Die erste und die letzte Menschheit

Eine literarische Reise in Welten jenseits unserer Zeit

„Eine Rhetorik der Revolution liegt in der Luft, wie so häufig bei dem Versuch, neue Ansätze in der Wissenschaft zu etablieren. So wurde im Rahmen der Debatte über das Anthropozän in den zwei zurückliegenden Jahrzehnten eine geisteswissenschaftliche Revolution ausgerufen und zum Abriss disziplinärer Klassenschranken aufgefordert, der Planet wurde dichotom in Täter und Opfer, besser: Profiteure und Verlierer eingeteilt.“ (Sandra Maß, Geschichtswissenschaft im Anthropozän, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 29. März 2025)

Sandra Maß ist Professorin für transnationale Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Universität Bochum. Zuletzt veröffentlichte sie das Buch „Zukünftige Vergangenheiten – Geschichte schreiben im Anthropozän“ (Göttingen, Wallstein, 2024). Sie ist eine von sechs Autor:innen des Themenheftes „Anthropozän“ von „Aus Politik und Zeitgeschichte“, ein durchweg inter- oder wenn man so will transdisziplinäres Heft. Vielleicht wäre ein eigener Beitrag zur Science Fiction interessant gewesen

In diesem Essay versuche ich diese Lücke zu füllen und berichte daher über literarische Ideen zu denkbaren Zusammentreffen von intelligenten Kulturen auf der Erde, die nur in der Fantasie existieren, die aber durch den Zusammenprall der Kulturen einen besonderen Reiz für Leserinnen und Leser ausüben. Einen Schwerpunkt bilden die Bücher des ehemaligen Theologen und Autors Klaus Seibel.

Gleichzeitigkeiten

Es gibt, wissenschaftlich und literarisch betrachtet, zwei Themen in der erdgebundenen Kultur der Menschheit, die auch im 21. Jahrhundert noch immer zu unseren kulturbildenden Narrativen gehören: erstens die Frage, ob es außer dem Homo sapiens in der Gegenwart noch eine weitere intelligente Spezies auf dem Planeten Erde gibt und zweitens die Überlegung, ob es in den erdgeschichtlich weit zurückliegenden Epochen von vor vielen Millionen Jahren bereits eine fortgeschrittene Zivilisation auf der Erde gegeben haben könnte.

Zur ersten Frage existieren zahlreiche wissenschaftliche Forschungsarbeiten über intelligente Tiere, insbesondere über die Denkleistungen und das Selbst-Bewusstsein von Delphinen, Vögeln, Elefanten und Primaten, die das Primat des Menschen als Krone der Schöpfung in Frage stellen. In der Literatur hat Frank Schätzing mit dem Roman „Der Schwarm“ (2004) eine kenntnisreiche, spannende und exzellent erzählte Geschichte über intelligentes Leben in den Tiefen unserer Ozeane vorgelegt, die zahlreiche Leserinnen und Leser gefunden hat. Nach der vorherrschenden Meinung allerdings ist der moderne Homo sapiens die einzige intelligente Spezies auf dem Heimatplaneten Erde im 21. Jahrhundert. Aber wer weiß: die Möglichkeiten der Existenz einer weiteren intelligenten Art geistert noch immer in unseren Köpfen herum.

Ein interessantes Narrativ ist die Begegnung von modernen Menschen mit Dinosauriern. Wissenschaftlich gesehen können Menschen den Dinosauriern niemals begegnet sein, denn die Dinosaurier lebten in einer Zeit, als es in der Evolution der Lebewesen auf der Erde vor einigen hundert Millionen Jahren noch keine Menschen gab. Die Begegnung von Sauriern und Menschen gelingt nur in den Erzählungen von Michael Chrichton in „Dino Park“ (1990), der faszinierenden Verfilmung von Steven Spielberg als „Jurassic Park“ (1993) und in dem Kinofilm „65“ (2023), in dem Adam Driver als Astronaut zusammen mit einem kleinen Mädchen auf einem Planeten landet, der von Sauriern beherrscht wird. Es stellt sich heraus, dass die beiden Astronauten Vertreter einer humanoiden außerirdischen Spezies sind, die auf der Erde vor 65 Millionen Jahren notlanden und sich gegen deren Herrscher, die Dinosaurier, wehren müssen, um zu überleben und die Heimreise antreten zu können. Auch in Star Trek haben wir eine solche Begegnung, die sich durchaus als Kritik am in den USA durchaus verbreiteten Kreationismus verstehen lässt. Die Voyager trifft auf ihrer Reise durch den Deltaquadranten auf die Spezies der Voth, die von Hadrosauriern abstammt, deren Führung jedoch davon nichts wissen will und den Wissenschaftler, der durch seine Begegnung mit der Voyager den Beweis erbringen könnte, zum Widerruf zwingt (in: „Distant Origin)“.

Die Silurianer-Hypothese

Die Thematik einer vorgeschichtlichen, intelligenten Spezies ist wenig in der Wissenschaft und in der Literatur bearbeitet worden. Interessanterweise sind Fragen nach einer möglichen heimatlichen Intelligenz der Erde etwa zur Zeit der Dinosaurier im Mesozoikum, dem Erdmittelalter vor etwa 245 Millionen Jahren, in der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts kaum bearbeitet worden.

In der Science-Fiction-Trivialliteratur dagegen scheint diese Thematik zuerst in der Perry Rhodan Heftroman-Reihe auf. Die Serie ging am 8. September 1961 an den Start und das Volk der Lemurer taucht auf, das ungefähr zweihunderttausend bis fünfzigtausend Jahre vor unserer Zeitrechnung auf der Erde gelebt hat und den Planeten verließ. Der Homo sapiens entdeckt im Jahre 2404, dass wir Nachkommen der nicht von der Erde ausgewanderten und degenerierten Mitglieder dieser ersten Menschheit sind. In der britischen Science-Fiction Fernsehserie „Doctor Who“ gibt es die „Silurianer“, eine Reptilienrasse aus der erdgeschichtlichen Frühzeit. Nach ihnen ist der wichtigste Forschungsbeitrag benannt, der sich als Gedankenexperiment mit der Thematik einer möglichen erdgeschichtlich frühen intelligenten Spezies auf dem Planeten Erde widmet und diese Möglichkeit mit den erdgeschichtlichen Markern des Anthropozäns vergleicht:

Gavin A. Schmidt and Adam Frank argumentieren in ihrem Aufsatz „The Silurian Hypothesis: Would it be possible to detect an industrial civilization in the geological record?“ (in: The International Journal of Astrobiology 16. April 2018), dass es bereits im Karbon vor ungefähr 350 Millionen Jahren genug fossilen Kohlenstoff gegeben habe, um eine der unserer gegenwärtigen Zivilisation vergleichbare prähistorische Zivilisation entwickeln zu können. Die Autoren schreiben, dass man, ähnlich wie bei den Hinterlassenschaften des Zeitalters der Menschen, dem Anthropozän, Marker wie Plastik oder radioaktive Abfälle habe entdecken müssen, wenn es denn jemals eine solche Vorläuferzivilisation gegeben hätte. Im Abstract schreiben die Autoren: „Wenn eine industrielle Zivilisation viele Millionen Jahre vor unserer Zeitrechnung auf der Erde existiert hätte, welche Spuren hätte sie hinterlassen und wären sie heute noch erkennbar? Wir fassen den wahrscheinlichen geologischen Fingerabdruck des Anthropozäns zusammen und zeigen, dass er sich zwar deutlich, aber in vielerlei Hinsicht nicht wesentlich von anderen bekannten Ereignissen in der geologischen Aufzeichnung unterscheidet. Anschließend schlagen wir Tests vor, die eine industrielle Ursache plausibel von einem ansonsten natürlich auftretenden Klimaereignis unterscheiden könnten.“

Die Schlussfolgerung von Schmidt und Frank lautet: „Wir bezweifeln zwar stark, dass es vor unserer Zeit eine frühere industrielle Zivilisation gegeben hat, aber die Frage auf eine formale Weise zu stellen, die explizit formuliert, wie Beweise für eine solche Zivilisation aussehen könnten, wirft eigene nützliche Fragen auf, die sowohl mit der Astrobiologie als auch mit der Anthropozän-Forschung zusammenhängen. Wir hoffen daher, dass dieses Papier als Motivation dienen wird, die Einschränkungen der Hypothese zu verbessern, so dass wir in Zukunft besser in der Lage sein werden, unsere Titelfrage zu beantworten.“ (Übersetzungen FH)

Gab es eine vorgeschichtliche Zivilisation auf der Erde?

Die Menschheit lebt auf dem Planeten Erde erst seit einem, geologisch gesehen, relativ kurzen Zeitraum. Der Homo sapiens hat sich vor ungefähr 300.000 Jahren in einem langen evolutionären Prozess aus der Gruppe seiner Vorfahren herausgebildet. Die Kulturgeschichte der Menschheit mit den frühesten Zeugnissen von Schriftdokumenten in Form von ägyptischen Hieroglyphen ist vermutlich 5.000 Jahre alt, die ältesten Höhlenmalereien in der spanischen El-Castillo-Höhle sind vor ca. 40.000 Jahren entstanden. Diese Zeiträume sind gering, verglichen mit dem wahrscheinlichen Lebensabschnitt der Dinosaurier auf unserem Planeten, der mit 180 Millionen Jahren angegeben wird. Und dennoch sind sie ausgestorben, die großen Echsen der Vorzeit, und wir kleinen Zweifüßer mit unserem großen Gehirn beherrschen heute die Erde, beuten sie aus, vermehren uns in exponentiellem Maße und lassen den anderen Lebewesen der Schöpfung kaum noch Platz.

Erdgeschichtlich gesehen ist der Mensch nur ein Wimpernschlag in den langen geologischen Zeiträumen von mehreren Hunderten von Millionen oder Milliarden Jahren. Wir wissen relativ genau, belegt durch fossile Spuren, welche Lebewesen auf der Erde in den langen Zeiträumen vor uns gelebt haben. Wir besitzen in der Theorie der Evolution eine wissenschaftliche Beweisführung für die Entstehung und Weiterentwicklung des Lebens auf der Erde. Wir wissen nicht sicher, ob es eine intelligente Lebensform auf der Erde vor uns gegeben hat, also eine Lebensform, die die Erde selbst hervorgebracht. Hier sind wir auf Spekulationen angewiesen – also auf die narrative Kraft der Literatur.

Interessant ist die Diskussion der Frage, ob die Menschheit die erste industrielle Zivilisation auf der Erde ist oder ob es bereits lange vor uns eine technische Spezies gegeben haben könnte, wie beispielsweise die fiktiven „Silurianer“ in der britischen Fernsehserie „Dr. Who“‘. Forscher suchen nach chemischen Fußabdrücken oder nuklearen Signaturen einer solchen historischen Zivilisation und sind der Meinung, dass eine solche technische vor-menschliche Zivilisation nachweisbar sein müsste.

Wahrscheinlich sind wir Menschen die bislang erste und einzige technische Zivilisation auf dem Planeten Erde. Obwohl die Menschheit der Gegenwart den Planeten Erde formt und umbaut, ist ihre Präsenz, wenn man von außen durch ein imaginäres astronomisches Zeit-Brennglas schauen würde, in der langen Zeit des Planeten mit einem Alter von ca. 4,6 Milliarden Jahren und dem Auftreten des ersten Lebens in Form von Mikroben vor 3,77 Milliarden Jahren als gering zu bewerten.

Die Erde nach uns – wird es eine Zivilisation nach dem Anthropozän geben?

Der Beginn des Anthropozäns, des Zeitalters des Menschen, wird auf das Jahr 1950 gelegt, als Ablösung des Holozäns, das vor ungefähr 11.700 Jahren mit dem Rückzug der Gletscher begann und das Ende der letzten Kaltzeit einläutete. Der Begriff wurde zuerst vorgeschlagen von dem niederländischen Meteorologen und Nobelpreisträger Paul Crutzen und von ihm gemeinsam mit dem Kieselalgenforscher Eugene F. Stoermer vorgestellt (zur Geschichte siehe die Zusammenstellung von Christian Schwägerl). Gemeint sind gravierende Veränderungen auf dem Planeten Erde durch die Eingriffe der Menschheit in die Ökosysteme, die irreversibel und dauerhaft sind. Unsere Hinterlassenschaften von Aluminium, Plastik, Beton, Rußpartikeln und radioaktiven Substanzen werden die Menschheit sogar überdauern können. Jan Zalasiewicz beschreibt das Anthropozän folgendermaßen: „Wenn irgendwann in der Zukunft Aliens auf die Erde kommen und sich durch die Sedimente graben, werden sie über unsere Zeit sagen: hier geschah etwas, das die Erde radikal verändert hat“.

Zalasiewicz listet in seinem Buch-Beitrag „Die Einstiegsfrage: Wann hat das Anthropozän begonnen?“ (In: Jürgen Renn / Bernd Scherer, Hg., Das Anthropozän – Zum Stand der Dinge, Berlin, Matthes & Seitz, 2015 und 2017) beziehungsweise in seinem Beitrag „The meaning of the Anthropocene: Why it matters even without a formal geological definition“ die Marker für die geologische Zeitenwende detailliert auf, von der Verbreitung künstlicher Radionuklide zahlreicher Atombombentests über die Verdoppelung der Menge reaktiven Stickstoffs an der Erdoberfläche als Folge der Düngemittelherstellung, die Herstellung und Verbreitung nicht-natürlicher Kunststoffe, Artefakte und neuer industrieller Schadstoffe, den Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre, die Veränderung des Erduntergrunds und die Vernichtung der biologischen Vielfalt auf der Erde. Interessant – und erschreckend – sind aber nicht nur die naturwissenschaftlich-technischen Kennzeichen des beginnenden Anthropozäns, sondern auch die Frage, ob es bereits Anzeichen der geforderten „neuen Systeme der Wissensproduktion“ gibt.

Bernd Scherer schreibt seinem Beitrag zum Buch „Das Anthropozän – Zum Stand der Dinge“ über „die Monster“ und meint die kulturellen Monster als literarische oder wissenschaftliche Begleitung des aufkommenden Anthropozäns. Scherer interpretiert die Romanfigur von Mary Shelley, das Frankenstein-Monster, zur „Leitfigur des Anthropozäns“. Die Romanfigur des Dr. Frankenstein erschafft aus menschlichen Leichenteilen ein Wesen, das einen Menschen darstellen soll, mit dem er kommunizieren und interagieren kann, der aber doch nur als Produkt eines technologischen Prozesses ein Objekt bleibt. Mary Shelley hat in ihrem Roman „Frankenstein or The Modern Prometheus“ (1818) das grundsätzliche Verhältnis von Mensch und Natur neu beschrieben und wird deshalb von Scherer als literarische Vorläuferin des kommenden Anthropozäns angesehen.

Die Literatur zu den Nachfolgern einer Homo sapiens-Zivilisation auf dem Planeten Erde in vielen tausend oder Millionen Jahren ist sehr vielfältig und geht von der Annahme möglicher Umweltkatastrophen aus, die die Auslöschung der Menschheit nach sich ziehen, zum Beispiel: Alan Weisman, „Die Welt ohne uns – Reise über eine unbevölkerte Erde“ (München, Piper, 2007) über Mutationen des Homo sapiens auf dem Planeten Erde der Zukunft wie in dem Klassiker von H. G. Wells „Die Zeitmaschine“ (1895) beschrieben oder das Auswandern der Menschen zu Exoplaneten oder die Evolution der Menschheit zu „Galactic Humans“ wie in dem Epos von Cixin Liu „Jenseits der Zeit“ (2019) erzählt.

Die Schlussfolgerung der wissenschaftlichen Studie von Schmidt und Frank lassen den Schluss zu, dass in den geologischen Zeiträumen von Hunderten von Millionen Jahren keine Hinterlassenschaften einer früheren hochstehenden Zivilisation einer frühen Menschheit auf der Erde mehr nachzuweisen sind. Dies bedeutet aber nicht, dass solche Hinterlassenschaften nicht vielleicht außerhalb der Erde zu finden wären, vorzugsweise auf dem Mond, wenn die frühe Zivilisation die Raumfahrt beherrscht hätte.

Die Silurianer bei Dr. Who und die „Riesen“-Serie von James P. Hogan

Die Spezies der Silurianer „Homo reptilia“ sind eine in der britischen Science-Fiction Fernsehserie „Dr. Who“ vorkommende fiktive menschenähnliche intelligente Lebensform der Erde, die bereits vor 400 Millionen Jahren eine hochstehende Zivilisation auf unserem Heimatplaneten gegründet haben. Sie gehen in den Kälteschlaf im Untergrund der Erde, als die Astronomen ihres Volkes die Kollision der Erde mit einem anderen Planeten vorhersagen und schicken zusätzlich ein Raumschiff ins All, um den Fortbestand ihrer Zivilisation zu gewährleisten. Der auf die Erde zusteuernde Planet erweist sich als ungefährlich und wird zum Mond, während die Bauwerke der Silurianer-Zivilisation durch erdgeschichtliche Veränderungen wie Plattentektonik und Erosion verlorengehen.

Es gibt einige wenige Wächter der Silurianer, die über die schlafenden Artgenossen wachen sollen und auf diese trifft der Zeitreisende Dr. Who. Zu ihren Lebzeiten hatten die Silurianer Versuche mit Affen vorgenommen, von denen sie glaubten, dass diese Intelligenz entwickeln könnten. Aus ihnen entwickelten sich die Menschen der Gegenwart.

Es ist wohl annehmbar, dass es eine frühe Kultur auf der Erde gegeben haben muss. Aber nachweisbar ist dies eben nicht. Dies ist das Szenario der „Riesen“-Serie des amerikanischen Science-Fiction Autors James P. Hogan, der in den fünf Büchern „Inherit the Stars“ (1977, Das Erbe der Sterne, 1981), „The Gentle Giant of Ganymede“ (1978, Die Riesen von Ganymed, 1981), „Giant´s Star“ (1981, Stern der Riesen, 1983), „Entoverse“ (1991) und „Mission to Minerva“ (2005) über die Auswirkungen des Fundes eines toten Raumfahrers auf der Mondoberfläche schreibt.

Die „Riesen“-Serie geht von einem Paradoxon aus: Eine Gruppe von Forschenden steht vor einem unlösbaren Rätsel, als sie durch den Fund eines bereits vor langer Zeit gestorbenen Raumfahrers auf dem Mond mit der Tatsache konfrontiert werden, dass es eine fortgeschrittene menschliche Zivilisation gegeben haben muss, die sich vor fünfzigtausend Jahren im Sonnensystem ausgebreitet hatte, allerdings ohne irgendwelche Spuren auf der Erde zu hinterlassen. Der auf dem Mond gefundene Raumfahrer, der den Namen „Charlie“ erhält, ist nachgewiesenermaßen fünfzigtausend Jahre alt und die Technologie seines Raumanzuges ähnelt der Technologie der Erde der 2020er Jahre. Woher kommen die „Lunarier“ getauften Menschen der Vorzeit, die nicht vom Mond kommen können und die auf der Erde keine Spuren hinterlassen haben?

Hogan entwickelt die Erzählung weiter, indem er die Überreste des Planeten „Minerva“ im Asteroidengürtel auffinden lässt, auf dem die frühe Menschheit entstanden ist. Aus der Zerstörung von „Minerva“ entstand der irdische Mond und die heutigen Menschen sind die Nachkommen der frühen Menschen von „Minerva“.

Die ersten drei Bände der „Riesen“-Serie erhielten positive Kritiken, während die beiden letzten Bücher als unnötige Ergänzungen kritisiert wurden. Weiterhin muss erwähnt werden, dass sich der Autor in seinen späten Lebensjahren mehr dem Katastrophismus zuwandte und mit den Positionen der AIDS-Leugner und der Holocaustleugner Arthur Butz und Mark Weber sympathisierte.

Die erste Menschheit von Klaus Seibel

Der Autor Klaus Seibel sticht durch seine besondere Biografie aus dem Autorenkreis hervor, weil er lange als ausgebildeter Pastor gearbeitet hat, dann Softwareberater wurde und sich im Jahre 2014 entschlossen hat, als freiberuflicher Schriftsteller seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In dem Interview mit mir vom 28. Februar 2025 antwortet er auf die Frage, wie seine theologische Ausbildung und seine naturwissenschaftlich-technischen Exkurse mit dem erzählerischen Talent zusammenpassen: „Aus Dingen, die scheinbar nicht zusammenpassen, ergeben sich manchmal die erstaunlichsten Mischungen. Bei mir war es aber so, dass ich schon immer an den Naturwissenschaften interessiert war. Und an Computern. Ich war einer der ersten Pastoren im Land, die solch ein Gerät eingesetzt haben.“

Das Thema einer weit vor der Geschichte des Homo sapiens auf der Erde existierenden humanoiden Zivilisation ist von dem deutschen Autor Klaus Seibel umfangreich, kreativ und spannend bearbeitet worden. Klaus Seibel ist ein Self-Publishing Autor, der seine Werke fast ausschließlich digital als E-Books über seinen Onlineshop „Seibel digital“ in allen gängigen Plattformen anbietet. Die Bücher sind mit rund dreihundert Seiten relativ kurz und mit etwa fünf Euro sehr preiswert. Der Autor schwört auf seine Eigenpublikation und sagt in dem Interview mit mir vom 28. Februar 2025 auf die Frage, warum er als Self-Publisher veröffentlicht: „Weil ich im Self-Publishing frei bin, meine Themen, Cover und alles andere selbst zu bestimmen. Verlage/Agenten haben mir früher mal gesagt „Was Sie schreiben, interessiert unsere Leser nicht“. Aha. Das haben meine Leser offensichtlich anders gesehen. Bei zwei Büchern, die ich bei einem Verlag hatte, habe ich mir die Rechte zurückgeholt und vermarkte sie selbst. Das funktioniert für mich einfach besser. Ich würde niemals in einen Verlag wechseln wollen.“

Der Nachteil liegt damit wohl darin, dass viele Leserinnen und Leser traditioneller Science-Fiction, die informationsmäßig an die bekannten Verlage in Deutschland gebunden sind, dass sie den Autor Klaus Seibel nicht wahrnehmen. Der Vorteil allerdings wiegt dies, so sagt Klaus Seibel, allemal auf, denn seine Verkaufszahlen sind hervorragend und die Entlohnung als Self-Publisher ist höher als die Verlagshonorare.

Die Reihe der ersten Menschheit von Klaus Seibel enthält dreizehn Bücher:

  1. Das Erbe der ersten Menschheit
  2. Die erste Menschheit lebt
  3. Die dunkle Seite des Erbes
  4. Meister der Gene
  5. Spuren der ersten Menschheit
  6. Hoffnung Atlantis
  7. Aufbruch aus Atlantis
  8. Flucht der Saurier
  9. Der Präsident
  10. Xeeh
  11. Aufmarsch der Klone
  12. Angriff auf Atlantis
  13. Der große Rat des Lebens

Die Erzählung von Klaus Seibel über die erste Menschheit beginnt mit der Entdeckung von Containern unbekannter Herkunft auf dem Mond, die das Erbe der Zivilisation der „Lantis“ enthalten, die vor 65 Millionen Jahre auf der Erde gelebt haben und dann ohne Spuren auf ihrem Heimatplaneten zu hinterlassen, verschwunden sind. Die auf dem Mond gefundenen Container enthalten die technologischen Schätze der hochstehenden Lantis-Zivilisation, die von der Protagonistin der Erzählung, der deutschen Astronautin Anne Winkler, entschlüsselt werden.

Die Leserinnen und Leser erleben die Heldenreise von Anne Winkler über verschlungene Pfade und interkulturelle Beziehungen, denn die Container enthalten Technologien, die denen der Menschheit weit voraus sind, zum Beispiel Lebenskristalle mit Geninformationen und Brutkästen zur Wiederbelebung von Lantis-Menschen, Pflanzen und Tieren. So wird eine Art Lantis-Freizeitpark auf der Erde installiert, der einerseits an den Dinopark von Michael Crichton erinnert, andererseits ein Forschungslabor darstellt, das Lebewesen und Technologien wieder zum Leben und zur Funktion erweckt.

Die erste Menschheit lebte vor 65 Millionen Jahren zur Zeit der Dinosaurier auf der Erde. Die Lantis sind humanoid, haben eine grüne Haut, um durch mit Photosynthese zur Energiegewinnung ihres Körpers beizutragen. Sie leben in der Natur, mit der Natur und von der Natur. Die Tatsache, dass die Lantis zusammen mit Dinosauriern die Erde bevölkern, wird als normal angesehen und in der Erzählung oft detailliert in einzelnen Sequenzen beschrieben.

Das technische Erbe umfasst Gehirntuning, die Genome von Tieren und Lantis sind auf einem Speichermedium aus Kristall, einem Lebenskristall enthalten und es gibt Brutmaschinen zur Wiedererweckung dieser Lebewesen. Der Lebenskristall ermöglicht ein Gehirn-Backup auf das im Brutkasten erzeigte Lebewesen, sodass Persönlichkeitsmerkmale der Lantis implementiert werden und auf diese Weise ein originalgetreuer Lantis aus der Zeit vor 65 Millionen Jahren wiedererweckt werden kann. Die Hauptprotagonisten der Lantis sind „Yra“ als Vertreterin des Guten und „Korgh“ als Versinnbildlichung des Bösen.

Anne Winkler und Yra gehen eine fast symbiotische Beziehung miteinander ein, die über Hautkontakte eine tiefe Gedankenverbindung erlaubt, sodass Anne die Geschichte der Lantis, die in Yras Gehirn gespeichert ist, versteht. Klaus Seibel beschreibt eine andere Art der Kommunikation der beiden als wir sie mit unserer Sprache kennen.

In den ersten Bänden schreibt Klaus Seibel über interessante Gegensätze der Kulturen der Lantis und die der Menschen: „Grundsätzlich legen die Lantis mehr Wert auf die Beherrschung des Nervensystems als auf die Beherrschung der Muskulatur.“ Ja, und? Ihr beschäftigt euch mit dem Motor, sagte Yra, wir beschäftigen uns mit der Steuerung.“ Und: „Korgh war der herausragende Neuroinformatiker seiner Zeit. Er hat quasi das Programm des Gehirns entschlüsselt. Dann hat er Verfahren entwickelt, Wissen aus dem Gehirn zu extrahieren, oder umgekehrt, Wissen wieder einzuspielen, was die Grundlage für die Lebenskristalle ist.“ (beide Zitate aus Band 2)

Es werden fortschrittliche Technologien wie die der Gedankensteuerung und Synapsenblocker zur Steuerung oder Lähmung von Menschen im Einsatz beschrieben: „Herrscher haben immer das Problem, dass sie Angst haben müssen. Nicht nur vor Feinden, nein, sogar vor der eigenen Leibwache. Dieses ewige Problem habe ich überwunden. Euer kleiner Chip sorgt dafür, dass ich mich vor niemandem aus meinem Team in Acht nehmen muss.“ (Band 3) Der 3-D-Fernseher als fortgeschrittene Technologie der Lantis, den alle Menschen haben wollen, der aber eigentlich nur eine Tarnung für das Ausspionieren und Steuern der Menschheit durch Korgh ist. Das Internet wird als Gehirn der Menschheit beschrieben. Anne zerstört am Schluss des Buches den Quantencomputer von Korgh nach seinem Tod, damit diese fortgeschrittene Technologie nicht in die Hände der falschen Menschen gerät und zu den falschen Zwecken, nämlich der Überwachung durch die NSA, eingesetzt wird. Die Fütterung der 3-D-Fernseher als fortgeschrittene Technologie der Lantis mit den Datenanfragen von CERN, als Überlastung gedacht, hat zu einem positiven Ergebnis geführt: „Die Projektoren haben nicht umsonst gearbeitet. Tobias grinste über das ganze Gesicht. Sie haben Muster gefunden, für die wir tausend Jahre hätten rechnen müssen. Wir sind der Dunklen Materie dicht auf der Spur.“ (S. 166, Ende)

Die Mode der Lantis ist völlig anders als die der Menschen, sie betont die Verbindung mit der Natur: „Anne war überrascht. Das war kein Blumenteppich, das war ein Kleid aus lebendigen Blumen! Unfassbar. Der Rückenteil bestand aus einem feinen Gewebe, das Flüssigkeit und Nährstoffe enthielt und die Blüten auf der Vorderseite versorgte.“ (Band 3). Dies ist ein interessanter Vergleich mit dem Fleisch-Kleid von Lady Gaga. Sie trug bei der Preisverleihung der MTV Video Music Awards im Jahre 2010 ein Kleid aus rohem Rindfleisch. Die Modefans waren von dieser lebenden Menschenroulade begeistert, die Tierschützer zu Recht entsetzt. Die Vorstellung eines Blumenkleides dagegen, wie es von Klaus Seibel bei Yra beschrieben wird, kann uns ästhetisch und auch aus Naturschutzgründen eher gefallen.

Die Lantis haben eine intensive Beziehung zur Natur und Yra wurde früher als „Mutter der Natur“ bezeichnet. Dies bezieht sich auf das Leben in der Natur zur Zeit der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren und in der Neuzeit, in der Yra hineingeboren wird, auf ihr Verhältnis zum Essen, denn sie lehnt tierische Nahrung und einen großen Teil der pflanzlichen Nahrung völlig ab und entspricht dem Ernährungsverhalten einer heutigen Frutarierin.

Zum Zusammenleben von Menschen und Dinosauriern gibt es eine schöne Reminiszenz zum Film von Stephen Spielberg, als einige T-Rex-Dinosaurier in der neu eingerichteten Lantis-Stadt aus ihrem Gehege ausbrechen: „‚Die Leute machen alles falsch!‘, stieß Yra hervor. Anne hatte sie noch nie so erregt gesehen. In den Augen der Saurier machten die Leute alles richtig. Mit ihrer Angst markierten sie sich als Opfer.“

Yra und Anne gehen auf die T-Rexe zu, anstatt wegzulaufen und nehmen mit ihnen Körperkontakt auf. So unterlaufen sie deren übliches Beuteschema, irritieren ihr Jagdverhalten und beruhigen die Dinosaurier. Diese Szenen in Band zwei sind eine wunderbare Gegeninszenierung zu der berühmten Szene in dem Film von Stephen Spielberg, in dem ein ausgewachsener T-Rex das Auto mit den beiden Kindern attackiert und auseinandernimmt. Es ist wunderbar erzählt in einem fast unglaubhaften Szenario, das aber beim Lesen nachvollziehbar wird.

Die Reise von Anne Winkler und Yra erstreckt sich über lange Zeiträume und verschiedene Handlungssettings von der Gegenwart unserer Zeit bis zur Entdeckung von Atlantis, was sich ja bereits in der Namensgebung der ersten Menschheit als Lantis andeutet. Dies ist Stärke und Schwäche der Erzählung von Klaus Seibel zugleich, denn die Verbindung von unterschiedlichen Kulturrätseln der Menschheit in dreizehn Bänden ist spannend, aber zum Schluss hin insgesamt auch etwas ausufernd. Die große Stärke der Bücher liegt nach meiner Einschätzung in der Herausarbeitung möglicher interkultureller Konflikte und Spannungsfelder zwischen Menschen und Lantis, also in der Hervorhebung dessen, was uns Menschen auszeichnet, was nicht und was uns auszeichnen könnte.

Insgesamt betrachtet ist die Erzählserie über die erste Menschheit von Klaus Seibel ein interessantes Szenario zu einer Reflexion über die Conditio Humana. Der Autor Klaus Seibel hält uns Menschen einen Spiegel vor und wir können erkennen – wenn wir dies wollen – wer wir sind und wer wir sein könnten. Vielleicht ist das der eigentliche Sinn aller Debatten um Entstehung und Zukunft des Anthropozäns. Klaus Seibel formulierte es im Interview wie folgt: „Das eine ist die Frage: Wer ist ein Mensch? Was so einfach zu beantworten scheint, wird mit zunehmenden technischen Möglichkeiten immer schwieriger. Wie weit darf ich mich technisch verbessern und bleibe dabei ein Mensch? Bei einem Herzschrittmacher ist das keine Frage, aber bei einem Chip im Gehirn, der mich an das Internet anschließt oder der Gedankenkommunikation ermöglicht? Oder bei genetischen Verbesserungen? Ab wann wird man zum ‚Übermenschen‘? Das zweite ist der Punkt, wie wir miteinander umgehen. Wenn wir tatsächlich fremdem Leben begegnen, oder intelligenten KIs. In meinen Büchern lege ich Wert darauf, einen Weg zu finden, wie man zusammenleben und zusammenarbeiten kann, auch wenn man extrem verschieden ist. Mit etwas Fantasie findet man immer einen Weg, auf dem alle profitieren.“

Fritz Heidorn, Oldenburg

(Anmerkungen: Erstveröffentlichung im April 2024, Internetzugriffe zuletzt am 5. April 2025.  Titelbild: Thomas Franke, Ascheglühen (Ausschnitt). Rechte beim Künstler.)