact effect; you can’t help but to be inscribed into this screen of the moving image. So, if this is the metaphor that interests you, then why not? Most paintings are framed behind glass and you do get this effect.
Sandra del Pilar: Well, I’ve regularly worked with layers of painting, but always on the same surface. I got to a point, where I was interested in separating the layers and I experimented with acrylics and with painting on glass. But I don’t like painting on glass, because I don’t like the feeling of it. I prefer the feeling of painting on this fabric here, which is surprising, because when I have to paint a large surface I have to wet it completely and when I wet it, I don’t see anything anymore, as the textile loses its transparency and becomes milky. So I’m painting as though I was blind. And I cannot correct anything either, because the painting goes through the textile, onto the other side of it and I cannot wipe it off. I like this. Perhaps I should experiment with glass when I don’t have to paint on it. Like in The loss of the other, which we’ve been talking about before, there is glass and it’s very important. It helps to play with the reflection of the spectator. So you’re right, glass is a very important and very interesting material.
Question 3: Firstly, I wrote down the words “sensitive aesthetic experience”, that you mentioned earlier, because I found that very beautiful. And then, it somehow stuck with me from this last concept, that reality is something that you cannot even begin to approach and so you take on different perspectives. I was wondering, because in these paintings you’ve picked extreme perspectives and you’re going to these situations that are not part of everyday life, does this sort of philosophy also translate into painting different perspectives in your daily life?
Sandra del Pilar: Yes, it does, I try to do it all the time. I think it’s necessary, when you’re talking to somebody and you don’t have such dramatic situations. It always helps to put you into the shoes of someone else and so, a reality we don’t really see becomes more complex. I know I will never understand it fully, but I could perhaps surround myself with it a little bit.
Question 4: You said, all of the senses are very important to you. You’ve mentioned the sense of touch. So, why is touching your paintings not allowed? Because there is of course a tension between tactile and haptic perception. And you are talking about haptic perception, so why not tactile perception?
Sandra del Pilar: It is a conflict, you are right. When I am alone in my studio, I always touch them, I love the feeling. Once I was in a museum standing by my work, and a woman came up and stroked the painting. She looked at me, she didn’t know who I was, and she said: “I’m sorry, I just couldn’t resist.” I thought it was so beautiful that she did this. If everybody does this, the surface will be very dirty in a very short time. But you’re right, it’s a problem I’m trying to solve now. Two hours ago, I showed Moiz my new works and they are extremely touchable. They are not created to be on a wall. They are created for one person to sit on a chair at a table, to open it, to see it, to touch it. It’s completely different, because it’s not the painting we are used to see on the walls. This is something that is very important to me and I’m trying to solve one problem after the other. Let’s see how it will work.
Question 5: In your works there is also this kind of tension between the fleshliness of the figures you have in your paintings and the surface, which is very special. So, it is touchable and untouchable at the same time. It’s so illusive and so fluid, I think you should only work with hapticity, and not the tactile perception, because I think it’s enough. The nun from the 17th century wrote about the haptic perception, with the eyes in your hands. I think it’s a very beautiful description of the haptic perception. And if you are talking about this sensitive body perception, I think the ideas of somaesthetics by Richard Shusterman are very close to your painting.
Sandra del Pilar: Yes, it is a topic that a lot of people are very invested in. It is very interesting; you have different people approaching the same problem or topic in several ways. It’s great.
Question 6: I was thrilled that you highlighted proprioception. It’s a really exciting way to think about sensing yourself in a room. The argument before about hapticity was really interesting, because to me it was exactly what Sandra was talking about with reality; the inability to touch it and understand it fully. So it seems to be exactly what she is going for. And the story of the woman in the museum is so beautiful, because that’s the touch of a lover not an accuser or someone trying to possess.
Sandra del Pilar: Yes, it was like a caress.
Question 7: The surface of the painting seems like very sensible skin. Also the kind of cover between the painting and the human. It’s like this feeling that something is covered behind the painting, but I’m not allowed to see. I just have a snippet of what could be inside and what happens inside. I’m a bit inside and a bit outside. I’m watching and I start to fantasize, what the detail is inside. It’s something else, it’s a fantasy.
Sandra del Pilar: Yes, the space that you are referring to, the space between the layer and the canvas is magical for me. This is the space where everything takes place, where you put your fantasy and your imagination, because you barely see anything of the layer on the canvas. So, in this space everything is happening. It’s two things at the same time; it’s part of the painting but it’s also part of my reality, because I’m standing here, breathing the air that is this space and that also belongs to the painting. So I’m obsessed with the space in between.
Norbert Reichel: You discover yourself between the layers.
Sandra del Pilar: That is beautiful, yes.
Question 8: You were talking about your wish for the viewer to see the work at night so that they see themselves in the reflection of the glass window. I realised that this means you’re presuming a certain level of intimacy with the viewer that they are in the house with you and are looking out beside you. I thought that was quite lovely.
Sandra del Pilar: Thank you. Yes, they are with me. I hope so.
Question 9: I’m a very big fan of Rosalind Krauss, and she said that a medium is not only the material base of the painting but also a memory. When I perceive your painting I can find associations to various painters. Is this on purpose?
Sandra del Pilar: I spent a lot of time in museums as a child and I loved painting. When I saw a painting for the first time, I was about four years old, in Mexico. It was a portrait of Carlota, the empress. And I wasn’t impressed by her beauty, instead I was impressed by the material, by the painting. My father looked down to me and told me, it was made with brushes and paint. I thought of my brushes and my paint from kindergarten, and thought that it was impossible. Nobody could do that with these hands and those materials. He replied that if you’re very engaged and you try hard, it is possible and I could do it. So, I went to a lot of museums and saw a lot of paintings. And I think that all these images I saw became part of my inner imagination and when I paint my paintings they automatically come out and reflect in what I’m doing because they impressed me so much.
Question 10: You talked about the sense of touch and the very emotional relation you have to the subjects of your paintings, which you hope we as the spectators have too. And this is an obvious connection, but you as a linguist, or someone who speaks so many languages, you must know that most languages inscribe emotion into the sense of touch; we are touched by a feeling, moved by a painting. We feel physically what we feel emotionally. I think there’s already this intrinsic connection that you somehow picked up on in the way you emphasize both touch and emotion.
Sandra del Pilar: I once spoke to a biologist, who told me that you are only synesthetic when you have a physical defect, for example when your visual campus is too close to your campus of hearing. In this case you would hear tones when you see colors, because the impulses are arriving where they should not arrive. Then I thought, this is not a defect, it is a gift to hear color. And I think maybe we can train this a little bit, too, perhaps not to literally hearing a color. But for me colors have a certain taste for example. So we all have the capacity of thinking in a synesthetic way. It’s what I’m looking for a little bit perhaps.
(Anmerkungen: Erstveröffentlichung im Dezember 2020, alle Internetlinks wurden am 15. September 2022 auf ihre Richtigkeit überprüft.)