Liebe Freund:innen des Demokratischen Salons,

der Newsletter des Demokratischen Salons für März 2025 erscheint in einer Zeit, in der immer wieder der Satz von Antonio Gramsci zitiert wird, dass „das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann“. Autoritäre Kräfte gewinnen an Macht und Einfluss, andererseits sind sie schwächer als sie glauben. Dies belegen eindrucksvoll die vielen Demonstrationen für eine freiheitliche und demokratische Welt, in Georgien, in Israel, in Serbien, in der Slowakei, in Syrien, in der Türkei, inzwischen auch in den USA, selbst in Gaza, wo Palästinenser sich gegen den Terror der Hamas erheben, und nicht zuletzt in Deutschland gegen Beschränkungen der Freiheiten der Zivilgesellschaft. Das Editorial befasst sich mit Hintergründen und Herausforderungen unter dem Titel „Deutschland, Europa und die USA – Kommunizierende Röhren: Geopolitik, Bürgerrechte, Sozialpolitik“.

Impression von der Leipziger Buchmesse 2025: Riddler und Harley Quinn. Foto: NoRei.

Weitere Inhalte der im März 2025 neu veröffentlichten Texte im Demokratischen Salon sind eine Szene der szenischen Collage „Wir werden wieder tanzen“ in memoriam Shani Louk, Shani, Ariel und Kfir Bibas, die vielsprachigen literarischen Traditionen in Galizien (Alla Paslawska), die Rezeption des ukrainischen Nationalhelden Mazepa in europäischen Ländern (Alois Woldan), die Bedeutung kommunaler Stärke für die Demokratie (Gerd Landsberg), die pro-europäische Demokratiebewegung in Georgien (Tsotne Tchanturia), Überlegungen zu einem gerechten Frieden in der Ukraine (Paul Schäfer), ein Porträt des MaroVerlags (Sarah Käsmayr), ein Gespräch mit der Schriftstellerin und Buchkünstlerin Franziska Groszer sowie eine Analyse der Möglichkeiten des Rechtsstaats im Kampf gegen Antisemitismus (Norbert Reichel).

Nach den Kurzvorstellungen der neuen Texte lesen Sie Vorschläge zu Veranstaltungen und Ausstellungen, darunter zwei Aufführungen von „Wir werden wieder tanzen“ (beide in Köln), eine Buchmesse für russischer Exil-Literatur (Berlin), die Wanderausstellung „The Vicious Circle“ (Berlin), Veranstaltungen des Science-Fiction-Clubs Andymon (Berlin), Veranstaltungen des Zentrums für Versöhnungsforschung (Bonn), eine Ausstellung zur Exil-Kunst 1933-1945 (Siegburg), drei Veranstaltungen des Erinnerungsortes Alter Schlachthof zum Kriegsende 1945 (Düsseldorf), eine Veranstaltung zum Gedenken an den 150. Todestag von Moses Hess (Köln), ein Benefizkonzert zum Wiederaufbau des Kibbutz Nir Oz (Bonn), eine Ausstellung der Werke von Sandra del Pilar (Soest), eine Ausstellung über einen neuen Blick auf den Tod (Frankfurt am Main), das Kunstfest Weimar, der Deutsche Fürsorgetag 2025 (Erfurt) und die Ausstellung „How To Catch A Nazi“ (Potsdam).

Princess Zelda. Foto: NoRei.

Die Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen bieten Informationen über die Vorschläge der Initiative für einen handlungsfähigen Staat, über Joschka Fischers Rat an Friedrich Merz, Debatten über ein neues Europa, eine Übersicht der von Männern und Frauen gewählten Studienfächer, Kulturelle Teilhabe als Thema der Zeitschrift Politik & Kultur, Kultur in den Koalitionsverhandlungen, ein erfolgreiches Gastroprojekt in Modena mit geflüchteten Frauen, eine Reportage zum Bürgergeld, Ergebnisse der Protestforschung, Doppelmoral bei der Terrorismusbekämpfung, den Rückzug aus dem Bundestag, Schule in Charkiv unter dem russländischen Bombenterror, anti-migrantischen Terror in Russland, politische Gefangene in Russland, die Strategien der Neuen Rechten auf TikTok, die kommunizierenden Röhren von Antifeminismus, Maskulinismus und Rechtsextremismus, die Entwicklungen in Syrien nach den Massakern und im Lichte der Debatte über eine syrische Verfassung, Literatur aus Guinea-Bissau sowie die kaum beachteten katastrophalen Zustände im Sudan.

Die neuen Texte im Demokratischen Salon:

  • In memoriam Shani Louk, Shiri, Ariel und Kfir Bibas
    : Zu ihrem Gedenken und dem Gedenken an alle Opfer der Hamas-Terroristen seit dem 7. Oktober 2023 haben Sophie Brüss, Jürgen Reinecke und Norbert Reichel die szenische Collage „Wir werden wieder tanzen!“ geschrieben, mit Songs von Leonard Cohen und Antilopen-Gang, Testimonials, Gedichten und Szenen. Eine dieser Szenen, „Deutsche unter den Opfern“, ist jetzt im Demokratischen Salon nachzulesen. (Rubriken: Jüdischsein, Antisemitismus, Levantinische Aussichten)
  • Alla Paslawska
    , Germanistin an der Universität Lviv, erzählt in „Es war einmal Galizien“ von der deutsch- und ukrainischsprachigen Literatur in der wechselvollen Geschichte Galiziens zwischen Russland, Polen, Deutschem Reich und K.u.k.-Monarchie. Ukrainisches Selbstbewusstsein behauptet sich über Sprache und Literatur. Zugleich ist die Literatur in Galizien eine jüdische Geschichte. Wichtiger Mittler war Ivan Franko, zu den Autoren gehören Leopold von Sacher-Masoch, Karl-Emil Franzos und Joseph Roth. (Rubriken: Osteuropa, Jüdischsein)
  • Alois Woldan,
    Slawist an der Universität Wien, schließt mit „Die Gesichter des Helden“ an Jeonghun Choi „Das Pferd, das tausend Meilen lief“. Um Mazepa ranken sich in Literatur wie Bildender Kunst zahlreiche politisierte und politisierbare Legenden. Alois Woldan bietet einen Überblick über Mazepa als romantischen Helden in England und Frankreich, als Verräter in Russland und in der Sowjetunion, sein politisch-utopisches Bild in Deutschland und den antisowjetischen Mythos in der Ukraine. (Rubrik: Osteuropa, Kultur)
  • Gerd Landsberg
    , Ehrengeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, vertritt die These: „Starke Kommunen – Starke Demokratie“. Kommunen brauchen Gestaltungsfreiheit, Bürokratieabbau, finanzielle Sicherheit durch die Einführung des Konnexitätsprinzips zwischen Bund und Kommunen und die Definition von Gemeinschaftsaufgaben im Grundgesetz, zum Beispiel zum Klimaschutz. Innere und äußere Sicherheit müssen zusammengedacht, die Beteiligung der Bürger:innen ausgebaut werden. (Rubrik: Liberale Demokratie)
  • Tsotne Tchanturia
    , Politikwissenschaftler in Tbilissi, beschreibt die schwierige Lage Georgiens: „Der lange Weg nach Europa. Ein Land unter großem Druck, mit einer weitgehend pro-europäischen Bevölkerung und einer sich an China und Russland orientierenden Regierung. Das Gesetz gegen „ausländische Agenten“ und Wahlfälschungen führen zu anhaltenden Demonstrationen. Eine entscheidende Rolle spielt die fünfte Präsidentin Salome Zourabichvili. Es gibt große Unterschiede zwischen Stadt und Land, viele junge Menschen ziehen in die liberalen Städte. (Rubriken: Osteuropa, Europa)
  • Paul Schäfer
    fragt: „Wie könnte ein gerechter Frieden in der Ukraine aussehen?“ Der Cicero zugeschriebene Satz, der ungerechteste Frieden sei dem gerechtesten Krieg vorzuziehen, ist schlichtweg falsch, ein stabiler Frieden ist nur über Gerechtigkeit zu erreichen, es darf keinen Diktatfrieden geben, denn sonst ist der nächste Krieg nur eine Frage der Zeit. Entscheidend für den Erfolg von Friedensverhandlungen ist die Zustimmung der Ukraine. (Rubriken: Osteuropa, Weltweite Entwicklungen)
  • Sarah Käsmayr
    stellt in „Die Grenzgängerin“ den MaroVerlag vor. Ein attraktives Format sind die MaroHefte. Auf 32 Seiten debattieren Autor:innen grundlegende feministische und historisch-politische Themen, Illustrator:innen begleiten die Texte. Esther Dischereit stand mit ihrem Buch „Ein Haufen Dollarscheine“ auf der Liste für den Preis der Leipziger Buchmesse 2025. Ein besonderes Angebot ist die chinesische Science Fiction, unter anderem mit der Reihe „Die Kapsel“. (Rubriken: Kultur, Gender, Science Fiction)
  • Franziska Groszer
    musste die DDR verlassen und ihr Leben in einer neuen Welt voller Fragezeichen einrichten: „Die Entdeckung der Unschuld“. In ihren Romanen schreibt sie aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen, ihr Coming of Age in der Diktatur oder in der Transformationszeit danach, immer wieder verbunden mit dem Wunsch zu schreiben, eine Welt, die an Alice im Wunderland und Kaspar Hauser erinnert. Kunst hilft, auch in lebensbedrohlichen Phasen. (Rubriken: Kultur, DDR)
  • Norbert Reichel
    kommentiert in „Mit dem Rechtsstaat gegen Antisemitismus“ den Streit um Definitionen des Antisemitismus (IHRA vs. Jerusalem Declaration) auf der Grundlage der Analysen von Shulamit Volkov („Antisemitismus als kultureller Code“) und Jeffrey Herf („Drei Gesichter des Antisemitismus“). Ein von Linda Giesel und Jens Borchert herausgegebenes Buch analysiert die Rechtsanwendung in Polizei und Justiz sowie im Mikrokosmos Haft. Es gibt eigene Antisemitismusbeauftragte für Justiz und Strafvollzug. (Rubrik: Antisemitismus).

Veranstaltungen mit Beteiligung des Demokratischen
Salons
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  • „We will dance again“
    – das ließ sich Mia Schem (21) nach ihrer Befreiung aus der Hamas-Gefangenschaft auf den Arm tätowieren. Sophie Brüss, Jürgen Reinecke und Norbert Reichel haben das etwa 70minütige Programm der Szenischen Collage „Wir werden wieder tanzen“ entworfen, mit Songs von Leonard Cohen und Antilopen Gang, Gedichten von Nelly Sachs, Else Lasker-Schüler, Selma Meerbaum-Eisinger und anderen, eigens für die Veranstaltung geschriebenen Szenen sowie Testimonials von (nicht nur) jüdischen Autor:innen. Träger ist der Theater- und Musikverein NRW e.V. Nach der Premiere vom 8. Oktober 2024 in der Synagogengemeinde Köln und inzwischen acht weiteren Vorführungen gibt es zwei weitere Veranstaltungen am Mai 2025, 19.00 Uhr und am 13. Juni 2025, 20.00 Uhr im Kölner Horizont-Theater (Thürmchenswall 25, 50688 Köln). Die Aufführungen werden von der nordrhein-westfälischen Antisemitismusbeauftragten gefördert.

Veranstaltungen und Ausstellungen:

  • The Vicious Circle
    : Die Wanderausstellung des National Holocaust Museum ist bis zum 2. April 2025 in Berlin im Haus der Wannsee-Konferenz (Am Großen Wannsee 56-58, 14109 Berlin) zu sehen (Di bis So 11 – 17 Uhr). Vom 28. April bis zum 23. Mai 2025 ist die Ausstellung im Rathaus Neuköllln zu sehen. Die Ausstellung zeigt fünf Geschichten aus fünf jüdischen Gemeinden (Berlin, Bagdad, Kielce in Polen, Aden im Jemen, und Südisrael) in einer eindrucksvollen Installation: Mit originalen Objekten, mit Texten und fünf großen Videobildschirmen, fünf Objekten, die von liebevoller Hingabe, Kreativität und friedlicher Koexistenz zeugen. Es waren fünf Pogrome (1938, 1941, 1946, 1947 und 2023), fünf falsche Propheten, deren falsche Befreiungsversprechen diese Pogrome auslösten. Eines der Objekte ist die „Schmetterlingsbrille“ von Shlomo Mansour, der am 7. Oktober 2023 von der Hamas angegriffen, geschlagen und verschleppt wurde. Er galt lange als mit 86 Jahren älteste Person in Geiselhaft der Hamas. Am 11. Februar 2025 bestätigten die IDF seinen Tod. Er wurde wohl schon am 7. Oktober 2023 ermordet. Weitere Details der Ausstellung auf der Seite des Hauses der Wannsee-Konferenz.
  • Russische Exil-Literatur
    : Vom bis zum 6. April 2025 wird in Berlin in der Buchmesse Bebelplatz (Palais Populaire) russischsprachige Literatur vorgestellt, die zurzeit in Russland nicht veröffentlicht werden kann. Am 5. April 2025, 17.00 bis 18.30 Uhr, präsentiert der Verein StraightForward ein öffentliches Pitching. Sechs Stipendiat:innen, die „mutige Non-Fiction-Bücher über das heutige Russland verfassen“, stellen diese einer Jury vor. Die Bücher sollen in russischer Sprache und in Übersetzungen erscheinen. StraightForward ist eine gemeinnützige Organisation, die 2023 von russischen Verlegern und Schriftstellern in Deutschland gegründet wurde. Ziel von StraightForward ist es, gegen Zensur und aufgezwungene Narrative anzukämpfen, indem dokumentarische Materialien über Russland in verschiedenen Sprachen der Welt, darunter Russisch, verbreitet werden.
  • Science Fiction
    : Der Club ANDYMON hat am 13. Februar 2025 seinen 40. Geburtstag gefeiert. In der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, 10117 Berlin-Mitte, Kronenstraße 5, finden die folgenden Veranstaltungen statt, am 10. April 2025, 18.00 Uhr„Die befohlene Zukunft – DDR-Science-Fiction zwischen Zensur und Selbstzensur“ mit Angela und Karlheinz Steinmüller sowie am 24. April 2025, 18.00 Uhr der Vortrag von Wolfgang Both „Wie George Orwells 1984 beinahe in der DDR erschienen wäre“. Eine kurze Geschichte der utopischen Literatur in der DDR hat Karlheinz Steinmüller im Demokratischen Salon veröffentlicht.
  • Versöhnungsforschung
    : Das Theater Bonn und das Zentrum für Versöhnungsforschung der Universität Bonn laden ein zur Gesprächsreihe Versöhnung – eine Utopie?. Debattiert werden politische, historische und theologische Perspektiven. Schauspieler:innen des Bonner Ensembles begleiten die Vorträge mit literarischen und szenischen Beiträgen. Die nächsten Termine: am 7. April 2025, 19.30 Uhr: „Versöhnung durch Versippung“ mit Clemens Albrecht, Universität Bonn, am 29. April, 19.30 Uhr: „Eichmanns Anwalt Robert Servatius als Verteidiger in NS-Strafverfahren“ mit Dirk Stolper, Universität Frankfurt am Main. Beide Veranstaltungen finden im Foyer des Schauspielhauses in Bad Godesberg statt, eine weitere Veranstaltung am 4. Mai 2025, 20.00 Uhr, in der Werkstattbühne (hinter dem Opernhaus): „60 Jahre Deutsch-Israelische Beziehungen“ mit Natan Sznaider, Universität Tel Aviv, und Hans-Georg Soeffner, Universität Bonn.
  • Nach dem Kriegsende 1945
    : Der Erinnerungsort Alter Schlachthof bietet im April 2025 drei Veranstaltungen an. Am 8. April 2025, 18.00 Uhr (HSD Geb. 3, Raum 1.001), referiert Karsten Wilke: „Was geschah mit den Tätern? Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik“: Trotz der Ächtung der SS in den Nürnberger Prozessen schlossen sich Veteranen der Waffen-SS seit dem Ende der 1940er Jahre in sogenannten „Hilfsgemeinschaften auf Gegenseitigkeit“ zusammen. Von 1959 bis 1992 bestand ein HIAG-Bundesverband, dem phasenweise bis zu 20.000 Personen angehörten. Am 17. April 2025, 17.30 Uhr (HSD, Geb. 3, Raum 1.004) bietet Sabine Reimann den Workshop „#nazihintergrund“ an. Er richtet sich an alle, die Fragen an die eigene Familiengeschichte stellen wollen. Konkret wird gezeit, wie in Archiven und Datenbanken recherchiert werden kann und wie man mit Quellen und Dokumenten umgeht. Vorhandenes Material kann mitgebracht und gemeinsam begutachtet werden. Am 30. April 2024, 17.00 Uhr (HSD, Geb. 3, Raum 1.001) stellt Achim Doerfer, selbst Nachkomme von Shoah-Überlebenden, sein Buch „Irgendeiner muss die Täter ja bestrafen“ vor. Er möchte einer Erinnerungs- und Gedenkkultur etwas entgegensetzen, die den Opferstatus von Jüdinnen und Juden zementiert. Das Versagen der deutschen Justiz nach 1945 ist ebenfalls Thema. Täter:innen wurden systematisch geschont. Dies ist eine Veranstaltung in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Düsseldorf. Weitere Informationen zu allen drei Veranstaltungen auf der Seite des Erinnerungsortes Alter Schlachthof.
  • In Memoriam Moses Hess
    : Moses Hess starb vor 150 Jahren, am 6. April 1875, in Paris und wurde auf seinen Wunsch auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Deutz beigesetzt. Moses-Hess-Gesellschaft, Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und Friedrich-Ebert-Stiftung wollen am 9. April 19.00 Uhr in Köln, Kartäusergasse 9-11, sein Wirken würdigen, das weit über das Rheinland hinaus ausstrahlte. Den Einführungsvortrag hält Jürgen Schmidt, Karl-Marx-Haus, ein Grußwort hält Jochen Ott, Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen. Moses Hess wurde 1812 in Bonn geboren, studierte unter anderem in Köln und beeinflusste Karl Marx und Friedrich Engels in ihrem Denken. Nachdem er sich vom Kommunismus und der Idee des Klassenkampfes abgewandt hatte, wurde er durch die Begegnung mit Ferdinand Lassalle zu einem der ersten Sozialdemokraten und zu einem der Gründer der Kölner SPD. Er war ein typischer Vertreter des assimilierten jüdischen Bürgertums, war mit seinen Ideen gegen Ende seines Lebens jedoch ein Vorläufer zionistischer Konzepte mit dem Ziel der Gründung eines jüdischen Nationalstaats, dies in Reaktion auf den ständig erlebten Antisemitismus. Sein Grundlagenwerk „Rom und Jerusalem“ erschien 1862 in Leipzig. Um Anmeldung an anmeldung@koelnische-gesellschaft.de wird gebeten. In Bonn gibt es Planungen für ein Denkmal am Moses-Hess-Ufer. Ein Ratsbeschluss liegt vor, die Umsetzung stockt leider jedoch. Auf der Seite der Moses-Hess-Gesellschaft gibt es einen Aufruf zum Crowdfunding. Damit soll der von der Stadt Bonn zu leistende Eigenanteil für einen Antrag auf Ko-Finanzierung durch den LVR gesichert werden.
  • Kammerkonzert für die Opfer des Terroranschlags vom 7. Oktober 2023
    : Am 13. April 2025, 17 – 19 Uhr, findet im Bonner Hotel Collegium Leoninum (Noeggerathstraße 34, 53111 Berlin) dieses Benefizkonzert auf Einladung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft AG Bonn, der Solidaritätspartnerschaft Bergisch Gladbach – Nir Oz e.V. und einiger weiterer Bonner Einrichtungen und Organisation statt. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen, auch zur medizinischen und psychologischen Unterstützung der Bewohner:innen. Es spielten: Alexander Lifland, Violine, Roger Morello Ros, Cello, und Roman Salyutov, Klavier. Zu hören sind Werke von Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms und Erich Wolfgang Korngold.
  • Ein Blick auf das Ende des Lebens
    : Die Ausstellung „Im Angesicht des Todes – Blicke auf das Lebensende“ ist bis zum 6. Juli 2025 im Jüdischen Museum Frankfurt am Main zu sehen. Sie ist die erste kulturgeschichtliche Ausstellung zu jüdischen Praktiken des Umgangs mit Sterben, Tod und Trauer. Das bei Hentrich & Hentrich erschienene Buch zur Ausstellung wurde von Erik Riedel, Sara Soussan und Mirjam Wenzel Es rückt die gezeigten Kunstwerke, Medien und Objekte in einen anthropologischen und philosophischen Zusammenhang. In 17 Beiträgen präsentieren Expertinnen und Experten neue medizinische Forschungsergebnisse, diskutieren ethische Fragen, erörtern religionsvergleichende Perspektiven oder zeichnen nach, welche Rolle der Tod in Kunst- und Kulturgeschichte spielt. Mit seinem multiperspektivischen Ansatz eröffnen Buch und Ausstellung einen neuen Zugang zur letzten Passage des Lebens. Der Band ist auch in englischer Sprache erhältlich.
  • Kunstfest Weimar 2025
    : Der Vorverkauf hat begonnen. Thema sind „Taiwan, Südafrika und ein ganz lokaler Star“. Das Kunstfest wird vom 20. August bis zum 7. September 2025 In den vergangenen Spielzeiten gab es Rekord-Besuchszahlen. In der Pressemitteilung kündigte Kunstfest-Leiter Rolf C. Hemke (er hat die Philosophie des Kunstfestes im Demokratischen Salon vorgestellt.) unter anderem folgende Vorstellungen an: Gregory Maqoma und seineTanzensemble (der Festivalhit „CION“ (2022) ist vielen Zuschauer:innen noch in bester Erinnerung) arbeitet „Genesis – The Beginning and End of Time“ (30. August 2025, 18:00 Uhr und Sonntag, 31. August, 20:00 Uhr, DNT Großes Haus) erneut mit dem Komponisten Nhlanhla Mahlangu zusammen, um Rhythmen und Melodien zu vertanzen, die von der Lebendigkeit und Virtuosität der Kulturen Südafrikas durchdrungen sind – mit acht Tänzer:innen und polyphoner Live-A cappella eines achtköpfigen Chores. Ein weiterer Höhepunkt ist die Familien-Produktion des FOCASA Circus aus Taiwan. Die europäische Erstaufführung „Moss“ (deutsch: Moos) ist eine Zusammenarbeit mit dem deutsch-taiwanesischen Choreografie-Duo Peculiar Man Jan Möllmer und Tsai-Wei Tien, beide eng mit dem Tanztheater Pina Bausch verbunden (23. August 2025, 18:00 Uhr, und 24. August, 16:00 Uhr, DNT Großes Haus). 2024 bekam das Publikum in zwei völlig ausverkauften Konzerten nicht genug von Martin Kohlstedt! Natürlich ist der Bauhaus-Uni-Absolvent und „Local Hero“ Weimars auch beim Festival 2025 mit dabei – Open Air auf der Seebühne im Weimarhallenpark. Der Komponist, Pianist und Produzent schart ein Publikum aus Hoch- und Clubkultur um sich. Ihm gelingt es, akustisches Klavier und Electronica miteinander zu versöhnen. „Martin Kohlstedt Live“ (Freitag, 22. August, 20.30 Uhr) ist das einzige Konzert des Künstlers in Thüringen im Jahr 2025. Tickets unter 03643 / 755334 oder kunstfest-weimar.de.
  • Deutscher Fürsorgetag
    : Der Leitkongress des Sozialen findet zum 83. Mal statt, diesmal vom 16. bis zum 18. September 2025 in Erfurt, Motto: „Transformationen sozial machen“. Angeboten werden drei Symposien, über 40 Fachforen und zahlreiche Gelegenheiten, mit rund 1.700 erwarteten Akteuren aus Sozialpolitik, Sozialrecht und Sozialer Arbeit ins Gespräch zu kommen, im Einzelnen zu folgenden Themen: Gesellschaft in Spannung: Das Soziale sichert Zusammenhalt, Arbeitswelt im Umbruch: Zwischen Künstlicher Intelligenz und Fachkräftemangel, Klima im Wandel: Sozial und ökologisch in der Transformation. Bis zum 30. April ist eine Anmeldung zu Frühbucherpreisen möglich. Wer möchte ist eingeladen, sich mit den eigenen Ideen und Projekten auf dem Markt der Möglichkeiten zu präsentieren.
  • Ausstellung über Ergreifung und Prozess Adolf Eichmanns
    : Im Filmmuseum Potsdam ist bis zum 1. Februar 2026 die Ausstellung „How To Catch a Nazi“ zu sehen. Sie zeigt, wie der israelische Geheimdienst Mossad und der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer im Jahr 1960 Adolf Eichmann in Argentinien ausfindig machten, wie seine Entführung nach Israel durchgeführt und wie ihm schließlich der Prozess gemacht wurde. Es war der erste große Prozess, indem Opfer des Holocaust vor der Weltöffentlichkeit Zeugnis von den Verbrechen der Nazis ablegten. Die Ausstellung ist eine Multimedia-Ausstellung. Kurator ist Avner Abraham, ehemaliger Mossad-Agent. Sie stammt aus Israel und den USA und wurde von der Adolf Rosenberger gGmbH und dem SMÄK erstmalig nach Deutschland gebracht. Der Film „Operation Finale“ ist auch bei Netflix im Programm. Lena Schneider berichtete im Tagesspiegel. Sie zitiert den Historiker Frank Bajohr, die Ausstellung enthalte „zwei zentrale Botschaften. Es sei wichtig, ‚die Frage zu stellen, wer die Opfer zu Opfern gemacht hat.‘ Es könne nicht sein, der Opfer zu gedenken, aber zu sagen: ‚Opa war kein Nazi.‘ Zweitens, mit Verweis auf Fritz Bauer, der Eichmanns Aufenthaltsort an den Mossad weitergab: ‚Das Beispiel Eichmann zeigt, dass Gerechtigkeit manchmal etwas ungerade Wege gehen muss.‘ (…) Vielleicht, so Bajohr, würden sich russische Soldaten und deren Befehlshaber dereinst im Jahr 2080 auch dafür verantworten müssen, was 2022 in Butscha ‚Es ist nie zu spät.‘“ Weitere Informationen im Demokratischen Salon im Interview mit Christoph Rückel, der die Ausstellung nach Deutschland holte, zum Jahresbeginn 2024 nach München: „Zivilcourage und Rechtsstaat“.

Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen
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  • „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“
    : Die früheren Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD), der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle und die langjährige Medienunternehmerin Julia Jäkel haben am 12. März 2025 in Berlin ein Konzept für eine große Staatsreform präsentiert. Schirmherr war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Beteiligt waren etwa 50 Wissenschaftler:innen, Politiker:innen und Unternehmer:innen. Die Vorschläge haben sie bereits der Verhandlungsgruppe für einen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vorgestellt. Zentrale Begriffe sind Handlungssicherheit und Vertrauen. Der Staat müsse seinen Bürger:innen mehr Vertrauen schenken, das heißt auf zahlreiche Berichtspflichten verzichten und sich bei der Überprüfung von Leistungen auf Stichproben beschränken. Die Verwaltung sollte komplett digitalisiert werden. Europäische Vorschriften sollten nicht durch zusätzliche Anforderungen verkompliziert werden. Es müsse auch mehr bundeseinheitliche Umsetzung von Vorgaben möglich werden. Der Bund solle eine zentrale Zuständigkeit für Katastrophenschutz und Cybersicherheit erhalten. Weitere Details unter anderem in der ZEIT und im Tagesspiegel.
  • Joschka Fischer zur Aufgabe des neuen Bundeskanzlers
    : In der ZEIT sagte Joschka Fischer in einem Gespräch mit Tina Hildebrandt und Heinrich Wefing: „Die Messlatte für Merz ist Adenauer“. Ein Ausgangspunkt ist die inszenierte Szene zwischen Trump und Selenskyj im Oval Office. Deutschland und Europa werden jetzt immer „in zwei Optionen denken müssen: eine mit den USA in der Nato, als Bündnispartner, aber in einer zweiten Option, als Rückversicherung, immer auch ohne Rückbindung an die USA.“ Europa müsse „sich selbst schützen“, die Alternative sei „Unterwerfung“. Wir müssten den Realitäten ins Auge sehen: „Die Ukraine steht in einem Krieg auf Leben und Tod. Wenn sie den nicht gewinnt, dann wird es für die westlichen Nachbarn sehr schwer. Es geht doch nicht allein um eine moralische und humanitäre Geste. Wenn Putin gewinnt, wird er weitermachen, weiter westlich.“ Joschka Fischer plädiert für einen gemeinsamen Atomschirm Europas und Verhandlungen mit Großbritannien und Frankreich, Deutschland müsse seine Verantwortung als wirtschaftlich stärkstes Land annehmen, dies bedeute auch, dass Deutschland „Militärmacht“ werden müsse. Die Frage, ob das Land „dazu mental in der Lage“ sei, beantwortete Joschka Fischer mit einem Verweis auf die Dimension der Aufgabe des zukünftigen Bundeskanzlers. Ähnlich äußerte sich Joschka Fischer in einem Interview für den Tagesspiegel mit Karin Christmann und Hans Monath: „Wenn Putin sich in der Ukraine durchsetzt, wird er weitermachen.“ Die Welt sei gefährlicher geworden: „19. Jahrhundert plus Nuklarwaffen plus KI“. Die Wohlfühlphase der Zeit von Angela Merkel sei vorbei: „In der Außenpolitik werden Sie ohne die Kenntnis von Machiavelli nicht sehr weit kommen, wenn Sie nur ein rein idealistisches Menschenbild haben.“ Das Interview endet optimistisch: „Ich bin überzeugt: Unser Schicksal ist Europa. Wir haben alles, was es braucht. Wir haben die Menschen, die Wissenschaft, das Forschungspotenzial, wir haben das Geld, wir sind kreditwürdig. Wenn wir vorangehen und das alles einsetzen, um Europa stark und verteidigungsfähig zu machen, dann ist mir um die Zukunft nicht bange.“ Zum Weiterlesen: das neue Buch von Joschka Fischer: „Die Kriege der Gegenwart und der Beginn der neuen Weltordnung“ (Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2025).
  • Neues Europa?
    In seinem neuen Buch „Macht im Umbruch“ (Berlin, Rowohlt 2025) schreibt Herfried Münkler über den Wandel von einer regel- zu einer machtbasierten Ordnung und die Konsequenzen für Deutschland und Europa. In einem Gespräch mit Jan Kixmüller für den Tagesspiegel stellt er die Thesen des Buches vor. Er hatte bereits mehrfach die These formuliert, dass sich die zukünftige Weltordnung an fünf Akteuren orientieren werde: USA, Europa, China, Russland und Indien. Allerdings löse sich zurzeit das transatlantische Bündnis zwischen den USA und Europa auf, sodass Europa seine Rolle neu formulieren müsse. Die USA konzentrierten sich auf ihre Rivalität mit China und seien offenbar bereit, dafür Russland entgegenzukommen und Europa sich selbst zu überlassen. Europa müsse unter anderem das Einstimmigkeitsprinzip abschaffen. Ein mögliches Instrument wäre das Weimarer Dreieck von Deutschland, Frankreich und Polen, möglicherweise ergänzt durch weitere Akteure wie Großbritannien. Ähnlich argumentierten am 19. März 2025 in Berlin auf Einladung des Deutschen Polen-Instituts mit Unterstützung der Stiftung Genshagen und der ZEIT Stiftung Bucerius in der französischen Botschaft Jean-Marc Ayrault, Heiko Maas und Danuta Hübner mit der Moderation von Anna Sauerbrey. Ein wesentlicher Aspekt der Diskussion war die Frage, ob sich ein Europa der zwei Geschwindigkeiten herausbilden würde. Die Verhandlungen in Brüssel vom 20. März 2025 deuten darauf hin, dass sich genau dies entwickeln könnte, nicht zuletzt auch angesichts der zahlreichen Beitrittskandidaten, von der Ukraine über Moldawien, gegebenenfalls Georgien und die Staaten des Westbalkan. 
  • Männer und Frauen im Studium
    : Für das Format ZEIT Campus haben Christoph Farkas und Mia Janzen die Geschlechterverteilung im Studium zusammengestellt: „Das sind die neuen Frauenfächer“. Grundlage sind Daten des Statistischen Bundesamtes. Seit den 1990er Jahren haben die Frauen die Männer ein-, beim Studieneinstieg inzwischen sogar überholt. Über 60 Prozent der Studierenden in den Fächern Architektur, Jura und Graphikdesign, Humanmedizin, Zahnmedizin sind Frauen. In den Fächern Mechatronik, Elektrotechnik und Maschinenbau liegt ihr Anteil noch unter 20 Prozent. Frauen dominieren nach wie vor in den Fächern Psychologie und Innenarchitektur mit jeweils etwa 80 Prozent, auch im Grundschullehramt, obwohl sich dort so langsam offenbar auch Männer immatrikulieren, deren Anteil sich auf die 20-Prozent-Marke zubewegt. Interessant für Frauen sind Kombinationsfächer: Während in Informatik Männer und in Biologie Frauen dominieren, studieren inzwischen etwas gleich viele Frauen und Männer Bioinformatik.
  • Kulturelle Teilhabe
    : Die Zeitung Politik & Kultur hat in ihrer (kostenfrei zugänglichen) Märzausgabe 2025 das Thema der kulturellen Teilhabe zum Schwerpunktthema gewählt. Herausgeber Olaf Zimmermann eröffnet mit der Ansage: „Im Kulturbereich ist Platz für alle“. In einem weiteren Beitrag nennt er seine Forderungen an die Kulturpolitik der neuen Bundesregierung. „Barrierefreiheit“ bezieht sich nicht nur auf Menschen mit Behinderungen, sondern auch auf viele andere Bevölkerungsgruppen, auf ältere wie jüngere Menschen oder Menschen, die aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage keinen Zugang zu kulturellen Angeboten finden können. Gabriele Schulz schreibt: „Der Zugang von Menschen zu Kultur, die Partizipation am Arbeitsmarkt Kultur ist ein Menschenrecht“ und verweist auf Artikel 21 und Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention. Birgit Mandel stellte empirische Befunde zum Einfluss von kultureller Teilhabe auf die Demokratie vor, dazu gehören auch kulturelle Bildung und nicht zuletzt der Zugang zu Informationen. Susanne Keuchel referiert die Ergebnisse einer Studie der vom BKM geförderten Programme und Projekte. Weitere Beiträge befassen sich mit dem Musikunterricht, Kunst in der schulischen Bildung, der Bedeutung der Volkshochschulen, den Wirkungen des Theaterspielens in Schulen, Amateurtheater und Musiktheater, kultureller Bildung, Zugang und Förderung von Bibliotheken und Museen (die zurzeit in manchen Haushalten gefährdet sind). Wie sehr öffentliche (auch am Sonntag!) kostenfrei zugängliche Bibliotheken nachgefragt werden, belegen die Erfahrungen der von Holger Krimmer vorgestellten Hamburger Bücherhallen. Dorit Klüver und Linda Meier benennen erfolgreiche ländliche Projekte, die ganz alltägliche Orte wie beispielweise ein Freibad zu einem kulturellen Begegnungsort machen, ein vergleichbares Projekt ist „Aller.Land“, das Samo Darian vorstellt, Stadtteilkultur wiederum ist das Thema von Corinne Eichner. Kultur ist nicht nur Unterhaltung, wie unter anderem Regina Görner Marie Starck leitet aus ihrer Reportage zur schwedischen Kulturpolitik ab, wie wichtig die Unabhängigkeit von Kultureinrichtungen ist. Last not least enthält die Ausgabe das von Andreas Kolb geschriebene Porträt von Monika Grütters, die (leider) nicht mehr für den 21. Deutschen Bundestag kandiert hat, aber auf eine erfolgreiche Zeit als Beauftragte für Kultur und Medien zurückblicken darf. Während der Pandemie gelang es ihr gemeinsam mit ihrem Staatssekretär Günter Winands und den engagierten Mitarbeiter:innen ihrer Behörde, bedrohten Kultureinrichtungen eine sichere Zukunft zu ermöglichen. Dies gelang ihr – darauf verweist sie – aber auch nur, weil sie den Austausch mit den Akteuren und Verbänden regelmäßig pflegte.
  • Kultur in den Koalitionsverhandlungen
    : Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, hat fünf Punkte benannt, in denen CDU, CSU und SPD Farbe bekennen müssen. CDU/CSU haben den Begriff der „Leitkultur“ im Kulturkapitel und im Integrationskapitel ihres Wahlprogramms verankert. Wird die SPD die Ausrichtung der Kulturpolitik auf der Bundesebene nach den Prämissen einer und wenn ja welcher Leitkultur akzeptieren? Ein zweiter Punkt ist die Frage einer Antisemitismusklausel bei öffentlichen Zuwendungen (nicht nur im Kulturbereich). Dazu gehöre – so die CDU – die Klarstellung, dass es keinen Raum für Antisemitismus gibt, das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die Anerkennung der IHRA-Definition und des Existenzrechts Israels. Die Frage lautet, ob sich eine solche Klausel rechtssicher ausgestalten lässt. CDU/CSU wollen ferner die Stärkung der Kulturförderung nach § 96 Bundesvertriebenengesetz und die Selbstständigkeit der Stiftung Flucht, Versöhnung, Vertreibung. Das bedeutet, dass die Vertriebenenverbände, deren Einfluss der erste Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) vor fast dreißig Jahren deutlich beschnitten hatte, wieder gewichtige Mitspieler werden sollen. Die Stiftung Flucht, Versöhnung, Vertreibung ist mit gutem Grund Teil der Stiftung Deutsches Historisches Museum. Ihre Selbstständigkeit könnte ihre Unabhängigkeit gefährden. Wird es ein Staatsziel Kultur im Grundgesetz geben? Und nicht zuletzt: wird es ein eigenständiges Bundeskulturministerium geben?
  • Neue Esskultur in Modena
    : Die Zeitschrift „Der Feinschmecker“ berichtete über ein äußerst erfolgreiches Projekt in Modena (Italien), über das geflüchtete Frauen sich eine neue Existenz und eine neue Heimat aufbauen konnten: „Die stolzen Frauen von Modena“. Anja Wasserbäch berichtete: „Die lässige Location, die man eher in einer Großstadt wie New York oder London vermuten würde, liegt in Modena in Norditalien. In der Küche herrscht eine ausgelassene Stimmung: Joy, Esther, Faithful, Margarita und Nazma tragen weiße T-Shirts, rote Schürzen, um ihre Köpfe haben sie bunte Turbane gebunden, aus der Box ertönen afrikanische Klänge, eine Frauenstimme singt.“ Das Restaurant heißt „Roots“. „Im Juni wurden die Initiatorinnen Jessica Rosval und Caroline Caporossi in Las Vegas mit dem ‚50 Best Champions of Change‘-Award ausgezeichnet.“ Die inspirierende Idee gab der mehrfach ausgezeichnete Koch Massimo Bottura. (Für den Hinweis danke ich CORRECTIV.)
  • Schicksale und Zahlen zum Bürgergeld
    : Wer Bürgergeld bezieht, muss sich inzwischen nicht nur rechtfertigen, warum er:sie nicht arbeitet, sondern muss auch noch ertragen, mit all denen – wie man so sagt – in einen Topf geworfen zu werden, die sich tatsächlich vor der Arbeit drücken. Lea Hampel berichtete für die Süddeutsche Zeitung in ihrer Reportage „Fordern, fördern, verlieren“ über einen konkreten Fall, Hintergründe und Statistiken. Die Zahlen: 0,3 Prozent der Bürgergeldbezieher:innen nehmen in elf Monaten nach dem ersten Bezug keine Arbeit auf, obwohl sie könnten. Große Einsparmöglichkeiten sind da nicht zu finden. Wohl aber wären diese bei der Verwaltung zu finden, die etwa 70 Prozent der Staatsausgaben ausmacht. Lea Hampel beschreibt das Schicksal einer alleinerziehenden Mutter, die ihr inzwischen siebenjähriges Kind pflegen muss. Das Kind kam in der 26. Woche mit einem Gewicht von 690 Gramm zu früh zur Welt. Es hatte einen verkürzten Darm. „Die ersten Monate hat seine Mutter mit ihm in Krankenhäusern verbracht, den Alltag musste sie schnell ohne den kranken Kindsvater stemmen. ‚Nach der elften Operation habe ich aufgehört zu zählen‘, sagt sie. Mittlerweile ist Max sieben Jahre alt und seit mehreren Jahren zu Hause. Er geht bis mittags in den Kindergarten. Eines Tages, hofft seine Mutter, kann er auf eine normale Schule gehen. Man könnte sagen, es ist ein Wunder, dass er es so weit geschafft hat. Oder aber: Es ist das Ergebnis von harter Arbeit, nur eben nicht von Erwerbsarbeit.“ Das Kind braucht für seine Ernährung entsprechende Apparaturen, die Platz brauchen. Mutter und Kind mussten aber einen Besuch des Jobcenters ertragen, das der Meinung war, ihre Wohnung wäre zu groß. Weder Jobcenter noch Politik scheinen zu bedenken, dass das Kind wegen der benötigten Apparaturen etwas mehr Platz braucht, dass es so gut wie unmöglich ist, beim derzeitigen Wohnungsmarkt eine preiswertere Wohnung zu finden und was es bedeuten würde, das informelle soziale Netz in der Nachbarschaft zu verlieren.
  • Protestforschung
    : Für die taz sprach Marie Frank mit der Protestforscherin Lisa Bogerts: „Es gibt viele Beispiele für wirksamen Protest“. Lisa Bogerts kam über Forschungen zur Streetart und zu künstlerischen Protestformen zur Protestforschung. Sie forscht nur zu Themen, in denen sie selbst nicht involviert ist. Protestkommunikation habe sich inzwischen sehr ins Digitale verschoben. Aber auch auf den Straßen gebe es „ein Revival von zivilem Ungehorsam“, das zu einem härteren Vorgehen von Staat und Justiz gegen bestimmte Organisationsformen geführt habe. „Unverhältnismäßige Repressionen“ beträfen nach einer Studie von Amnesty International 2024 insbesondere Schwarze Menschen und Menschen aus dem arabischen Raum, in Ungarn und Polen queere Menschen. Lisa Bogerts sagte, sie könne nicht bestätigen, dass der Staat gegen linke Demonstrationen härter vorgehe als gegen rechte. Allerdings sei es auch schwierig, im rechten Raum zu forschen, die Rücklaufquoten seien dort deutlich niedriger. Ein wesentlicher Unterschied: „Rechte Mobilisierung arbeitet sehr viel gezielter mit Abwertung und Hass gegenüber konkreten Personengruppen. Gesellschaftlich marginalisierten Gruppen wird die Schuld an bestimmten Problemen zugeschoben und es wird Angst geschürt. Das beobachten wir bei linken Protesten wirklich sehr selten.“ Erfolg zeige sich in Änderungen der Politik, gegebenenfalls von Gesetzen, aber auch in der Motivation der Protestierenden, sich auch weiterhin zu beteiligen. Erfolge seien erfolgreicher, „je diverser das Repertoire ist“.
  • Doppelmoral bei der Terrorismusbekämpfung
    : Wenn ein Mensch mit sogenanntem „Migrationshintergrund“ auf offener Straße Menschen tötet oder verletzt, wie zuletzt in Mannheim, Solingen, Aschaffenburg und München geschehen, wird sehr schnell in Politik und Medien die gesamte Gruppe, der sie angeblich angehören, unter Generalverdacht gestellt. Das sind dann die Migranten, die Flüchtlinge, die Muslime, denen Einhalt geboten werden muss. Am Rosenmontag in Mannheim sah das etwas anders aus: Ein 40jähriger Deutscher aus Ludwigshafen ist der mutmaßliche Täter. Gestoppt werden konnte er, weil ein Taxifahrer ihm hinterherfuhr und in eine Sackgasse trieb. Der Name des Taxisfahrers: Afzal Muhammad. Gleichwohl wurde in den üblichen Netzwerken verbreitet, es handele sich beim Täter um jemanden mit „Migrationshintergrund“, der Taxifahrer wurde kaum erwähnt. Polizei und Staatsanwaltschaft sahen bei dem Täter zunächst keinen politischen Hintergrund. Einen Tag später stellte sich heraus, dass der Täter sich offenbar in rechtsextremen Kreisen bewegte. Nach wie vor heißt es jedoch bei Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt: Kein politischer Hintergrund. Die Botschaft: Bei Menschen mit Migrationshintergrund ist es die ganze Gruppe, bei Deutschen immer nur der Einzeltäter. In einem Gespräch mit Anant Agarwala für die ZEIT stellte der Gewaltforscher Thomas Hestermann fest: „Die Gewalt von Deutschen wird weitgehend ausgeblendet“. Die Medien hätten sich von der AfD „treiben lassen“: „Die deutschen Leitmedien ordnen Gewaltkriminalität nahezu genauso ein wie die AfD.“ Auslöser sei die Kölner Sylvesternacht 2015/2016 gewesen. Vorher habe „die Herkunft praktisch keine Rolle gespielt“. Bei statistischen Informationen würden Personengruppen miteinander verglichen, die nicht verglichen werden könnten: „Zumal es wenig Sinn macht, eine Gruppe, die zu großen Teilen aus jungen Männern besteht, mit einer vergreisenden deutschen Bevölkerung zu vergleichen, in der die Geschlechter ausgewogen sind. Junge Männer in Großstädten begehen generell mehr Straftaten als alte Frauen auf dem Land. Egal, ob sie Deutsche oder Ausländer sind.“
  • Rückzug aus dem Bundestag
    : Mehrere Abgeordnete haben sich aus dem Deutschen Bundestag zurückgezogen, nicht zuletzt, weil sie die Angriffe von rechts nicht mehr ertragen wollten. Dazu gehörten Vizepräsidentin Yvonne Magwas und der Ostbeauftragte Marco Wanderwitz. Beide gehören der CDU an. Jeannine Kantara und August Modersohn sprachen für die ZEIT mit dem SPD-Parlamentarier Karamba Diary: „Wir sind nicht verloren“. Er wurde 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. 2017 änderte sich mit dem Einzug der AfD vieles. Ein Beispiel: „Ich erinnere mich an die Rede eines AfD-Abgeordneten, der sagte: ‚Wir wollen keine Masseneinwanderung von ungebildeten Afrikanern.‘ Ich saß in der ersten Reihe, und er machte eine entsprechende Handbewegung in meine Richtung. Und das war noch einer der harmloseren Sätze.“ So entstehe „der Hass auf der Straße“. Ein kollegiales Verhältnis mit Abgeordneten, die so reden, sei nicht mehr möglich. Karamba Diary erlebte eine Morddrohung, Schüsse auf sein Abgeordnetenbüro in Halle. Das sei aber „nicht der Hauptgrund“ für seinen Rückzug gewesen. Er sei für seine Zeit im Bundestag dankbar, auch wenn er nicht alle seine Ziele habe verwirklichen können, so zum Beispiel das immer noch nicht verabschiedete Demokratiefördergesetz. Er mache jetzt mit 63 Jahren Platz für jüngere, die aber ihren Weg machen würden. Sein Aufruf an die Unternehmen: „Ich finde, die Unternehmen müssen aber auch einmal etwas sagen. Sich zu Wort melden und den Mitbürgerinnen und Mitbürgern klarmachen: Wenn ihr AfD wählt, dann haben wir hier bald ein riesiges Problem.“ Ein Fazit? „Sollen wir fröhlich oder traurig gucken? Ich habe gesagt, lasst uns fröhlich gucken, um denen da draußen zu sagen, dass wir uns von euch nicht einschüchtern lassen. Wir sind stärker. Das ist meine Haltung.“
  • Schule in Charkiw
    : Für die FAZ berichtete Stefan Locke aus Charkiw: „Putins Bomben haben alles verändert“. Charkiw liegt etwa 40 km von der Grenze entfernt, sodass es nur eine sehr kurze Vorwarnzeit gibt, um in einer Schule alle Kinder sicher in den Keller zu bringen. Ihor Terechow, der Bürgermeister, berichtet: „Nach drei Jahren Krieg ist in Charkiw kaum noch ein Haus unversehrt. Allein im vergangenen Jahr seien durch russische Angriffe 2600 Häuser in seiner Stadt zerstört oder beschädigt worden, sagt Terechow. 2024 habe es an 157 Tagen Luftalarm gegeben, und um den Jahreswechsel sei Charkiw 318-mal beschossen worden.“ Unterricht findet in den Schulen zum Teil im Schichtsystem statt. Es gibt Notstromgeneratoren, um Stromausfälle zu kompensieren. Das Mittagessen erhalten die Schüler:innen in Plastikboxen am Platz. Ein sicherer Arbeitsplatz ist die unterirdische Metro. „Als die Kinder oben ankommen und nach fünf Stunden ans Tageslicht treten, scheint die Sonne. Sie rennen über den Hof auf einen Spielplatz. Dann heulen schon wieder die Sirenen.“
  • Anti-migrantischer Terror in Russland
    : Für die ZEIT berichtet Anastasia Tikhomirova über „Russlands rechtsextreme Renaissance“: „Probleme mit den Behörden müssen die Rechtsextremen nicht fürchten. Der Chef des föderalen Ermittlungskommitees Alexander Bastrykin, ein Jugendfreund von Wladimir Putin, soll zum Beispiel mehrfach eine Strafverfolgung der rechtsextremen Gruppe nach Angriffen auf Migranten verhindert haben, berichtete kürzlich die Moskauer Zeitung Kommersant.“ Rechtsextremisten werden von der russisch-orthodoxen Kirche unterstützt. Sie richten sich gegen die Einwanderung von Menschen aus den zentralasiatischen Staaten, aber auch Angehörige der 150 indigenen Gruppen in der Russischen Föderation. Sie finden damit in der russischen Bevölkerung zunehmend Zuspruch. In einigen Regionen gibt es inzwischen Berufsverbote für Migranten, zum Beispiel dürfen in 19 Regionen Menschen ohne russischen Pass nicht mehr Taxi fahren. Tadschikistan und Kirgistan raten ihren Bürger:innen von Reisen nach Russland ab. „‚Die tägliche Kriegspropaganda fördert die Gewaltbereitschaft innerhalb der Gesellschaft‘, sagt der Politikwissenschaftler Temur Umarow vom Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin. ‚Sie hat die Entmenschlichung bestimmter, nicht nur in der Ukraine lebender Menschengruppen und das Sprechen von einer angeblichen Überlegenheit ethnischer Russen normalisiert.‘“ Bis 2010 sind Staat und Gerichte noch gegen Neonazis vorgegangen, doch inzwischen wurden viele Beamte der Polizei und der Nationalgarde.
  • Politische Gefangene in Russland
    : In der Ausgabe des New York Review of Books vom 13. März 2025 veröffentlichte Joy Neumeyer eine Reportage über Menschen, die in Russland wegen ihrer politischen Ansichten zu langen Haftstrafen verurteilt wurden: „Russia: Letters from the Opposition“. Grundlage sind Briefe der inhaftierten Oppositionellen. Kein totalitäres System, keine Zensurbehörde ist so dicht abgeschottet, dass sich nichts darüber erfahren ließe, was dort in Lagern und Gefängnissen geschieht. Joy Neumeyer ist es gelungen, einige der inhaftierten Menschen erfolgreich anzuschreiben, auch dank seiner Zusammenarbeit mit verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen, die zum großen Teil Russland verlassen mussten, um einer Verhaftung ihrer Mitarbeiter:innen als „foreign agents“ Ein Beispiel ist der Fall einer 67jährigen Kinderärztin, die von der Mutter eines siebenjährigen Patienten angezeigt wurde, weil sie sich kritisch gegen den russländischen Angriffskrieg geäußert hat. Dieser Fall zeigt wie mehrere andere, dass jede Anzeige durch die Erfindung weiterer möglicher gegen das russische Militär gerichteter Äußerungen angereichert wird, bis dahin, dass aus einer beiläufigen Äußerung Sabotageakte und Finanzierungsbeiträge für die ukrainische Armee abgeleitet werden. Die Ärztin wurde zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ein 57jähriger Künstler wurde zu siebeneinhalb Jahren verurteilt, weil er sich auf sozialen Medien vor dörflichen Geschäften mit Slogans wie „UKRAINE. FORGIVE US“ gezeigt hatte (eines dieser Bilder wird in der Reportage gezeigt). Die Haftbedingungen sind äußerst grausam. Körperliche Folter, zu der Kälte, Schlafentzug und Einzelhaft wegen Belanglosigkeiten wie einem falsch zugeknöpften Hemd gehören, wird durch psychische Folter verschärft. Beispielsweise erhielt eine inhaftierte Frau von einem unbekannten Absender ein Paket mit 20 Kg Salz, genau das Gewicht, das sie einmal im Monat erhalten durfte, damit alle weiteren Pakete zurückgehalten werden konnten. Die Organisation Freedom for Correspondence (FOC) versucht, Gefangene zu betreuen. Mitunter gibt es kleine Erfolge. Einer der Anwälte von FOC sagte, er kämpfe für die Rechte der politischen Gefangenen, denn er wurde in seiner Familie erzogen, sein Vaterland zu lieben und dass Vaterland und Regierung keine Synonyme seien.
  • Strategien der (neuen) Rechten auf TikTok
    : Die Bildungsstätte Anne Frank hat die Handreichung „Das TikTok Universum der extremen Rechten“ veröffentlicht. Katharina Kalinke hat sie ausführlich auf der Grundlage von Gesprächen mit Eva Berendsen und Deborah Schnabel im Tagesspiegel vorgestellt: „Die versteckten Codes der extremen Rechten“. Zu diesen Codes gehört „Cottagecore“, eine Zusammensetzung von „Cottage“ und „Hardcore“. Mit einem Beispiel beginnt Katharina Kalinke: „Eine junge Frau, die ganz in Weiß gekleidet in einem Meer aus Frühlingsblumen tanzt, Kinder, die im üppig blühenden Garten in einer alten Zinkwanne baden, Lämmer und Küken, ein junges Paar, das sich innig umarmt. Alles ist in sanfte Farben getaucht, die Bilderfolge ist mit sanften Synth-Pop-Klängen unterlegt, in Frakturschrift geschrieben der Titel des Videos: ‚femininity‘.“ Wirkt ungefährlich, ist aber der Einstieg in das Bild einer „ethnisch reinen“ Welt, eine Art „trojanisches Pferd“. Dies locke – so Deborah Schnabel – vor allem junge Menschen in der Phase der „Identitätsfindung“. Der Bericht von Katharina Kalinke zitiert aus der Handreichung auch eine längere Liste der verschiedenen Memes, mit denen rechtsextreme Botschaften verbreitet werden. AfD-Anhänger:innen können sich beispielsweise an einem blauen Herz erkennen. Mathieu Coquelin, Geschäftsführer der Fachstelle Extremismusdistanzierung im Demokratiezentrum Baden-Württemberg, sieht eine Steigerung in der Beeinflussung der Nutzer:innen: „Inhalte wie eine Rückbesinnung auf ‚traditionelle Geschlechterrollen‘ geben vermeintlich einfache Antworten, die sich „dann in Homo- und Transfeindlichkeit und einem chauvinistischen Männlichkeitsbild äußern“. Der Algorithmus „schlägt den Nutzer:innen weitere Videos vor von Influencern, die ein ‚Wir gegen die‘-Gefühl herstellen und Feindbilder aufmachen.“ Lehrkräfte verfügen in der Regel nicht über die Kompetenz, gegen solche Formen der Radikalisierung vorzugehen. Über die Frage, ob solche Plattformen vom Staat geschlossen oder die Plattformen veranlasst werden sollten, solche Inhalte zu entfernen, gibt es unterschiedliche Auffassungen.
  • Antifeminismus und Maskulinismus
    : Die Heinrich Böll Stiftung hat im Februar 2024 eine Analyse von Sandra Ho zum Antifeminismus und eine Analyse von Thomas Gesterkamp zum Maskulinismus veröffentlicht. Man darf beide Entwicklungen als kommunizierende Röhren betrachten. Thomas Gesterkamp beruft sich vor allem auf eine Studie des DELTA-Instituts von Carsten Wippermann, der bei jungen Männern verschiedene Typen feststellte, einen eher empathischen Typus, einen, der unter Ambivalenzen und Verlustängsten leidet, einen dritten, der nach „alter Stärke“ sucht und auch danach lebt. Zwei Gegenentwürfe sind zwei weitere Typen, der „maskulinistisch-faschistoide Performer“ und ein Typus, der sich an „Toleranz, Diversität und optimistische(r) Selbstentwicklung“ Erforderlich sei eine „offene und aufsuchende, professionelle Männerarbeit“. „Ansprechen sollte man die Zielgruppe daher auch in unverfänglichen Settings wie Betrieben und Ausbildungseinrichtungen, an Orten des Sports wie Fitnessstudios oder Fußballplätzen, in Gaming- und Chatrooms – und man müsse dabei stets den persönlichen ‚Benefit‘ herausstellen.“ Sandra Ho plädiert für eine Abgrenzung von Antifeminismus, Sexismus und Frauenhass. Zurzeit gebe es kaum Zahlen, jedoch in der Leipziger Autoritarismusstudie Hinweise, dass bei etwa einem Viertel der Befragten ein geschlossenes antifeministisches Weltbild festgestellt werden könnte. Das „Zivilgesellschaftliche Lagebild Antifeminismus 2023“ der Amadeu Antonio Stiftung konkretisiert dies. Die Autoritarismusstudie dokumentiert den Zusammenhang antifeministischer und rechtsextremer Einstellungen: Antifeminismus habe eine „Brückenfunktion“. Verbindungen zu antisemitischen Einstellungen kommen hinzu. Sandra Ho beschreibt die verschiedenen Milieus. Das Radikalisierungspotenzial über antifeministische Erzählungen sei nicht zu unterschätzen. Der Beitrag von Sandra Ho enthält ein ausführliches Literaturverzeichnis.
  • Syrische Verfassung
    : Im Demokratischen Salon hat Thomas von der Osten-Sacken über seine Syrienreise im Januar 2025 Auf mena-watch berichtet er über einen Forderungskatalog an die syrische Regierung, auf den sich die kurdischen Organisationen geeinigt haben: „Wir Kurden wollen alle ein dezentralisiertes, föderales, multiethnisches und multireligiöses Syrien.“ Die Interimsverfassung erwähnt die kurdischen Gemeinschaften bisher mit keinem Wort. Thomas von der Osten-Sacken verweist auf die grundlegende Kritik verschiedener von „über Organisationen und Parteien In Damaskus aus dem Spektrum der nicht-islamischen Opposition“, die sich unter dem Namen „Syrian Equal Citizenship Alliance (Tamasuk) gegründet“ zusammengefunden haben: „Der Name ist Programm: Der Allianz geht es darum, für eine syrische Verfassung zu kämpfen, der kein islamisches Rechtsverständnis zugrunde liegt, sondern die Idee der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Diese Forderung richtet sich ganz explizit auch gegen die Interimsverfassung, die zwischen Muslimen und Nichtmuslimen ebenso trennt wie zwischen Frauen und Männern. Man möchte, so das Programm, ein Land, das allen gehört und eine Religion, die Gott gehört.“
  • Massaker in Syrien
    : Auf der Plattform mena-watch berichtet Thomas von der Osten-Sacken über die Hintergründe der heftigen Kämpfe der letzten Wochen, „mehrere hundert Anhänger von Assad und Mitglieder seiner Sicherheitsdienste und Milizen, die im Dezember in das Küstengebiet geflohen und dort untergetaucht waren, hatten sich offenbar wochenlang auf einen bewaffneten Aufstand vorbereitet, der für die Regierung ebenso überraschend kam wie für die Mehrheit der Bewohner der Region.“ In der Region leben vorwiegend Alawiten (nicht mit Aleviten zu verwechseln!), doch bei Weitem haben nicht alle Alawiten Assad unterstützt. Die Reaktion auf den Aufstand von Assad-Anhängern entstand spontan, doch – so Thomas von der Osten-Sacken – enthebe das die Regierung beziehungsweise die HTS nicht von ihrer Verantwortung für das Massaker. Jetzt wurde eine Untersuchung angekündigt. Es gibt Hinweise, dass die schlimmsten Massaker von der von der Türkei unterstützten SNA (Syrische Nationale Armee) ausgegangen seien. Offen ist, ob und wenn ja welche externen Kräfte die Aufstände gegen die Regierung geschürt hätten (Russland? Iran? Hisbollah?) Inzwischen gibt es erste Verhaftungen. Auf Demonstrationen in Damaskus forderten Menschenrechtler:innen Aufklärung.Eindrucksvoll und zugleich erschreckend, voller Enttäuschungen und dennoch voller Hoffnungen ist auch die Reportage von Wolfgang Bauer in der ZEIT „Die Schatten des Sieges“, eine 2.000 Kilometer lange Reise, mit Fotos von Emile Ducke.
  • Literatur aus Guinea-Bissau
    : Auf der Leipziger Buchmesse 2025 wurde der von Renate Heß für die Amilcar Cabral Gesellschaft e.V. herausgegebene Band „Der Pitangabaum der Nachbarin – Erzählungen aus Guinea-Bissau“ herausgegeben. Er erschien in der Edition Noack & Block und enthält zwölf Texte von fünf Autor:innen, die Johannes Augel, Rosa Rodrigues und Renate Heß übersetzt haben. Die Autor:innen: Waldir Araújo, Amadu Dafé, Edson Incopté, Claudiany Pereira, Marinho de Pina. Hintergrundinformationen lesen Sie in dem im Demokratischen Salon veröffentlichten Gespräch mit Renate Heß über den Autor und Verleger Abdulai Sila: „Afrikanisches Selbstbewusstsein“.
  • Sudan
    : Wolfgang Bauer hat im ZEIT-magazin vom 6. Februar 2025 eine Reportage über die Zustände im Sudan veröffentlicht: „Die Vergessenen“ (mit Fotos von Johanna Maria Fritz). Gegenstand ist das einzige Krankenhaus in Khartum. „Die UN sprechen von der ‚größten humanitären Katastrophe, die jemals dokumentiert wurde‘. Fast die Hälfte der Bevölkerung des Sudan, mehr als 25 Millionen, sei dem Hunger ausgesetzt. Elf Millionen Menschen seien vertrieben. Über 150.000 Sudanesen sollen bisher getötet worden sein, nur grobe Schätzungen kursieren. Die Welt interessiert sich nicht.“ Wolfgang Bauer beschreibt detailliert seine Gespräche mit Ärzt:innen und Patient:innen, die fürchterlichen Verletzungen, das Bemühen der Ärzt:innen und des Krankenhauspersonals bei extrem schlechten Bedingungen: Triage, Ungeziefer, Rauchkerzen gegen Verwesungsgeruch, ein improvisierter Friedhof auf dem Gelände. Unterstützung durch die Militärregierung: Fehlanzeige. Diese investiert in den Krieg. Fast die Hälfte der Sudanesen haben ihre Heimat verloren, sind vertrieben worden, nicht wenige von ihnen mehrmals. Ihr Leben ist eine Abfolge von Vertreibungen. Die Frauen im Hof des Krankenhauses stammen aus Darfur im Westen und den Nuba-Bergen im fernen Süden, Provinzen an den Rändern Sudans. Die Herrscher Khartums überzogen die Provinzen seit den Siebzigerjahren mit Gewalt, um sie zu arabisieren. Jetzt werfen die Provinzen die Gewalt auf Khartum zurück.“ In den drei Wochen, in denen Wolfgang Bauer und Johanna Maria Fritz sich im Sudan aufhielten, waren sie die einzigen ausländischen Journalist:innen im Land. Die Reportage endet mit einer am 15. März 2025 aktualisierten Liste der im Krankenhaus Gestorbenen, sie starben im Alter zwischen 77 Jahren und 52 Tagen. Außerdem ein Spendenaufruf: „ZEIT – Spenden Al Naw“ an folgende Kontonummer: DE58 6405 0000 0008 9631 18“ (Spendenquittungen sind leider nicht möglich, dazu müsste ein Verein gegründet werden).

Den nächsten Newsletter des Demokratischen Salons lesen sie in etwa vier Wochen. Bis dahin wünsche ich Ihnen Frohe Ostern und Pessach Sameach!

Mit den besten Grüßen verbleibe ich

Ihr Norbert Reichel

(Alle Internetzugriffe erfolgten zwischen dem 21. und 30. März 2024.)

P.S.: Sollte jemand an weiteren Sendungen meines Newsletters nicht interessiert sein, bitte Nachricht an info@demokratischer-salon.de. Willkommen sind unter dieser Adresse natürlich auch wertschätzende und / oder kritische Kommentare und / oder sonstige Anregungen.