Zaghafte Regierung – weitreichende Folgen

Karol Nawrocki ist der neue Präsident Polens

Diese Präsidentschaftswahl war eine Schicksalswahl für Polen. Es entschied sich, wer der Nachfolger des national-konservativen und tief mit der PiS verbundenen Andrzej Duda werden sollte. Im Endspurt wurde es richtig spannend und die beiden Kontrahenten Rafał Trzaskowski (Bürgerplattform, PO) und Karol Nawrocki (Recht und Gerechtigkeit, PiS) lagen in den Wahlprognosen bis zur letzten Minute gleich auf.

Im Grunde ging es bei der Wahl darum, ob der pro-europäische, zukunftsgewandte Kurs der Tusk-Regierung weitergeführt werden kann und es zu den versprochenen Änderungen in Justiz, Außenpolitik und Gesellschaft kommt, auf die die Wähler Tusks so lange warten. Die andere Möglichkeit würde sein, dass ihre Politik weiterhin durch einen traditionalistisch-nationalen Präsidenten blockiert wird. Der bisherige Präsident Andrzej Duda stand in vielerlei Hinsicht in Opposition zur derzeitigen liberal-demokratischen Regierungskoalition Donald Tusks. Duda hat der Regierung, die seit dem 13.Dezember 2023 an der Macht ist, das Regieren schwer gemacht, indem er sie nicht nur öffentlich stark kritisierte, sondern auch immer wieder Veto gegen Gesetzesentwürfe einlegte.

Eine starke Polarisierung

Von vornerein war klar, dass sich die Wahl zwischen den Kandidaten der zwei größten Parteien, der Bürgerplattform Donald Tusks und der „Recht und Gerechtigkeit“ Jarosław Kaczyńskis entscheiden wird. Diese bipolare Parteienlandschaft, gegen die kaum eine kleine Partei ankommt, wird in Polen „Duopol“ genannt und gerät immer stärker in die Kritik. Besonders die jüngsten Wähler erhoffen sich allerdings eine politische Zukunft ohne Tusk und Kaczyński an der Spitze.

Der Wahlkampf wurde sehr hart geführt und ging für viele um das politische Überleben. Es fanden viele öffentliche Debatten zwischen den Kandidaten in diverseren Konstellationen statt, die das Gefühl vermittelt haben, das oft vergessen wurde, welche Kompetenzen das Amt des Präsidenten innehat. Häufig wurde über Sachlagen und Lösungsansätze diskutiert, die nicht im Kompetenzbereich dieses Amtes liegen, sondern in den Händen der Regierung und des Parlaments. Der polnische Präsident hat vor allem repräsentative Kompetenzen. Allerdings hat er zusätzlich das bereits erwähnte Recht, bei Gesetzesvorschlägen ein Veto einzulegen und dem Parlament eigene Vorschläge vorzustellen. Zusätzlich ist der Oberbefehlshaber der militärischen Streitkräfte, was ihn in Sachen Außenpolitik ein gewisses Mitspracherecht einräumt.

Die Diskussionen und Debatten während des Wahlkampfes zeigten, dass Polen mit der Regierung Tusks derzeit grundsätzlich nicht zufrieden ist. Auf der einen Seite stehen die national-konservativen und rechtsgerichteten Wähler, die gegen weitere Kompetenzabtretung an die Europäische Union sind, die das Abtreibungsgesetz verschärfen wollen und Minderheitenrechte einschränken wollen. Diese Wähler wünschen sich einen Präsidenten, der diese Vorhaben blockiert, mit harter Hand das Land nach innen abschottet und altbekannten Schemata treu bleibt. Andererseits sind auch viele PO-Stammwähler mit der Regierung Tusks von den nicht eingehaltenen Wahlversprechen der derzeitigen liberal-demokratischen Koalition enttäuscht. Sie kritisieren, dass die Aufarbeitung der zum Teil kriminellen Handlungen der Vorgängerregierung zu langsam voran geht. Hierbei darf man jedoch nicht außer Acht lassen, dass viele Vorhaben bisher nicht umsetzbar waren, da Duda diese blockiert oder verurteilte Politiker seiner Partei begnadigt hat. Allerdings hat sich die Regierung Tusk auch keine große Mühe gegeben einen Kompromiss mit Duda zu finden und sich auf der komplizierten Situation zwischen dem Präsidenten und der Regierung ausgeruht. Die PO war fest davon überzeugt, dass man die Präsidentschaftswahlen 2025 gewinnen wird und danach einen Präsidenten hat, mit dem es einfacher wird politische Vorhaben durchzusetzen.

Bereits im Vorfeld der Wahlen wurde befürchtet, dass der russische Militärgeheimdienst GRU Einfluss auf die Wahlen nehmen könnte, weil sich seit 2014 dessen Aktivität in Polen nahezu verdoppelt hat. Die polnischen Wahlen könnten besonders anfällig für Manipulation und Einflussnahme durch Russland sein, da es sich dabei um einen der größten Unterstützer der Ukraine handelt und Polen sich seit 2022 zum Dreh- und Angelpunkt von Militärlieferungen für die Ukraine entwickelt hat. Dies ist jedoch nicht in dem Maße eingetreten wie erwartet. Polen hatte aber nicht nur mit der Einmischung fremder Kräfte aus dem Osten zu kämpfen, auch aus den USA kam es zu klaren Stellungnahmen im polnischen Präsidentschaftswahlkampf. Zuerst wurde Nawrocki von Donald Trump ins Weiße Haus eingeladen und durfte ein medienwirksames Foto mit ihm machen, dass von den PiS-Wählern sehr positiv aufgenommen wurde. In der Woche vor der entscheidenden Wahlrunde äußerte sich auch die umstrittene US-Ministerin für Innere Sicherheit, Kristi Noem (bekannt dadurch, dass sie ihren eigenen Welpen erschoss), dass Polen auf die Unterstützung der USA zählen könne, wenn Karol Nawrocki gewinnen würde. Rafał Trzaskowski nannte sie einen „Sozialisten“, der mittels Angst sein freiheitsfeindliches Programm durchsetzen wird.

Allgemein gefasst war es ein sehr turbulenter und intensiver Wahlkampf, der die Gräben der eh schon stark gespaltenen polnischen Gesellschaft noch einmal vertieft hat.

Warum nicht Rafał Trzaskowski?

Der Warschauer Stadtpräsident Rafał Trzaskowski trat für die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO) an. Der 53-jährige Warschauer wird von seinen Anhängern als eloquent, hoch gebildet und hervorragend in der politischen Welt vernetzt angesehen. Seit 2018 bekleidet er das Amt des Stadtpräsidenten von Warschau und setzt sich für die Begrünung der Stadt, Ausbau des öffentlichen Kommunikationsnetztes und für Minderheitenrechten ein. Davor war er während der zweiten Amtszeit Tusks Minister für Verwaltung und Digitalisierung sowie Staatssekretär für europäische Angelegenheiten unter Ewa Kopacz. Bereits 2020 hat er sich erstmalig dem Wahlkampf um das Präsidentenamt gegen Andrzej Duda gestellt und nur knapp verloren. Er spricht mehrere Sprachen fließend, ist seit Jahrzehnten in der polnischen und europäischen Politik aktiv und kennt deswegen viele hochrangige Politiker. Absurderweise rief seine Kenntnis der französischen Sprache bei seinen Gegnern schmunzeln hervor, woraufhin sie ihm den Spitznamen „Bążur“ (Bonjour) verliehen. Eine groteske Vorstellung, wenn man überlegt, dass es eine der Hauptaufgaben eines Präsidenten ist, sich mit internationalen Partnernist zu treffen und die Kenntnis jeder Sprache hierbei von Bedeutung ist. Immer wieder hörte man, er würde aus dem Establishment stammen und dass er der Stellvertreter Tusks sei. Viele Wähler, die gegen ihn gestimmt haben, befürchteten ein politisches Monopol, wenn der Präsident und die Regierungspartei aus dem gleichen politischen Lager stammten.

Sein Wahlkampf 2025 unterschied sich von dem aus dem Jahr 2020 darin, dass er sich oft nicht klar zu einer konkreten politischen Richtung bekannte, weil er auch aus dem konservativen Spektrum so viele Wähler wie möglich abholen wollte. Dies machte den Eindruck er wolle es allen recht machen und habe deswegen kein deutliches politisches Profil. Dadurch verlor er einige Stimmen aus seiner links-liberalen Wählerschaft, die man bereits als sicher ansah. Sein erklärtes Ziel war es, der Präsident aller Polen zu werden und die anhaltende gesellschaftliche Spaltung aufzubrechen. Im Wahlkampf konzentrierte sich Trzaskowski vor allem darauf verbindende Elemente hervorzuheben und deklarierte oft den Willen und die Hoffnung auf Zusammenarbeiten mit seinen (demokratischen) Konkurrenten.

Eines der Hauptthemen im Wahlkampf war die Sicherheit Polens und wie sich Polen zu dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine positionieren soll. Trzaskowski bekräftigte, dass er keine polnischen Soldaten in die Ukraine senden wird, da die Aufgabe Polens darin besteht, die Ostgrenze der Europäischen Union zu schützen. Er beteuerte den europäischen Migrationspakt nicht unterzeichnen zu wollen und strikt gegen illegale Migration vorgehen zu wollen. Sein Hauptkonkurrent Nawrocki sprach ihn während der TV-Debatten stets mit „Herr Vizeparteivorsitzender“ an, um deutlich zu machen, dass Trzaskowski nicht unabhängig sei und eigentlich von Tusk gesteuert werde. Nawrocki stellte sich im Gegensatz dazu als bürgerlichen Kandidaten dar, der sich von niemanden etwas diktieren lässt. Allerdings gab er während einer Wahlveranstaltung zu, die „Entscheidung des Parteivorsitzenden“ zu sein und von Gnaden Jarosław Kaczyńskis als Kandidat der PiS eingesetzt worden zu sein. Somit könnte man ihm selbst vorwerfen, von dem Vorsitzenden einer Partei, hier der PiS, abhängig zu sein (obwohl er selbst nicht Mitglied ist).

Der Hauptgrund, warum ein hoch kompetenter Kandidat wie Trzaskowski ein zweites Mal so knapp am Präsidentenamt gescheitert ist, ist, dass die Regierung Tusk nicht abgeliefert hat, was sie angekündigt hatte, weswegen viele Wähler der PO und der Koalitionspartner nicht zur Wahlurne gegangen sind. Man ist enttäuscht und hat sich für Resignation entschieden. Vielleicht hätte sich die PO auch einen Gefallen getan, wenn man Radosław Sikorski, den derzeitigen Außenminister, als Kandidat aufgestellt hätte, der 2024 in einer internen Wahl gegen Trzaskowski gescheitert war. Sikorski ist auch erfahren und hoch angesehen, jedoch ist er wesentlich konservativer und hätte sicherlich mehr Stimmen im rechten Spektrum holen können. Der renommierte Politikwissenschaftler und Historiker Antoni Dudek sieht dies jedoch kritisch und ist sich sicher, dass Sikorski sich wesentlich schneller hätte provozieren lassen und deswegen noch weniger Stimmen erhalten hätte.

Karol Nawrocki – ein umstrittener Kandidat

Der Vorsitzende des Instituts für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej, IPN) war zu Beginn der Wahlkampagne als überparteilicher Bürgerkandidat angetreten, jedoch wurde er von Beginn an von der national-konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) unterstützt und ist zu ihrem Kandidaten erklärt worden. Er hat keinerlei politische Erfahrung, da er noch nie ein politisches Amt bekleidet hat. Primär steht Karol Nawrocki für national-konservative Werte und für die Stärkung der nationalen Souveränität Polens. Ein wichtiger Grund dafür, dass die Wahl Kaczyńskis auf den unerfahrenen Politikneuling Nawrocki gefallen ist, könnte – so Agnieszka Łada-Konefał und Bastian Sendhardt in ihrer Analyse auf der Seite des Deutschen Polen-Instituts – auch der Gedanke sein, dass er aufgrund seiner fehlenden Erfahrung mehr an die die Expertise der Berater, die aus der PiS stammen gebunden ist und deswegen keine Gefahr für die Führungsriege darstellt. Ob sich dieser ausgeklügelte Schachzug bewährt, wird sich noch zeigen.

Jedoch waren es nicht seine Wahlversprechen, die für Aufsehen gesorgt haben. Seine Kampagne wurde von Anfang an von etlichen Skandalen begleitet. Bereits zu Beginn wurde bekannt, dass der gebürtige Danziger Kontakte zu kriminellen Kreisen der Danziger Unterwelt pflegte und Bekanntschaften in der Boxerszene zu verurteilten Verbrechern hatte. Der Parteivorsitz der PiS hatte diesbezüglich bereits vor der Nominierung Nawrockis Informationen erhalten und war sich dessen bewusst, wen sie als Kandidaten um das Präsidentenamt ins Rennen schickten.

Nawrocki war zwar nie Parteimitglied der PiS, allerdings war er seit Jahren eng mit ihnen verbunden und bekam wichtige Positionen im IPN und im Danziger Zweite Weltkriegsmuseum aufgrund seiner Nähe zur PiS. Als nächstes wurde bekannt, dass Nawrocki, als er die Funktion des Direktors des Zweiten Weltkriegsmuseums in Danzig bekleidete, ein museumsinternes Luxus-Apartment für sich nutzte und dort nach eigenen Angaben nach „dynamische Außenpolitik“ betrieb. Immer wieder verstrickte er sich in unterschiedlichen Erklärungen und Ungereimtheiten. Ein Versuch sich zu erklären war, dass er das Appartement nutzte, um Gäste des Museums dort zu empfangen. Es ist jedoch bekannt, dass das Museum über mehre Konferenzräume verfügt, die für genau diese Zwecke genutzt werden könnten. Dies hinterließ einen bitteren Beigeschmack, da bis heute nicht ganz klar, ist wofür er diese Wohnung genau genutzt hatte. Als nächstes wurde ihm eine Aussage über seine Eigentumsverhältnisse zum Verhängnis. Während einer TV-Debatte mit seinen Präsidentschafts-Konkurrenten beteuerte er, er sei lediglich Eigentümer einer einzigen Wohnung in Danzig. Journalisten haben daraufhin herausgefunden, dass er gelogen hatte und gemeinsam mit seiner Frau, Besitzer einer weiteren 28 Quadratmeter großen Einzimmerwohnung ist. Weitere Nachforschungen haben zum Vorschein gebracht, dass diese Kommunalwohnung eigentlich dem invaliden Jerzy Ż. gehörte. Dieser habe Nawrocki im Austausch gegen Hilfeleistungen die Wohnung für einen Spottpreis verkauft. Es ist zusätzlich ans Licht gekommen, dass Nawrocki sich keineswegs für den Mann interessierte und die versprochene Hilfe ausblieb. Jerzy Ż. wurde in ein städtisches Pflegeheim (DPS, Dom Pomocy Społecznej) gebracht, da sich sein Zustand drastisch verschlechterte, wovon Nawrocki nicht einmal Kenntnis besaß, obwohl er dem älteren Herrn lebenslange Pflege schriftlich zugesichert hatte. Besondere Brisanz erhielt das Thema, als bekannt wurde, dass er 20 Prozent Zinsen für den Kredit an Jerzy Ż. verlangte. Letztendlich hat Nawrocki angekündigt, die Wohnung an eine karitative Vereinigung zu spenden, um den Skandal abzumildern.

Das Ende der Skandale und Beschuldigungen gegen Nawrocki war damit noch nicht erreicht. Den Zuschauern der ausschlaggebenden Debatte zwischen den beiden finalen Kandidaten am 23. Mai 2025 wurde ein weiteres, sehr groteskes Bild geliefert. Karol Nawrocki hat, während er live auf Sendung war, sich etwas Undefinierbares in die Wange geschoben. Daraufhin entbrannte die Diskussion, ob es sich um Tabak-. beziehungsweise Nikotinsäckchen handele, auch Snus genannt, oder gar um härtere Substanzen. Nikotinsäckchen sind in Polen zwar nicht illegal, trotzdem liefert die Einnahme während einer Liveübertragung ein negatives Bild des Kandidaten, der sich nicht einmal für ein paar Stunden zusammenreißen und auf den Konsum verzichten könnte. Auch wurde bekannt, dass Nawrocki in seiner Jugend an organisierten Schlägereinen von Fußballhooligans teilnahm, was er öffentlich zugab. Hierbei wurde er von Andrzej Duda und Jarosław Kaczyński persönlich in Schutz genommen, indem sie diese kriminellen Handlungen bagatellisierten und die Teilnehmer als „sich raufende Bärchen“ bezeichneten.

Als ob das nicht genug wäre, wurden eine Woche vor der zweiten Wahlrunde Berichte des Online Nachrichten Portals Onet.pl veröffentlicht, in dem ehemalige Mitarbeiter Nawrockis aus dem Sicherheitsdienst eines Sopoter Hotels aussagten, dass er in die Beschaffung von Prostituierten für Hotelgäste involviert war. Nawrocki bestreitet diese Vorwürfe vehement und will zivilrechtlich dagegen vorgehen. Die Frage hierbei war, warum er keinen beschleunigten Prozess zur Aufklärung der Gerüchte anstrebte, der ihm aufgrund seiner Kandidatur zweifelsfrei zustehen würde. Seine politischen Gegner gingen davon aus, dass er dies nicht in die Wege leitete, weil daraufhin rausgekommen wäre, dass er schuldig und der Wahlkampf endgültig für ihn vorbei wäre.

In Anbetracht dieser Skandale waren die politischen Postulate Nawrockis völlig in den Hintergrund gerückt. Im Wahlkampf stand er fest zu seinen Ansichten, die er von der PiS übernahm. Er ist gegen die Aufnahme von Migranten, gegen Abtreibung, gegen Kompetenzabtretung an die EU und gegen LGBTQ-Rechte. Nun stellt sich die Frage, wie konnte ein Kandidat, der so viele Leichen im Keller hat, der Präsident eines demokratischen Landes werden? Immer wieder hört man, dass es keine Wahl für Nawrocki war, sondern gegen Trzaskowski, den man als größeres Übel ansah. Hinzukommt, dass die PiS seit Jahrzehnten eine sehr loyale Stammwählerschaft besitzt, die nichts erschüttern kann. All die Skandale und Gerüchte über ihren Kandidaten haben nichts daran geändert, dass sie trotzdem hinter ihm standen und ihre Stimme für ihn abgaben. Sie glaubten den Berichten nicht. Sie waren sich sicher, dass Donald Tusk und seine Geheimdienste dahinterstecken und eine Rufmordkampagne gegen Nawrocki gestartet haben. Andere wiederrum sagten, dass er eben damals jung war und alle jungen Menschen Fehler machen. Es spielt der identitätsstiftende Faktor des armen Jungen aus dem Danziger Block eine elementare Rolle. Nawrocki, der auf die schiefe Bahn geraten ist und sich wortwörtlich rausgeboxt hat. Er hatte eine wilde Vergangenheit, aber er hat sich geändert und nun ist er Präsidentschaftskandidat. Was für eine Erfolgsstory! Die viele selbst gerne so erleben würden.

Der Erste Wahlgang – gegen den Dualismus von PO und PiS

Der Erste Wahlgang fand am 18. Mai 2025 statt. Der Bürgerplattformkandidat Rafał Trzaskowski ging wie erwartet knapp mit den meisten Stimmen aus der Wahl hervor, gefolgt von Karol Nawrocki (PiS) und Sławomir Mentzen (Konfederacja). Die Wahlbeteiligung stellte einen neuen Rekord auf, da das erste Mal in der Geschichte des demokratischen Polens (seit 1989), die Wahlbeteiligung während der Ersten Wahlrunde bei 67,31Prozent lag. Da keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit von mehr als 50 Prozent erhalten hatte, gingen die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen in einen zweiten Wahlgang, der für gewöhnlich zwei Wochen nach der ersten Wahlrunde stattfindet.

Die Stimmenverteilung aus dem ersten Wahlgang sah laut der Staatlichen Wahlkommission wie folgt aus:

  • Rafał Trzaskowski (Bürgerplattform PO): 31,36 Prozent (6.147.797 Stimmen)
  • Karol Nawrocki (Bürgerlicher Kandidat der Recht und Gerechtigkeit PiS): 29,54 Prozent (5.970.804 Stimmen)
  • Sławomor Mentyen (Konfederacja): 14,81 Prozent (2.902.448)
  • Grzegorz Braun: 6,34 Prozent (1.242.917 Stimmen)
  • Adrian Zandberg (Razem): 4,99 Prozent (978.901 Stimmen)
  • Szymon Hołownia (Polska 20250): 4,8 Prozent (952.832 Stimmnen)
  • Magdalena Biejat (Lewica): 4,23 Prozent (829.361 Stimmen)
  • Andere: 3,87%

Es war wenig überraschend, dass der liberal-demokratische Kandidat der PO die meisten Stimmen bekommen hat, da er bereits seit Monaten die Wahlprognosen angeführt hatte. In den letzten Tagen vor der Wahl wurde jedoch deutlich, dass die Distanz zwischen ihm und seinem stärksten Konkurrenten Nawrocki schmilzt. Dies könnte mit den TV-Debatten zusammenhängen, die im Wahlkampf stattfanden. Eine ist den Wählern besonders im Gedächtnis geblieben, als Trzaskowski noch im April nur den Hauptherausforderer Nawrocki zu einem Duell in Konin herausgefordert hat und somit alle anderen elf weiteren Mitstreiter um das Präsidentenamt überging. Auch ist er zu einer Gesprächsrunde in dem der PiS unterstellten Sender „TV Republika“ nicht erschienen, was dazu führte, dass einige Trzaskowski als Feigling ansahen. Andere wiederum sahen das Fernbleiben als einzig legitimes Mittel des Protests an, da der Sender für seine Propaganda und regierungsfeindliche Einstellung bekannt ist. Ein weiterer Grund, wieso das Ergebnis so knapp ausfiel, ist das die ländlichen Regionen in dem Wahlkampf der großen Parteien zu wenig Beachtung fanden.

Im Gegensatz dazu haben die rechtsradikalen Kandidaten Sławomir Mentzen und Grzegorz Braun erkannt, dass man nicht einzig mit den Stimmen der Großstädter gewinnen kann, und haben sich der ländlichen Zielgruppe angenommen. Der 38-jährige Mentzen, der mit gut 14 Prozent den dritten Platz belegte, hat laut eigenen Angaben weit über 300 Orte besucht, davon die Mehrheit Kleinstädte und Gemeinen. Er ist vor allem für seine Antiukrainische-, Antimigrations- und Antiabtreibungspolitik bekannt. 2019 sorgten seine „Mentzens 5“ für Aufsehen: „Wir wollen keine Juden, keine Homosexuellen, keine Abtreibungen, keine Steuern und keine Europäische Union.“ Sein ehemaliger Parteikollege und Europaabgeordneter, Grzegorz Braun (er wurde aus der Partei ausgeschlossen, weil er sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen ließ), ist erstaunlicherweise auf dem vierten Platz gelandet. Er ist noch wesentlich radikaler als Mentzen. Braun ist bekannt durch etliche geschmacklose Eskapaden, wie dafür, dass er sich die Schuhe mit der EU-Fahne abgewischt und sie danach angezündet hat, Chanukkakerzen mit einem Feuerlöscher im polnischen Parlament gelöscht hat oder eine Ärztin in Oleśnica, die eine legale Abtreibung im fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadium vorgenommen hat (weil das Leben der Mutter in Gefahr war), physisch angegangen ist und in eine Abstellkammer gesperrt hat. Immer wieder fällt er durch seine offen antisemitischen und antidemokratischen Aussagen auf.

Und genau diese rechtradikalen Kandidaten machten nun im zweiten Wahlgang das Zünglein an der Waage aus, da sie zusammen 20 Prozent (4.145.365 Stimmen!) der Wähler von sich überzeugen konnten. Es ist eine sehr besorgniserregende Tendenz, dass man wohl in Zukunft kaum mehr eine Koalition wird bilden können, ohne diese Verfassungsfeinde, Antisemiten, Homophoben und Menschenfeinde mit einzubeziehen. Deren radikalen Slogans und menschenverachtenden Happenings finden besonders großen Anklang bei den jüngsten Wählern der Wählergruppe zwischen 18 und 29. Auch der Linkenpolitiker der Partei „Razem“ Adrian Zandberg liegt in dieser Wählergruppe neben Mentzen ganz vorne. Wenn es nach den 18-29-jährigen ginge, wären diese beiden Kandidaten final um das Präsidentenamt am 1.Juni angetreten.

Es handelt sich hierbei eindeutig um eine Ermüdungserscheinung aufgrund des jahrzehntelangen Dualismus zwischen Donald Tusk vs. Jarosław Kaczyński, bzw. PO vs. PiS, die vor allem die junge Generation durchbrechen möchte. Besonders bitter war der Wahlabend für den derzeitigen Sejmmarschall Szymon Hołownia, der nur knapp 5 Prozent der Stimmen erreichte. 2020 trat er erstmalig als Präsidentschaftskandidat an, und erhielt fabelhafte 13,87 Prozent, was einen Rückgang der Unterstützung um zwei Drittel ausmacht. Er selbst sagt, dass dies der Preis dafür sei, dass er und seine Partei Teil der Regierung geworden sind. Einen kleinen Achtungserfolg hat die Linken-Politikerin Magdalena Biejat zu verzeichnen. Die Senatsmarschallin und Linkenpolitikerin hat mit 4,2 Prozent das bisher beste Ergebnis erzieht, das eine Frau in den Präsidentschaftswahlen bisher erlangt hat. Dies ist allerdings auch ein sehr schwacher Erfolg und zeugt eher davon, dass Frauen es in der polnischen Politik, besonders bei der Besetzung höherer Funktionen, immer noch sehr schwer haben.

Nachdem die Ergebnisse feststanden, wurde um die Gunst der Wähler gerungen, die für die Kandidaten abgestimmt haben, die es nicht in die finale Zweite Wahlrunde geschafft haben. Szymon Hołownia hat noch am Wahlabend seine volle Unterstützung für Trzaskowski zugesagt. Magdalena Biejat erst zwei Tage später, nachdem sie sich mit Trzaskowski getroffen hatte. Besonders ausschlaggebend war jedoch das Wahlverhalten der Wähler Mentzens und Brauns. Mentzen hat sich vorerst mit der Unterstützung eines der beiden Kandidaten zurückgehalten und beiden, Trzaskowski und Nawrocki, angeboten, ein Gespräch live auf seinem youtube-Kanal zu führen, in dem sie ihn und vor allem seine Wähler überzeugen könnten, da seine Wählerschaft nicht über die traditionellen Medien zu erreichen sei.

Der Zweite Wahlgang – Hinweise auf ein Ende des „Duopol“?

Der Zweite Wahlgang fand am 1. Juni 2025 statt und hat die Emotionen aufsprudeln lassen. Im Vorfeld wurden alle Register der Wahlkampfkunst gezogen, um so viele Wähler wie möglich von dem jeweiligen Kandidaten zu überzeugen. Der Drittplatzierte Sławomir Mentzen hat mit seinem Angebot, beiden Kandidaten eine Plattform für ein Gespräch zu bieten, einen absoluten Treffer gelandet. Millionen Polen waren live im Internet dabei oder haben die Gespräche im Fernsehen verfolgt. Mentzen hatte eine Deklaration vorbereitet mit acht Punkten, die den Wählern der Konfederacja besonders wichtig seien. In dieser Erklärung fanden sich unter anderem Versprechen, dass man keine Steuern erhöhen wird, keine weiteren Kompetenzen an die EU abgeben, dass keine polnischen Soldaten in die Ukraine gesendet werden sowie dass man nicht zulassen wurde, dass die Ukraine NATO-Mitglied werden würde.

Als erster war Karol Nawrocki zu Gast. Nawrocki, hat diese Punkte, ohne mit der Wimper zu zucken unterschrieben in der Hoffnung, dass er so die Gunst der Wähler der Konfederacja erreichen würde. In dem Interview hatte man den Eindruck, er sei angespannt und würde alles, was sein Gesprächspartner im vorlegt bejahen und unterschreiben. Wenige Tage später war Trzaskowski zum Gespräch geladen und hat ein völlig anderes Bild vermittelt. Er als liberal-demokratischer Kandidat konnte sich nur mit vier der acht Postulate einverstanden erkläret. Er war standhaft und hat seine Meinung offen vertreten, da er genau wusste, dass er die rechts-konservativen Wähler der Konfederacja wohl eh nicht erreichen würde. Er hat keine Unterschrift unter die auch ihm vorgelegte Deklaration geleistet, sondern hat stattdessen seine kürzlich erschienene Biografie signiert. Die meisten Sympathien, aber auch Kritik wurde darüber laut, was nach dem Gespräch stattfand.

Trzaskowski ist gemeinsam mit Mentzen in dessen Kneipe in Toruń gefahren und dort haben sie gemeinsam mit dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski ein Bier getrunken. Von der Mehrheit der Konfederacja-Wähler wurde dies als Verrat Mentzens an den konservativen Werten angesehen. Die liberalen Trzaskowski-Anhänger hingegen haben diese Bilder aus der Kneipe gefeiert, weil dies gezeigt hat, dass man mit allen politischen Richtungen diskutieren kann und sogar ein Bier nach getaner Arbeit trinken kann.

Ein besonders großes und wichtiges Ereignis waren zwei Demonstrationsmärsche in Warschau am Sonntag vor den Wahlen. Beide politischen Lagen hatten angekündigt, zur gleichen Zeit, in der gleichen Stadt marschieren zu wollen und Kundgebungen abzuhalten. Aus ganz Polen kamen Wähler und Wählerinnen in die polnische Hauptstadt, um ihre Kandidaten zu unterstützen. Trzaskowski hat laut Angaben der Warschauer Polizei bis zu 160.000 Menschen mobilisiert und an der Kundgebung seines Konkurrenten nahmen etwa 70.000 Menschen teil. Ein wesentlicher Unterschied in der Organisation der Märsche war, dass den PO-Kandidaten viele hochrangige Politiker unterstützten, darunter seine Konkurrenten aus der Ersten Wahlrunde Sejmmarschall Hołownia, Senatsmarschallin Biejat, sowie Joanna Senyszyn, die sich zur Kultfigur des Wahlkampfes entwickelt hatte. Auch der Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz und Linkenpolitiker Włodzimierz Czarzasty sowie Donald Tusk sprachen zu den Anhängern. Besonders emotional war der Moment als Senyszyn, die immer mit drei roten Perlenketten auftrat, eine davon der Ehefrau Trzaskowskis überreichte. Nawrocki hingegen verzichtete auf Unterstützung anderer Politiker und sprach als einziger nur zu seinen Anhängern.

Der Wahlabend am 1.Juni war ein Wahlkrimi wie man ihn aus dem Buche kennt. In der ersten Wahlprognose, die um 21 Uhr veröffentlich wurde, führte Trzaskowski hauchdünn vor Nawrocki mit 50,3 Prozent zu 49,7 Prozent. Diese Zahlen wurden vom Marktforschungsinstitut IPSOS auf Grundlage eine Wählerbefragung erstellt, die Wähler in ausgewählten Wahllokalen direkt nach dem Einwurf ihres Stimmzettels befragt haben. Nach Bekanntgabe dieser Zahlen hat Rafał Trzaskowski sich bereits bei seinen Wählern bedankt und sich selbst im Präsidentenpalast gesehen. Bei seinem Konkurrenten Nawrocki war die Stimmung etwas bescheidener, trotzdem wurde von Nawrocki und dem Parteivorsitzenden Kaczyński verlautbart, dass man in der Nacht den Sieg holen wird. Genauso ist es auch eingetreten. Die erste aussagekräftige Hochrechnung, mit 50 Prozent der von den Wahlkommissionen ausgezählten Stimmen, erschien nach 23 Uhr und hat ganz deutlich den Sieg Nawrockis vorausgesagt. Erst am nächsten Morgen konnte man jedoch mit Sicherheit sagen, wer nun das Rennen um das Präsidentenamt gewonnen hat. Die Staatliche Wahlkommission (Państwowa Komisja Wyborcza, PKW) verkündete das Ergebnis nach vollständiger Auszählung der Wählerstimmen und gab die Wahlbeteiligung bekannt.

  • Karol Nawrocki: 50,89 Prozent (10.606.877 Stimmen)
  • Rafał Trzaskowski: 49,11 Prozent (10.237.286 Stimmen)

Es waren nur 369.591 Stimmen, die über das Schicksal Polens entschieden haben. Die Wahlbeteiligung lag bei sehr guten 71,63 Prozent. Diese Wahl hat einige bereits lange bekannten Spezifika bestätigt: Der Südosten Polens hat traditionell Nawrocki gewählt, der Nordwesten Trzaskowski. Das Stadt-Landgefälle kam wieder zum Tragen und wieder war es wieder so, dass die besser gebildeten Polen tendenziell öfter Trzaskowski gewählt haben und die Menschen mit einer Grundbildung den PiS-Kandidaten.

Was jedoch eine große Überraschung war und sich bereits in der Ersten Wahlrunde gezeigt hat ist, dass die Wählergruppe 18-29 Jahren übermäßig häufig ihre Stimme den national-konservativ Kandidaten gegeben hatte was bei früheren Wahlen nicht der Fall war. Dies ist damit zu erklären, dass die jüngsten Wähler sehr systemkritisch gewählt haben. Bereits in der Ersten Wahlrunde waren in dieser Wählergruppe die Kandidaten Mentzen, Braun und Zandberg die beliebtesten. Alle drei haben gemeinsam, sich klar von der Regierung sowie der größten Oppositionspartei distanziert zu haben. Es ist ein Zeichen, das bei vielen jungen Polen der Wunsch besteht, den Duopol zu durchbrechen. Die letzten 25 Jahre waren geprägt von den Kampf Tusk gegen Kaczyński, und diese Wählergruppe kennt die Politik Polens nicht ohne die beiden Galionsfiguren. In der Zukunft wird also mit den extremen Rändern von links und rechts gerechnet werden müssen und neue Konstellationen werden erwartet. Die Polonia im Ausland ist dieses Jahr so stark wie noch nie an die Wahlurnen getreten. Nawrocki hat in den USA und Kanada die meisten Stimmen geholt, und Trzaskowski in allen Europäischen Ländern.

Bei der Wahl Nawrockis handelt es nicht um ein Spezifikum oder eine Eigenart Polens, sondern um einen weltweiten Trend, in dem immer radikalere Kräfte die Macht in demokratischen Staaten erlangen. Am 5. August 2025 wird Karol Nawrocki zum Präsidenten vereidigt und wird ab dann die Funktion des polnischen Präsidenten ausführen.

Wie geht es nun weiter?

In Europa werden die europaskeptische Einstellung Nawrockis sowie sein Ruf nach stärkerer nationaler Unabhängigkeit als Gefahr für Polens bilaterale Beziehungen zu seinen Nachbarn angesehen. Man ist sich dessen bewusst, dass das Verhältnis von Polen zur EU und einigen europäischen Staaten wie Deutschland komplizierter wird. Allerdings ist Donald Tusk in seiner Position als Premierminister hauptsächlich für die Europapolitik zuständig und Radoslaw Sikorski für die Außenpolitik. Allerdings kann es dennoch dazu kommen, dass EU-Gesetze von Nawrocki blockiert werden und er auf Konfrontation geht. Vor allem wenn es um Asyl-, Migrations- und Umweltpolitik geht, ist damit zu rechnen, dass sich Nawrocki querstellen wird. Im Gegensatz dazu waren die Signale, die nach Washington gesendet wurden, klar positiv. Nawrocki hat immer hervorgehoben, dass er in den USA den engsten Verbündeten sieht, nicht in Europa. Es ist also zu erwarten, dass Nawrocki eine besonders nahe Zusammenarbeit mit seinem Idol Donald Trump anstreben wird. Die Beziehungen zu Deutschland und Frankreich, aber auch zur Ukraine werden unter einem Präsidenten Nawrocki nun auf eine harte Probe gestellt. Deutschland gegenüber hat er bereits angekündigt das Thema Reparationsfragen wieder aufzunehmen. Die Ukraine ist nun in Sorge, wie sich der neue polnische Präsident zu weiteren Hilfen innerhalb Polens für die vielen ukrainischen Geflüchteten positioniert. Nawrocki hat bereits im Wahlkampf angekündigt, dass er weitere Hilfe an die Aufarbeitung und die Exhumierungen von polnischen Opfern der nationalistischen Verbrechen in Wolhynien knüpft.

Innenpolitisch ist klar zu erwarten, wie bereits von der stellvertretenden Direktorin des Deutschen Polen Instituts Agnieszka Łada-Konefał angemerkt wurde, dass weiterhin Gesetzesvorschläge blockiert und einige an den Verfassungsgerichtshof weitergeleitet werden, um diesen als Institution zu legitimieren. Besonders spannend wird die Frage sein, wie viel Einfluss die PiS und ihr Vorsitzender Jarosław Kaczyński zukünftig auf Nawrocki haben werden. Einige Experten sprechen sich auch dahingehend aus, dass Nawrocki Ende dieses Jahres den Haushaltsplan der Regierung für 2026 nicht unterschreiben wird und diesen an das Verfassungsgericht weiterleiten wird, um vorgezogene Neuwahlen herbeizuführen. Dies sind jedoch nur Spekulationen. Es ist jedoch klar, dass die Zusammenarbeit zwischen dem neuen Präsidenten und der Regierung noch schwieriger sein wird als mit Andrzej Duda. E ist davon auszugehen, dass manch einer sich Duda zurückwünschen wird.

Die Präsidentschaftswahl hat in Polen ein regelrechtes politisches Erbeben nach sich gezogen. Am Abend nach dem Wahlen haben Donald Tusk sowie Jarosław Kaczyński jeweils eine Ansprache angekündigt. Kaczyński trat als erster ans Rednerpult und forderte Tusk auf zurückzutreten aufgrund der desaströsen Wahlniederlage seines Parteifreundes. Außerdem schlug er vor eine vorrübergehende „Technische Regierung“ einzuführen, die nicht aus Berufspolitikern bestehen würde, sondern einem apolitischen Ministerpräsidenten sowie unparteiischen Experten der jeweiligen Bereiche. Dies sei laut Kaczyński nötig, um die aufgehetzten Gemüter in Polen zu beruhigen. Diese „Technische Regierung“ solle die jetzige Legislaturperiode beenden und 2027 würden dann reguläre Wahlen stattfinden. Donald Tusk stellte in seiner Ansprache klar, dass seine Regierung sich nicht zurückziehen wird und man auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten setzt. Er hat angekündigt die Vertrauensfrage zu stellen, um klarzustellen, ob er weiterhin die nötige Unterstützung in seiner Regierung besitzt. Dies ist ein taktisch schlauer Zug, da die Tusk-Regierung nun vor schweren Zeiten steht. Sie muss abliefern und das geht nur mit einem starken Mandat und voller Unterstützung aus den eigenen Reihen.

Die Vertrauensfrage wurde am 11.Juni 2025 im Sejm gestellt. Während Donald Tusk an dem Tag sein Exposé hielt und aufzeigte, welchen Plan er für seine verbleibende Regierungszeit hat, blieben die Bänke der Oppositionspartei PiS leer, um ihre Geringschätzung auszudrücken. Die selbst angesetzte Vertrauensfrage konnte Donald Tusk mit 243 zu 210 Stimmen für sich entscheiden. Nun steht als nächstes eine Umstrukturierung des Kabinetts an. Ziel ist es die Regierung zu verschmälern, einige Minister- und Vizeministerposten umzubesetzen oder gar völlig zu streichen. Es ist jedoch weiterhin offen, ob die Regierung Tusk diese schwierige Zeit überhaupt übersteht. Es ist klar, dass es mit einem Präsidenten Nawrocki noch schwieriger wird Gesetze zu erlassen, da er bereits angekündigt hat, der Regierung das Leben schwer machen zu wollen. Tusk stellte dem entgegen, dass er auch Möglichkeiten sieht angemessen zu regieren. Eines ist jedoch unumstritten, dass Polen aus diesen Wahlen noch gespaltener hervorgeht als je zuvor in seiner Geschichte. Karol Nawrocki stünde jetzt eigentlich vor der Aufgabe das Land wieder zu einen. Ob das sein primäres Ziel ist, ist jedoch fraglich. Es scheint aber eher so, dass seine Wahl zum Präsidenten Polens der erste Schritt sein soll, die PiS wieder in Regierungsverantwortung zu bringen, möglicherweise in einer Koalition mit Sławomir Mentzen und seiner rechtsradikalen Konfederacja.

Ines Skibinski, Universität Bonn

(Anmerkungen: Veröffentlichung im Juni 2025, Internetzugriffe zuletzt am 14. Juni 2025. Titelbild: Schachspiel auf dem Marktplatz von Katowice, Pixabay.)