Kreative Solidarität im ukrainischen Theater

Ein Gespräch über Kultur, Kunst und Theater in Zeiten des Krieges

„We few, we happy few, we band of brothers” (William Shakespeare, Henry V, Akt IV, Szene 3, in der Übersetzung von August von Schlegel: „Uns wen’ge, uns beglücktes Häuflein Brüder“)

Im Demokratischen Salon wurden bereits zwei Rezensionen von Shakespeare-Aufführungen in der Ukraine veröffentlicht, Shakespeares „Mitsommernachtstraum” im Kyiv Theater auf Podil („Spaßiger Albtraum in einem Nachtclub” von Viktoriia Kotenok) und „Coriolanus“ im Ivan Franko Theater in Kyiv („Coriolanus in der Ukraine” von Pavlo Shopin und Iuliia Bentia). Aus meiner Sicht ist es für das deutsche Publikum wichtig, Texte über die ukrainische Kultur und das Leben in der Ukraine zu lesen. Dies geschieht mit Essays, Rezensionen und Interviews aus ukrainischer Innensicht wie beispielsweise mit Mykola Riabchuks Essay „Jenseits der Fußnoten“ und den genannten Rezensionen. Im Gegenzug sorgt Pavlo Shopin mit seinen Studierenden für Übersetzungen von Texten aus dem Demokratischen Salon ins Ukrainische, die in verschiedenen ukrainischen Zeitschriften wie „Krytyka” und „Eksperiment” veröffentlicht werden. Ich bin sehr dankbar für diese Einblicke und Möglichkeiten. Sie mögen dazu beitragen, die deutsche und europäische Unterstützung für die Ukraine nachhaltig zu gestalten. Der ukrainische Widerstand, die ukrainische Armee, sie kämpfen für die Freiheit der Künste, die Freiheit der Kultur!

Ich hoffe, dass Sie, die Sie das im Folgenden dokumentierte Gespräch mit Viktoriia, Iuliia und Pavlo lesen, vielleicht als Anlass nehmen, in ihren Freundeskreisen darüber zu sprechen, damit mehr Menschen verstehen, warum es für die europäische Kultur so wichtig ist, die Ukraine zu unterstützen. Aber nicht nur dies, wir müssen uns die Lage, die Bedingungen, unter denen intellektuelles und kulturelles Leben in der Ukraine leidet, vergegenwärtigen, sodass wir verstehen, wie groß der Mut all der Intellektuellen, Journalist:innen und Künstler:innen ist, die das intellektuelle und kulturelle Leben am Leben halten. Über die Biographien, die Bildungsweg und das berufliche Engagement von Viktoriia, Iuliia und Pavlo finden Sie in den oben erwähnten Rezensionen weitere Informationen.

Die Lage in der Ukraine verändert sich täglich, aber wir wollen hoffen, dass die Ukraine letztlich erfolgreich sein wird. Wir brauchen die Ukraine als europäisches Land, sie ist Teil der europäischen Kultur – dazu auch der oben genannte Essay von Mykola Riabchuk – und vielleicht kommt der Tag, an dem auch Russland den Wert der liberalen Demokratie und Kultur anerkennt. Vielleicht. Das Gespräch mit Viktoriia, Iuliia und Pavlo war auch kulturell ein besonderes – ich möchte sagen: ein im besten Sinne multikulturelles Ereignis. Ich habe meine Fragen in Englisch gestellt, Viktoriia antwortete in Ukrainisch, Pavlo übersetzte, er und Iuliia sprachen Englisch. Ich habe nach Freigabe des englischen Textes diese deutsche Fassung des Gesprächs geschrieben. Die englische Fassung finden Sie hinter dem deutschen Text.

Vorspiel: Intellektuelles und kulturelles Leben nach dem 24. Februar 2024

Norbert Reichel: Bevor wir über das Theater sprechen, sollten wir über die aktuelle Lage des intellektuellen und kulturellen Lebens in der Ukraine sprechen. Wie macht man Theater, wie schreibt man, wie lehrt man nach der umfassenden russischen Invasion, unter dem Eindruck der ständigen russischen terroristischen Angriffe, der Bomben, der Zerstörung, dieser sehr instabilen Lage?

Pavlo Shopin: Ich kann zu meiner Lehrtätigkeit sprechen, die ich zurzeit online durchführe. Online unterscheidet sie sich stark von einer Lehre in Präsenz. Es gibt einige Vorteile. Beispielsweise musst du dich nicht zum Campus der Universität begeben. Aber wenn eine Gruppe online organisiert werden muss, ist es andererseits auch schwieriger. Einige Universitäten in Kyiv bitten zurzeit die Lehrenden, in Präsenz zu unterrichten. Ich habe das abgelehnt, weil ich meine beiden Tätigkeiten nicht hätte miteinander verbinden können, wenn ich immer hätte hin- und herfahren müssen. Wegen des Mangels an Lehrenden wurde ich eingeladen, an zwei Universitäten in verschiedenen Stadtteilen von Kyiv zu unterrichten. Ich habe zugestimmt, weil meine Kollegin, die auch aus Luhansk kommt, mich bat dies zu tun und ich die Gelegenheit erhielt, mit Studierenden eines höheren Niveaus in der deutschen Sprache zu arbeiten. Im nächsten akademischen Jahr werde ich eine der beiden Tätigkeiten behalten, weil der Aufwand zu groß wurde. So weit zur Lage der universitären Bildung aus meiner Sicht.

Iuliia Bentia: Ich kann die Lage bei „Krytyka“ beschreiben, eine der prominenten intellektuellen Zeitschriften in der und über die Ukraine. Zwischen Februar und Juni 2022 veröffentlichten wir nur online, um pünktlich veröffentlichen zu können, einige Wochen später sollte dann die gedruckte Fassung folgen. Wir richteten zwei Online-Projekte ein. Das erste nannte sich „Russische Invasion in der Ukraine“, eine Spezialserie von Essays über Themen des Krieges. Wir starteten unmittelbar wenige Tage nach der umfassenden Invasion. Ab Mai 2022 wurde das Projekt von dem Institut für die Wissenschaft vom Menschen (Wien, Österreich) unterstützt. Später erhielten wir Unterstützung vom Ukrainian Jewish Encounter, einer gemeinnützigen kanadischen Wohlfahrtsorganisation und wir konnten mit dem Essay-Projekt starten „Krieg ist ….“, in dem ukrainische Autor:innen darüber schreiben, wie sie die Katastrophe durchleben. Wir erhielten zwölf Essays, die von bekannten ukrainischen Autor:innen, Journalist:innen und Wissenschaftler:innen verfasst waren, einige davon zurzeit im Militärdienst. Wir veröffentlichten diese Essays in ukrainischer und in englischer Sprache. Die englische Version ist erforderlich, weil wir viel Nachfrage aus dem Ausland haben, über die Ukraine zu schreiben und zu lesen.

Pavlo Shopin: Einige unserer Studierenden leben in den besetzten Gebieten. während des Unterrichts nenne ich nicht die Familiennamen der Studierenden, sie verwenden einen Code-Namen, weil es für sie zu gefährlich ist, sich identifizierbar zu machen, das dient ihrem Schutz. Ein anderer Aspekt sind die Stromausfälle wegen der ständigen Bombenattacken durch Russland. Wenn meine Studierenden nicht online sind – manchmal weiß ich nicht warum – mag es wegen des fehlenden Stroms sein, aber ich muss auch befürchten, dass sie bei den ständigen Raketenangriffen verletzt wurden. Gerade einige Wochen zuvor erhielt ich eine Email von einer Studentin, die sagte, sie entschuldige sich, sie könne jetzt nicht teilnehmen. Der Grund war, dass sie sich in einer Region sehr nah zu Russland aufhielt, die zu dieser Zeit stark unter den heftigen Bombardierungen litt. Ich regte an, sie solle ins Studentenheim in Kyiv ziehen, aber sie erzählte, sie wolle in dieser Gegend nur ein paar Tage bleiben und dann fahre sie weg, ich vermute, weil ihre Verwandten dort lebten, die sie hatte besuchen wollen. Wir können die Studierenden in dieser dem Krieg geschuldeten kritischen Lage nicht für ihre Abwesenheit tadeln.

Rahmenhandlung: Große Solidarität

Viktoriia Kotenok: Die ukrainische Zeitschrift KinoTeatr (Kino und Theater), für die ich schreibe, wird online und in gedruckter Fassung veröffentlicht. Nach dem Beginn der umfassenden russischen Invasion der Ukraine verließ die Redaktion das Land. Sie sind noch im Ausland, einige in Deutschland. Einige kommen für eine Zeitlang zurück in die Ukraine, aber sie verlassen sie wieder etwas später. Ich bin das einzige Mitglied der Redaktion, das in Kyiv blieb. Die Zeitschrift wird weiterhin wie gewohnt veröffentlicht. Es gab eine kurze Pause nach dem Beginn des umfassenden Krieges, aber wir nahmen unsere Arbeit kurze Zeit später wieder auf.

Der andere Teil meiner Arbeit ist die National Union of Theatre Artists of Ukraine. Ich bin Leiterin der Presseabteilung. Es ist eine kreative Vereinigung, die die künstlerische Entwicklung des Theaters in der Ukraine fördert, kreative und methodische Unterstützung für die künstlerische Arbeit im Theater leistet, mit der Verwaltung der Theater zusammenarbeitet und die Entwicklung von Drama, Bühnenbild, Schauspiel und Regie sowie die Organisation von Theater fördert. Zu Beginn der umfassenden Invasion kommunizierten meine Kolleg:innen und ich mit den Theatern, sorgten für Informationen, sammelten und verbreiteten wichtige Informationen in den sozialen Medien, die halfen, Unterbringung, Arbeit, Nahrung, Medikamente und psychologische Unterstützung zu finden. Die erreichten Künstler:innen tauschten hilfreiche Informationen und Kontakte mit uns und miteinander aus.

Zu Beginn der umfassenden Invasion gab es kein Theater, das auf den Krieg vorbereitet war. Unter diesen Bedingungen handelten sie unterschiedlich. Die Invasion begann im Osten, Norden und Süden der Ukraine. Viele Theater dieser Regionen waren betroffen. Sie beendeten ihre Arbeit für mehrere Monate. Einige Beschäftigte begaben sich in sicherere Regionen der Ukraine, einige gingen ins Ausland, andere meldeten sich freiwillig zum Dienst in der ukrainischen Armee.

„Tochter“ – ein Stück auf der Grundlage der Erzählung von Tamara Horikha Zernia, mit der Regie von Ihor Bilyts, im Maria Zankovetska Theater in Lviv. Foto: Polina Korzun.

Die Lage der Theater der Süd- und Ostukraine unterschied sich von derjenigen der Theater der Zentral- und der Westukraine. Die Letzteren organisierten sich unverzüglich selbst, sie wurden Freiwilligeninformationen für humanitäre Hilfe, hießen Flüchtende willkommen, versorgten sie mit Nahrung, Kleidern und Schutz.

Das Mykola Kulish Kherson Regional Academic Music and Drama Theatre war unter den ersten, die sich unter der Besatzung zurechtfinden mussten. Einigen Beschäftigten schafften es, Kherson zu verlassen, während andere etwa neun Monate unter der Besatzung blieben bis die Stadt im November 2022 befreit wurde. Das Theater nahm seine Arbeit zunächst in Kyiv im Lesia Ukrainka National Theatre wieder auf, inzwischen ist das Team im vollen Umfang arbeitsfähig in Mykolaiv und führt dort im Art Theatre auf. Das Kulish Theatre nahm seine Arbeit in Kherson teilweise in einem vor Bomben geschützten Raum auf, angesichts dessen, dass die Stadt direkt an der Frontlinie liegt und ständig unter Beschuss durch die russische Armee ist.

Die Lage war noch schwieriger für das Donetsk Ukrainian Drama Theatre in Mariupol. Am 16. März 2022 bombardierte die russische Luftwaffe das Theatergebäude und verletzte etwa 300 Menschen, einschließlich der Mitglieder des Ensembles. Ein kleiner Teil des Ensembles versammelte sich in der Westukraine, in Ushhorod, und nahm seine Arbeit später in den Spielstätten des Transcarpathian Music and Drama Theatre wieder auf.

„Sie sind nicht da“ („They Are Not There“), auf der Grundlage des Stücks „Die vierte Mauer“ („The Foourth Wall“) von Alex Wood, unter der Regie von Maksym Bulgakov, Luhansk Ukrainian Music and Drama Theatre.

Ich möchte noch ein anderes Theater erwähnen, das Luhansk Ukrainian Drama Theatre, das schon im Jahr 2014 evakuiert wurde, das Jahr, in dem Luhansk von Russland besetzt wurde. Es arbeitete seitdem in Severodonetsk, das ebenfalls im Luhansk Oblast liegt, aber auf von der Ukraine kontrolliertem Gebiet. Das Ensemble blieb bis 2022 in Severodonetsk. 2022, nach dem Beginn der umfassenden Invasion, waren sie aufgrund ihrer Erfahrungen aus dem Jahr 2014 schon auf einen möglichen Umzug vorbereitet. Sie wussten was zu tun war und verließen Severodonetsk am ersten Tag der Invasion, am 24. Februar 2024. Einige Mitglieder des Ensembles setzten ihre Arbeit im Dnipro Theater fort, einige begaben sich in das Theater in Drohobytsch im Lviv Oblast. Aber der Kern des Ensembles arbeitet jetzt in den Spielstätten des Sumy National Drama and Musical Comedy Theatre in der Nordostukraine. Diese Region liegt an der Grenze zu Russland und ist ständig unter Beschuss. Dennoch arbeiten sowohl das Sumy National Theatre als auch das Luhansk Ukrainian Drama Theatre weiter, bringen neue Produktionen heraus und touren durch das Land.

Lass mich hinzufügen, dass viele ukrainische Theater jetzt Untergrundschutzräume eingerichtet haben, um dort die Zuschauer während eines Luftalarms unterzubringen. Viele Theater haben auch Bühnen in diesen Schutzräumen, sodass sie während eines Luftalarms die Vorstellung nicht unterbrechen müssen.

In den ersten sechs Monaten nach der umfassenden Invasion richteten die Theater kleine Ensembles ein, die an die Front reisen konnten, in die Militärkrankenhäuser, in die betroffenen Dörfer und die von der Besatzung befreiten Orte, um das Militär, die Verwundeten und die Zivilisten, die in diesen Regionen leben, mit Theatervorstellungen und Konzerten zu unterstützen.

Norbert Reichel: Sehr viel Solidarität, die die Theaterensembles an den Tag legen.

Viktoriia Kotenok: Du hast recht. Die ukrainischen Theater zeigten in der Tat eine Menge großer Solidarität. Sie alle taten dies und tun dies weiterhin, Solidarität mit ihren Kolleg:innen, ihren Mitbürger:innen in den besetzten und angegriffenen Regionen. Viele Theater, die von der russischen Aggression weniger betroffen waren, beschäftigten einzelne Personen ebenso wie ganze Ensembles, die vor dem Krieg geflüchtet waren.

Das Publikum: Ein gutes Gefühl – der Zusammenhalt

Norbert Reichel: Wie sieht es mit den Sprachen aus? Es gibt eine Menge Menschen in der Ukraine, deren Muttersprache Russisch ist. Ich interviewte kurze Zeit nach der umfassenden Invasion vier Frauen, die in den 1990er Jahren aus der Ukraine nach Deutschland gekommen waren. Sie alle sprachen Russisch. Gibt es im ukrainischen Theater Veränderungen in der verwendeten Sprache? Ist es so, dass Mitglieder der Ensembles jetzt lieber Ukrainisch sprechen, obwohl sie mit der russischen Sprache aufgewachsen sind.

Pavlo Shopin: Das ist eine große Frage. Ich bin kein Schauspieler, aber ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung als ukrainischer Lehrer sprechen. Meine Muttersprache ist Russisch, aber jetzt spreche ich meistens aus politischen Gründen Ukrainisch, ich möchte mich selbst von den russischen Invasoren distanzieren. Ein anderer Grund liegt aber darin, dass meine Partnerin, mit der ich zusammenlebe, Ukrainisch spricht. Der Wechsel war für mich leicht, weil ich schon auf der Universität Ukrainisch gesprochen habe, wie es in der höheren ukrainischen Bildung verlangt wird.

Iuliia Bentia: Als Kind war ich zweisprachig. Meine Familie sprach zu Hause Russisch, aber die Menschen in unserer Umgebung, im Westen der Ukraine sprachen Ukrainisch, vom Kindergarten bis zur Musikschule. Aber jetzt ist es selbstverständlich und natürlich, dass fast alle Ukrainisch sprechen.

„The Grain Store“, Inszenierung auf der Grundlage des Stücks von Natalka Vorozhbyt, mit der Regie von Maksym Holenko im Rivne Ukrainian Music and Drama Theatre. Foto: Anatoliy Mizemyi.

Viktoriia Kotenok: Ich möchte betonen, dass vor der umfassenden Invasion die meisten ukrainischen Theater bereits auf Ukrainisch aufführten. Vor der umfassenden Invasion fanden ungefähr 80 Prozent der Vorstellungen auf Ukrainisch statt, etwa 20 Prozent in anderen Sprachen (Russisch, Englisch, Polnisch, Ungarisch, Italienisch, Jiddisch, Romanes).

Einige Theater hatten Namen wie Russian Drama Theatre, und manche hatten den Namen russischer Autoren. Jetzt haben alle ihren Namen geändert und es gibt kein Russisches Theater oder Pushkin-Theater mehr in der Ukraine. Sie haben eigenständig alle ihre Aufführungen ins Ukrainische übersetzt.

Norbert Reichel: Wurden Pushkin oder Chekhov aus dem Repertoire gestrichen? Gibt es weitere Veränderungen im Repertoire? Wurden andere Autoren aus dem Repertoire entfernt und gibt es neue Autor:innen?

Viktoriia Kotenok: Zurzeit geben ukrainische Theater keine russischsprachigen Vorstellungen, auch keine Stücke, die von russischen Autoren geschrieben wurden. Ukrainische und ausländische klassische Werke sind beliebt, insbesondere Komödien und musikalische Vorstellungen, die eine Art von Atempause, Entspannung, eine Stunde oder zwei weniger an die Realität des Krieges zu denken und erlauben, sich selbst von den tragischen Neuigkeiten und dem unsicheren Alltag abzulenken.

„Good Luck“, auf der Grundlage des Stücks „War Game“ von Basa Janikashvili, Regie von Stepan Pasichnyk, Kharkiv Shevchenko Ukrainian Theatre, ausgezeichnet beim Ukrainian Theatre Festival 2023 mit dem Award GRA in der Kategorie „Beste Reflektion zum Russo-Ukrainischen Krieg“.

Nicht weniger Interesse gibt es zurzeit an zeitgenössischen Aufführungen, die das Thema des Krieges reflektieren. Ich meine damit gleichermaßen aktuelle wie vergangene Kriege. Seit 2013 gab es eine Menge ukrainische Stücke über den Krieg, die regelmäßig auf den Bühnen gespielt wurden. Darunter waren Stücke von Pavlo Arie und Natalka Vorzhbyt. Im Jahr 2022 gab es eine zweite Welle solcher Stücke, die die Ereignisse der umfassenden Invasion reflektierten. Aufführungen zeitgenössischer Stücke geben den Menschen die Gelegenheit, innere Traumata zu durchleben, Probleme von außen zu betrachten, Antworten auf schmerzhafte Fragen zu finden, aufgestaute Gefühle loszulassen und zu fühlen, dass es möglich ist, einen Ausweg aus dieser Lage zu finden. In zeitgenössischen ukrainischen Stücken und in Klassikern sucht das Publikum seine eigene Identität, Idole und Helden, auf die sie stolz sein und denen sie nacheifern können. Es gibt einen hohen Bedarf für Stolz auf das historische und kulturelle Erbe, sich als ein einiges Volk zu fühlen, eine einzigartige Nation – deshalb finden Stücke mit solchen Themen Widerhall im Publikum.

Zeitgenössische moderne Stücke wurden nicht nur als Bühnenaufführungen beliebt, sondern auch als öffentliche szenische Lesungen auf Festivals und Kunstevents. Es gibt mehr Wettbewerbe, die ukrainische Stückeschreiber:innen ermutigen und fördern, aktuelle Themen zu reflektieren. Solche Projekte sind beliebt geworden.

Obwohl es jetzt etwa zwei Jahre her ist, dass die umfassende Invasion begann, gibt es eine große Nachfrage für Theater im ukrainischen Publikum. Ukrainische Theateraufführungen sind oft ausverkauft. Das Theater bietet Erleichterung, es schafft eine gewisse Atmosphäre, in der sich die Menschen besser fühlen, sich zusammengehörig fühlen können, als Gemeinschaft. Sie können sich sozusagen von den aktuellen Ereignissen abwenden und in eine Vergangenheit zurückblicken, in der das Leben besser war. Andererseits hilft Theater ihnen, die aktuellen Ereignisse zu reflektieren. Theater schafft einen therapeutischen Raum, in dem man lernen kann, in all diesen Ereignissen zu leben. Theater und Kunsttherapie fließen auf der ukrainischen Bühne ineinander. Mehr noch: Theater zeigen nicht nur Theateraufführungen, es gibt auch viele Veranstaltungen wie Workshops, Meisterklassen, Konzerte. Das Publikum kann so ein Gefühl der Sicherheit entwickeln, auch eine Art Wiederherstellung oder Rückgabe von Verlorenem.

Norbert Reichel: Lässt sich diese Praxis auch als politisches Statement verstehen?

Viktoriia Kotenok: Ich denke nicht, dass es politisch ist. Es ist eher humanitär, es geht um Empathie, darum, einander zu helfen, Menschen zusammenzubringen – das können Theater leisten.

Norbert Reichel: Es zeigt, wir Menschen in der Ukraine halten zusammen.

Viktoriia Kotenok: Ja. Theater versorgen das Militär, die Veteranen, die Verwundeten, die Vertriebenen mit Freikarten. Und sie unterstützen den ukrainischen Widerstand, indem sie Veranstaltungen organisieren, in denen Geld gesammelt wird. Sie nutzen ihr Potenzial für solches Fundraising, um Ressourcen für das Militär zu schaffen. Sie bieten einen Platz für Spender, die sich während der Theateraufführungen treffen können.

„Die Hexe von Konotop“, Aufführung im Ivan Franko National Theatre.

Ich möchte einige Worte über neulich beliebte Theaterproduktionen sagen, die dies belegen. 2023 gab es einen Theaterboom, der bis heute anhält. Viele ukrainische Theater sind ausverkauft und freuen sich über die gefüllten Spielstätten. Vor allem die Komödie „Die Hexe von Konotop“ wurde ein Phänomen. Sie wurde von dem jungen Regisseur Ivan Uryvsky im Ivan Franko National Theatre auf die Bühne gebracht. Sie gründet auf dem Stück des ukrainischen Klassikers Hryhorii Kvitka-Osnovianenko. Etwa ein Jahr lang war es schwer, Karten für diese Aufführung zu erhalten und das Publikum war bereit, über Stunden Schlange zu stehen. Das Theater wiederholte immer wieder Sonderaufführungen dieses Stücks, verkaufte Karten zu einem höheren Preis und spendete all das auf diese Weise eingeworbene Geld für die Unterstützung der ukrainischen Armee. Und selbst die teuren Karten beeinträchtigten nicht den Wunsch des Publikums, diese Aufführung zu sehen, die ein Hit wurde. Und natürlich wusste das Publikum, dass ihr Geld an die ukrainische Armee ging, sodass sie sich bewusst dafür entschieden, teurere Karten zu kaufen. Leider führte die Beliebtheit des Stücks auch zu unfairen Praktiken des Weiterverkaufs.

Norbert Reichel: Durch die Beliebtheit entstand ein schwarzer Markt?

Viktoriia Kotenok: Genau dies. Deshalb musste das Franko Theater den Verkauf der Online-Karten in die Theaterkasse verlagern. Schon bevor das Kartenbüro öffnete, gab es eine große Schlange von Menschen. Man musste etwa sieben Stunden warten, um eine Karte zu bekommen. Leute filmten Videos und posteten sie in den sozialen Medien: Wenn eine Person, die eine Karte erhalten hatte, das Büro verließ, standen draußen andere, die klatschten. Die ganze Schlange war auch eine Art Theateraufführung. Das war sehr aufregend.

Ich möchte ergänzen, dass heute jedes Theater Mitglieder von Ensemble und Verwaltung im Militär hat, sodass die Theater ständig zusätzliche Finanzmittel für ihre Freunde und Kollegen einwerben, die im Krieg kämpfen.

Theater führen ihre Aufführungen nicht nur in ihren Stammhäusern fort, sondern sie gehen auf Tournee in der ganzen Ukraine, auch im Ausland, um das internationale Publikum über die Lage in der Ukraine zu informieren. Das ist ein wichtiger Aspekt, eine wichtige Mission des ukrainischen Theaters, das Bewusstsein über die russische Aggression zu steigern. Es gab zu Beginn der umfassenden Invasion eine kurze Unterbrechung, aber nach dieser kurzen Pause fanden auch die Festivals wieder statt, beispielsweise das Ukrainian Theatre Festival and Award GRA (Great Real Art). Das GRA-Festival lud fünf internationale Jury-Mitglieder ein, Theaterexperten aus dem Ausland, die überrascht waren, wie viel Nachfrage es im ukrainischen Publikum für Theater gab. Sie besuchten vier Städte: Lviv, Ivano-Frankivsk, Rivne und Kyiv. Sie waren von den gefüllten Sälen beeindruckt.

„Shakespeare hilft zu überleben“

„Hamlet“, Regie von Denys Martynov und Olha Larina, Theatre on Pechersk, Kyiv, eine Aufführung während des Ukrainian Shakespeare Festivals in Ivano-Frankisk.

Norbert Reichel: Einige Worte über Shakespeare. Ich bin sehr stolz, dass ihr mir zwei Rezensionen angeboten habt und mir erlaubtet, diese exklusiv zu veröffentlichen. Der Guardian schrieb “Shakespeare can help us survive war”, das ist ein Satz von Nataliia Torkut, Vorsitzende des Ukrainian Shakespeare Center. Sie sagte: „Es ist außerordentlich wichtig für die Menschen während des Krieges, nicht nur physisch zu überleben, sondern ebenso seelisch und psychisch. Wir bleiben dabei, Shakespeare zu lesen, weil wir etwas brauchen, dass uns hilft zu fühlen, dass das Leben wert ist, gelebt zu werden.“

Iuliia Bentia: Theater verbindet Literatur mit Musik, Bühnenbild, Tanz und Aufführung. Theaterkritik und Literaturwissenschaften treffen sich nicht oft, aber es gab während der Reihe der Workshops „Reviewing Shakespeare on Stage“ die Gelegenheit online zusammenzuarbeiten. Ich denke, es ist in der aktuellen Lage in der Ukraine natürlich, dass Shakespeares Stücke nicht nur als literarische Texte analysiert werden konnten, sondern dass Shakespeares Ideen mit der Lage in der Ukraine, in Osteuropa verbunden wurden, indem die Teilnehmenden der Workshops anhand von Theateraufführungen nachdachten, wie man die Lage mit den Mitteln des Theaters interpretieren konnte. Die Organisatoren der Workshops waren Shakespeare-Wissenschaftler:innen aus der Ukraine und aus dem Ausland.

Viktoriia, ich und andere nahmen an dem Workshop teil, in dem sich Literaturwissenschaft und Theaterkritik trafen. Wir analysierten den Text, reflektierten den historischen Kontext der Stücke Shakespeares und ihre Verbindungen mit dem heutigen Tag. Wir waren in der Lage, das Ergebnis unserer Arbeit in Theaterrezensionen darzulegen. Alle fühlten, dass es auch notwendig war, diese Rezensionen an ausländische Zeitschriften zu vermitteln. Das war eine große Gelegenheit, internationale Verbindungen aufzubauen.

Shakespeare ist in der Tat universal. In der sowjetischen Vergangenheit war ukrainisches kulturelles und intellektuelles Leben in Verbindung mit Russland, jetzt sind wir mehr und mehr in Kontakt mit westlichen Wissenschaftlern und Intellektuellen. Vom 17. bis zum 23. Juni 2024 folgte ein Ukrainisches Shakespeare-Festival in Ivano-Frankisk, in der Westukraine, wo es sicherer sein sollte als in der übrigen Ukraine, aber während des Festivals gab es am 22. Juni einen massiven Bombenangriff auf die Stadt, der eine ihrer größeren Universitäten zerstörte, die Ivano Frankivsk National Technical University of Oil and Gas.

Die Theater, die an dem Festival teilnahmen, führten verschiedene Shakespeare-Produktionen aus der Ukraine und aus dem Ausland auf, darunter Coriolanus durch das Ivan Franko Theatre. Dies war auch die Eröffnungsaufführung des Festivals. Und es gab eine Menge von Besuchern und Vorträgen von Expert:innen aus dem Ausland.

Wir danken Dir sehr für Deine Unterstützung und die Veröffentlichung der Rezensionen im Demokratischen Salon.

(Anmerkungen: Erstveröffentlichung im Juli 2024, Internetlinks zuletzt am 30. Juni 2024, Übersetzung aus dem Englischen Norbert Reichel. Die Namen von Theatern und verschiedenen Organisationen wurden weitgehend aus dem englischen Originaltext ohne Veränderung übernommen. Die Bilder im Text wurden von Pavlo Shopin zur Verfügung gestellt. Titelbild: Firouzeh Görgen-Ossouli.)

Creative Solidarity in Ukrainian Theatre

A talk about Ukrainian intellectual life, arts and theatre in the times of war

“We few, we happy few, we band of brothers” (William Shakespeare, Henry V, act IV, scene III)

The Demokratischer Salon already published two reviews about Shakespeare performances in Ukraine, Shakespeare’s “A Midsummer Night’s Dream” in the Kyiv Theatre on Podil (“Funny nightmare in a night-club”), written by Viktoriia Kotenok, and “Coriolanus in Ukraine,” written by Pavlo Shopin and Iuliia Bentia. It is very important for the German public to read about Ukrainian culture and Ukrainian life in these times of war. We continue publishing other Ukrainian essays and insights like Mykola Riabchuk’s essay “Out of Footnotes.” In reciprocity, Pavlo Shopin organizes together with his students the publishing of Ukrainian translations of articles from Demokratischer Salon in different Ukrainian journals, such as “Krytyka” and “Eksperiment.” I am very grateful that they offer me so many insights that I would like to publish to make sustainable the German and the European support for Ukraine. The Ukrainian resistance, the Ukrainian army, they fight for the freedom of the arts, the freedom of culture.

„Rainbow in Saltivka“, based on the autobiographical story by actor and director Artem Vusyk, Nafta Kharkiv Independent Theatre, winner of the Les Kurbas Prize 2024. Saltivka is a famous district in Kharkiv under permanent massive attacks.

I hope that after reading this you will talk to your friends about it and there will be more people who understand how important it is to European culture to support Ukraine. But it would be not enough if we would not talk about the situation, the conditions, under which intellectual life in Ukraine is suffering, how great the very courage of all intellectuals, journalists and artists has to be to keep intellectual life running. I talked about this with Viktoriia, Iuliia and Pavlo. In the above-mentioned reviews, you will find more about their biography, their education and work. The situation in Ukraine is changing every day but let us hope that Ukraine will be successful in the end. We need Ukraine as a European country, it is part of European culture and perhaps it will be possible one day that also Russia recognizes the worth of liberal democracy and culture. Perhaps.

There are not many people in Germany who are able to speak Ukrainian. There should be more people learning Ukrainian (and other languages from Eastern Europe), but we could help each other. I put my questions in English, Viktoriia answered in Ukrainian, Pavlo translated and Iuliia added some remarks in English, too. A multicultural event!

Prelude: Intellectual Life after February 24th, 2022

Norbert Reichel: Before talking about theatre, we should talk about the actual situation of intellectual life in Ukraine. How to make theatre, how to write, how to teach after the full-scale Russian invasion of Ukraine, living with steady Russian terrorist attacks, the shelling, the destruction, the very unstable situation?

Pavlo Shopin: As for my teaching experience, working online is very different from in-person teaching. There are certain advantages. For example, you have no need to commute to the university campus. But when group work needs to be organized online, it is more difficult. There are some universities in Kyiv which actually ask professors to give in-person classes. I refused to do that for one of the universities where I work because I could not combine two jobs if I had to commute. Because of a shortage of professionals, I was invited to teach at two universities located in different parts of Kyiv. I agreed because my colleague, who also comes from Luhansk, asked me to do that and I had the opportunity to work with students at advanced level of German. Next academic year I plan to keep just one of the two university jobs because it turned out to be too much work. This is the situation in higher education in Ukraine from my perspective.

Iuliia Bentia: I can describe the situation in “Krytyka,” one of the prominent intellectual journals in and about Ukraine. Between February and June 2022, we published articles only online, because printhouses were closed in this unstable situation. But since June 2022 we have been working as usual. Journalists have a lot to do. We publish a lot of articles online, just to be in time, some weeks later there will be a print version. We established two online projects. The first one was “Russian Invasion of Ukraine,” a special series of essays on the topics of war. We launched it immediately, some days after the full-scale invasion. From May 2022, it was supported by the Institute for Human Sciences (Vienna, Austria). Later we received some support from Ukrainian Jewish Encounter, a Canadian charitable non-profit organization, and we could start an essay project, “War Is… Ukrainian Writers on Living Through Catastrophe.” We received twelve essays, written by established Ukrainian writers, journalists and scholars, some of whom were in military service. We published these essays in Ukrainian and in English. The English version is necessary because we now have a lot of demand from abroad to read and write about Ukraine.

Pavlo Shopin: Speaking of education, some of our students might live in the occupied territories. During the classes, I do not disclose the surnames of these students, they use a code name because it is too dangerous for them to identify themselves, this is for their protection. Another aspect is the electricity blackouts because of the permanent missile strikes by Russia. When my students are not online, I sometimes don’t know the reason, it might be because of the failing electricity, but I also fear that they might have been hurt by the constant rocket attacks around Ukraine. Just a couple of weeks ago, I received an email from a student saying, I am sorry, today I will not be able to participate. The reason was, she was staying in a region very close to Russia, which at that time was greatly suffering from heavy shelling. I suggested she should move to the student dormitory, but she told me she was staying in that region only for a few days, I guess her relatives live there so she had come to visit them. You cannot blame the students for absence from classes in this critical situation due to the war.

Great Solidarity

Viktoriia Kotenok: The Ukrainian journal KinoTeatr (Cinema and Theatre) I am writing for is published in print and online. After the start of the Russian full-scale invasion of Ukraine, the editorial board of the journal left the country. They are still abroad, some in Germany. Some of them are coming back to Ukraine for a while, but they leave again after some time. I am the only member of the editorial board who stays in Kyiv. The journal continues to be published as usual. There was a short break after the start of the full-scale war, but we resumed work a short time later.

The other part of my engagement is the National Union of Theatre Artists of Ukraine. I am manager of the Information and Communication Department there. It is a Ukrainian creative association that promotes the development of theatrical art in Ukraine, provides creative and methodological assistance to theatre artists in Ukraine, cooperates with theatre administrations, and promotes the development of drama, scenography, acting and directing, and the organization of theatre. At the beginning of the full-scale invasion, my colleagues and I communicated with theatres, provided information support, collected and posted important information on social media. My colleagues and I created a cultural map with relevant information for theatre artists, which helped many find housing, work, food, medicine, and psychological support, and theatre artists exchanged useful information and contacts.

At the start of the full-scale invasion, there was no theatre which was prepared to the war. In those circumstances, they acted differently. The invasion started from the East, the North and the South of Ukraine. A lot of theatres in these regions were affected. They stopped working for several months. Some employees evacuated to safer regions of Ukraine, some went abroad, others volunteered to join the Ukrainian army.

The situation was different for the theatres of Central and Western Ukraine. Those theatres organized themselves immediately, they became volunteer organizations for humanitarian aid, they welcomed refugees, provided them with food, clothes and shelter. The Mykola Kulish Kherson Regional Academic Music and Drama Theatre was one of the first to find itself under occupation. Some of the employees managed to leave Kherson, while others were under occupation for almost 9 months until the city was liberated in November 2022. The theatre resumed its work first in Kyiv at the Lesia Ukrainka National Theatre, and now the team is fully operational in Mykolaiv, performing at the Art Theatre. The Kulish Theatre partially resumed its work in Kherson in a bomb shelter, as the city is almost on the front line and is constantly under fire from the Russian army.

„Mariupol Drama“, based on real eyewitness accounts from Mariupol and directed by Yevhen Tyshchuk, Donetsk Drama Thetrae in Mariupol.

The situation was more difficult for the Donetsk Ukrainian Drama Theatre, which operated in Mariupol. On March 16, 2022, Russian aviation bombed the theatre building, injuring about 300 people, including actors and actresses. A smaller part of the team gathered in Western Ukraine, namely in Uzhhorod, and later resumed their work on the premises of the Transcarpathian Music and Drama Theatre.

Another theatre I would like to mention is Luhansk Ukrainian Drama Theatre which evacuated from Luhansk already in 2014, the year in which Luhansk was occupied by Russia. The company had been operating since then in Severodonetsk, which is also situated in Luhansk Oblast but on the territory which was controlled by Ukraine. They stayed in Severodonetsk until 2022. In 2022, after the start of the full-scale invasion, they were already prepared for possible relocation because of their experiences in 2014. They knew what to do and left Severodonetsk on the first day of the invasion, on February 24. Some of the theatre artists continued to work at the Dnipro Theatre, some of them moved to the theatre in Drohobytsch in Lviv Oblast. But the core of the Luhansk company works now on the premises of the Sumy National Drama and Musical Comedy Theatre in Northeastern Ukraine. This region is on the border with Russia and constantly under fire. However, both the Sumy National Theatre and the Luhansk Ukrainian Drama Theatre continue to work, release new productions, and tour the country.

Let me add that many Ukrainian theatres have now created underground shelters to move spectators there during air raid alerts. Many theatres have set up stages in such shelters so as not to interrupt performances during air raid alerts.

In the first six months after the full-scale invasion, theatres built small companies that could travel to the front line, to the military hospitals, to the affected villages, and deoccupied areas to support the military, the wounded, and civilians living in these regions through theatre performances and concerts.

Norbert Reichel: There seems to be a lot of solidarity theatre companies in Ukraine bring to light every day.

Viktoriia Kotenok: You are right. The Ukrainian theatres showed indeed a lot of great solidarity. All of them practiced and continue to practice solidarity with their colleagues, with their compatriots from the occupied and attacked areas. Many theatres that were less affected by the Russian aggression employed both individual employees and entire theatre groups that fled the war.

A better feeling – sticking together in theatre performances

Norbert Reichel: What about the languages? There are a lot of people in Ukraine speaking Russian as their mother tongue. I myself interviewed a short time after the full-scale invasion four women, coming from Ukraine in the 1990s to Germany. They all spoke Russian. Are there any changes in Ukrainian theatre in terms of language use? Is it common for actors and actresses to prefer speaking Ukrainian even if they were educated in Russian before?

Pavlo Shopin: This is a great question. While I am not an actor, I can speak of my personal experience as a Ukrainian educator. My mother tongue is Russian, but now I speak mostly Ukrainian for political reasons. I want to distance myself from the Russian invaders, and another reason is that my partner speaks Ukrainian at home. The switch was easy for me as I had been speaking Ukrainian at university, which is a requirement in Ukrainian higher education.

Iuliia Bentia: As a child I was bilingual. My family spoke Russian at home but the people around us in the West of Ukraine spoke Ukrainian, from kindergarten to music college. But now it is natural that nearly everyone speaks Ukrainian.

Viktoriia Kotenok: I want to emphasize that even before the full-scale invasion, most Ukrainian theatres operated in Ukrainian. Prior to the full-scale invasion, almost 80% of the country’s theatre performances were in Ukrainian and about 20% were in other languages (Russian, English, Polish, Hungarian, Italian, Yiddish, Roma, etc.).

Some of the theatres had names like the Russian Drama Theatre, and some carried the names of prominent Russian writers. Now all of them have changed their names, and there is no longer a Russian Theatre or a Pushkin Theatre in Ukraine. They even translated all their performances into Ukrainian.

Norbert Reichel: What about Pushkin or Chekhov? Have they been eliminated from the repertoire? Are there any changes in the repertoire? Are there any other authors removed from the repertoire, are there any new authors?

Viktoriia Kotenok: Currently, Ukrainian theatres don’t give any performances in Russian or based on plays by Russian playwrights. Ukrainian and foreign classical works are popular, especially comedies and musical performances, which give a sense of respite, relaxation, distract for an hour or two from the reality of the war, and allow you to distract yourself from the tragic news and precarious everyday life.

„You can (not) stay…“, based on real eyewitness reports from Kherson and directed by Yevhenii Reznichenko, Mykola Kulish Kherson Regional Music and Drama Theatre.

No less interest is observed today in contemporary drama that reflects on the theme of war. I mean both current and past wars. Since 2013, there have been many Ukrainian plays about war that have been regularly staged in theatres. Among them are plays by Pavlo Arie and Natalka Vorozhbyt. In 2022, there was a second wave of plays that reflected on the events of the full-scale invasion. Performances based on contemporary works give people the opportunity to live through internal traumas, look at problems from the outside, find answers to painful questions, let go of pent-up emotions, and feel that a way out of any situation can be found. In both contemporary Ukrainian drama and the classics, the audience is looking for its own identity, for idols and heroes to be proud of and to emulate. There is a need to be proud of the historical and cultural heritage, to feel like a united people, a unique nation – that’s why plays on topical issues resonate with the public.

Contemporary modern plays became not only popularized as stage performances, but also as public performative readings, at festivals and art events. There are more playwright contests encouraging and promoting Ukrainian playwrights to reflect on the current issues. Such events have gained popularity. Although it has now been over two years since the full-scale war started, there is great demand for theatre among the Ukrainian audiences. Ukrainian theatres often have full houses. Theatre offers a kind of relief, it creates a certain atmosphere where people can feel better, feel together, as a community. In one sense, they can turn away from current events and look back into the past when life was better. On the other hand, theatre helps them to reflect on the events unfolding right now. Theatre creates a therapeutical space for learning how to live being engaged in these events. Theatre and art therapy fuse into one another on the Ukrainian stage. Moreover, theatres do not show only theatre performances, there are such events as workshops, master classes, concerts. So, the audience can develop the feeling of security, some kind of restoration or restitution.

Norbert Reichel: And a kind of political statement by supporting, comforting Ukrainian audiences, the Ukrainian people?

Viktoriia Kotenok: I do not think it is political. I think it is more humanitarian, it is about empathy, about helping others, about bringing people together – this is what theatres can provide.

Norbert Reichel: It shows, we Ukrainians stick together.

Viktoriia Kotenok: Yes. Theatres provide free tickets for the military, the veterans, the wounded, for displaced people. And they support the Ukrainian resistance by organizing fundraising events. They use their potential for fund raising to provide the resources for the military, they offer a place for donors that can meet during theatre performances.

I would like to say a few words about recent popular theatre productions. 2023 witnessed a theatre boom, which continues to this day. Many Ukrainian theatres sell out their tickets and enjoy sold-out halls. In particular, the comedy The Witch of Konotop has become a phenomenon. It was staged by a young director Ivan Uryvsky at the Ivan Franko National Theatre, based on the play by Ukrainian classic Hryhorii Kvitka-Osnovianenko. For about a year now, it has been difficult to buy tickets for this performance, and the audience is ready to stand in a live queue for hours. The theatre has repeatedly held special performances of this play, sold tickets at a higher price, and donated all the money raised to support the Ukrainian army. And even the expensive tickets did not quench the audience’s desire to see this production, which became a theatre hit. And of course, the audience knew that their money would go to support the Ukrainian military, so they consciously decided to buy more expensive tickets. Unfortunately, the popularity of the play also led to unfair reselling practices.

Norbert Reichel: Because of the popularity there grew a kind of black market?

Viktoriia Kotenok: Exactly. Therefore, the Franko Theatre had to transfer online ticket sales to the theatre box office. Before the ticket office opened, there was a huge line of people standing in front of it for several hours. You had to wait about seven hours to get a ticket. People were filming videos and posting them on social media: when the person who got a ticket left the box office, others standing outside clapped their hands. The whole queue was also a kind of performance. It was very exciting.

I would like to add that every theatre has actors and employees who are in the military today, so theatres are constantly raising additional funds for their fellow artists who fight in the war.

Theatres continue to perform not only in their home venues, they go on tours around Ukraine, also abroad to inform international audiences about the situation in Ukraine. This is an important aspect, an important mission of Ukrainian theatre to raise awareness about the Russian aggression. There was a short interruption in organizing festivals at the beginning of the full-scale invasion, but after this short break they resumed, for example, the Ukrainian Theatre Festival and Award GRA (Great Real Art). The GRA festival invited five international jury members, these theatre experts arrived from abroad and were surprised how much demand there was for theatre in the Ukrainian audience. They visited four cities: Lviv, Ivano-Frankivsk, Rivne and Kyiv. They were really impressed by the audience numbers.

“Shakespeare helps us survive”

„The Land“, based on a novel by Olha Kobylianska and directed by Davyd Petrosian, Maria Zankovetska Theatre in Lviv.

Norbert Reichel: Some words about Shakespeare? I am very proud that you offered me two reviews and allowed me to publish them, exclusively. The Guardian once wrote: “Shakespeare can help us survive war”, a quotation by Nataliia Torkut, head of the Ukrainian Shakespeare Center. She said: “It is extremely important for people during the war to survive not only physically, but spiritually and mentally as well. We keep reading Shakespeare because we need something that helps us to feel that life is worth living.”

Iuliia Bentia: Theatre combines literature with music, stage design, dance, and performance. Theatre critics and literary scholars do not meet each other often, but there was an opportunity to work together online during the series of workshops “Reviewing Shakespeare on Stage.” I think it is natural that in the current situation in Ukraine they could not just analyze Shakespeare plays as literary texts, but they could connect Shakespear’s ideas with the situation in Ukraine, in Eastern Europe by reflecting on theatre performances which could show how to interpret the situation this way. Workshop organizers were Shakespeare scholars from Ukraine and abroad. Viktoriia and I and others joined the workshop where literary scholars and theatre critics met. We analyzed the text, reflected on the historical context of Shakespeare’s plays and their connections with the present day. We were able to submit the result of our work as theatre reviews, everybody felt that it was also necessary to submit these reviews to journals abroad. It was a great opportunity to establish an international connection. Shakespeare really is universal. In the Soviet past, Ukrainian intellectual life was in contact with Russia, now we are more and more in contact with Western scholars and intellectuals. On June 17-23, 2024, there followed a Ukrainian Shakespeare Festival in Ivano-Frankivsk, in the West of Ukraine, which was supposed to be safer than the rest of Ukraine, but during the Festival there was a massive missile attack on the city on 22 June, which destroyed one of its major universities, Ivano Frankivsk National Technical University of Oil and Gas. The theatres at the Festival performed different Shakespeare productions from Ukraine and abroad, including Coriolanus by Ivan Franko Theatre, which was the opening performance of the Festival, and there were guest speakers and visitors from abroad. We thank you very much for supporting us and sharing the reviews with readers of Demokratischer Salon.

(Annotations: Published in July 2024, Internet links on June 30th, 2024.)