Liebe Freund*innen des Demokratischen Salons,

in meinem letzten Newsletter habe ich eine Veranstaltung angekündigt, die ich am 21. Januar 2020 gemeinsam mit der Universität Bonn und Prof. Dr. Ines Geipel sowie mit Unterstützung der Bundesstiftung Aufarbeitung und der Theatergemeinde Bonn zum Thema „Verfemte Dichter in der DDR“ durchführen werde. Da die Veranstaltung digital stattfindet, gibt es keine „Obergrenze“ für die Zahl der Teilnehmenden. Bereits jetzt haben sich viele interessierte Menschen angemeldet, auch aus anderen Ländern, beispielsweise aus Polen, Österreich und Spanien, ein kleiner Vorteil des digitalen Formats. Ich möchte euch / Sie bitten, mir möglichst bis zum 10. Januar 2021 eure Anmeldung zu schicken, damit ich anschließend allen den versprochenen Zugangslink zur Veranstaltung schicken kann.

Der November stand im Zeichen verschiedener Gespräche, die ich mit Künstler*innen und Expert*innen verschiedener Künste geführt habe, Stichworte: Kunst, Politik, Geschichte:

  • Zur Vorbereitung der Veranstaltung „Verfemte Dichter in der DDR“ habe ich ein Gespräch mit Ines Geipel, Titel „Die dritte Literatur des Ostens“, im Demokratischen Salon dokumentiert: Die dritte Literatur des Ostens – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de). Es werden noch weitere vorbereitende Texte folgen, eine literarisch-politische Rahmung über ein Gespräch mit meiner Kollegin Prof. Dr. Kerstin Stüssel von der Universität Bonn sowie ein Essay über die verfemten Dichterinnen in der DDR, um deren Würdigung und Publikation sich Ines Geipel und Joachim Walter verdient gemacht haben. Ines Geipel gibt eine fundierte Einschätzung des Terrors und der Unsicherheiten, die kreative Menschen in der DDR erleiden mussten, und beschreibt, wie sich die Werke der verfemten Autor*innen zu denen der in der DDR zugelassenen Autor*innen verhielten und verhalten.
  • Die in Berlin lebende französisch-israelische Regisseurin Sharon Ryba-Kahn hat ihren zweiten Dokumentarfilm fertiggestellt: „Displaced“. Die offizielle Premiere wurde leider wegen der Pandemie verschoben. Ich empfehle, sich diesen Film – sobald er hoffentlich bald dann doch in die Kinos kommt – anzuschauen. In einem Interview mit dem Titel „Lebensbilder“ habe ich mit Sharon über Motivation und Themen ihrer beiden Filme „Recognition“ und „Displaced“ gesprochen: Lebensfilme – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de). In beiden Filmen geht es immer wieder um das Verhältnis von Jüdinnen*Juden zu Deutschland, um die Traumata, die nicht nur die Generation der Überlebenden der Schoah, sondern auch die zweite und dritte Generation ihr Leben lang begleiten, sowie um die Verdrängung der Geschichte der Täter*innen in Deutschland durch deren Kinder und Enkel*innen. Es geht um Erinnern, Schweigen, Vergessen, in „Recognition“ auch im Hinblick auf die sich daraus ergebenden Dilemmata und Paradoxien für das Verständnis der komplexen Konflikte um Israel und die Palästinensischen Autonomiegebiete. In „Recognition“ portraitiert Sharon Ryba-Kahn drei junge israelische Frauen mit sehr verschiedenen Lebenswegen. Ich habe versucht, beide Filme in meinem Essay „Confrontations“ zu würdigen: Confrontations – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de).
  • Mit Jürgen Kaumkötter, dem Direktor des Zentrums für verfolgte Künste in Solingen habe ich unter dem Titel „Der Tod hat nicht das letzte Wort“ über Kunst in und nach Auschwitz gesprochen: „Der Tod hat nicht das letzte Wort“ – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de). Der Titel meines Essays zitiert den Titel eines von ihm 2015 veröffentlichten Buches. Thema ist nicht nur die Geschichte der Künstler*innen, die in Auschwitz malen konnten, sondern auch die folgende Geschichte der Gründung des Museums in Auschwitz und der Würdigung der Werke dieser Künstler*innen nach 1945. Vorgestellt werden Werke der Sammlung Gerhard Schneider, die im Zentrum für verfolgte Künste zu sehen sind, sowie Bilder aus dem Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück sowie dem Museum in Auschwitz. In dem Gespräch werden auch die unterschiedlichen Lebenswege überlebender Künstler nach der Befreiung thematisiert.
  • In dem Text „Both Eyes in My Two Hands“ dokumentiere ich ein Gespräch, das ich am 28. Oktober 2020 in der Galerie Zilberman in Berlin mit der Konzeptkünstlerin Sandra del Pilar geführt habe: „Both Eyes in My Two Hands“ – Zur Legitimation von Macht und Gewalt – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de). Sandra del Pilar beschreibt Motivation, Hintergründe und Methodik ihres Werks. Sie erklärt, warum man*frau sich ihre Bilder „erlaufen“ muss und wie sich „Wahrnehmung“ je nach Blickwinkel verändert. Sandra del Pilar ist eine ausgesprochen politisch denkende Künstlerin, die in ihrem Werk mehrfach das Thema der Gewalt aufgreift und stets versucht, sich in die Opfer ebenso wie in die Täter*innen hineinzuversetzen, um damit Abgründe der menschlichen „Natur“ zu ergründen, eine Art „mise en abyme“. Das Gespräch reiht sich im Demokratischen Salon in eine Serie von Texten ein, die ich mit Sandra del Pilar gestaltet habe und die am Titelbild erkennbar sind, ein Ausschnitt ihres Bildes „Treat Me Like A Fool, Treat Me Like I’m Evil“.

Weitere Empfehlungen:

  • Thema Lichtblicke: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lässt das Schloss Bellevue in Berlin vom 15. bis 17. Dezember als künstlerischen „Lichtblick“ erstrahlen. Damit möchte er am Ende des durch die Corona-Pandemie geprägten Jahres 2020 ein Zeichen der Ermutigung und des Zusammenhalts setzen. In einer Videobotschaft ruft er die Bürger*innen zur Mitgestaltung auf. Ihre persönlichen Botschaften sollen auf der Fassade des Berliner Amtssitzes zum Leuchten gebracht werden. Botschaften können bis zum 17. Dezember 2020 eingesandt werden: https://bundespraesidialamt.guest-company.com/de/event/lichtblick. Die Lichtprojektion wird vom 15. bis 17. Dezember 2020 von jeweils 16.30 bis 22.00 Uhr stattfinden und auch live auf Facebook (facebook.com/Bundespraesident.Steinmeier) und auf der Internetseite des Bundespräsidenten (www.bundespraesident.de) gestreamt. Weitere Informationen zu der Aktion unter https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/12/201201-Lichtblick-Aufruf.html
  • Thema Kinderrechte: Dem regelmäßig erscheinenden Newsletter von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung entnahm ich den Hinweis auf die folgende Studie:  pdf (brot-fuer-die-welt.de). Autor ist Christopher Steinmetz vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Das Fazit im Titel: „Deutsche Rüstungsexporte verletzen Kinderrechte“. Die Studie belegt, „dass fast alle Staaten, denen von den Vereinten Nationen schwere Kinderrechtsverletzungen vorgeworfen werden, seit 2014 deutsche Waffen erhalten haben“. Der Bericht nennt die Länder, die Zahlen und dokumentiert das Versagen deutscher Rüstungskontrollpolitik.
  • Thema Rassismus: Ich hatte zuletzt auf die Seite„#Sayhername“ hingewiesen (aapf.org), die die Geschichten Schwarzer Frauen in den USA dokumentiert, die Opfer von Polizeigewalt geworden sind. Ich möchte auch auf eine Website hinweisen, die alltägliche Rassismuserfahrungen afrodeutscher Menschen in Deutschland dokumentiert. Der Checkpoint des Berliner Tagesspiegels stellt jeden Tag einen kurzen Text vor: Was ihr nicht seht! (@wasihrnichtseht) • Instagram-Fotos und -Videos, auch für diejenigen sichtbar, die nicht auf Instagram unterwegs sind. Zwei Beispiele: „In der 9. Klasse hat meine Bio-Lehrerin behauptet, dass meine Familie in Afrika in Lehmhütten lebt.“ „Ich habe mal in einem Jugendclub beim Saubermachen geholfen. Als ich fertig war, ging ein Typ vorbei und meinte: ‚Ja, uns zu bedienen, dazu seid ihr geboren‘.“
  • Thema Antisemitismus 1: Ich darf auf den vom Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment am 10. November 2020 veröffentlichten Forschungsbericht „Antisemitismus im Kontext Schule – Deutungen und Umgangsweisen von Lehrer*innen an Berliner Schulen“ verweisen, dessen Ergebnisse auch für andere Städte repräsentativ sein dürften. Die von Marina Chernivsky und Dr. Friederike Lorenz verfasste Studie befasst sich u.a. mit der Frage, wie Antisemitismus von Lehrer*innen und Schulleitungen wahrgenommen, eingeordnet und bearbeitet wird. Der Forschungsbericht ist ab sofort auf der Website des Kompetenzzentrums zum Download verfügbar: Umgang mit Antisemitismus im Kontext Schule – Berlin – Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment (zwst-kompetenzzentrum.de). Auf der Seite wird für Dezember 2020 eine weitere Studie angekündigt, in der die Wahrnehmung von Antisemitismus durch Jüdinnen*Juden thematisiert wird. Ich werde die Ergebnisse dieser und anderer Studien zum Thema in nächster Zeit im Demokratischen Salon etwas ausführlicher vorstellen, darf aber auch auf bereits im Oktober und vorangegangenen Monaten vorgestellte Essays verweisen, beispielsweise: Die Bildung und der Antisemitismus – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de).
  • Thema Antisemitismus 2: Man*frau muss nicht allem zustimmen, was Maxim Biller schreibt, aber wo er recht hat, hat er recht. Ich empfehle zu Lektüre und Beherzigung sein Statement zur Causa Lisa Eckhart: Was hat Lisa Eckhart im „Literarischen Quartett“ verloren, ZDF? – Medien – SZ.de (sueddeutsche.de). Titel: „Die Truppenbetreuerin beim ZDF“. Maxim Biller hätte auch gleich Dieter Nuhr erwähnen können, denn wer so verantwortungsvergessen mit NS-und Antisemitismus-konnotierten Begriffen spielt, darf sich nicht wundern, dass das nicht mehr als Satire bezeichnet werden kann, sondern als das bezeichnet werden muss, was es ist: Antisemitismus. Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich gehöre nicht zu denen, die Lisa Eckhart und andere ausladen würden, ich würde sie mit dem, was sie sagen, konfrontieren, aber eine Einladung zum „Literarischen Quartett“ ist schlichtweg zumindest geschmacklos, und das nicht nur in memoriam Marcel Reich-Ranicki.
  • Thema Antiziganismus: Der Zentralrat der Sinti und Roma berichtet: „Unter dem Vorsitz Deutschlands verabschiedete die Internationale Allianz zur Holocaust-Erinnerung (IHRA) am 8. Oktober 2020 eine Arbeitsdefinition für Antiziganismus als spezifische Form des Rassismus, die sich seit Jahrhunderten gegen Sinti und Roma richtet. (…) Die Arbeitsdefinition benennt zahlreiche konkrete Beispiele, wie Antiziganismus in der Gesellschaft auftritt und wie dieser identifiziert werden kann. Die vollständige Arbeitsdefinition ist auf Deutsch und Englisch online verfügbar und wird aktuell in weitere Sprachen übersetzt.“ Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma: „Die Internationale Allianz zur Holocaust-Erinnerung (IHRA) erzielt einen wichtigen Meilenstein für die Ächtung von Antiziganismus in Europa. Jetzt sind die nationalen Regierungen aufgefordert, diese Arbeitsdefinition des Antiziganismus offiziell anzuerkennen. Die Arbeitsdefinition soll öffentliche Institutionen, insbesondere die Justiz, Polizei und das Bildungswesen, wie auch die Medien sensibilisieren und zur Identifikation von Hassrede und Hassverbrechen dienen.“ Zentralrat Deutscher Sinti und Roma begrüßt die Verabschiedung der IHRA Arbeitsdefinition zu Antiziganismus | Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Empfehlen darf ich zum Wiederlesen oder Neuentdecken mein Gespräch mit Romani Rose: Der lange Weg zu Anerkennung und Respekt – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de).
  • Thema Erinnerungskultur 1: Ich hatte euch / Sie bereits auf die virtuelle Ausstellung 7Places Im Mittelpunkt der mehrsprachigen Online-Ausstellung7Places – Sieben Orte in Deutschland“. stehen sieben jüdische Gemeinden in Deutschland, deren Geschichte und Umgang mit dem Gedenken auf einem Zeitstrahl anhand von historischen Fotografien, authentischen Kunstwerken, Dokumenten und Zeitzeugnissen präsentiert werden. Beginnend mit dem Jahr 321, in dem der römische Kaiser Konstantin Jüdinnen*Juden den Zugang zum Rat der Stadt Köln wieder ermöglichte, umfasst der Zeitbogen die Verfolgung und Ermordung der Juden Europas im 20. Jahrhundert bis zur globalen Erinnerungsarbeit der Gegenwart. Kuratiert wurde die Ausstellung u.a. vom Zentrum für verfolgte Künste in Solingen. Beteiligt haben sich u.a. die Vereinten Nationen.
  • Thema Erinnerungskultur 2: Ich darf auch auf die von der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen geförderte und vom Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRWV. (www.ns-gedenkstaetten.de) konzipierte Wanderausstellung  „Mehr als man kennt – näher als man denkt“ hinweisen, in der 29 NS-Gedenkstätten in NRW vorgestellt werden: Mehr als man kennt – näher als man denkt: Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen (nrw.de). Jede Gedenkstätte wird anhand eines besonderen Gegenstands vorgestellt. Die Dokumentation der Ausstellung wurde mit Unterstützung des Fördervereins Villa ten Hompel gedruckt und ist bei der Landeszentrale erhältlich (https://www.politische-bildung.nrw.de/).
  • Thema Erinnerungskultur 3: Eine dritte digital verfügbare Ausstellung präsentiert das Jüdische Museum in Frankfurt am Main. Der Titel: „Unsichtbare Orte“: Unsere Frankfurt-App „Unsichtbare Orte“ – Jüdisches Museum Frankfurt (juedischesmuseum.de). Die Ausstellung wird auf dieser Internetseite kurz mit folgenden Worten vorgestellt: „Die App führt die Nutzer*innen auf Spurensuche in Frankfurt. Zu entdecken gibt es jede Menge: Geschichten von jüdischen Fußball-Clubs in Zeilsheim, griechischen Pelzhändlern im Bahnhofsviertel und türkischen Restaurants im Ostend.“ „Unsichtbare Orte“ zeigt, wo sich die Erinnerungen von Jüdinnen und Juden mit den Geschichten der griechischen, spanischen, türkischen und italienischen Communities überschneiden, an welchen Orten sich ihr Alltag abspielte und wie die Stadt nach 1945 zu einer „Stadt der Vielfalt“ wurde.“ Wie die App funktioniert, ist auch über einen auf youtube verfügbaren Film zu erfahren.
  • Thema Pandemie: Wer es noch nicht gesehen hat: Michael Hatzius und die Echse haben mit Enten nacherzählt, was so alles passiert ist: https://www.youtube.com/watch?v=M8cBaXL3QOI. Besser lässt sich das Thema satirisch kaum aufarbeiten (von den Beiträgen des Josef Hader einmal abgesehen, die sich auch immer wieder lohnen).

Viel Gewinn beim Lesen und Nachdenken! Ich würde mich freuen, wenn diejenigen, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, dort auf meine Essays und den Demokratischen Salon hinweisen.

In etwa vier Wochen melde ich mich wieder. Die voraussichtlichen Themen: Verfemte Literatur in der DDR, Antisemitismus, Erinnern und Vergessen.

Ich grüße Sie / euch alle herzlich und darf euch / Ihnen Chanukka sameach und Frohe Weihnachten wünschen, und ein Jahr 2021, das uns all die persönlichen Begegnungen wieder ermöglicht, auf die wir zurzeit verzichten, die aber eigentlich das sind, was uns zu Menschen macht, ganz im Sinne von Aristoteles zum „Menschen als politischem Wesen“.

Ihr / Euer Norbert Reichel

P.S.: Sollte jemand an weiteren Sendungen meines Newsletters nicht interessiert sein, bitte ich um Nachricht an info@demokratischer-salon.de. Willkommen sind unter dieser Adresse natürlich auch wertschätzende und / oder kritische Kommentare und / oder sonstige Anregungen.