Liebe Freund*innen des Demokratischen Salons,
in unserer Ausgabe für Februar 2023 finden Sie acht Texte: die Dokumentationen von Gesprächen mit der iranisch-deutschen Autorin Fahimeh Farsaie, mit Jörg Sundermeier und Kristine Listau vom Verbrecher Verlag sowie mit Manuel Gogos, Gründer der Agentur für geistige Gastarbeit, ein Portrait der sowjetischen Menschenrechtlerin Jelena Bonner anlässlich ihres 100. Geburtstags von Michael Hänel, einen Durchgang durch die ganz und gar nicht unpolitische Pop-Musik des Jahres 2022 von Christopher Reichel, einen Essay von Norbert Reichel über die Berliner Gedenktafeln, Straßennamen und diverse Orte der Weltgeschichte der vergangenen 200 Jahre, ein Portrait der engagierten Autorin und Feministin Chimanda Ngozi Adichie von Beate Blatz sowie eine Rezension des Zeitzeugenberichts von Stanislav Aseyev über ein Konzentrationslager im Donbass von Ursula Stark Urrestarazu.
Neu ist die Rubrik „Kommentare“: dort finden Sie die Texte, die bisher nicht so ganz passend in den Rubriken „Rezensionen“ oder „Essays“ platziert wurden, sowie – mit dem eindeutigen Erkennungszeichen einer Fotografie von Hans Peter Schaefer aus seiner Serie „deciphering fotographs“ – alle Editorials seit November 2021.
Wie üblich finden Sie in diesem Newsletter unsere Vorschläge für den Besuch von Ausstellungen und Veranstaltungen sowie unsere Empfehlungen für Lektüren, Podcasts oder Filme.
Das Editorial befasst sich mit der Frage, wie sich Liberale und Linke immer wieder von rechts ins Bockshorn jagen lassen. Lützerath, Gendersternchen und manche schräge Debatte um die Ukraine bieten gleichermaßen mehr als Anlass, darüber nachzudenken.
Das Editorial:
Streit in der Bundesregierung? Die einigen sich nicht? Und in den Parteien streiten sie auch? Die einen loben einen Kompromiss zum Stopp des Abbaus von Braunkohle, andere demonstrieren sehr aufwändig und mediengeeignet dagegen. Manchen Medien gefällt solcher Streit. Denn Einigkeit ist keine Nachricht. Streit schon. Und vor allem der Streit, wovor man sich mehr fürchten sollte. Thea Dorn brachte es am 9. Februar 2023 in einem Interview mit Kerstin Decker für den Berliner Tagesspiegel auf den Punkt: „Kaum etwas spaltet eine Gesellschaft mehr, als wenn eine Angstgruppe zur anderen sagt: Unsere Angst zählt, aber ihr mit eurer Angst spinnt doch!“ Ähnlich spaltet der Streit, ob überhaupt und wenn ja wer wem etwas verbieten darf
Ein solcher Diskurs über Politik reproduziert den aristotelischen Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Wo A gilt, kann niemals B gelten. Die einen loben die geschlechtsgerechte Sprache, die anderen halten sie für den Untergang des Abendlandes. Die einen machen Politik für Fahrradwege, die anderen für Autobahnen. Impfen oder nicht impfen? Aber kann es nicht beides geben oder etwas dazwischen? Ein Kompromiss? Kompromisse haben einen schlechten Ruf, der Elefant im Raum ist der „faule Kompromiss“. In taz FUTURZWEI schrieb Udo Knapp am 21. Januar 2023: „Nach Lützerath wird klar: Grüne Realpolitik und ökologischer Aktivismus sind nicht mehr zwei Seiten einer gemeinsamen Sache.“ Entweder das eine oder das andere – liebe Grüne, entscheidet euch! So werden grüne Politiker*innen ständig gefragt, auf welcher Seite sie stünden, und dies in einer Penetranz, die Nachfragende bei anderen Themen vermissen lassen. Hat jemand jemals die FDP gefragt, wie sie zu gewaltaffinen Protesten gegen die Impfpflicht stand?
Irgendwie wirken die genannten sehr deutschen Debatten doch provinziell. Nicht nur im Hinblick auf die Lage in der Ukraine oder im Iran, der zurzeit langsam aus den Nachrichten zu verschwinden scheint. Weder in Lützerath noch auf deutschen Fahrradwegen wird über die Zukunft der freiheitlichen Demokratien entschieden. In einem Land, in dem gestritten wird, ob man sich impfen lassen müsse, fehlt die Debatte darüber, was in Ländern geschieht, in denen die große Mehrheit der Bevölkerung – abgesehen von einigen Eliten – sich nicht einmal impfen lassen kann. Vielleicht lohnt sich der Blick in andere Länder, wie Klimakrise, Gesundheitsvorsorge, Grundversorgung der Bevölkerung dort diskutiert werden, in Pakistan, in Tunesien, in Argentinien und – ja auch dort – in den USA. Die üblichen Alltagsmedien wagen diesen Blick über den deutschen Tellerrand so gut wie nie. Lützerath nahm in der Presse einen Raum ein, der in keinem Verhältnis zu dem Raum steht, den Übergriffe rechter Gruppen erhalten. Und die Grünen waren wieder einmal in der Defensive.
Thorsten Mense überschrieb seinen Leitartikel der Jungle World vom 9. Februar 2023 mit der Warnung „Die Pogrome von morgen“: „Im mecklenburgischen Grevesmühlen versuchte vor zwei Wochen ein Mob von rund 700 Leuten, darunter bekannte Rechtsextreme, den Kreistag zu stürmen, um die Eröffnung einer Flüchtlingsunterkunft für 400 Menschen im Nachbardorf Upahl zu verhindern. Vergangene Woche gab es im niederbayrischen Marklhofen innerhalb von 24 Stunden gleich zwei Brandanschläge auf ein noch unbewohntes Zelt für Flüchtlinge in der Ukraine.“ Keine Einzelfälle. Thorsten Mense sieht zwar noch nicht die Dimension der Proteste von 2015 und 2016 erreicht, wohl aber die hohe Eskalationsgefahr sowie das erhebliche Gewaltpotenzial in den Reihen der Protestler*innen, „befeuert von einer rassistischen Notstandspropaganda über angeblich nicht mehr zu bewältigende Flüchtlingszahlen, die bis weit in die bürgerliche Mitte reicht.“ In der CDU warnte Sepp Müller seine Partei davor, auf die nationale Karte zu setzen. Das hätten vielleicht auch andere CDU-Politiker*innen getan, aber offenbar fragte sie niemand. Nur einmal eine geschätzte Zahl: in Lützerath spielten gewalttätige Demonstrant*innen ebenso wie übereifrige Polizist*innen nur eine kleine Rolle, aber in der Presse erschien es so, als wären die Gewalttätigen auf beiden Seiten in der Mehrzahl. Bei Berichten über Demonstrationen gegen Ein- und Zuwanderung verhält es sich umgekehrt.
Mir kam der Gedanke, ob die Aufregung über die Aktivist*innen von Lützerath nicht einer anderen medialen Aufregung vergleichbar wäre, den Debatten um die sogenannte „Cancel Culture“, was auch immer das sein mag. Adrian Daub, 1980 in Köln geboren (Achtung: Millenial!), Hochschullehrer für vergleichende Literaturwissenschaft an der Standford University, hat in seinem Buch „Cancel Culture Transfer – Wie eine moralische Panik die Welt erfasst“ (Berlin, edition suhrkamp, 2022) schon im Titel den Kern des Problems benannt: „Transfer“! Wie kann es gelingen, dass lokale Ereignisse zu weltpolitischen Bedrohungen aufgebauscht oder sagen wir hochgehypt werden? Es geht – so Adrian Daub – letztlich um „Aufmerksamkeitsökonomie“: „An einem winzigen College in den USA ist schier Unglaubliches passiert. Nun lesen wir davon im Spiegel. Wie gelangte eine Anekdote aus einer Mensa in Massachusetts auf die Seiten des Spiegel? Fast kein Text der Cancel-Culture-Panik macht sich die Mühe, das auszubuchstabieren.“
Manche werden mit Recht fragen, was uns interessiert, was an einem „winzigen College in den USA“ interessiert, wenn dort der berühmte Sack Reis umfällt, aber nicht, was in afrikanischen, asiatischen, südamerikanischen Ländern geschieht. Unsere „Aufmerksamkeitsökonomie“ ist schon sehr wählerisch. Aber eben dies ist das Erfolgsmodell rechtspopulistischer Parteien. Nach der Nacht vom 31. Dezember 2022 auf den 1. Januar 2023 ist es ihnen – und ähnlich denkenden Aktivist*innen anderer Parteien (Stichwort: „Paschas“) nicht gelungen, die Debatte zu migrantisieren. Dennoch funktioniert das Modell, denn sonst wären die aktuellen Umfragewerte der AfD nicht erklärbar. Gideon Botsch äußerte sich im Gespräch mit der taz anlässlich des zehnjährigen Bestehens dieser Partei: „Die AfD hat von einem wahnsinnigen medialen Zuspruch profitiert – denken Sie an die ganze Bereitschaft, die AfD in Talkshows zu lassen. Hinzu kommt, dass die AfD mit echten Medienprofis arbeitet. Viele, die mit der AfD und ihrem Umfeld zu tun haben, haben Meinungsmache von der Pike auf gelernt: (…). Als die AfD und ihr Umfeld gegen ‚unbegleitete minderjährige Geflüchtete‘ agitierten und diese pauschal verdächtigten, ihr Alter zu fälschen, konstatierte die Opferperspektive Brandenburg eine Zunahme der Gewalt gegen Minderjährige. Wir können den kausalen Zusammenhang nicht beweisen, aber die zeitliche Koinzidenz halte ich für keinen Zufall.“
Adrian Daub beschreibt, wie die US-amerikanische Rechte seit mehr als 40 Jahren versucht, jede Politik, die Minderheiten zu Sichtbarkeit und Recht verhilft, zu diffamieren und für sich eine Meinungsfreiheit postuliert, die sie aber den von ihnen kritisierten Liberalen und Linken auf keinen Fall zugestehen will. Das hat schon fast religiös-fundamentalistische Züge: „In Wahrheit sind die Kulturkampf-Anekdoten, die seit einem halben Jahrhundert um amerikanische Campus schwirren, allesamt Produkte eines auf ihre Auffindung und Verwertung ausgelegten Systems.“ Genauso funktioniert der Kampf der Rechten gegen wirksamen Klimaschutz. Und leider halten auch demokratische Parteien die Verhinderung eines Tempolimits für einen Freiheitskampf.
Slavoj Žižek brachte es am 9. Februar 2023 in der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt: die Linke ließe sich ins Bockshorn jagen, indem sie nur noch über „Identitätspolitik“ spreche, die Linke kämpfe die falschen Kämpfe. Und er nennt gleich ein weiteres Thema, den „Pazifismus“, der für manche Linke zur DNA ihres Denkens gehört, wie gesagt, wo A ist, könne niemals B sein: „Wissen Sie, was das Ironische am Pazifismus ist? Dass er im falschen Moment die Gefahr des Krieges nur erhöht. Was passiert denn, wenn wir die Ukraine Russland überlassen? Schauen Sie sich an, was passiert ist, als sich Amerika aus Afghanistan, als es sich aus Syrien zurückzog. Die einzige Möglichkeit, wie wir den Frieden bewahren können, ist, wenn wir deutlich machen, dass wir auch für ihn kämpfen, wenn es nötig ist.“ Der Linken gibt er folgenden Rat: „Sie muss vor allem aufhören, andere auszuschließen. Cancel Culture und Identitätspolitik sind doch in Wahrheit Exklusionsmechanismen. Wir müssen wieder zu den großen, inklusiven Visionen zurückkehren. Ganz schlicht gesagt, zu Versprechen von der Art, wir sorgen dafür, dass es allen gut geht und alle glücklich werden können.“
Klimaschutz, Identitätspolitik, Pazifismus – alle drei Themen sind hoch komplex und haben ihre Berechtigung. Diese Komplexität sollten sich auch Liberale und Linke bewusst machen. Zu dieser Komplexität gehört eben auch, dass sie nicht das Spiel der Rechten spielen sollten. Genau davor warnen Autor*innen wie Thea Dorn, Adrian Daub oder Slavoy Žižek. Noch einmal zurück zu Lützerath: die Grünen tun sich einen Tort an, wenn sie sich eine Debatte darüber aufzwingen lassen, was sie von der Performance radikaler Demonstrant*innen halten. Aber dazu ist es jetzt wieder einmal zu spät. Wieder einmal ist es Gegner*innen des Klimaschutzes und den Verharmloser*innen der Klimakrise gelungen, den Klimaschutz an sich zu desavouieren. Die Protestierenden gegen die Unterbringung von Geflüchteten können sich getrost hinter diesem Streit verstecken. Und der Streit um das Gendersternchen geht weiter, auch hier mit der Agenda der Rechten, denen es dort wo sie an der Macht sind spielend gelingt, Menschen vorzuschreiben, was sie lesen und denken sollen und was nicht. NR
Die neuen Texte im Demokratischen Salon:
Rubrik Osteuropa: Am 15. Februar 2023 wäre die sowjetische Menschenrechtlerin Jelena Bonner 100 Jahre alt geworden. Michael Hänel widmet ihr den Essay „Ein Leben für das Licht der Freiheit“. Themen des Essays sind ihre Herkunft aus einer privilegierten Familie, die der stalinistische Terror zerstörte, ihre Zeit im Sanitätsdienst der Roten Armee, ihre Identität als Jüdin, die gemeinsame Zeit mit Andrej Sakharow. Michael Hänel beschreibt die Verfolgung von Jüdinnen*Juden in der Sowjetunion, auch mit Verweis auf das von Ilja Ehrenburg und Wassili Grossman herausgegebene „Schwarzbuch“ über den „Genozid an den sowjetischen Juden“, Jelena Bonners Verbindungen zu anderen sowjetischen Menschenrechtler*innen sowie Schikanen und Terror durch KGB und andere sowjetische Institutionen. Wegmarken waren ihre Rede zur Verleihung des Friedensnobelpreises an Andrej Sakharow sowie ihre Ehrung mit dem Hannah-Arendt-Preis im Jahr 2000. Eine Leseliste zum Abschluss regt an, sich noch ausführlicher mit dem Leben und dem Vermächtnis dieser engagierten Frau zu beschäftigen, die uns auch heute – nicht zuletzt angesichts des Putin’schen Terrors gegen die Ukraine und gegen die eigene Bevölkerung in Russland – viel zu sagen hat. Den vollständigen Essay lesen Sie hier. In seinem Blog hat Michael Hänel weitere Informationen über Jelena Bonner zusammengestellt.
- Rubrik Levantinische Aussichten: Wer sich ausführlicher mit den Entwicklungen im Iran befassen möchte, lese Romane und Essays von Fahimeh Farsaie. Im Gespräch mit Norbert Reichel, das wir unter dem Titel „Iranian Lives Matter“ dokumentieren, spricht sie über die Vorgeschichte der seit September 2022 virulenten Proteste gegen das Regime der Islamischen Republik Iran. Die heutigen Proteste knüpfen an die Traditionen der „Töchter der Revolutionsstraße“ ebenso an wie an die erste große Demonstration gegen das von Khomeini geschaffene Regime am 8. März 1979. Vor allem die Frauen wehren sich gegen die Diktate der Regierung. Das Kopftuch ist mehr als ein Symbol, es geht um den Zwang, der mit Gewalt durchgesetzt werden soll und wird. Das heutige Engagement von Männern macht – so Fahimeh Farsaie – einen Unterschied zu vorangegangenen Revolten aus. Ein weiteres Thema des Gesprächs ist das in Deutschland erlebte Unverständnis, wie es Fahimeh Farsaie beispielsweise in ihrem Roman „Eines Sonntags beschloss meine Mutter, Deutsche zu werden“ beschreibt. Von „Willkommenskultur“ ist wenig zu spüren, stattdessen droht Geflüchteten – dies auch ein Thema in „Die gläserne Heimat“ – Einsamkeit. Fahimeh Farsaie spricht schließlich über ihre Entdeckung der deutschen Sprache, die sie zunächst äußerst skeptisch betrachtete. Auszüge aus den genannten Romanen vertiefen das Gespräch. Das vollständige Gespräch lesen Sie hier.
- Rubriken Migration und Treibhäuser: Leben wir in einer Zeit des „Clash of Civilisations“ oder erleben wir eine „Migration Love Story“? Manuel Gogos, Gründer der „Agentur für Geistige Gastarbeit“ in Bonn und maßgeblich an der Gründung des einzigen Migrationsmuseums in Deutschland, DOMiD in Köln, beteiligt, neigt zur zweiten Variante, verkennt aber nicht, dass es eine Menge an zu überwindenden Hürden gibt. Wir haben unser Gespräch unter dem Titel „In den besten Familien“ Ein gutes Beispiel bieten seine beiden Großväter, der eine Grieche, der als Gastarbeiter nach Deutschland kam, der andere Deutscher, beide in der Zeit der deutschen Besatzung in Griechenland auf verschiedenen Seiten. In Dokumentarfilmen, Radiofeatures, Ausstellungen, Essays und Büchern lässt Manuel Gogos Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Einstellungen zu Wort kommen. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit dem jüdischen Familienroman in den USA und in Deutschland, immer wieder begegnet er der Frage, wie Menschen in der Diaspora die Familie als Anker, mitunter aber auch als Belastung erleben. Dies zeigt er beispielsweise in seiner Dokumentation der Autorin von „BeHauptet“, deren Weltordnung zusammenbrach, als sie nach langen Kämpfen das Kopftuch ablegte, durchaus vergleichbar den Erfahrungen der Protagonistin in „Unorthodox“. Eine Familie versprechen auch Vertreter*innen der Neuen Rechten, die Manuel Gogos in Deutschland und in Frankreich besuchte. Sie kommen oft scheinbar harmlos daher, sind aber höchst gefährlich. Sie lesen die vollständige Version des Gesprächs hier.
Rubriken Kultur und Treibhäuser: Wie zu Jahresbeginn 2022 für das Jahr 2021 präsentiert Christopher Reichel alias Father Jim Virtute seine persönliche Bilanz der Pop-Musik des Jahres 2022. Seine Überschrift zitiert den Titel eines Songs von Natalie Mering alias Weyes Blood „It’s not just me, it’s everybody“. Er präsentiert 15 Songs und 30 Alben, manche entspannend, ruhig und träumerisch, andere hoch politisch. Die Vielfalt der Themen reicht von Queerness über übertriebene Männlichkeit, feministische Selbstbestimmung bis zu Parodien auf die Alltagskultur wie beispielsweise in der Wetten-Dass-Fangemeinde. Thema sind der Alltag in einem Schlachthof und die Ausbeutung von Migranten, aber auch Europa und die Zukunft unseres Planeten. Wer möchte, kann sich einzelne Songs oder Alben herauspicken oder sich alle Songs auf einer der drei vorgeschlagenen Playlists anhören. Auf Platz 1 der Songs landet Muff Potter, auch auf Platz 2 der Alben. Dort steht Tomberlin auf dem Spitzenplatz. Außer Konkurrenz gewürdigt wird Shervin Hajipours „Baraye“. Christophers Empfehlung: „Da der Pop immer prophetisch war, ist und sein wird, können wir gespannt sein, welche persönlichen und politischen Entwicklungen er 2023 vorwegnimmt und erahnt. Bis dahin bleibt es, sich für ein paar Stunden in die eigene Bettdecke zu verkriechen, sich einen Erkältungstee zu gönnen und frei nach Tarkowski zu lauschen und nicht nur zu hören.“ Den vollständigen Text finden Sie hier.
- Rubriken Osteuropa und Treibhäuser: Ihrer Rezension des Buches von Stanislav Aseyev über das Konzentrationslager „Heller Weg“ im Donbass gab Ursula Stark Urrestarazu den lapidar erscheinenden Titel „Isolation“. Dies ist nicht nur der Zustand, in dem die Besatzer und die selbsternannten Separatisten in Donezk die von ihnen verhafteten und gefolterten Gefangenen halten, sondern auch gleich eine Bezeichnung des Ortes der Folter. Die andere Bezeichnung erscheint angesichts des Sadismus der Folterer, ihrer Unberechenbarkeit und Verrohung – je nach Menge des Wodka-Konsums und ihrer Laune – mehr als nur euphemistisch: „Heller Weg“. Der „Helle Weg“ ist „ein System totaler Gewalt“. Stanislav Aseyev beschreibt das Verhältnis zwischen Folterern und Gefangenen ebenso wie die menschenunwürdigen Zustände in der „Isolation“. Er selbst wurde verhaftet, weil er „Donezker Volksrepublik“ in Anführungszeichen schrieb. Ursula Stark Urrestarazu resümiert: „Es gehört zu Aseyevs größtem journalistischen Verdienst, dass seine Schilderungen an keiner Stelle irgendeinen Voyeurismus bedienen und mit einer derartigen Nüchternheit daherkommen, dass sie den Opfern ein Stück, ein kleines, aber so wichtiges Stück Würde zurückzuverleihen scheinen.“ Die vollständige Rezension lesen Sie hier.
Rubriken Treibhäuser und Afrikanische Welten: Es lohnt sich, seine Stadt, seine Region näher zu erkunden, um Weltgeschichte zu erfahren. In seinem Essay „Stadtgeschichte – Weltgeschichte“ stellt Norbert Reichel drei Bücher zur Erschließung nicht nur der Berliner Geschichte(n) vor, zwei aus dem Verbrecher Verlag, eines aus dem Verlag Ch.Links. Das Buch „Text im Raum – Berlingeschichte verortet“ von Stefanie Endlich befasst sich mit Straßenschildern, auch den mitunter nervenden Prozessen der Umbenennung, und Gedenktafeln, das von Natalie Bayer und Mark Terkessidis herausgegebene Buch „Die Postkoloniale Stadt Lesen – Historische Erkundungen in Friedrichshain-Kreuzberg“ mit den sichtbaren Zeugen der deutschen Kolonialgeschichte. Holger Schmale lädt uns zu einem Spaziergang entlang der Berliner „Chausseestraße“, um dort etwa 200 Jahre Stadtgeschichte „im Brennglas“ zu erkunden. Wir entdecken, dass Demokratiebewegungen oder Bewegungen zur Entkolonisierung unserer Geschichte („Decolonize“!), Bürgerrechtsbewegungen Schwarzer Menschen, Widerstand gegen Nazis an ganz konkreten Orten von ganz konkreten Menschen geschaffen und unter oft großen Risiken entstanden und überdauerten, unbeschadet der Konflikte um ihre Deutung, wie wir sie beispielsweise in der SPD schon der 1910er und 1920er Jahre erlebten. Den vollständigen Essay lesen Sie hier.
- Rubriken Treibhäuser und Afrikanische Welten: Eine beeindruckende Autorin ist Chimananda Ngozi Adichie. Sie lebt in Nigeria und in den USA, ist aber auch in vielen anderen Ländern, so auch in Deutschland präsent. Beate Blatz hat sie, ihre Bücher und ihre Vorträge in ihrem Essay „Es gibt eben nicht nur die eine Geschichte“ Dabei konzentriert sie sich auf drei Romane sowie auf einige der Vorträge, beispielsweise „We should all be feminists“ und „The Danger of a Single Story“, sowie zwei Essaybände. Chimamanda Ngozi Adichies Definition des Feminismus ist inzwischen durch den Song „Flawless“ von Beyoncé populär geworden: „Feminist*in: Eine Person, die an die politische, soziale und wirtschaftliche Gleichheit der Geschlechter glaubt.“. In den Romanen beschreibt sie aus unterschiedlichen Perspektiven, was es heißt, von einem Land in ein anderes zu „migrieren“ und dass es ein Unterschied ist, ob mensch dies als Frau oder als Mann tut. Ihre Romane sind im Grunde Familiengeschichten. Sie spielen in Nigeria zu unterschiedlichen hochgefährlichen Zeiten sowie in den USA, bieten somit auch eine Fülle historischen Hintergrunds. Beate Blatz resümiert: „Natürlich stiftet eine Frau, die so auf allen Medien präsent ist wie Chimanda Ngozi Adichie, Unruhe. Sie stiftet Unruhe in den konservativen, patriarchalen Strukturen – nicht nur in ihrem Heimatland –, weil sie Frauen ermutigt, aufzustehen und ihr eigenes Leben zu leben, sichtbar zu werden und zu bleiben.“ Den vollständigen Essay lesen Sie hier.
- Rubrik Kultur: Unter dem Titel „Anarchische Ästhetik“ dokumentieren wir das Gespräch mit Jörg Sundermeier und Kristine Listau, den Inhaber*innen des Berliner Verbrecher Verlags. Der Verlag entstand mehr oder weniger zufällig im Jahr 1995. Das erste verlegte Werk war der Roman „Cordula killt dich!“ von Dietmar Dath, der im Jahr 2014 auch die Laudatio für die Verleihung des Kurt-Wolff-Preises hielt. Inzwischen gibt es ein umfangreiches Programm von Belletristik und Sachbüchern, oft zu durchaus kontroversen Themen. Verlegt werden Bücher, die nicht jede*r Verlag verlegen würde, durchaus auch mit einem gewissen Risiko. So entsteht eine einzigartige Vielfalt der Stimmen. Entscheidend für die verlegerische Entscheidung ist die literarische, sprachliche Qualität. Eine wichtige Rolle spielt natürlich der eigene Anspruch im Rahmen „sozialistischer, anarchistischer Traditionen“. In unserem Gespräch haben wir uns ausführlich über die Kontroverse um „Frenemies“ unterhalten, eines von drei Büchern, die von Autor*innen der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main herausgegeben wurden. Das Gespräch wird illustriert mit Texten von Dietmar Dath (aus der Neuauflage von „Cordula killt dich!“), Nataša Kramberger („Verfluchte Misteln“), Giwi Margwelaschwili („Der Leselebenstintensee“), Claudius Seidl (einer der Autor*innen in „Frenemies“), Georg Stefan Troller („Der Unnötige“). Das vollständige Gespräch lesen Sie hier.
Veranstaltungen mit Beteiligung des Demokratischen Salons:
- Religion im Alltag: Am 13. März 2023, 18 Uhr, findet im Bad Godesberger Trinkpavillon die dritte Veranstaltung dieser trialogischen Reihe statt. Nachdem in den Veranstaltungen der Jahre 2021 und 2022 Lehrer*innen und Schüler*innen aus Judentum, Christentum und Islam miteinander diskutierten, sind diesmal Eltern die Gäste. Thema: „Mein Alltag als Mutter oder Vater“, Motto: Zusammenleben braucht Verständnis braucht Begegnung. Die Fragen: Welche Hilfe gibt die eigene Religion im Alltag? Welchen Herausforderungen begegnen religiöse Eltern im Alltag, welchen Schwierigkeiten, aber auch welchen Angeboten und Möglichkeiten? Veranstalter sind die Christlich-Jüdische Gesellschaft in Bonn sowie ANqA – Verein für transkulturelle Bildung. Die Moderation erfolgt wieder durch den Demokratischen Salon.
- Deportationen nach Riga: Der Erinnerungsort Alter Schlachthof eröffnete am 13. Februar 2023 die Wanderausstellung „Der Tod ist ständig unter uns“ – Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland: Die von der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen kuratierte Ausstellung ist bis zum 7. April 2023 an der Hochschule Düsseldorf zu sehen. Im Rahmen des Begleitprogramms spricht am 15. März 2023 Norbert Reichel mit Hans Jacob Ginsburg über dessen Familiengeschichte und jüdisches Leben in Deutschland. Hans Jakob Ginsburg, langjähriger Journalist der in Düsseldorf erscheinenden „Wirtschaftswoche“. Seine Eltern, Liesel Frenkel und Alexander Ginsburg, lernten sich im Rigaer Ghetto kennen, Alexander stammte aus Riga, Liesel aus Rheydt. Sie war am 11. Dezember 1941 gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Bruder vom Düsseldorfer Schlachthof aus in das Ghetto Riga deportiert worden und überlebte als einzige ihrer Familie die Shoah. Nach dem Krieg ließ sich die Familie in Köln nieder, wo Alexander Ginsburg lange Jahre mit Fragen der sogenannten „Wiedergutmachung“. Er war später Geschäftsführer des Zentralrats der Juden. Weitere Informationen über den Erinnerungsort Alter Schlachthof.
- Zukunft der Ukraine: Am 23. März 2023, 18.30 – 20.30 Uhr, diskutiert Norbert Reichel im Haus der Evangelischen Kirche in Bonn an der Adenauerallee (direkt hinter dem Institut Français und neben der Universitätsbibliothek) mit Sergey Lagodinsky MdEP, Mona Neubaur, stv. Ministerpräsidentin NRW, Anastasia Tikhomirova und Ursula Stark Urrestarazu über die „Zukunft der Ukraine – Perspektiven einer neuen Sicherheitsarchitektur in Europa“. Ausgehend von den völkerrechtlichen Grundlagen, die die Russische Föderation nicht erst mit der Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022, sondern bereits mit der Annexion der Krim und der Besetzung von Teilen des Donbass im Jahr 2014 gebrochen hat, geht es um die Frage, wie eine neue Sicherheitsordnung in Europa unter welchen Bedingungen aussehen könnte. Diese Frage wird auch aus der unterschiedlichen Sicht der Fraktionen im Europäischen Parlament und der Mitglieder der Europäischen Union erörtert. Gegenstand ist schließlich die Frage des angestrebten Sondertribunals zu Kriegsverbrechen in der Ukraine. Veranstalter sind der Kreisverband Bonn von Bündnis 90 / Die Grünen in Kooperation mit der AG Außen- und Sicherheitspolitik des Ortsverbandes Bad Godesberg und dem Demokratischen Salon.
- Foucaults Narben – deciphering photographs: Empfehlen dürfen wir Ihnen den Band „Foucaults Narben“, Gedichte von Norbert Reichel und Fotografien von Hans Peter Schaefer aus der Serie „fotografien entziffern / deciphering photographs“, der Band erschien Ende Januar 2023 im reserv-art Verlag und im Buchhandel erhältlich. Die Fotografien sind in der Zeit vom 21. April bis zum 21. Mai 2023 in der Kölner Galerie r8m, Luxemburger Str. 197, 50939 Köln, zu sehen. Am Nachmittag des 21. Mai 2023 (Uhrzeit noch offen) werden im Rahmen der Finissage auch einige der Gedichte vorgetragen. Dazu gibt es die bei einer Finissage üblichen Leckereien (in flüssiger und in fester Form).
Weitere Veranstaltungen, Ausstellungen und Wettbewerbe:
- „Die Anhörung – ein Theaterstück in zehn Szenen“: Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur lädt am 22. Februar 2023 um 18.00 Uhr in die Räume der Stiftung, Kronenstr. 5, 10117 Berlin, zu einer szenischen Lesung des Theaterstücks „Die Anhörung“ ein. Konzept und Regie: Jürgen Haase, gelesen und gespielt von Martin Schneider und Max Urlacher. Im Mittelpunkt des Stücks steht Wolfgang Schnur, Rechtsanwalt, Christ und 25 Jahre Stasi-Spitzel. Von Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit der DDR, wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wäre – so plante es der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl – 1990 beinahe der erste frei gewählte Ministerpräsident der DDR geworden. In der „Anhörung“, seinem einzigen und letzten ausführlichen Gespräch mit dem Journalisten Alexander Kobylinski, spricht dieser mit ihm über seine „Dreifachmoral als Rechtsanwalt, Christ und Stasi-Agent“. Der Eintritt ist frei. Zur Anmeldung geht es hier.
- Krieg gegen die Ukraine: Vor einem Jahr marschierte Russland mit einem riesigen Truppenaufgebot im Nachbarland Ukraine ein. Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur lädt ein, sich in am 23. Februar 2023, 18.00 Uhr, in der Kronenstr. 5, 10117 Berlin, in einer Diskussion mit Irina Scherbakowa (Memorial International), Juri Durkot, (Übersetzer und Publizist, Lviv) und Markus Meckel (Außenminister a. D.) über die aktuelle Situation, die Ursachen sowie die möglichen gesellschaftlichen und politischen Folgen des Krieges für Europa zu informieren. Die Moderation übernimmt Tamina Kutscher. Thema sind u.a. Waffenlieferungen, die Verfolgung russischer Kriegsverbrechen, die Lage der Menschen in der Ukraine sowie all derjenigen, die ihre Heimat verlassen mussten. Nähere Informationen auf dem Veranstaltungsflyer. Die Veranstaltung kann live auf dem you-tube-Kanal der Stiftung sowie anschließend in der Mediathek der Stiftung verfolgt werden.
- Ausstellung Karl Hugo Schmölz, Über den Krieg: Vom 24. Februar bis zum 22. April 2023 präsentiert die Van der Grinten Galerie in Köln die Ausstellung „Karl Hugo Schmölz, Über den Krieg / About the War“. Kuratiert wurde die Ausstellung von Franz von der Grinten. Die Ausstellung präsentiert mit 23 Diptychen und 20 weitere Onriginalabzügen „Momentaufnahmen, die zu einem visuellen Kölner Stadtgedächtnis verschmelzen“. In der Ankündigung der Ausstellung lesen wir, die „Dokumentation zur kulturellen und künstlerischen Vielfalt der Kölner Stadtarchitektur verdeutlicht auf beeindruckende Weise den städtebaulichen Umbruch, der durch die massiven Auswirkungen und Schäden des Zweiten Weltkriegs entstand.“ Die Bilder sind „Zeitdokument und Kunstwerk zugleich.“ Weitere Informationen auf der Seite der Galerie.
- Brandenburger Freiheitspreis: Bis zum 28. Februar 2023 können Sie Einzelpersonen oder Institutionen für den Brandenburger Freiheitspreis vorschlagen. Der Preis wird vom Domstift Brandenburg vergeben. Die Preisträger*innen sollten möglichst Bezüge zu Berlin und / oder Brandenburg haben, Bedingung ist dies jedoch nicht. In diesem Jahr lautet das Thema „Die Freiheit in der digitalen Welt“. Ausgezeichnet werden sollen Personen und Institutionen, die „in vorbildlicher Weise Wege der Nutzung digitaler Freiheiten bei Wahrung der persönlichen Freiheit und Selbstbestimmung sowie des Respekts anderen Menschen gegenüber“ aufgezeigt haben. Die Frage lautet nicht, ob wir Digitalisierung bejahen oder ablehnen, sondern, wie wir mit ihr umgehen, sie nutzen und wie wir verhindern, dass anonyme Maschinen und Algorithmen über unser Leben und über die Staatsform, in der wir leben, entscheiden. Es geht darum sicherzustellen, dass der Mensch die Hoheit behält, wann, zu welchem Zweck und in welchem Maße wir die Instrumente der Digitalisierung einsetzen?
- Equal PaY: Der Gender Pay Gap betrifft mehr oder weniger alle Bereiche. Im Bereich Kunst und Kultur ist er mit 30 Prozent besonders hoch. Der Deutsche Kulturrat lädt zu einem Equal-Pay-Zukunftskongress am 4. März 2023, 13.30 Uhr bis 19.30 Uhr im bUm Berlin, Paul-Linke-Ufer 21, 10999 Berlin, ein. Kooperationspartner ist die Equal-Pay-Day-Kampagne. Claudia Roth wird die Veranstaltung eröffnen, Gabriele Schulz stellt die neue Studie des Deutschen Kulturrats zum Gender Pay Gap in Kultur und Medien vor. Weitere Informationen finden Sie hier, zur Anmeldung hier.
- Schultheaterfestival Spotlights 2023: Seit mehr als 20 Jahren bietet die Junge Theatergemeinde BONN mit dem Schultheaterfestival „spotlights“ in Kooperation mit verschiedenen Bonner Bühnen jungen Theatergruppen oder AGen die Möglichkeit, auf professionellen Bühnen aufzutreten. Diese Kooperation ist bundesweit einmalig. Bewerben können sich alle Ensembles aller Schulformen aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis. Jede Form der Darbietung ist willkommen: Sprechtheater, Musik- und Tanztheater, Selbstverfasstes, Kabarett. Eine Fachjury wählt die herausragenden Produktionen aus, die beim eigentlichen Festival, das voraussichtlich zwischen dem 31. Mai und dem 5. Juni stattfindet, vorgestellt werden und für den begehrten „Kobold“ nominiert sind. Bewerbungsphase bis zum 2. April 2023. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie hier.
- Ausstellung „Zurück ans Licht“: Die Ausstellung ist bis zum 17. April 2023 im Jüdischen Museum Frankfurt am Main zu sehen. In der Ausstellung werden vier jüdische Frankfurter Künstlerinnen vorgestellt, Rosy Lilienfeld (1896-1942), Amalie Seckbach (1870-1944), Ruth Cahn (1875-1966) und Erna Pinner (1890-1987). Laura Vollmers schrieb in der Jüdischen Allgemeinen vom 5. Januar 2023: „Insgesamt beeindruckt die Ausstellung mit einer gelungenen Gratwanderung zwischen der Erzählung der Geschichten und Schicksale der vier Künstlerinnen und der kunsthistorischen Würdigung ihrer Werke. Vor allem wird auch ei Bewusstsein für die Einschnitte geschaffen, die der Nationalsozialismus nicht nur ins Werk dieser Künstlerinnen gerissen hatte, sondern auch in den Kanon der Kunstgeschichte.“
Kurznachrichten und weitere Empfehlungen:
- Erdbeben in der Türkei, in Syrien und in Kurdistan: Es ist zu früh, im Detail Verantwortlichkeiten für unterlassene Sicherheitsmaßnahmen und die Auswirkungen auf die politische Lage in der Region zu klären. Hinweise gibt es genug, denen nachgegangen werden sollte. Can Dündar hat sich am 11. Februar 2023 im Tagesspiegel geäußert. Eine unheilige Allianz zwischen überzogenen Wirtschaftsinteressen und illiberal-diktatorischen Anmaßungen aus Ankara scheint plausibel. Can Dündar lebt seit 2016 in Deutschland und ist nach wie vor eine der profilierten Stimmen für eine liberale Demokratie auch in der Türkei.
- Iran Journal: Regelmäßig bietet das Iran Journal Informationen über Entwicklungen im Iran, über den Fortgang des aktuellen revolutionären Prozesses ebenso wie über wirtschaftliche und gesellschaftliche Hintergründe. Die Seite wird ehrenamtlich von Iraner*innen und iranischstämmigen Menschen in Deutschland gestaltet. Sie informiert ausführlich über das Schicksal der Menschen, die das Regime verhaftet, foltert, zu Gefängnisstrafen oder zum Tode verurteilt, mit Ermordung bedroht oder bereits hingerichtet hat. Dossiers, beispielsweise über die mutigen Frauen im Iran, die Lage der iranischen Wirtschaft, die hochproblematischen deutsch-iranischen Beziehungen, denkbare Alternativen zur Islamischen Republik Iran oder zur Revolution von 1979 sorgen dafür, dass Leser*innen die aktuellen Ereignisse historisch und politisch einordnen können. Die Seite erhielt bis vor Kurzem eine Anschubfinanzierung durch eine deutsche Stiftung, die jedoch – zugegeben zu einem ungünstigen Zeitpunkt – ausläuft. Das Angebot musste daher etwas eingeschränkt werden, aber die Verantwortlichen der Seite rufen auf zu weiterer Unterstützung durch Crowd-Funding.
- Neues Internetangebot Iran: Die neue Webseite iran-revolution.com soll dazu beitragen, der iranischen Protestbewegung in Deutschland und anderen westlichen Ländern zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Das Webmagazin soll Hintergründe liefern und vor allem Stimmen zur Protestbewegung sammeln: von Iraner*innen, ihren Angehörigen im Ausland und allen WissenschaftlerInnen, Journalist*innen und Autor*innen, die sich mit dem Aufstand beschäftigen. Darunter sind beispielsweise Gilda Sahebi, Susan Zare, Aras-Nathan Keul, Isabel Abedi, Bijan Djir-Sarai und Nargess Eskandari-Grünberg. Das Portal umfasst Texte auf Deutsch, Englisch und Persisch. iran-revolution.com wird von einem Team aus Autor*innen und Journalist*innen auf- und ausgebaut. Ziel ist es, die Vielfalt in den Protesten und Demonstrationen abzubilden. Mehrere Texte aus dem Demokratischen Salon wurden von der Seite als Zweitveröffentlichung übernommen.
- Folter im Iran: Eine wichtige Stimme des Protests ist der Rapper Toomaj Salehi. Der Reporter Armin Ghassim hat Freund*innen und Familie von Toomaj in Deutschland getroffen. Alle machen sich große Sorgen, denn nach allen vorliegenden Informationen wird Toomaj in einem iranischen Gefängnis gefoltert. Hierzu eine Dokumentation auf youtube, weitere Recherchen bieten NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung (Quelle: Correctiv am 4. Februar 2023). Und hier einer der Songs von Toomaj.
- Demokratischer Salon zum Iran auf Jungle World: Der Blog der Wochenzeitung Jungle World hat ebenso wie die Webseite iran-revolution.com den Essay „Iran – eine feministische Revolution“ als Gastbeitrag übernommen. iran-revolution.com hat darüber hinaus das oben genannte Gespräch mit Fahimeh Farsaie übernommen.
- Documenta und kein Ende? ZEITonline hat am 3. Februar 2023 ein Streitgespräch zwischen Meron Mendel, Direktor der Anne-Frank-Bildungsstätte in Frankfurt am Main, und Stefan Hensel, dem Hamburger Antisemitismusbeauftragten, veröffentlicht. Anlass war ein Symposium an der Hamburger Hochschule für bildende Künste, an der auch Vertreter*innen von ruangrupa und Tarang Padi teilnahmen. Die Frage: soll beziehungsweise kann man mit Antisemit*innen reden? Aber welche Äußerungen sind antisemitisch, welche nicht? Gibt es eine eindeutige Definition und wie aussichtsreich ist der Versuch, sich mit den Urheber*innen antisemitischer oder antisemitisch gelesener und lesbarer Äußerungen auseinanderzusetzen? Welche Rolle spielt Israel als „Projektionsfläche“ (Meron Mendel) antisemitischer Äußerungen? Und was ist „jüdischer Mainstream“? Das vollständige Interview lesen Sie hier.
- Erinnerung an die Shoah in den Niederlanden: Die Jewish Claims Conference hat eine Studie veröffentlicht, die dokumentiert, dass fast jede*r vierte Niederländer*im Alter zwischen 18 bis 40 den Holocaust für einen „Mythos“ hält, dessen Ausmaße „übertrieben“ würden. Mehr als die Hälfte dieser Generation weiß nichts von der Ermordung von sechs Millionen Juden*Jüdinnen. Sie glauben nicht, dass Niederländer*innen sich an den nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt hätten. Die Zahlen sind zum Teil etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Die Ergebnisse finden Sie im Detail auf der Seite der Jewish Claims Conference.
- Die Shoah in Osteuropa: Die beiden Autorinnen von „Offene Wunden Osteuropas“, Katja Makhotina und Franziska Davies, veröffentlichten am 27. Januar 2023 im Berliner Tagesspiegel einen Essay über „Leerstellen der Erinnerungskultur“: „An osteuropäische Opfer des Zweiten Weltkriegs wird kaum gedacht.“ Sie erinnern an vergessene Orte wie Babyn Jar, Berditischiw, Chatyn und viele andere. Auschwitz ist der Ort, „an dem sich alle Aspekte der Vernichtungspolitik überschneiden.“ Wenig präsent ist die Ermordung der sowjetischen Juden*Jüdinnen in Massenerschießungen. Es gehe nicht nur um „Nicht-Wissen“, sondern auch um „Nicht-Wissen-Wollen“. Das einzige Museum, das an den Vernichtungskrieg im Osten erinnert, ist das Museum Berlin-Karlshorst. Ist es nicht bezeichnend, dass man sich erst dann für die ukrainischen NS-Opfer zu interessieren begann, als die Ukraine durch die extreme Gewalt der russischen Angriffe und Besatzung stärker in den Fokus rückte?“ Den vollständigen Essay lesen Sie hier. Das Buch „Offene Wunden Osteuropas“ ist inzwischen auch im Shop der Bundeszentrale für politische Bildung erhältlich.
- Linke Legenden: In den meisten Zeitungen und Zeitschriften finden wir zurzeit Informationen über Vorgeschichte, Entwicklungen und Perspektiven im Krieg um die Ukraine, die hier aufzuführen mehrere Seiten erforderte. Besonders lesenswert ist der Essay „Ein Jahr russischer Angriffskrieg – Das Elend der linken Legenden“ von Paul Schäfer, 2005 bis 2013 verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken, in der Ausgabe für Februar 2023 der „Blätter für deutsche und internationale Politik“. Diese Ausgabe der „Blätter“ enthält – wie auch vorangegangene Ausgaben – immer wieder lohnenswerte Texte. Paul Schäfer bietet eine Fülle von weiteren lesenswerten und höchst differenzierten und kenntnisreichen Informationen auf seiner Internetseite.
- Zivilpersonen als militärische Ziele: Ein wichtiger Experte ist Philippe Sands, u.a. Autor von „Rückkehr nach Lemberg“, einer Tripelbiographie von Raphael Lemkin, Hersch Lauterbacht und Hans Frank. Georg Mascolo und Ronen Steinke haben Philippe Sands für die Süddeutsche Zeitung interviewt. Thema sind die Bombardierung ziviler Ziele und die „Doppelmoral“ des Westens. Die Frage nach der Motivation des russischen Vorgehens beantwortet Philippe Sands wie folgt: „Es ist Verzweiflung. So einfach ist es hier. Sie haben diese Strategie im syrischen Aleppo ausprobiert und in der Ukraine machen sie es nicht anders. Aber wir haben es hier im Westen leider auch mit einer echten Doppelmoral zu tun. Wer reagierte nach Aleppo? Jetzt reagieren wir, weil es in Europa geschieht, weil es uns nah ist.“ Darüber hinaus bietet Philippe Sands eine Übersicht über die Einbeziehung ziviler Ziele in verschiedenen Kriegen und Militäroperationen der vergangenen Jahrzehnte. Ob es jemals zur Anklage und zu Prozessen angesichts der russischen Kriegsverbrechen kommt ist offen. Aufmerken lässt jedoch, dass die russische Seite für die Aufnahme von Verhandlungen fordert, dass die „Strafverfahren vom Tisch“ müssten.
- Koloniale Denkmuster: Anastasia Tikhomirova sprach am 27. Januar 2023 für das „taz lab“ mit Franziska Davies. Thema sind „koloniale Denkmuster“ im russischen Verständnis sowie in den Reaktionen des Westens. Vor allem die deutschen Narrative bleiben unklar. Auf der einen Seite setzte die deutsche Seite eine „Tradition fort, dass es deutsch-russische Verständigung auf Kosten Ostmitteleuropas geben sollte.“ Auf der anderen Seite bleibe unklar, über was – wenn überhaupt – „verhandelt“ werden könne, weil die Ansicht vorherrsche, dass sich „Waffenlieferungen und Verhandlungen ausschließen“. Dies scheine vor allem ein Problem der SPD zu sein. Eine weitere Frage ist die Frage nach dem Preis, den die Ukraine für Frieden erbringen müsse. Die Aufmerksamkeit in Deutschland für die Ukraine und das Gespür für vorangegangene Illusionen sei gestiegen, aber man müsse sich im Klaren sein: „Unter einem russischen Terrorregime geht das Sterben weiter. Von daher würde ich mir für die Zukunft eine viel größere Empathie gegenüber den Opfern des Krieges in der Ukraine wünschen.“ Das vollständige Interview finden Sie hier. Und es lohnt sich, Franziska Davies auf Twitter zu folgen.
- Lehren aus der Geschichte, aber welche? Am 30 Januar 2023 sprach Hans Monath vom Berliner Tagesspiegel mit dem Historiker Heinrich-August Winkler. Deutschland tue einerseits gut daran, eine „Kultur der militärischen Zurückhaltung“ zu pflegen, müsse sich aber gleichzeitig vor einem „deutschen Sonderweg“ hüten. Heinrich-August Winkler sprach über die „deutsche Obsession, sich als die europäische ‚Friedensnation‘ zu begreifen, und zwar deshalb, weil wir aus unserer exzessiven militaristischen Vergangenheit angeblich besonders gründlich gelernt hätten. Ein unbedingter deutscher Pazifismus würde jedoch bedeuten, dass die Deutschen Verbrechen gegen die Menschenrechte oder Anschlägen auf die europäische Friedensordnung tatenlos zusehen. (…) Deutschland hat die gleichen Pflichten zum Schutz der Menschenrechte und der europäischen Friedensordnung von 1990 wie seine Verbündeten. Ein Angriff auf ein Nato-Land wäre auch ein Angriff auf Deutschland.“ Putin sei „kein zweiter Hitler“, aber in den Methoden gebe es durchaus Vergleichbares. Putin führe nationalistisch begründete Eroberungskriege zur Unterwerfung anderer Völker bis hin zum Ukraine-Krieg, der Züge eines Vernichtungskrieges hat. Des Weiteren wendet sich Heinrich-August Winkler gegen die von der Kulturstaatsministerin geplante Umbenennung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, denn es gebe nicht nur das militaristische und obrigkeitsstaatliche Preußen, sondern auch das aufklärerische Preußen. Das sozialdemokratisch geführte Preußen sei lange Zeit ein „Bollwerk“ gegen Rechts gewesen. Eine Umbenennung der Stiftung wäre „eine Flucht aus der Geschichte“. Der Westen – und so auch Deutschland – müsse unbedingt seine Kolonialpolitik aufarbeiten, dennoch sei der Holocaust in der Geschichte einmalig. Hier stelle sich jedoch auch die Frage: „Warum in Deutschland?“ Die Bedrohung der westlichen Demokratien komme von außen wie von innen, niemand dürfe die Bedrohungen von rechts unterschätzen.
- Der falsche Gegner: Sehr lesenswert das Interview mit Slavoj Žižek vom 9. Februar 2023 in der Süddeutschen Zeitung. Der Westen müsse viel deutlicher sagen, „dass das Ziel für uns als Westen nicht die Zerstörung Russlands ist, sondern das Überleben der Ukraine“. Es sei auch falsch, Russland kulturell zu isolieren, denn das „funktioniert gar nicht. Ich würde ja viel mehr auf die inneren Spannungen Russlands setzen. Und Tschaikowski oder Dostojewski aus den Programmen zu nehmen? Mein Gott, da überlassen wir ja einige der größten Namen der Kulturgeschichte Wladimir Putin. Weil wir sagen, die sind Teil von ihm, deswegen sind sie tabu.“ Slavoj Žižek wendet sich gegen den „Neo-Neutralismus“ im Westen. „Gerade weil viele argumentieren, der Westen habe durch den Kolonialismus sowieso zu große Schuld auf sich geladen. Russland spielt diese Karte meisterhaft. Auf der einen Seite geriert es sich als religiös fundamentalistisches Land. Auf der anderen Seite als Vorkämpfer gegen den Imperialismus des Westens.“ Er verweist auf den Pakt der Taliban mit China, er hätte auch auf den Iran Khomeinis verweisen können. Ausführlicheres bietet Slavoj Žižek im sehr lesenswerten Buch „Unordnung im Himmel – Leseberichte aus dem irdischen Chaos“, die deutsche Ausgabe erschien 2022 in Darmstadt bei wbg Theiss.
- Ukraine –weitere Leseempfehlungen: Timothy Snyder nennt sieben Gründe, warum die Welt einen ukrainischen Sieg braucht. Die taz veröffentlicht zum zweiten Mal eine Sonderausgabe der Novaja Gazeta, in der New York Review of Books schreibt Sergei Kovalev über „Putin’s War“. Im Handelsblatt belegt Claudia Major, dass Waffenlieferungen und Frieden sich nicht ausschließen, sondern jene erst dafür könnten, dass Russland überhaupt irgendeine Bereitschaft zur Aufnahme von Verhandlungen entwickelt.
- Krieg der Tiere: Nicht nur Menschen führen Kriege, aber vielleicht hilft die Analyse des Verhaltens Krieg führender Tiere, menschliche Kriege besser zu verstehen. Aggressives bis (völker)mörderisches Verhalten gibt es bei Mikroben, Ameisen, Termiten, aber auch bei Säugetieren, zu denen nun einmal auch der Mensch gehört. Johannes Böhme (Mweya, Uganda) hat in ZEITonline vom 10. Februar 2023 über die Forschungen des britischen Biologen Michael Cant geschrieben. Als das „kriegerischste“ Tier beschreibt er die Zebramanguste. Eines seiner Ergebnisse: „Krieg ist aus diesem Blickwinkel der Restegoismus in Lebewesen, die es geschafft haben, ihre internen Konflikte so stark zu unterdrücken, dass sie sehr eng zusammenleben können. Aber die dabei den Konflikt nur nach außen verlagert haben. Ihre Aggressionen richten sich stattdessen vor allem auf Fremde, auf andere Gruppen. Sie leben noch nicht kooperativ genug zusammen, um Gewalt ganz hinter sich zu lassen.“ Anders gesagt: interne Streitigkeiten werden außenpolitisch verdeckt, außenpolitische Aggressivität sorgt für mehr Zusammenhalt, rally around the flag!
- Ungleichheit in Deutschland: Auf ZEITonline gibt es eine Karte zur Einkommensverteilung in Deutschland. Es ist eigentlich eine Binse, dass es einen Unterschied ausmacht, ob ich mit einem knappen Budget auf dem Land oder in einer Großstadt lebe, ob ich vielleicht in einer kleinen Ortschaft Grundbesitz habe oder in einer großen Stadt eine teure Miete zahle. Aber selbst in den Städten gibt es erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Stadtteilen.
- Nationalismus und Maskulinität: Hannah El-Hitami hat für die Heinrich Böll Stiftung den syrischen Historiker Karam Nachar Karam Nachar ist Gründer der Online-Zeitung Al-Jumhuriya mit Sitz in Berlin. Thema sind gesellschaftliche Debatten in Syrien, Rechte von Frauen und Minderheiten und die Lage der syrischen Zivilgesellschaft. Dabei spielt auch eine Rolle, dass sich der syrische Staatschef gegenüber dem sogenannten IS als Wahrer der Rechte von Minderheiten – er selbst gehört als Alawit einer Minderheit an – inszenierte, gleichzeitig aber diejenigen verfolgt und vernichtet, die seine Macht in Frage stellen. Karam Nachar kommentiert: „Ich finde es sinnvoll, in der arabischen und nahöstlichen Geschichte zu graben, um zu zeigen, dass Rassismus, Misogynie und Homophobie keine Altlasten sind, sondern Produkte der jüngeren Geschichte. Vor dem Kolonialismus war der Umgang mit Sexualität extrem divers. Dass die Region jetzt so illiberal und repressiv ist, liegt nicht an einer arabischen Kultur oder Essenz, sondern ist Ergebnis einer modernen Entwicklung nationaler Ideologie. Auch Islamismus ist heutzutage nichts anderes als religiöser Nationalismus. Er hat viel mehr mit der extrem rechten Ideologie des Nationalismus zu tun als zum Beispiel mit dem Islam in Bagdad im 11. Jahrhundert. Ob im kulturellen, ethnischen oder religiösen Sinne, die Idee des Nationalismus fußt auf kultureller Konformität und Einheit. Sie ist feindselig gegenüber Menschen, die anders sind oder nicht dazugehören. Sie ist besessen von Macht und Maskulinität. Diese Ideen bedrohen automatisch Frauen, queere Menschen, behinderte Menschen und alle anderen Minderheiten.“ Das vollständige Interview lesen Sie hier.
- Demokratiefördergesetz: Bereits mehrfach wurde im Demokratischen Salon diskutiert, dass das geplante Demokratiefördergesetz dafür sorgen müsse, dass prekäre Arbeitsverhältnisse der Vergangenheit angehören und die Träger der Demokratiebildung eine verlässliche Perspektive für ihre Arbeit bräuchten, auch kleine Träger. Der Gesetzentwurf liegt seit Herbst 2022 vor, vollständiger Titel: „Gesetz zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung“. Das Bundesfamilienministerium hat alle Stellungnahmen veröffentlicht. Wer will, kann sich ein Bild machen, ob das Gesetz geeignet ist, die hohen Erwartungen inhaltlich und finanziell zu erfüllen.
In etwa vier Wochen melden wir uns wieder.
Wir grüßen Sie alle herzlich.
Ihre Beate Blatz und Ihr Norbert Reichel
(Alle Internetzugriffe erfolgten zwischen dem 6. und 13. Februar 2023.)
P.S.: Sollte jemand an weiteren Sendungen meines Newsletters nicht interessiert sein, bitten wir um Nachricht an info@demokratischer-salon.de. Willkommen sind unter dieser Adresse natürlich auch wertschätzende und / oder kritische Kommentare und / oder sonstige Anregungen.