Kulturraum Europa

Das Creative Europe Desk KULTUR in Bonn

Die Europäische Union hat zur Förderung des Kultur- und Kreativsektors das Programm KREATIVES EUROPA KULTUR entwickelt. Gefördert werden damit vor allem Kooperationsprojekte zwischen Kultureinrichtungen aus den 28 EU-Ländern sowie 13 weiteren Staaten. Dazu zählen die EWR-Länder Island und Norwegen, sowie Albanien, Armenien, Nordmazedonien, Republik Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Republik Moldau, Tunesien, Ukraine, Kosovo, nicht mehr die Türkei. Europäische Förderung ist oft recht kompliziert. Nachgefragt wird daher von den potenziellen Antragstellern eine fachlich fundierte Beratung, die auch der „Kohärenz“ der geförderten Projekte dienen soll.

Eine solche Beratung bietet der Creative Europe Desk KULTUR. Die Europäische Union und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien finanzieren diese Beratungseinrichtung in Deutschland als Teil der Kulturpolitischen Gesellschaft in Bonn. Lea Stöver leitet diese Beratungseinrichtung seit 2018. Sie ist Ethnologin und sammelte Erfahrungen in der internationalen Kulturarbeit im Goethe-Institut in München und Ghana.

Norbert Reichel: Sie leiten den Creative Europe Desk KULTUR. Welche Aufgaben haben Sie? Wie viele Kolleg*innen arbeiten mit Ihnen zusammen?

Lea Stöver: Wir sind ein Team von vier Kolleginnen mit 3,5 Stellen sowie einer studentischen Hilfskraft. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Kulturschaffende in ganz Deutschland über die Fördermöglichkeiten der EU informiert werden und Hilfe bei der Antragstellung erhalten. Wir organisieren deutschlandweit Veranstaltungen und Workshops und beraten über Telefon und E-Mail. Darüber hinaus ist die Öffentlichkeitsarbeit ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit, also von der Website über Newsletter und Facebook.

Norbert Reichel: Kultur ist ein relativ weit fassbarer Begriff. Was versteht die Europäische Union unter „Kultur“? Geht es dabei um die Förderung kreativer und innovativer Ideen im weitesten Sinne oder ist der Kulturbegriff der Europäischen Union an die bekannten künstlerischen Sparten gebunden? Können auch Vorhaben der „Erinnerungskultur“ gefördert werden?

Lea Stöver: Was die EU im Bereich Kultur machen darf, wurde im Lissabonner Vertrag folgendermaßen festgelegt: „Die Union leistet einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes.“ (Vertrag von Lissabon, Artikel 167(1)) Der Kulturbegriff ist damit erst einmal sehr weit gefasst und umfasst im Grunde alles, was die Mitgliedsstaaten als ihre Kultur(en) begreifen. Dieser sehr weite Kulturbegriff findet sich auch in dem Förderprogramm KREATIVES EUROPA KULTUR wieder. Der größte Förderbereich, die Kooperationsprojekte, ist ein spartenoffener Förderbereich. Festgelegt ist nur, dass die antragstellenden Organisationen im Kultur- und Kreativsektor tätig sein müssen. Das heißt alles von den „klassischen Sparten“ bis hin zu interdisziplinären Projekten sind förderfähig. Damit auch die Erinnerungskultur und das insbesondere in Verbindung mit dem Thema Kulturerbe.

Norbert Reichel: Die Kulturförderung der EU finanziert nicht den (physischen) Aufbau oder die Sicherung von Infrastruktur. Daraus folgt, dass geförderte Institutionen eine gewisse Infrastruktur bereits mitbringen müssen. Projekte sind zeitlich befristet. Welche Vorteile haben Kultureinrichtungen von einer europäischen Förderung?

Lea Stöver: Wer ein Kooperationsprojekt im Sinne des Förderprogramms beantragt, muss vor allem eines wollen: Europäisch arbeiten und das auf allen Ebenen, von der Konzeption, der Planung von Aktivitäten und deren Umsetzung bis zur Abrechnung. Das geht weit darüber hinaus, „nur“ europäische Künstler*innen in einzelne Aktivtäten mit einzubeziehen, sondern meint eine längerfristige und zusammenhängende Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen aus Europa. Das Programm fördert damit Projekte, für die die internationale Zusammenarbeit notwendig ist. Die erste Frage sollte daher immer sein: Warum muss und will ich das Projekt mit europäischen Partnern und nicht nur mit deutschen Partnern machen? Es geht also um die Entwicklung von Ideen, Konzepten, Innovationen durch europäischen Austausch. Der Vorteil für Kultureinrichtungen liegt darin, dass keine andere Institution internationale Projekte in diesem Maße fördert – wir sprechen hier von Projekten von drei bis hin zu 15 Einrichtungen, das macht nur die EU.

Norbert Reichel: Wer ist antragsberechtigt und welche institutionellen Voraussetzungen müssen erfüllt werden? Sind Eigenanteile erforderlich und wer erbringt diese? Wie wird von wem über die Anträge entschieden? Wie lange dauert es in der Regel von der ersten Idee bis zum Start eines Projekts?

Lea Stöver: Antragsberechtig sind nur juristische Personen (als z.B. Vereine, öffentliche Einrichtungen, aber auch Unternehmen), die im Kultur- und Kreativsektor tätig sind. Letzteres ist mit Absicht sehr offengehalten.

Die Kulturförderung der EU darf nur eine Ko-Finanzierung sein. Darauf haben sich die Mitgliedsstaaten geeinigt, um ihre Selbstbestimmung im Kulturbereich bewahren zu können. Im Förderbereich Kooperationsprojekte gibt es zwei Kategorien: Für die „Kleinen Kooperationsprojekte“ braucht man mindestens drei Partner aus drei Ländern und erhält 60% der förderfähigen Kosten bzw. max. 200.000 € von der EU. Für die „Großen Kooperationsprojekte“ erhält man 50% der förderfähigen Kosten bzw. max. 2 Mio. €. Der Rest muss dann selbst finanziert werden, z.B. durch weitere nationale, oder regionale Drittmittel, durch Eigenmittel oder Einnahmen, die im Projekt erzielt werden.

Die Auswahl der Projekte wird zentral von der Europäischen Kommission gesteuert. Jeweils zwei externe Juror*innen bewerten ein Projekt und vergeben Punkte. Da es ein Wettbewerb ist, ist also auch entscheidend wie viele Projekte eingereicht wurden und wie diese insgesamt bewertet wurden. Danach entscheidet sich, ab welcher Punktzahl gefördert wird.

Die Vorlaufzeit für Projekte ist sehr unterschiedlich, da es auf die Vorerfahrungen und die Kapazitäten einer Organisation ankommt. Wenn man wirklich bei Null anfängt, ist ein Jahr schon eher knapp geplant. Ich kenne aber auch Organisationen die so einen Antrag in wenigen Wochen aus dem Ärmel geschüttelt haben – das ist wohl aber eher selten. Von der ersten Idee, dem Finden und Auswählen europäischer Partnerinstitutionen, der Ausarbeitung der Idee bis zum Verfassen des Antrages kann schon einige Zeit vergehen.

Demokratischer Salon: Der aktuelle Arbeitsplan des Rates der EU für Kultur 2019–2022, der am 27. November 2018 angenommen wurde, setzt „fünf Schwerpunkte für die europäische Zusammenarbeit in der Kulturpolitik: Nachhaltigkeit im Bereich des kulturellen Erbes, Zusammenhalt und Wohlbefinden, Umfeld zur Unterstützung von Künstler*innen, Kultur- und Kreativschaffenden und europäischen Inhalten, Gleichstellung der Geschlechter, Internationale Kulturbeziehungen.“ (so zu lesen in Ihrer Internetseite). Das sind nicht nur künstlerische, sondern in erster Linie gesellschaftliche Ziele. Wie passt das zusammen?

Lea Stöver: Der Ratsarbeitsplan für Kultur ist eine Leitlinie der europäischen Kulturpolitik, auf die sich die Mitgliedsstaaten geeinigt haben. Daneben hat die EU-Kommission ebenfalls eine neue Agenda für Kultur im Mai 2018 veröffentlicht, die die Ziele der Kommission im Bereich Kultur formuliert. Viele Inhalte zwischen dem Ratsarbeitsplan und der Agenda für Kultur ähneln sich natürlich.

Ich möchte es einmal so erklären: Jede (kultur)fördernde Institution, sei es eine Unternehmensstiftung, eine öffentliche Einrichtung oder ein*e private Geldgeber*in verbindet mit der Förderung inhaltliche wie formelle Voraussetzungen, die den eigenen Überzeugungen oder auch Zielen entsprechen. In diesem Sinne (vereinfachend gesagt) hat die EU als Förderer als Hauptziel das friedliche Zusammenleben der Menschen in Europa zu ermöglichen. Die EU als gesellschaftliches Großprojekt ist damit auch der Hintergrund, vor dem die Kulturförderung stattfindet. Das heißt natürlich nicht, dass andere Ziele wie die künstlerische Freiheit und Innovation aber auch Wirtschaftlichkeit und internationale Zusammenarbeit keine Rolle spielen. EU-geförderte Projekte sollen damit auch in der künstlerischen Arbeit diese Ziele unterstützen. Dem kann man natürlich eine gewisse Funktionalisierung von Kunst vorwerfen. Meiner Erfahrung nach ist das Förderprogramm KREATIVES EUROPA KULTUR in seinen inhaltlichen Vorgaben aber so flexibel, dass hier die künstlerische Freiheit sehr gut ausgelebt werden kann. Die EU-Kommission bemüht sich darüber hinaus natürlich auch die Bedürfnisse des Kultur- und Kreativsektors zu berücksichtigen und dementsprechend zu fördern. Hier findet viel Austausch statt.

Norbert Reichel: Gefördert werden können auch Vorhaben, die zu der Priorität Digitalisierung beitragen. Das kommt einer Wirtschaftsförderung schon recht nahe. Was muss ich mir darunter konkret vorstellen?

Lea Stöver: Bei der Förderung von Digitalisierung im Kultur- und Kreativsektor geht es vor allem darum, dass der Einsatz von digitalen Technologien in allen Arbeitsbereichen gefördert werden soll. In den durch KREATIVES EUROPA KULTUR geförderten Projekten sind das dann vor allem Aktivitäten, in den digitale Technologien neue künstlerische Gestaltung und Umsetzung ermöglichen. Beispiele dafür sind die Nutzung von VR-Technologie (VR seht für Virtual Reality, also virtuelle Realität) im Theater, die Gestaltung von Ausstellungen in virtuellen 3D-Räumen, die Nutzung von Blockchain-basierten Bezahlungssystem bei Musikfestivals oder auch Apps im Museumsbereich, die neue Publikumsgruppen ansprechen sollen. Es geht also generell darum durch digitale Technologien Lösungen für aktuelle Herausforderungen wie z.B. schwindende Publikumszahlen oder auch ökologische Aspekte zu finden. Es geht damit eben nicht um Wirtschaftsförderung, sondern darum, Digitalisierung als Chance für vielfältige Aufgaben in der Kultur zu nutzen.

Norbert Reichel: Können auch Projekte der kulturellen Bildung und Ausbildungsprojekte für Künstler*innen gefördert werden?

Lea Stöver: Ja, es gibt bei den Kooperationsprojekten fünf Prioritäten, von denen jedes Projekt sich mindestens eine und maximal drei aussuchen muss. Eine der Prioritäten lautet Aus- und Weiterbildung. Angeregt werden sollen damit explizit Projekte, die Kulturschaffende, aber auch das Publikum bilden und für Weiterentwicklung sorgen. In der Priorität Publikumsentwicklung steckt dann auch der Aspekt der kulturellen Bildung drin: Hier geht es nicht nur darum neue Publikumsgruppen zu erreichen, sondern mit diesen aktiv zu arbeiten. Das heißt besonders bisher benachteiligte Gruppen in die kulturelle Arbeit einzubeziehen.

Norbert Reichel: Welche Rolle spielen in der Förderung Projekte zum Thema Migration?

Lea Stöver: Im letzten Jahr gab es das erste Mal eine gesonderte Priorität für Kooperationsprojekte, die sich der Integration von Geflüchteten und Menschen mit Migrationsgeschichte widmen. Auch in der kommenden Ausschreibung wird dieser Schwerpunkt wieder gelegt. Kulturprojekte zu diesem Thema sollen also auf Wunsch der EU-Kommission eine noch viel größere Rolle spielen und ich weiß, dass man da auf gute Ideen besonders aus dem Kultursektor setzt.

Norbert Reichel: Für eine Förderung mit EU-Mitteln aus dem Programm KREATIVES EUROPA KULTUR ist der „europäische Mehrwert“ conditio sine qua non. Begegnungen von Kulturschaffenden in mehreren europäischen Mitgliedstaaten sind unabdingbar. Wie sehen solche Begegnungen aus?

Lea Stöver: Europäischer Mehrwert heißt, dass durch die europäische Zusammenarbeit etwas entsteht, was auf nationaler oder auch bi-nationaler Eben nicht möglich wäre. Eben ein Mehrwert für die Institutionen, die beteiligten Akteur*innen, Zuschauer*innen oder die breitere Gesellschaft. Damit braucht ein Kooperationsprojekt auch das physische Aufeinandertreffen und gemeinsame Arbeiten der Beteiligten. Diese Aktivitäten sind sehr divers: vom direkten künstlerischen Schaffen im Rahmen einer Theaterproduktion oder einer Ausstellung, der Fortbildung im Rahmen von Konferenzen und Workshops bis eben zu inhaltlichen und organisatorischen Vor- und Nachbereitungen dieser Aktivitäten.

Mein Lieblingsbeispiel für den europäischen Mehrwert ist das Projekt „Un-Label. New Grounds for Performing Arts.“ was von 2015 bis 2017 lief und vom Verein der Freunde und Förderer des Sommertheaters Pusteblume aus Köln koordiniert wurde. Ziel war es hier, inklusives Arbeiten in den Darstellenden Künsten voranzutreiben – ein Thema, das in Deutschland zwar viel Aufmerksamkeit bekommt, bei dem aber gerade in künstlerischen Produktionen auch Aufholbedarf besteht. Die deutsche Projektleiterin Lisette Reuter hat sich deswegen mit einer Kompanie aus Großbritannien, der Candoco Dance Company, zusammengetan. Die hatten in dem Bereich schon sehr viel mehr Erfahrungen. Und sie hat einen türkischen und griechischen Partner mit ins Projekt geholt, bei denen wie in Deutschland auch noch einiges an Luft nach oben war, was die Zusammenarbeit in sogenannten mixed-abled Projekten angeht. Durch den Wissenstransfer, die gemeinsame Produktion eines Stückes und die wissenschaftliche Begleitung des Projektes ist also etwas entstanden, was allein auf deutscher, türkischer, griechischer oder britischer Ebene kaum umsetzbar gewesen wäre: ein 16-köpfiges, inklusives Ensemble aus den Bereichen Tanz, Musik, Akrobatik und Poesie.

Norbert Reichel: Könnten Sie zwei beispielhafte konkrete Projekte beschreiben?

Lea Stöver: Ein Projekt aus dem Theaterbereich, was ich kurz vorstellen möchte, heißt I will be everything. Geleitet wird es von dem britischen Theater New International Encounter und unter den sechs weiteren Partnern ist auch das Mummpitz Theater für Kinder und Jugendliche in Nürnberg.

Ziel des Projektes ist in alle sieben beteiligten Ländern Geschichten von Drittklässler*innen aufzunehmen und zwar darüber, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. Dies wurde in gemeinsam konzipierten Workshops im jeweiligen Land durch das jeweilige Theater durchgeführt. Jetzt verarbeitet ein Team aus Schauspieler*innen, Regisseur und Techniker*innen diese Geschichten zu einem gemeinsamen Bühnenstück, das wiederum in allen sieben Ländern aufgeführt wird. Und die beteiligten Schauspieler*innen kommen ebenfalls aus allen sieben Ländern.

Die große Herausforderung ist damit vor allem die Sprache: Wie führen wir ein Stück z.B. in Spanien auf, wenn nur ein Schauspieler Spanisch spricht? Genauso in Deutschland oder Polen? Im Moment arbeitet das Team noch an einer Lösung und ich bin gespannt auf ihre Ideen. Und genau darum soll es in europäischen Kooperationsprojekten gehen: Lösungen für ein gemeinsames Problem finden. In diesem Falle ist es die sprachliche Vielfalt Europas, die es natürlich zu erhalten gilt, die aber auch eine Herausforderung gerade für eine „textlastige“ Kunstform wie das Theater ist.

Ein anderes Beispiel aus einer ganz anderen Ecke ist das Projekt United Fashion, das unter belgischer Leitung läuft und an dem der German Fashion Council beteiligt ist. Ziel ist es durch den Aufbau eines Netzwerkes und gemeinsame Aktivitäten jungen, europäischen Modedesigner*innen neue Geschäftsmöglichkeiten zu eröffnen, z.B. indem sie in Workshops lernen, ihr eigenes Business zu starten oder aber Zugang zur Fashionszene in einem anderen Land erhalten.

Das Programm KREATIVES EUROPA KULTUR ist also offen für alle Sparten, es deckt vom Kultursektor bis zur Kreativindustrie alles ab. Dreh- und Angelpunkt jeder Projektidee muss aber der Wille und das Bedürfnis zur europäischen Zusammenarbeit sein.

Norbert Reichel: In verschiedenen Mitgliedstaaten versuchen die Regierungen, die Freiheit von Kultureinrichtungen und Kulturschaffenden einzuschränken. Bücher in Bibliotheken werden aussortiert, Theater verlieren öffentliche Zuschüsse. Gefordert wird eine affirmative „Nationalkultur“ oder „Leitkultur“. In Deutschland stellt eine Partei in kommunalen Räten und Landtagen regelmäßig entsprechende Anträge und Anfragen. In Baden-Württemberg wurde nach der Zahl ausländischer Künstler*innen in Theatern und anderen Einrichtungen gefragt. Wenn diese Partei Partner findet, hat sie sogar in manchen Städten Erfolg. Nicht nur freie Angebote geraten unter Rechtfertigungsdruck. Welche Rolle spielen solche Entwicklungen in Ihrer Arbeit?

Lea Stöver: Diese Thematik spielt nur eine indirekte Rolle in unserer Arbeit des CED KULTUR. Indirekt insofern, als dass wir hauptsächlich mit Menschen zu tun haben, die sich z.B. gegen zunehmenden Nationalismus und Abgrenzung einsetzen wollen. Die Idee eines Europäischen Kooperationsprojektes ist meines Erachtens und auch für viele Antragstellende auch schon eine Gegenbewegung dazu. Insofern versuche ich auch bei jeder Gelegenheit von den wirklich vielen, gut funktionierenden Kooperationsprojekten zu berichten. Einerseits um zu zeigen, dass europäische Zusammenarbeit im Kulturbereich durch dieses EU-Programm gefördert wird; andererseits um die hervorragende europäische Arbeit vieler Institutionen bekannt zu machen. Europa findet in diesen Projekten wirklich statt – das bekommt meines Erachtens oft viel zu wenig Beachtung.

Norbert Reichel: Mit dem Begriff des „Kulturellen Erbes“ ließen sich auch ausgesprochen nationalistische Projekte begründen, möglicherweise beantragt von fünf entsprechenden Organisationen in fünf Mitgliedstaaten. Wie schützt sich die Europäische Union vor Vorhaben, die ihre Ziele in dieser Form konterkarieren?

Lea Stöver: Ich denke es ist bisher deutlich geworden, dass das Programm KREATIVES EUROPA KULTUR durch seine spezifischen Anforderungen die Umsetzung nationalistischer Agenden schwer macht. Der europäische Mehrwert ist meines Erachtens das genaue Gegenstück zu nationalistischen Bestrebungen. Denn Kooperationsprojekte sind darauf angelegt, dass allein die europäische Zusammenarbeit etwas bewegen kann. Ich denke spätestens bei dem Punkt sind Institutionen, die sich einem nationalistischen und statischen Kulturbegriff verschrieben haben, außen vor. Ich glaube die Gefahr liegt nicht darin, dass das Förderprogramm KREATIVES EUROPA KULTUR durch nationalistische Projektideen missbraucht wird. Ich denke die Gefahr liegt eher darin, dass durch die begrenzte finanzielle Ausstattung des Programms die Reichweite und der Einfluss der Projekte nicht ausreicht, um nicht nur den Kultursektor von europäischen Kooperationen zu überzeugen, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger Europas.

Norbert Reichel: Gibt es Kooperationen mit anderen internationalen Organisationen, beispielsweise der UNESCO?

Lea Stöver: Ja, es gibt die Zusammenarbeit mit der UNESCO, aber auch dem Europarat und der OECD in verschiedener Weise. Meist geschieht sie anlassbezogen in Arbeitsgruppen. Im Jahr 2020 wird zum Beispiel die Kooperation mit dem Europarat fortgesetzt (das ist keine EU-Institution und nicht zu verwechseln mit dem Rat der EU, der Europarat ist ein Zusammenschluss aus 47 Ländern und sieht sich als Forum für europäische Fragen vor allem im Bereich der Menschenrechte). Die EU-Kommission unterstützt die sogenannte Nikosia Konvention des Europarats, die bestimmte Strafrechtsvorschriften in Bezug auf die Zerstörung, Plünderung und den illegalen Handel von Kulturgut setzt. Außerdem unterstützt die EU das Projekt „Europäische Tage des Kulturellen Erbes“ des Europarates – in Deutschland bekannt als Tag des offenen Denkmals.

Norbert Reichel: Werden die geförderten Projekte wissenschaftlich begleitet und evaluiert? Mit welchem Ziel und mit welchen Ergebnissen?

Lea Stöver: Jedes Kooperationsprojekt muss in der Bewerbung auch aufzeigen, wie das Projekt evaluiert wird und welche nachhaltigen Ergebnisse erzielt werden können. Das heißt jedes Projekt muss bezogen auf die eigene Arbeit eine solche Strategie vorweisen. Das dient natürlich einmal dazu, dass sich die Projekte gewisse Standards im Projektmanagement setzen, und andererseits dazu die inhaltlichen Ergebnisse auch über den Projektzeitraum zu sichern. Im Falle des schon erwähnte Projekts Un-Label war beispielsweise die TU Köln beteiligt, um am Ende eine Handreichung zu erarbeiten, die Ergebnisse sichert und Empfehlungen ausspricht.

Das Programm KREAITVES EUROPA KULTUR wird dann natürlich auch als Ganzes evaluiert. Dazu wurde letztes Jahr eine Halbzeitevaluierung veröffentlicht und vor kurzem der Jahresbericht 2018.

(Anmerkungen: Erstveröffentlichung im August 2019. Die Internetlinks wurden am 22. September 2022 auf ihre Richtigkeit überprüft. Dabei stellte sich leider heraus, dass einige der im August 2019 noch aktiven Links über konkrete Projekte und Berichte der EU nicht mehr aktiv waren. Sie wurden daher entfernt.)