„Es war nicht alles grau“

Stefan Körbel, Liedermacher, Romancier und Zeitzeuge

„Ich erzähle es so, wie ich es erlebt habe. Wie ich mich erinnere. Es ist meine Sicht. Meine Erinnerung. Nichts andres.“ (aus: Stefan Körbel, Wendekreis)

Stefan Körbel hat 2019 den Roman „Wendekreis oder Die Vollendung der deutschen Einheit im Südpazifik“ veröffentlicht (Berlin, edition schwarzdruck), etwa 30 Jahre nach seiner CD „Restbestände“, die er im März 1990 aufgenommen hatte. Beide Texte ergeben das Panorama einer 30jährigen Geschichte nach dem Verschwinden der DDR. Sie sind Dokumente einer Geschichte von Erfolgen und Misserfolgen, vor allem aber auch von Missverständnissen, die sich sogar je nach Wohn- oder Geburtsort so weit voneinander unterscheiden können, dass man von einer schleichenden Potenzierung von Missverständnissen sprechen darf. Grund für diese Entwicklung mag die fehlende Verständigung über die jeweiligen Vergangenheiten sein. Vielleicht fehlte aber auch manchen Orts der Wille.

Stefan Körbel war einer der Künstler, die man im sogenannten „Westen“ – mit dem man je nach Wohn- oder Geburtsort manche der angedeuteten Missverständnisse und Fehlinterpretationen verbinden mag – kaum kannte und den dort auch heute nur wenige kennen. Kennengelernt habe ich ihn bei einer Buchvorstellung in Bonn-Beuel. Er sang zur Vorstellung des Buches von Michael Kleff / Hans-Eckardt Wenzel, Hg., Kein Land in Sicht – Gespräche mit Liedermachern und Kabarettisten der DDR, Berlin, Ch. Links, 2019. Dieses Buch habe ich im Demokratischen Salon vorgestellt. Es enthält auch zwei Interviews mit Stefan Körbel aus den Jahren 1990 und 1992. Zwei Mal traf ich mich mit ihm, am 13. November 2019 und am 14. Januar 2020.

Die Kunst der Andeutung

Vor 1989 gab es eine vielfältige Kulturszene in der DDR, die im „Westen“ nur dann wahrgenommen wurde, wenn jemand Prominentes von Ost nach West übersiedelte oder übergesiedelt wurde oder wenn spektakuläre Romane im „Westen“ erschienen.

In seinem Gespräch mit Michael Kleff zitiert Stefan Körbel Karl Marx, der „den Verhältnissen ihre Melodie vorpfeifen (wollte), um sie zum Tanzen zu bringen.“ Dies taten viele Liedermacher*innen und Kabarettist*innen in der DDR. Öffentliche Auftritte gab es nicht nur in den Kirchen, obwohl diese durch die ihnen zur Verfügung stehenden Räume vor allem gegenüber denjenigen, die allenfalls eine Wohnung zur Galerie ernennen konnten, eindeutig im Vorteil waren. Allerdings boten in der DDR auch Studentenclubs, die es in der Regel in jedem Studentenwohnheim gab, und Jugendclubs Künstler*innen eine attraktive Bühne. So gab es eine Menge an Auftritten außerhalb der Kirchen, auch in Theatern mit Publikumsgesprächen, Lesungen und Musik in den Kulturhäusern von Betrieben.

Vielleicht hatten manche ein Interesse, die Opposition in der DDR als Werk der Kirchen darzustellen, zumal Friedens- und Umweltgruppen auch im „Westen“ – vorsichtig gesprochen – kritisch gesehen wurden und in den 1980er Jahren ebenso wie die neue Partei der Grünen oft genug als Kommunist*en diffamiert wurden. Es wirkt durchaus paradox, dass Friedensbewegung im „Osten“ von der dortigen „Führung“ mit dem „Westen“, die im „Westen“ von den dortigen „Meinungsmachern“ mit dem „Osten“ identifiziert wurden.

Allerdings hatten Liedermacher*innen oder Kabarettist*innen in der DDR gegenüber anderen Künstler*innen, beispielsweise Schriftsteller*innen, einen Vorteil: sie konnten sehr schnell auf aktuelle Entwicklungen und Ereignisse reagieren. Und sie hatten offenbar eine gewisse Narrenfreiheit. Sie konnten eine Fülle von Anspielungen verstecken, die verstehen konnte, wer wollte. Die offiziellen Medien nahmen sie eher wenig zur Kenntnis. Viele flogen – so Stefan Körbel – ein bisschen unter dem Radar und verstanden sich darin, mit Andeutungen zu arbeiten, Andeutungen, die man im „Westen“ in der Regel nicht verstand und auch nicht verstehen konnte.

Deutliche Worte hätten gefährlich werden können. Insofern zogen westliche Liedermacher*innen wie Franz-Josef Degenhardt, Reinhard Mey oder Hannes Wader andere Register als ihre östlichen Kolleg*innen. Sie waren in ihren Texten erheblich deutlicher als ihre Kolleg*innen aus der DDR. Andeutungen hätte im „Westen“ niemand verstanden. Und nicht nur die Texte der Liedermacher*innen waren deutsche Texte, auch die der Rockmusiker*innen: „Wir wollten was daraus machen. Und unsere spezielle Lösung war: Musik. Die Band. (…) Rock mit deutschen Texten. Aber in unserem Biotop gedieh eben dieses spezielle Gewächs.“ (aus: Wendekreis).

Die Hauptperson des Romans „Wendekreis“, der Ostberliner Musiker Rollo Schulz, spricht davon, dass Musiker*innen und Kabarettist*innen in der DDR „eine seiltänzerisch hochgespannte Ironie entwickelt“ hatten. Er spricht von „Sarkasmus“ und „Zynismus“. Er bezeichnet seinen Stil als „eine Kunst, die heute keiner mehr versteht. Die es auch nie wieder so geben wird. Die was ganz ganz eigens war. Die uns, mit Verlaub, zu Virtuosen machte. Carlo, später mich. Und einige andere auch noch. Zwieback Krause, Peter Waschinsky, Dieter Becker, Wenzel & Mensching, das Puppentheater Zinnober (…)“

Nur keine Skandale

Hauptsorge der StaSi war mit der Zeit nicht mehr, was manche Liedermacher*innen in ihren Texten andeuteten. Darüber wurde „nach oben“ berichtet, es wurde dokumentiert, sodass das StaSi-Archiv unbeschadet manch persönlicher Tragik zu einem der interessantesten historischen Archive heranwuchs. Aber Hauptsorge war es, möglichst keine Skandale zu produzieren, die im „Westen“ oder auch international Aufmerksamkeit erregten. Rollo Schultz: „Nach Biermann war die Kulturpolitik des Ländchens mit allem Möglichen beschäftigt, der Rumor nahm kein Ende, da wollten sie vor allem: keine neuen Skandale. / Das kam uns entgegen. Wir konnten machen. / Und wir dehnten unsre Grenzen immer weiter aus.“

Wie es zur Entscheidung kam, Biermann nach dem Kölner Konzert nicht wieder in die DDR einreisen zu lassen, bleibt nach wie vor unklar. Manche vermuten, dass die Ausbürgerung eine einsame Entscheidung von Erich Honecker war, denn Biermann stand offenbar unter einem gewissen Schutz von Margot Honecker. Das führte zu Gerede und wurde möglicherweise Margots Ehemann mit der Zeit zu viel. Er hat seine Entscheidung – wie man sich erzählt – nicht einmal mit Erich Mielke abgestimmt. Eine satirische Version der Folgen dieser Entscheidung für Margot Honecker bietet der Film „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“ mit Jörg Schüttauf in der Doppelrolle als Schauspieler, der Erich Honecker spielt, und als Erich Honecker höchstselbst. Im Wandlitzer Heim sitzt Margot Honecker in Tränen vor dem Fernseher, schaut sich ein Video eines Biermann-Konzerts an und seufzt.

Kritische Öffentlichkeit in der DDR

Die kritische Öffentlichkeit fand nach heutiger offiziöser Erinnerungspolitik vor allem oder sogar ausschließlich in den Kirchen statt. Andere Szenen wurden und werden auch heute noch kaum wahrgenommen. Die Literaturszene am Prenzlauer Berg hat sich in der Kirche durchaus wohlgefühlt. Mitunter wurden Liedermacher*innen, die anderswo öffentlich auftraten, als „staatsnah“ bezeichnet.

Ich erlebte im Jahr 1990 in meinen Gesprächen mit Oppositionellen, aber auch mit SED-Kadern immer wieder, dass es keine fünf Minuten dauerte, bis meine Gesprächspartner*innen mich darauf hinwiesen, dass andere Gesprächspartner*innen, die gerade nicht im Raum waren, doch erheblich „staatsnäher“, auch „Reisekader“ oder wie auch immer mit der StaSi verbandelt waren. Wer jemanden „ausschalten“ wollte, musste nur das Wort „StaSi“ aussprechen, eine Übung, derer sich auch heute noch gerne interessierte Kreise – wie man das so nennt – gerne befleißigen.

Man könnte sogar zur Auffassung gelangen, dass man seinen eigenen Vorteil sichern konnte, wenn man so, wie man nach 1945 die NS-Vergangenheit zu verschweigen geneigt war, nach 1989 die StaSi-Vergangenheit – natürlich immer die der anderen – aufzudecken wusste. Oft genügte der bloße Verdacht (ein eindrucksvolle Beleg ist die fiktive, aber alles andere als unwahrscheinliche Geschichte im Roman „Verwirrnis“ von Christoph Hein, Berlin, Suhrkamp, 2019).

Es gab Konkurrenzen, vor und nach 1989. Andererseits gab es unter der Oberfläche eine ganze Menge an Offenheit. Manchmal waren Dinge möglich, an die man nicht glauben wollte. Stefan Körbel erzählte mir von einer jungen Frau, die in Moskau eine Dissertation über die Geschichte des deutschen Anarchismus geschrieben hatte. Und Anarchist*innen waren nach Ansicht der DDR-Führung mindestens genauso schlimm wie die westlichen Kapitalist*innen.

Kontakte zur West-Szene gab es nur sporadisch. Auftreten durften in der DDR zunächst die West-Liedermacher*innen, die in der DKP oder zumindest in mit dieser „befreundeten“ Organisationen waren, im Grunde diejenigen, die im Westen auch auf einer Veranstaltung wie dem UZ-Pressefest auftraten. Lieder konnten fliegen, wie es in einem FDJ-Lied hieß. Welche Sänger*innen die Ländergrenzen überfliegen durften, war eine andere Frage. Gisela May berichtet in ihrem Gespräch vom 8. September 1992 mit Michael Kleff, dass Reinhard Mey gebeten wurde, das Lied „Über den Wolken“ in ihrer Sendung nicht zu singen, was er zugestand, aber mit dem Wunsch verband, „einmal mit dem Flugzeug über Berlin zu kreisen. Dann würde er alles singen, was wir haben wollten. Das war natürlich noch viel schlimmer.“

Ein wichtiges Ereignis war das seit 1970 stattfindende „Festival des politischen Liedes“. Das war irgendwie schon eine Staatsveranstaltung, aber hier gab es viel Internationales. So lernte man in der DDR Interpret*innen wie Mercedes Sosa, Harry Belafonte oder Macchina Maccheronica kennen. Nach außen war das dann alles Staat, nachts im Club wurde Vieles entspannter.

Stefan Körbel hat 1975 gemeinsam unter anderen mit Hans-Eckardt Wenzel: die Gruppe „Karls Enkel“ gegründet, eine der ersten freien Theatergruppen in der DDR, etwa gleichzeitig zur Gründung des „Puppentheaters Zinnober“. Die Gruppe präsentierte Lieder, die mit kabarettistischen Szenen verbunden wurde. Sie trug passende Kostüme. Das Programm umfasste u.a. Texte von Erich Mühsam oder auch von Goethe. Auftritte erfolgten in Studentenclubs, in Kulturhäusern, in Theatern. Die letzte Premiere von „Karls Enkel“ fand 1987 im Berliner Ensemble statt.

1987 haben sich „Karls Enkel“ aufgelöst. Und hier zeigt sich ein mögliches Missverständnis. Ein Autor wie Erich Mühsam war bei der Parteiführung nicht unbedingt beliebt und andere Nummern Ihres Programms überschritten die ein oder andere Grenze, sodass sich der Eindruck ergeben könnte, es habe Druck von oben gegeben. Stefan Körbel verneinte dies jedoch, denn nach über 10 Jahren hatte sich das Projekt einfach überlebt. Steffen Mensching, Hans Eckardt Wenzel und Stefan Körbel hatten eigene Projekte. Die Sängerin Elke heiratete einen Musiker der westdeutschen Gruppe Zupfgeigenhansl und hieß dann Elke Schmeckenbecher. Sie ging in den Westen. Erstaunlicherweise durfte sie ihren DDR-Pass behalten und konnte ohne Probleme von West nach Ost, von Ost nach West reisen.

Auftrittsverbote und Berlinverbot

Das heißt natürlich nicht, dass es keinen Druck von oben gab. Hans Eckardt Wenzel und Steffen Mensching hatten einmal einen Auftritt in Hoyerswerda, kurz vor der sogenannten „Wende“. Sie wurden verhaftet. Die Volkspolizei brachte sie zur Kreisgrenze. Ihnen wurde verboten, den Kreis wieder zu betreten. Dieses konkrete Ereignis fand keinen Eingang in die „Westpresse“. Die beiden waren nicht prominent genug.

Schwierig konnte es werden, wenn es um Berlin, die „Hauptstadt der DDR ging“. Es gab für manche Künstler*innen und Intellektuelle gelegentliches „Berlinverbot“, manche wurden strafweise „in die Produktion“ geschickt, immer in Verbindung mit einem Zwangsumzug von Berlin in eine eher entlegene Region der DDR-Provinz. Es war auch schwierig, einen Wohnort in Berlin zu bekommen. Aber die Zuzugsregelungen wurden ab den 1970er Jahren kaum noch praktiziert, vor allem nicht im unübersichtlichen Prenzlauer Berg, sodass sich dort so etwas wie Opposition etablieren konnte. Das wäre nicht mehr machbar gewesen. Man wurde beobachtet, aber die Zahl der Reglementierungen nahm ab.

Stefan Körbel berichtete mir von einem Auftrittsverbot, das ihn im Jahr 1989 traf. Er hatte im Programm des Festivals des politischen Liedes einen Vertrag mit dem Programm „Arche nostra“, zu dem auch das Lied „Beuteltier Uwe“ gehörte. Die Festivaldirektion sah sich das an. Dann kamen zwei Tage vor dem Konzert sein Parteisekretär und dessen Stellvertreter, die irgendwie Wind von der Sache bekommen hatten und ihn aufforderten, dieses Lied nicht zu bringen. Er verweigerte dies und sagte, er trete mit diesem Lied auf oder gar nicht. Das Konzert fand nicht statt. An der Tür wurde ein Schild angebracht „wegen Heizungsschaden geschlossen“. Da er aber einen Vertrag hatte, erhielt er sein Geld, das er dann für einen Krankenwagen in Nicaragua gespendet hat.

Staatliche Kulturförderung

Stefan Körbel war – wie andere Liedermacher*innen und Kabarettist*innen auch – freiberuflich tätig. Die im „Westen“ verbreitete Annahme, dass alle in der DDR irgendwie im Staatsdienst waren, auch die Mitarbeiter*innen in den „Volkseigenen Betrieben“, stimmt nicht. Es gab in der DDR freiberufliche Anwält*innen, Architekt*innen und so auch Musiker*innen. Sie hatten ihre eigene Steuernummer und somit einen Status, den man heute „Ich-AG“ nennen würde. Sie brauchten eine Lizenz, etwa vergleichbar mit dem Gewerbeschein, den Freiberufler*innen im „Westen“ benötigen. Während jedoch im Westen eine Anmeldung beim Finanzamt und bei der Künstlersozialkasse genügte, mussten sie sich in der DDR einer Kommission vorstellen, die ihnen die Berufsberechtigung verlieh, die sogenannte „Pappe“. Da stand dann: „Herr Körbel ist berechtigt, für einen Auftritt 130 Mark zu nehmen.“ Und die bekam er dann auch.

Es gab somit eine regelmäßige und verlässliche staatliche Kulturförderung. Stefan Körbel bekam für jeden Auftritt unabhängig von der Zahl der Besucher*innen 130 Mark. Es war gleichgültig, ob er vor 10 oder vor 500 Zuhörer*innen spielte. Nach 1989 wurde es dann schwieriger und schwieriger, weil dann die Zahl der Zuhörer*innen oder der Käufer*innen einer CD über das Einkommen entschied. Markt statt Staat.

Auftritte im Westen waren – so Stefan Körbel – möglich, aber enttäuschend, denn auch diese hatten einen engen Bezug zum Staat, der jedoch kaum in der Lage und möglicherweise auch nicht interessiert war, die von ihm in den „Westen“ entsandten Künstler*innen zu bewerben. Stefan Körbel ist Anfang der 1980er Jahre mit Gina Pietsch auf Einladung der SEW, dem Westberliner Ableger der SED, in einem kleinen Kulturlokal in West-Berlin, der Majakowski-Galerie, aufgetreten. Kurios war der Auftritt des Fotografen der SEW-Zeitung „Die Wahrheit“. Der brachte immer eine Leiter mit, die er erkletterte und dann von dort fotografierte, weil es so im Publikum voller aussah. Und das war auch nötig. Es waren gerade einmal 30 Leute da.

Einen weiteren Westauftritt hatte Stefan Körbel 1985 in Paris im dortigen DDR-Kulturzentrum, einem durchaus repräsentativen Palast mit allem, was dazu gehört. Es war ein tolles Haus, in dem so gut wie nichts stattfand, ein paar Fotografien hingen an den Wänden. Es kamen zehn Leute, weil die in dem Zentrum es einfach nicht schafften und vielleicht auch nicht schaffen wollten, ihr Angebot in Paris für das dortige Publikum interessant zu machen.

Wie der „Westen“ die DDR sehen wollte

Wer kannte im „Westen“ vor 1989 – oder sollte ich schreiben vor 2018 – Gerhard Gundermann? Viele haben ihn erst durch den Film von Andreas Dresen kennengelernt. Den Film gibt es als DVD, bluray und auf Netflix. Ein anderer Film, der sehr viel Anerkennung erhielt, war „Das Leben der Anderen“. Auch dieser Film ist auf Netflix verfügbar. Alle meine Gesprächspartner*innen mit DDR-Biographie halten „Das Leben der Anderen“ jedoch für unglaubhaft und empfehlen, sich dem Phänomen „StaSi“ über den Film „Gundermann“ zu nähern.

In der Tat ist die Story von „Das Leben der Anderen“ sehr amerikanisch und meines Erachtens auf ein amerikanisches Publikum hingeschrieben. So eine Story war in der Realität nicht denkbar. Es gibt viele Szenen, die einfach unwahrscheinlich und falsch sind, beispielsweise das Versteck der Schreibmaschine im Boden, die graue Party in der Volksbühne. Irgendwie hat der Regisseur alles grau machen wollen, wie er selbst einmal sagte, aber es war nicht alles grau in der DDR. Auch hätte sich kein Kulturminister eine solche Erpressung leisten können. Er wäre herausgeworfen worden. Erich Honecker persönlich hat Konrad Naumann wegen seines Lebenswandels herausgeworfen. Und das war kein Einzelfall.

Stefan Körbel verglich in unseren Gesprächen die Rezeption des Films „Das Leben der Anderen“ mit der des Buches „Der Turm“ von Uwe Tellkamp. Alexander Osang schrieb in einer Rezension, dass Tellkamp das Buch über den Osten geschrieben habe, das der Westen wollte. So war es auch mit dem Film „Das Leben der Anderen“.

Gerhard Gundermann

Stefan Körbel trat gelegentlich gemeinsam mit Gerhard Gundermann auf. In dem Film gibt es eine Szene, in der Gerhard Gundermann und Bob Dylan einander begegnen, und Gerhard Gundermann hielt sich vielleicht selbst auch für den Bob Dylan der DDR. Mit ihm gemeinsam hatte er ein gesundes Selbstbewusstsein, wenn es darum ging, auf die Bühne zu gehen. Stefan Körbel nannte dies in unseren Gesprächen „einen Willen zur Bühne“. Kennengelernt hatte er ihn in der Singebewegung (dazu ausführlich in dem Buch von Michael Kleff und Hans-Eckardt Wenzel). Er hatte für die Zeitschrift „Sonntag“, einer Zeitschrift des Kulturbundes, der heutige „Freitag“, einen Artikel über ihn geschrieben.

Stefan Körbel hat mir folgende Geschichte erzählt, die etwas über das Improvisationsgeschick erzählte, das man in der DDR lernte und brauchte. Er hatte 1982 den Auftrag, für den „Sonntag“, eine Kulturzeitung, den heutigen „Freitag“ einen Artikel über Gerhard Gundermann zu schreiben, den ersten Artikel in der überregionalen Presse über Gundermann überhaupt. Sie verabredeten sich auf Gundermanns Bagger in „Schwarze Pumpe“ treffen. Dafür brauchte man einen Passierschein, der nicht kam. Gundermann wusste einen Weg, Stefan Körbel einzuschmuggeln. Dann saßen beide auf dem Bagger, eine Walze klemmte und stand still. Gundermann sinngemäß: „Jetzt kommen die alle, nimm dir schnell einen Hammer, setz dir einen Helm auf und klopfe einfach etwas rum.“ Und die kamen alle, Parteisekretär, Betriebsleiter, ein komplettes Empfangskomitee. Gundermann hatte das Problem aber schon selbst behoben und die zogen ab. Einer kam jedoch zu Stefan Körbel und sagte: „Beim nächsten Mal setzt du dir einen anderen Helm auf.“ Es war in der Tat der falsche, der Helm vom Sprengmeister, der einen roten Strich hatte.

Dazu passt vielleicht eine ähnliche Geschichte, die mir Rainer Ortleb in seiner Zeit als Bundesbildungsminister (1991 bis 1994) erzählte. Rainer Ortleb formulierte die Aufgabe, innerhalb eines Tages mit 50 Mark einen Sack Zement zu besorgen. Einzige Bedingung: er durfte nicht in einem Baumarkt gekauft werden. Rainer Ortleb vermutete, dass im „Westen“ niemand diese Aufgabe gelöst hätte, in der DDR jedoch alle dazu in der Lage gewesen wären.

Gerhard Gundermann hat an die DDR und an den Sozialismus geglaubt. In dem Film gibt es eine Szene, in der er versucht, den zuständigen Bezirksparteisekretär aus Cottbus auf ein Problem im Tagebau hinzuweisen, das, wenn es nicht beseitigt würde, fatale Folgen haben könnte. Er wird abgekanzelt. Die Folgen treten ein, es gibt einen Toten. In den Gesprächen zu seiner Aufnahme in die Partei und seinem Ausschluss (großartig als Funktionäre Bjarne Mädel und Peter Sodann) zeigt sich, dass Gundermann einen klaren Standpunkt hatte, den zu verraten er nicht bereit war. Vielleicht „der Traum von einer Sache“ (Marx im September 1843 an Ruge)?

Gundermann war kein einfacher Mensch. Er hatte – so Stefan Körbel – Kolleg*innen, aber keine Freund*innen. Das wird auch in dem Film von Andreas Dresen angedeutet, schon zu Beginn in der Probenszene mit der Brigade Feuerstein. Alle sind fertig, nur Gundermann nicht. Aber das interessierte ihn offenbar überhaupt nicht. Für ihn gab es eigentlich nur seine Musik und seine Texte. Von allen anderen erwartete er, dass sie genauso engagiert und genauso rastlos wie er arbeiteten. Viele Hintergrundinformationen sind in dem von Andreas Leusink herausgegebenen Begleitbuch (erschienen 2018 im Ch. Links Verlag) zu finden.

Als ich den Film von Andreas Dresen zum ersten Mal sah – inzwischen habe ich ihn mir mehrfach angeschaut – hatte ich den Eindruck, dass ich endlich etwas vom Alltag in der DDR verstand. Stefan Körbel: erzählte mir dazu folgende Geschichte: Ort war der Kongress der Unterhaltungskunst im Jahr 1987. Er und Gundermann waren Delegierte. Gerhard Gundermann: „Wir müssen das Land übernehmen.“ Stefan Körbel: „Sollten wir jetzt eine neue kommunistische Partei gründen.“ Da kam Kurt Hager und wollte mit Gundermann reden. So wurde es nichts mit Parteigründung und Übernahme.

Gundermann hatte allerdings auch Ideen, die nicht mehr zum Stil eines Liedermachers passten. Die Zusammenarbeit zwischen Stefan Körbel und ihm kam nicht zustande, weil Gundermann lieber harten Rock spielen wollte. Hört man heute Interpretationen seiner Lieder durch die „Seilschaft“, kann man sich vorstellen, wie sich das angehört hätte. Es entstand aber eine gemeinsame Tour der beiden mit dem Titel „Erinnerung an die Zukunft“, leider ohne vernünftige Aufnahmen, durchaus ein Indiz, dass das Vertriebssystem des „Westens“ sich im „Osten“ noch nicht so weit verbreitet hatte, dass alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen wurden.

Gerhard Gundermann ist heute immer noch ausgesprochen populär, vor allem im Gebiet des verschwundenen Landes DDR. Ich habe am 4. November 2019 „Die Seilschaft“ (www.dieseilschaft.de) auf dem Alexanderplatz erlebt und war – wie viele andere auch – begeistert. Nicht nur „Gras“ sangen alle mit. Das Erbe Gundermanns wird von der „Seilschaft“ gut gepflegt, ebenso von der „Randgruppencombo“. Die Texte sind inzwischen so bekannt, dass selbst im „fernen Westen“ junge Leute, die ihn nicht erlebt haben können, mitsingen. Ein Indikator für die Popularität ist sicherlich auch die hohe Präsenz Gerhard Gundermanns auf You Tube, sodass durchaus der Schluss erlaubt ist, dass seine Witwe zumindest zu einem großen Teil von den Tantiemen leben kann. Für sein Erbe sorgt schließlich der „Gundermann-Seilschaft e.V.“, der jährlich im November in Hoyerswerda den Wettbewerb „Heuschrecke“ durchführt.

Die StaSi war immer dabei

Wenn von der DDR im „Westen“ die Rede ist, interessieren sich die meisten für das Thema StaSi. In dem Film „Gundermann“ wird die Verwicklung Gerhard Gundermanns in die StaSi meines Erachtens fair und nachvollziehbar dargestellt. Axel Prahl spielt einen tollen Führungsoffizier: jovial vor der Wende, danach ein Alkoholiker, der immer noch an die gute Sache glaubt. Ein weiteres Klischee! StaSi-Leute werden in den Filmen in der Regel zunächst als freundliche joviale Herren und als dann nach der „Wende“ gebrochene Persönlichkeiten dargestellt. Nur am Rande: weibliche StaSi-Mitarbeiter*innen habe ich bisher in keinem Film und in keiner Dokumentation gefunden.

Es wäre sicherlich spannend, Biographien ehemaliger hauptamtlicher Mitarbeiter*innen des MfS auszuwerten, doch das ist hier nicht Thema. Thema ist jedoch, wie es möglich war, dass die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen so viele Menschen motivieren konnten, sich als Informelle Mitarbeiter (IM) zur Verfügung zu stellen. In der Biographie in dem Buch von Michael Kleff vermerkt Stefan Körbel, dass er ab 1973 als IM „Georg Steinberg“ geführt wurde. Ich habe ihn darauf angesprochen. Die erste Ansprache erfolgte in der Armeezeit.

Der Umgang miteinander in einer Armee ist nicht unbedingt das, was man sich für sein Leben wünscht, aber wenn es sein musste, dann sollte es – so Stefan Körbel – menschlich zugehen. Tenor: „Wir brauchen Leute wie Sie, die uns sagen, was schlecht ist, damit wir darauf reagieren können.“ Die StaSi appellierte sozusagen an den Idealismus der Angesprochen und konnte so überzeugen. Stefan Körbel ging es konkret um einen bestimmten Vorgesetzten, der bei den Soldaten unbeliebt war und dann auch entlassen worden ist.

15 Jahre später gab es eine weitere „Ansprache“. Das Anliegen: Kurierdienst in den Westen. Allerdings hatte Stefan Körbel den Verdacht, dass von ihm verlangt werden sollte, „Karls Enkel“ auszuspionieren. Er lehnte ab, das wurde akzeptiert. In seiner StaSi-Akte las er dann, dass es in der Tat um Kurierdienst ging. Es war eine ganz andere Abteilung, die ihn angesprochen hatte.

Allerdings gab es auch einen Vorfall, der vielleicht die mitunter paradoxe Wirklichkeit der Schikanen „von oben“ zeigte. Stefan Körbel hatte einmal bei den Chansontagen in Frankfurt an der Oder den Hauptpreis gewonnen. Präsidentin war Gisela Steineckert. Das Komitee für Unterhaltungskunst wollte Stefan Körbel den Preis dann jedoch nicht geben. Den bekam Gundermann, der ursprünglich gar nicht vorgesehen war. Er bekam einen anderen eigens erfundenen Preis, den Preis der Jury. In seiner StaSi-Akte fand er zu diesem Vorfall nichts, weiß also nicht, ob Druck von deren Seite die Ursache war. Aber ein Ergebnis hatte die Angelegenheit: er war auf einmal ein Geheimtipp und bekam entsprechende Engagements.

Fazit: Die StaSi versuchte den Eindruck zu vermitteln, dass sie intelligente Leute wertschätzte. Die Partei sei allein nicht in der Lage, Missstände aufzudecken und zu beheben. Die StaSi, „Schild und Schwert der Partei“, wolle jedoch wissen, was an der Basis geschieht. Sie packte die, die sie ansprach, bei ihrer Ehre und ihrem Engagement für den Sozialismus. Sie vermittelte den Eindruck, es gehe darum, die „Verhältnisse“ zu verbessern. Und das gelang ihr bei vielen Angesprochenen durchaus glaubhaft und überzeugend.

Die Implosion

Die DDR war 1989 am Ende. Wie sehr sie ökonomisch am Ende war, mag man unterschiedlich bewerten. Wenn man die Schulden der DDR mit den Schulden Griechenlands und anderer Staaten vor wenigen Jahren vergleicht, war das vielleicht noch das geringste Problem. Berechtigt ist auch die Frage, warum man nach 1989 der DDR nicht das Russland-Geschäft gelassen hatte. Die DDR produzierte einiges für die Sowjetunion, und das hätte Arbeitsplätze erhalten.

Hierzu eine Passage aus „Wendekreis“: „Mit Zahlen kommt man dem Phänomen DDR eben nicht bei. Zum Beispiel, am Ende der kleinen DDR, deren Schulden: zwanzig Milliarden. Nicht Euro, sondern D-Mark. Vergleiche man mal mit heutigen Summen. Griechenland, zum Beispiel. Aber, überhaupt Schulden. Unsere Bunte Republik hat aktuell, in Euro, zwei Komma acht Billionen Schulden. Billionen! Achtzig Prozent ihres BIP. Frankreich hundert pro, Japan übrigens zweihundert. Das zum Thema Schulden. Und, so mal ganz nebenbei: Polen kriegt von der EU bis heute eine jährliche ‚Hilfe‘ von zehn Milliarden. Euro! Pro Jahr! Da wird die immer so begeiferte totale Überschuldung der DDR doch etwas lächerlich. Oder? / Zwanzig Milliarden. / Marode? Ja. Eher doch: implodiert.

Es spielte sicherlich eine Rolle, dass niemand so genau Bescheid wusste, wie der wirtschaftliche Zustand war. Die wirtschaftliche Situation kannten im Grunde nur Erich Honecker, Erich Mielke und Günter Mittag. Im Politbüro und im ZK wussten viele nichts Genaues. Der letzte Kulturminister der DDR, Hans-Joachim Hoffmann, der öffentlich den Kurs von Gorbatschow unterstützte, fragte in einer Sitzung direkt, wie hoch die Schulden denn nun wirklich wären. Eine Antwort erhielt er meines Wissens nicht.

Ökonomisch wurde es für viele Menschen nach der sogenannten „Wende“ ausgesprochen schwierig, so auch und vielleicht gerade für freiberufliche Künstler*innen. Ihre bisherige mehr oder weniger staatliche Kulturförderung war am Ende. Das war das Ergebnis der Abwicklung von allem, was nicht niet- und nagelfest war und eben auch der Wille der großen Mehrheit der damaligen Bevölkerung. Die Bürger*innen der DDR wollten so schnell wie möglich die D-Mark, und so entschieden sie dann auch bei der einzigen demokratischen Wahl zur Volkskammer am 18. März 1990.

Entscheidender als der wirtschaftliche Niedergang war jedoch der moralische Niedergang. Woran sollte man noch glauben? In „Wendekreis“ liest sich das in den Worten von Rollo Schultz dann so: „…Volkseigentum und Demokratie – das wurde es eben nicht. Das hat es noch nie gegeben. Aber wir waren kurz davor. Vielleicht. Im Jahre neunundachtzig. Dachten wir. Wirkliche Vergesellschaftung! Nun aber erleben wir das Gegenteil: statt der Vergesellschaftung der Wirtschaft die Verwirtschaftung der Gesellschaft. Und dürfen zusehen, wie die in die Katastrophe führt.“

Und an anderer Stelle: „All das ist unvermeidlich. Wachstum, die neue Religion. / (…) Die Chance, es zu verhindern, ist verpaßt. / Einen Prellbock aufzustellen. Zu sagen: Schluß, aus, wir müssen es beenden. So geht es nicht weiter!“ Es ging zwar weiter, nur anders.

Liedermacher*innen nach der „Wende“

Nach der „Wende“ veränderte sich Vieles, auch für die Liedermacher*innen, die sich jetzt – wie man das im „Westen“ gerne so nennt – am Markt bewähren mussten. Der Einigungsvertrag enthielt eine Passage, mit der der Erhalt der „kulturellen Substanz der DDR“ garantiert werden sollte. Das wurde dann nach doch relativ kurzer Zeit nicht eingehalten und ist heute kaum jemandem noch bewusst, zumal sich die Frage stellt, was wirklich „kulturelle Substanz der DDR“ sein soll. So ist das, wenn man sich auf unbestimmte Rechtsbegriffe einlässt.

Viele, die vor 1989 in der DDR ihr Publikum fanden, verloren dies. Ob dies jedoch ausschließlich auf die veränderten „Verhältnisse“ zurückgeführt werden kann, muss offenbleiben. Der Zeitgeist veränderte sich. Die Texte liefen nicht mehr, Andeutungen wurden nicht mehr verstanden.

Stefan Körbel gewann aus Gesprächen mit Künstler*innen aus dem „Westen“, beispielsweise mit Manfred Maurenbrecher, den Eindruck, dass nicht nur die Texte der Liedermacher*innen der DDR ihre Zeit gehabt hatten. Auch die Themen westlicher sich als Opposition verstehender Liedermacher*innen hatten sich überlebt. Heutige Kabarettist*innen neigen auch dazu, sehr deutlich, mitunter ätzend verletzend zu formulieren, oder sich in das eher flache Fach der „Comedy“ herabzulassen und Alltagsszenen zu karikieren. Die Subtilität des Kabaretts vor 1989 hat in „West“ und „Ost“ gleichermaßen ausgedient. Regelmäßige Kabarettereignisse im deutschen Fernsehen wie „Nuhr“, „Die Anstalt“ oder auch „Ladies Night“ belegen dies mehr als zur Genüge. Holzhammer-Kabarett.

Stefan Körbel berichtete mir, dass er nach 1989 keine materielle Not hatte. Nach 1991 hat er keine eigenen Texte mehr geschrieben, aber Musik gemacht, beispielsweise als Gitarrist für Bettina Wegner. Auch heute tritt er noch mit Liedern von Bob Dylan, Tom Waits, Bert Brecht, Gerhard Gundermann, Astor Piazzolla, den Beatles und den Stones auf. Auf seiner Karte charakterisiert er das Programm mit den Worten „von hinten durch’s russische Roulett in das Auge des Tango; ein Abend wie ein Glas Wein unter Freunden.“

Kurz nach 1989 hat er das Plattenlabel „Nebelhorn“ gegründet. Das Plattenlabel diente zunächst dem Vertrieb seiner eigenen Platte „Restbestände“ die heute noch als CD erhältlich ist. Dann meldeten sich Kolleg*innen. Jede zweite oder dritte Produktion verkaufte sich gut.

Vom Club Voltaire zum Buonarotti-Archiv

Eine weitere Gründung Stefan Körbels war 1997 der Club Voltaire. Dieser orientierte sich an einem Vorbild aus Frankfurt am Main. Stefan Körbel bezeichnete das Konzept als „einen linken Grundkonsens mit Programm und Gastronomie“. Der Club lag im Prenzlauer Berg in der Nähe des Thälmann-Parks, im Keller des ehemaligen Direktionsgebäudes des ehemaligen Gasometers, das dem Thälmann-Denkmal weichen musste. Dann stieg die Miete. Um den Club über Wasser zu halten, wurde auch für Feiern verschiedener Art, zum Beispiel Geburtstage und andere Familienfeiern, vermietet. Immerhin hat der Club drei Jahre gehalten.

Stefan Körbels aktuelles Projekt ist das 2014 gegründete Buonarroti-Archiv, ein biografisches Interview-Projekt, auch mit viel Musik verbunden. Träger ist der Verein für zeitgeschichtlich – biografische Dokumentation, dessen erster Vorsitzender Stefan Körbel ist. Jede Seite des Internetauftritts hat ein eigenes Motto, jeweils rund um das Thema der Erinnerungskultur. Ein Beispiel: „Lies keine Geschichte, nur Biografien, denn das ist Leben ohne Theorie.“ (Benjamin Disraeli). Namensgeber ist der Politiker, Publizist und Revolutionärs Filippo Buonarroti (1761 – 1837) zu skizzieren (eine inspirierende Biographie bietet Friederike Hausmann in der ZEIT).

Das Archiv enthält inzwischen 29 Interviews mit Zeitzeug*innen. Unter den Interviewten befinden sich Carmen-Maja Antoni, Annekathrin Bürger, Sigmund Jähn. Jedes Interview umfasst etwa zwei bis sechs Stunden. Ein Gedanke bei der Gründung war, dass sich doch Hochschulen und Forschungsinstitute interessieren müssten, beispielsweise die Humboldt-Universität und das Institut für Zeitgeschichte in Potsdam. Geld von der Heinrich Böll Stiftung half, eine gute Kamera zu kaufen. Ein Freund bedient Kamera und Schnitt, ein weiterer gestaltet den Internetauftritt. Es gibt inzwischen auch einen Geschäftsführer für die organisatorische und finanzielle Seite.

Stefan Körbel ist 1953 in Berlin / Ost geboren. Er arbeitete nach Schule, Wehrdienst und einem Studium der Kulturwissenschaften als freier Musiker und (Mit-)Gründer verschiedener kultureller Projekte (u.a. „Karls Enkel“, „Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot“, das Plattenlabel „Nebelhorn“, das „Buonarroti-Archiv) und hat 2019 seinen ersten Roman veröffentlicht. Er hat u.a. mit Gerhard Gundermann, Steffen Mensching, Gina Pietsch, Bettina Wegner und Hans Eckardt Wenzel zusammengearbeitet. In dem mehrfach erwähnten Buch von Michael Kleff und Hans Eckardt Wenzel sind zwei Interviews mit Stefan Körbel aus den Jahren 1990 und 1992 sowie weitere Interview mit den in diesem Interview genannten Künstler*innen zu finden. Gelegentlich macht Stefan Körbel Lesungen mit Musik. Wer ihn buchen möchte, kann dies über st.koerbel@gmx.de tun. Stefan Körbel lebt in Berlin und in Altwarp (im Oderdelta).

Norbert Reichel, Bonn

(Anmerkungen: Erstveröffentlichung im Januar 2020. Internetlinks wurden am 17. September 2022 auf Richtigkeit überprüft.)