Liebe Freund*innen des Demokratischen Salons,

ein zentrales Thema des Demokratischen Salons war in den vergangenen Wochen die Vorbereitung der digitalen Veranstaltung „Verfemte Literatur in der DDR – ein Gespräch mit Ines Geipel“ am 21. Januar 2021, 18 – 20 Uhr, die ich als gemeinsame Veranstaltung des Demokratischen Salons und des Instituts für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Bonn in Kooperation mit der Bundesstiftung Aufarbeitung und der Theatergemeinde Bonn anbiete.

Allen, die sich bereits angemeldet haben, ganz herzlichen Dank. Über das große Interesse haben wir uns sehr gefreut. Diejenigen, die sich angemeldet haben, erhalten im Verlauf der kommenden Woche den erforderlichen Link. Selbstverständlich sind auch weiterhin noch Anmeldungen möglich.

Zum Thema Verfemte Literatur in der DDR darf ich Ihnen folgende Texte empfehlen, zwei Texte, die schon im letzten und in einem früheren Newsletter erwähnt waren, drei weitere, die ich Ende Dezember beziehungsweise Anfang Januar eingestellt habe:

  • Mein Gespräch mit Ines Geipel habe ich unter dem Titel „Die dritte Literatur des Ostens“, dokumentiert: Die dritte Literatur des Ostens – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de). Ines Geipel gibt eine fundierte Einschätzung des Terrors und der Unsicherheiten, die kreative Menschen in der DDR erleiden mussten. Sie beschreibt, wie sich die Texte der verfemten Autor*innen zu Texten in der DDR zugelassener Autor*innen verhielten und verhalten und wie sie sich in die jeweiligen politischen Entwicklungen einordnen lassen. Das Gespräch gibt Einblicke in verschiedene Bücher von Ines Geipel zum Thema, beispielsweise „Gesperrte Ablage“ (gemeinsam mit Joachim Walther), „Zensiert, verschwiegen, vergessen“ oder „Umkämpfte Zone“. Texte verfemter Autor*innen wurden von Ines Geipel und Joachim Walther in „Die Verschwiegene Bibliothek“ veröffentlicht.
  • Mit Kerstin Stüssel habe ich über Bezüge dieser „Dritten Literatur“ in der deutschen „Gegenwartsliteratur“ gesprochen:  Gegenwartsliteratur – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de). Wir haben verschiedene Themen angesprochen, beispielsweise die Causa Monika Maron, die literarische Aufarbeitung der sogenannten „Baseballschlägerjahre“, die Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in der DDR und der alten Bundesrepublik im Vergleich. Wir haben einen tour d’horizon durch die Literatur in Deutschland von 1945 bis 2020 gewagt. In dem Text finden sich zahlreiche Hinweise auf Bücher, die sich zu lesen lohnen. Der Text gibt auch einen Einblick in eine laufende Lehrveranstaltung von Kerstin Stüssel an der Universität Bonn, in deren Rahmen unsere oben genannte gemeinsame Veranstaltung stattfindet.
  • Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung Aufarbeitung, hat die Situation von Frauen in der SED-Diktatur in ihrem Buch „Frauen in der DDR“ untersucht und dokumentiert. In meinem Essay „Die fortschrittliche Ostfrau – Der Mythos und die Wirklichkeit“ habe ich dieses Buch im Zusammenhang mit weiteren Publikationen zum Feminismus in der DDR sowie zur doppelbödigen Moral der SED-Diktatur besprochen: Die fortschrittliche Ostfrau – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de). Auch Anna Kaminsky dokumentiert und kommentiert von Frauen geschaffene Literatur in der DDR. Sie gibt ein umfassendes Bild der Widersprüche eines Systems, das die Gleichheit von Frau und Mann postulierte, aber alles tat, um eine männlich dominierte Republik zu erhalten. Dies hat auch viel damit zu tun, wie Texte von Karl Marx und Friedrich Engels zur Rolle der Frau in der DDR gelesen wurden.
  • In dem Essay „Die Träume des Schmetterlings – Sprechen, Schreiben, Schweigen in der Erziehungsdiktatur“ habe ich unter Bezug auf die Arbeiten von Ines Geipel und Joachim Walther über einige der Autorinnen geschrieben, über die wir am 21. Januar sprechen werden, u.a. Edeltraud Eckert, Heidemarie Härtl, Sylvia Kabus, Susanne Kerckhoff und Gabriele Stötzer: Die Träume des Schmetterlings – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de). Thema sind Staatszensur und Selbstzensur, Versuche, sich selbst aus dem Zwang des regulierten und einengenden Alltags in der DDR zu befreien, im Grunde die Frage nach einem „richtigen Leben im falschen“ (Adorno). Analysiert werden auch Bezüge im Werk und im Leben der genannten Autorinnen zu Selbstzeugnissen wie beispielsweise in „Guten Morgen, du Schöne“ von Maxie Wander.
  • In dem Essay „Die Qualen der Medea –  Weibliche Fluchten in der Literatur einer Diktatur“ beginne ich mit den unterschiedlichen Bildern der Medea bei Christa Wolf und Gabriele Stötzer. Welche Möglichkeiten hatten Frauen in der DDR, sich als innovative und eigenständige Autorinnen zu präsentieren? Das Bild der verfemten Medea lässt sich in dem Werk verschiedener Autorinnen als Muster entdecken, auch dann, wenn Medea als literarische Figur nicht genannt wird, beispielsweise bei Heidemarie Härtl, Sylvia Kabus, Eveline Kuffel und Jutta Petzold. Die Causa Inge Müller unterscheidet sich vom Schicksal dieser Autorinnen: ihr Werk verschwand nicht nur weitgehend in der DDR-Diktatur, sondern auch im Werk ihres Mannes Heiner. Die Qualen der Medea – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de)

Weitere Themen im Demokratischen Salon

waren das Spannungsfeld von Sicherheit und Demokratie angesichts von Rassismus und Terrorismus sowie die Pandemie:

  • Ich hatte Gelegenheit, mit Irene Mihalic MdB, der innenpolitischen Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, zu sprechen. Nachzulesen sind unsere Gespräche in zwei Texten. Der Text „Sicherheit und Demokratie – die Lagebilder“ bietet eine Analyse der verschiedenen Debatten um Rechtsextremismus in der Polizei, um Racial Profiling sowie um Ungereimtheiten in der Aufklärung der Morde des „NSU“ und des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Dabei wird auch die Frage der Einzeltäterschaft – u.a. im Rückgriff auf eine aktuelle Veröffentlichung der Zeitschrift „Mittelweg 36“ – dekonstruiert, denn auch wenn Täter allein vorgingen, waren sie Teil eines Netzwerks, dem bei den Ermittlungen bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Der zweite Text ist ein „Plädoyer für eine neue Sicherheitsarchitektur“. Diskutiert werden Vorschläge wie die Einrichtung unabhängiger Polizeibeauftragter oder eine grundlegende Reform der Sicherheitsbehörden, damit Verfassungsschutz und Polizei besser als zurzeit gegeben in die Lage versetzt werden, ihre Kernaufgaben wahrzunehmen. Irene Mihalic erläutert verschiedene Gesetzesinitiativen der grünen Bundestagsfraktion und berichtet aus den Untersuchungsausschüssen zu „NSU“ und Breitscheidplatz. Hier die Texte: Sicherheit und Demokratie – die Lagebilder – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de) und Plädoyer für eine neue Sicherheitsarchitektur – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de).
  • Der Text „Dezemberblues 2020 – eine Polemik und viele viele Fragen“ unterscheidet sich – wie der Untertitel andeutet – von meinen bisherigen Texten zur Pandemie. Der Sommer wurde verschlafen – oder muss ich sagen, dass die meisten politisch Verantwortlichen sich die sprichwörtliche Strategie der Sträuße zu eigen gemacht haben? Es wurde meines Erachtens von der Hand in den Mund regiert. Viele Versäumnisse haben jedoch eine längere Geschichte, wie beispielsweise die Unfähigkeit der Schulministerien, die Voraussetzungen für digitalen oder hybriden Unterricht zu schaffen. Aber auch viele weitere Ungleichgewichte verdienen mehr Aufmerksamkeit. Wie kommt es, dass Kultur so gut wie ausschließlich unter Freizeitgesichtspunkten debattiert wird? Wie kommt es, dass der bekannte Lobbyismus auch in der Pandemie sein Unwesen treibt? Der Artikel wurde am 14. Dezember, einen Tag nach der Verkündung des neuerlichen „Lockdowns“ geschrieben, enthält aber auch einen Nachtrag vom 17. Dezember: Dezemberblues 2020 – Demokratischer Salon: (demokratischer-salon.de). Ich wage zu behaupten, dass er dennoch nach wie vor aktuell ist.

Weitere Empfehlungen:

  • Thema Antisemitismus: Die Europäische Kommission und die International Holocaust Remembrance Alliance haben am 8. Januar 2021 ein Handbuch zur praktischen Anwendung der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus veröffentlicht (#RIASHandbook). Das Handbuch entstand mit Unterstützung der deutschen Ratspräsidentschaft und wurde von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) erstellt. Es veranschaulicht alle Dimensionen der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus anhand von 22 antisemitischen Vorfällen und Straftaten in ganz Europa. Basierend auf 71 Datensätzen aus den 27 EU-Mitgliedstaaten und dem Vereinigten Königreich präsentiert das Handbuch 35 Good-Practice-Beispiele für die praktische Anwendung in Strafverfolgung, Justiz, Bildung, staatliche Förderung, Sport und Zivilgesellschaft. Das Handbuch ist auf den Internetseiten von RIAS und der EU zu finden: https://report-antisemitism.de/documents/IHRADefinition_Handbook.pdf sowie https://data.europa.eu/doi/10.2838/72276.
  • Thema Sexismus und Rassismus: Männliche Machtphantasien: Warum „Die drei ???“ und TKKG nichts für Kinder sind (tagesspiegel.de). Dieser Essay von Daniela Martens über ausgesprochen beliebte Serien, die Kinder schon in der „guten alten Zeit“ (?) der Kassettenrecorder begleiteten, war längst an der Zeit. Der Versuch, drei Mädchen in „Die drei Ausrufezeichen“ als Gegenmodell zu präsentieren, versank leider in den üblichen Klischees weiblicher Jugend, von Gewichtsproblemen bis hin zum Traum, ein erfolgreiches Model zu werden. Die Kinder, die damals (und auch heute) solche Serien konsumier(t)en, sind – wie es so heißt – heute im besten Alter und prägen mit ihren Einstellungen Politik und Gesellschaft und nicht zuletzt die Entwicklung ihrer eigenen Kinder. Aber es gibt auch eine Alternative, leider zurzeit nur mit sechs Folgen: die Alsterdetektive: https://www.alster-detektive.de/. Vielleicht ein Lichtblick – dank des Hamburger Landesparlaments.
  • Thema Erinnerungskultur: In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRWV. hat die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen die Wanderausstellung „Mehr als man kennt – näher als man denkt“ entwickelt. Die Ausstellung bietet ein innovatives Format, mit dem der Blick der Besucher*innen auf die Geschichten hinter den Gegenständen gelenkt wird. Gezeigt werden Objekte aus 29 NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorten. Diese spiegeln individuelle Schicksale und Erfahrungen – von Opfern, in einigen Fällen auch von Tätern. Die Termine der Ausstellung finden Sie unter www.politische-bildung.nrw.de, eine digitale Besichtigung ist über folgenden Link möglich: Mehr als man kennt – näher als man denkt: Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen (nrw.de). Zur Ausstellung wurde eine etwa 100 Seiten umfassende Begleitpublikation erstellt, die an den Ausstellungsorten erhältlich ist. Begleitend zu Fotografien der jeweiligen Objekte informieren kurze Texte über den Hintergrund sowie die jeweiligen Gedenkstätten und Erinnerungsorte.
  • Thema „Werte“: Lesenswert ist der folgende Text: Islamismus an Schulen – Kann Wertekundeunterricht helfen? – Politik – SZ.de (sueddeutsche.de). Es gehört zu den routinierten Reaktionen auf extremistische Anschläge, dass in der Schule – und anderswo – „Werte“ vermittelt werden müssten. Der Text zeigt, dass jede Top-Down-Strategie scheitern muss. Es reicht nicht, abstrakt das Grundgesetz zitieren, es ist erforderlich, einen Wert wie „Gleichberechtigung“ mit seinen verschiedenen Aspekten im alltäglichen Leben erfahrbar werden zu lassen. Aus meiner Sicht belegt der Autor, Markus C. Schulte von Drach, auch meine in verschiedenen Texten des Demokratischen Salons entfaltete These, dass Demokratie nur dann erfolgreich gelehrt beziehungsweise unterrichtet werden kann, wenn sie als erfahrbar und gestaltbar vermittelt wird. Partizipation wäre ein Erfolg versprechender Weg.

Viel Gewinn beim Lesen und Nachdenken! Ich würde mich freuen, wenn diejenigen, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, dort auf meine Essays und den Demokratischen Salon hinweisen.

In etwa vier Wochen melde ich mich wieder.

Ich grüße Sie / euch alle herzlich.

Ihr / Euer Norbert Reichel

P.S.: Sollte jemand an weiteren Sendungen meines Newsletters nicht interessiert sein, bitte ich um Nachricht an info@demokratischer-salon.de. Willkommen sind unter dieser Adresse natürlich auch wertschätzende und / oder kritische Kommentare und / oder sonstige Anregungen.