Liebe Freund*innen des Demokratischen Salons,

in der Novemberausgabe 2022 des Demokratischen Salons finden Sie sieben neue Texte. Es handelt sich um einen Essay von Katja Makhotina über russische und russländische Narrative zum Krieg, die Festrede von Markus Meckel zum 3. Oktober 2022 im Dom zu Brandenburg, zwei Essays von Norbert Reichel zur Kulturgeschichte des Antisemitismus, der sich an neuen Büchern von Monika Schwarz-Friesel und Shulamit Volkov orientiert, sowie zur feministischen Revolution im Iran sowie einen Essay von Beate Blatz über Überzeugungen und Deutungshoheiten in identitätspolitischen Debatten, eine Rezension des von Anetta Kahane und Martin Jander herausgegebenen und bei Hentrich & Hentrich erschienenen Buches „Juden in der DDR“. Nicht zuletzt empfehlen wir die szenische Lesung „Unter Verschluss“ mit Texten von Autor*innen aus dem von Ines Geipel und Joachim Walther aufgebauten „Archiv unterdrückter Literatur in der DDR“, deren Skript im Demokratischen Salon nachlesbar ist (Uraufführung vom 19. Oktober 2022 auf youtube).

Wie üblich finden Sie unsere Hinweise auf Veranstaltungen, darunter eine gemeinsame Veranstaltung von Landeszentrale für politische Bildung NRW, Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und Demokratischem Salon am 5. Dezember 2022, 18 Uhr (ausschließlich online) zum Thema „Transitional Writing“, sowie unsere Empfehlungen für Lektüren, Podcasts, Ausstellungen. Das Editorial kommentiert die beunruhigende Eskalation der Debatte um die Aktionen der Gruppe „Letzte Generation“.

Das Editorial:

Am 6. November 2022 zeigte der Weltspiegel der ARD sichtbare Folgen der Klimakrise. Die Natur findet ihren Weg, doch Menschen leiden. Klein- und Kleinstbauern in Guatemala verlieren ihre Existenzgrundlage, Menschen in den Vororten Manilas leben nicht mehr am, sondern im Wasser, ganze Stadtviertel versinken. Der Meeresspiegel steigt, der Boden an Land sinkt ab. In den Niederlanden steht die Frage auf der Tagesordnung, ob die Sperrwerke gegen Sturmfluten noch ausreichen, um das Land zu schützen.

Schlechte Botschaften, doch dominieren zur COP 27 in Deutschland nicht diese Nachrichten die Debatten. Beschuldigt werden die Bot*innen, sodass wir an die alte griechische Erzählung denken müssen, dass die Überbringer*innen der schlechten Nachricht getötet werden, als hätten sie den Anlass der Nachricht verschuldet.

Die Süddeutsche Zeitung kündigte am 6. November 2022 einen Text von Philipp Bovermann auf ihrer Internetseite wie folgt an: „Alle reden über Aktivismus, keiner redet über das Klima“. Anlass ist die Debatte um die Gruppe Letzte Generation. Viral ging die Annahme, ihre Blockaden hätten den Tod einer Radfahrerin in Berlin verursacht. Dies konnte inzwischen widerlegt werden, doch reagierten Politiker*innen, allen voran die deutsche Innenministerin (SPD) so schnell, dass es gar nicht möglich war, die Fakten zu klären. Schwerste Geschütze fuhr der CSU-Landeschef im Bundestag auf. Er warnte vor einer „Klima-RAF“. Der hessische Justizminister (CDU) forderte, die Aktivist*innen als Terrorist*innen zu markieren und zu bestrafen, Freiheitstrafen bis zu fünf Jahren werden gefordert. In Bayern gibt es schon eine bis zu 60 Tage dauernde Präventivhaft und die bayerische Landesregierung denkt darüber nach, diese auf Menschen, die sich irgendwo ankleben, anzuwenden. Ronen Steinke schrieb am 10. November in der Süddeutschen Zeitung, wie eine solche Maßnahme den Rechtsstaat aufhebe und – ich wage dies zu sagen – im Grunde in einen Polizeistaat verwandelt, der seinen Bürger*innen im Grunde nur Böses zutraut.

Es ist die alte Angst, die sich auch bei Protesten im Hambacher Wald und anderswo zeigte. Diese Generation hat erfahren, dass Demonstrationen, Kundgebungen und Reden nicht weiterhelfen. Ihr Fazit: so lauter Krawall wie möglich, dann muss doch jemand auf uns hören. Oder sollte ich schreiben: so lauter Krawall wie nötig? Es entsteht durchaus eine Art Jeanne-d’Arc-Syndrom.

Demonstration von Fridays for Future in München. Foto und Rechte: Hans Peter Schaefer

Immerhin hat Letzte Generation einen hohen Grad an Aufmerksamkeit erreicht, allerdings müssen sich die Aktivist*innen auch fragen, ob die Aktionen die erwünschte Wirkung erzielen können. Dies wurde beispielsweise im Radiosender Bayern 2 diskutiert. Der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) verwies auf die freiheitlich-demokratische Verfassung in Deutschland, die sichere, dass „legitime Ziele mit legalen Mitteln“ verfolgt werden könnten und sollten. Wie illegal die Aktivitäten von „Letzte Generation“ wären, ließe sich nicht pauschal beantworten. Es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten – von der unterlassenen Hilfeleistung bis zur Nötigung – vorlägen. Die Aktivistin Aimée van Balen von „Letzte Generation“ berief sich auf ihr Recht auf „zivilen Widerstand“, der Protestforscher Jannis Grimm fragte, ob wir bei den Aktionen überhaupt schon von „Gewalt“ sprechen könnten. Es gehe Letzte Generation nicht um „antidemokratische Systemproteste“, Benjamin Limbach und Jannis Grimm stellten die Frage, ob die Art der Proteste nicht weite Teile des Bürgertums abschreckten statt sie für eine wirksame Klimapolitik zu gewinnen. Benjamin Limbach forderte, „verbal abzurüsten“.

Vergleiche zu den Sitzblockaden der 1980er Jahren drängen sich auf. Vielleicht erhellt ein Blick in den 1975 bei Rowohlt erschienenen Band von Johan Galtung, Strukturelle Gewalt – Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung (bei Rowohlt im Jahr 1975 erschienen). Radikalität kann viel mit Verzweiflung zu tun haben und die angeprangerte Untätigkeit des Staates wirkt durchaus als „Strukturelle Gewalt“. Ein zweischneidiges Schwert, Philipp Bovermann schreibt: „Über das Schicksal der „Letzten Generation“ wird wohl entscheiden, ob sie sich einen Rest von Empathie für die Menschen bewahrt, die sie aufrütteln, warnen und, ja, retten will. / Denn ein Protest, der einzig seine eigene Radikalität thematisiert (Seht her, wozu eure Untätigkeit uns getrieben hat!), ist nichts mehr als eine öffentliche Beschäftigung der Bewegung mit sich selbst.“

Die Klimakrise ist real, die Reaktion der Politik – vorsichtig gesagt – verhalten. Gemeinsam mit David Laitin weist Rogers Brubaker in dem Band „Ethnizität ohne Gruppen“ (Hamburg, Hamburger Edition, 2007, die amerikanische Originalausgabe erschien 2004 bei Harvard University Press) darauf hin, dass „Gewalt als eine Phase in einer Mobilisierungsperiode“ verstanden werden könnte. „Wenn die Mobilisierung nachlässt, greifen Splittergruppen zur Gewalt als der einzigen Möglichkeit, den Zusammenbruch herbeizuführen.“ So weit geht es bei Letzte Generation (noch) nicht.

Die letzte Generation ist ihrer Ohnmacht schmerzhaft bewusst. Die Debatte über ihre Aktionen – nicht ihre Aktionen und nicht ihre Ohnmacht – bewirkt, dass die viel größere Gefahr für unsere Demokratie ignoriert wird, die von einer Partei ausgeht, die bereits zwei Mal an Zustimmung zu verlieren schien, dann aber immer wieder neuen Wind bekam, zuletzt bei der Landtagswahl in Niedersachsen. In anderen Ländern, Schweden, Italien, in den USA haben Rechtsradikale – ja, man muss große Teile der Grand Old Party inzwischen dort verorten – eine erheblich größere Basis. Letzte Generation hingegen wird kriminalisiert. Man kann und darf ihren Aktivismus kritisieren, aber nicht der Aktivismus, sondern die ungepflegt rechtslastige Debatte macht ja erst das Bild. Sie spielt denen, die den Klimawandel leugnen, in die Karten.

Aber vielleicht ist das der eigentliche Grund für die verbale Aufrüstung mit RAF- und Terrorvergleichen: Ablenkung von dem eigentlichen Problem, der Klimakrise und den unzureichenden Maßnahmen der Regierungen, lieber Rückzug in den eigenen Vorgarten und Schutz des bisherigen Lebensstils? So wird erklärbar, dass wir in der Tat eine Eskalation der Proteste gegen die Untätigkeit der deutschen Regierung (und anderer Regierungen) erleben. Immerhin können sich die Proteste auf ein Verfassungsgerichtsurteil berufen, ihre Gegner*innen nicht. Es begann mit Schulstreiks von Fridays for Future mit Happening-Charakter, dann kamen die Blockaden: Ende Gelände mit Baumhäusern, Extinction Rebellion mit Anketten und jetzt Letzte Generation mit Anklebeaktionen sowie der Verunstaltung von Kunstwerken.

Haben Sie schon viel darüber gelesen, welche Anschläge es zurzeit auf Flüchtlingsheime gibt? In den ersten drei Quartalen des Jahres 2022 waren es 65 Angriffe, im Jahr 2021 insgesamt 70. Wird da von Terrorismus gesprochen? Oder kommentieren Politiker*innen die Forderungen von AfD-Politiker*innen nach der Deportation von Menschen, die nicht ihrem blond-weißen Menschenbild entsprechen? Offenbar ängstigen Aktionen für mehr Klimaschutz Politiker*innen und mit ihnen befreundeten Journalist*innen mehr als solche gegen Migration und für Putins Krieg. Dies bleibt offenbar Spezialist*innen überlassen und so können sich anti-demokratische Positionen von rechter Seite im Mainstream verankern.

Cas Mudde hat in seinem Buch „Rechtsaußen“ (Bonn, Dietz Nachf., 2019) beschrieben, wie die zurückhaltende Kritik an rechten Forderungen Parteien verändert, die von sich behaupten, sie verträten die „Mitte“ der Gesellschaft. Zwei Beispiele: der von den Schwedendemokraten mitformulierte neue Koalitionsvertrag in Schweden sowie die migrationspolitischen Maßnahmen der dänischen Regierung, die von den Sozialdemokraten, nach wie vor stärkste Partei, geteilt werden. Dazu gehören in Dänemark die Verbringung von Geflüchteten nach Ruanda (in Großbritannien scheiterte dies bisher), die Erklärung von Teilen Syriens als sichere Regionen, in die abgeschoben werden dürfe, Abschiebegefängnissen im Kosovo.

Völkerschlacht-Denkmal in Leipzig. Foto und Rechte: Hans Peter Schaefer

Ist Radikalisierung ein Zeichen von Stärke oder von Schwäche? Die Frage ist akut, wann Schwäche zu Stärke wird, im Sinne von Karl Marx und Friedrich Engels Quantität in Qualität umschlägt (siehe z.B. in „Die Dialektik der Natur“, MEW 20). Bisher brachen radikale Bewegungen schnell zusammen. Das galt zuletzt für die französischen Gelbwesten. Wann und wie Gewaltexzesse Mehrheiten finden können, ist ein Thema der Gewaltforschung, das hier nicht ausführlich behandelt werden kann. Das Tempo, in dem die Nazis nach dem 30. Januar 1933 ihre Agenda durchsetzten, wäre ohne die Straßenkämpfe der vorangegangenen Jahre, ohne den in den 1920er Jahren virulenten Antisemitismus und die ständige Missachtung des staatlichen Gewaltmonopols nicht denkbar gewesen. Von solchen Bedingungen sind wir heute in Deutschland weit entfernt, übrigens auch in Italien und Schweden. Doch wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt. Es geht nicht nur um „verbale Abrüstung“ in der Debatte um Letzte Generation, sondern auch um „verbale Aufrüstung“ – man verzeihe mir das militärische Vokabular – zum Schutze unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats gegen Rechts!

Politiker*innen sollten sich darauf konzentrieren, dass sie den dringend erforderlichen Klimaschutz ernsthaft betreiben. Dazu gehört, dass sie deutlich sagen, dass bestimmte Einschränkungen unvermeidbar sind: langsamer und weniger Auto fahren, weniger oder gar kein Fleisch essen, die Wohnungen und öffentliche Gebäude etwas weniger heizen, Überlandleitungen für den Energietransport nicht mehr blockieren, erneuerbare Energien fördern (Stichwort: „what you can do for your country“). Es wäre illusionär, dass eine der diskutierten Maßnahmen alleine in der Lage wäre, die Probleme zu lösen. Die viel beschworenen technologischen Träume (Kernfusion, Brennstoffzellen, erneuerbare Energien flächendeckend) sind nur ein Teil der Lösung. Es kommt auf die Mischung an und vor allem darauf, offen zu sagen, dass es ohne einen veränderten Lebensstil, ohne Suffizienz nicht geht.

Wir empfehlen die Lektüre von Ulrike Hermann „Das Ende des Kapitalismus“ (Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2022), sich schreibt, das wäre „keine gute Nachricht“, gehöre aber zur ehrlichen Analyse. Ignorieren wir diese Botschaft, wird sich auch der Protest der Klimaaktivist*innen weiter radikalisieren und dann letztlich den Boden für die bereiten, die jeden Klimawandel leugnen und meinen, sie bräuchten nur ihren Vorgarten und ihr Auto zu schützen, um alle Probleme dieser Welt zu lösen. NR und BB

Die neuen Texte im Demokratischen Salon:

  • Arina Nâbereshneva, Freedom in Captivity Artist. Rechte bei der Künstlerin

    Rubrik Osteuropa: Immer wieder werden in den diversen Debatten über die Motive Putins Begriffe wie Faschismus, Imperialismus, Nationalismus und andere mehr verwendet. Katja Makhotina hat in ihrem Essay „Imperialismus, Nation, Genozid“ russische und russländische Narrative im Ukraine-Krieg analysiert. Die Autorin analysiert Putins Vorstellungen von seiner historischen Mission, die die Einheit der russischen Welt(en) wiederherstellen solle. Putin inszeniert sich als Historiker, der zum „Re-Enactor“, zum „Re-Konstrukteur“ wird, „Zivilisierung“ und „Russifizierung“ werden zu Synonymen. „Die russische Armee, so der Kreml, kann historisch gesehen, nur die Rolle des Befreiers annehmen. Die dort ausgeübte Gewalt der russischen Soldaten, in Echtzeit überall zu sehen, kann man schwer mit solchen diffusen Projektionen wie Imperium legitimieren, viel mehr jedoch – in der Zeit, in der der Holocaust als beispielloses Verbrechen Kern der westlichen Identität ist – mit dem Begriff Genozid. Mir bleibt nur zu sagen, dass es eine neue viel gefährlichere Entwicklung ist, denn in Erinnerung an genozidale Verbrechen gibt es weder Vergebung noch Versöhnung.“ Illustriert haben wir den Essay mit Bildern von Arina Nâbereshneva aus St. Petersburg. Den vollständigen Essay lesen Sie hier.

  • Rubriken Liberale Demokratie und DDR: Am 3. Oktober 2022 hielt Markus Meckel im Dom zu Brandenburg die Festrede. Wir dokumentieren diese Rede unter dem Titel „Deutsche Einheit in Europa – für Europa“. Die „Glücksstunde“ des 3. Oktober 1990 ist die eine Seite, die andere, dass die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts für Deutschland eben eine geteilte Nachkriegsgeschichte war, in der BEIDE deutsche Staaten jeweils ohne den Bezug auf den anderen nicht wirklich verstanden werden können.“ Die Rede ist ein Plädoyer für ein gesamtdeutsches und gesamteuropäisches Verständnis des 3. Oktober. Es gebe jedoch immer noch keine gemeinsame Erzählung über dieses grundlegende Ereignis der Einheit“. Denn: Die DDR ist nicht untergegangen, sie hat sich demokratisiert!“ Dieser Gedanke ist die Grundlage für eine Bewertung der Entwicklungen in verschiedenen Ländern Europas, in Polen, in Ungarn, aber auch in Deutschland, letztlich auch in der Ukraine. Die Erwartungen an Deutschland sind groß, wer hätte gedacht, dass es in Polen heute Stimmen gibt, die eine „Führungsrolle“ des demokratischen Deutschlands einfordern. Markus Meckel fordert, dass „Deutschland zu einem Ort demokratischen Exils wird für Demokraten, die aus ihren Heimatländern fliehen mussten“, auch für Russinnen und Russen. Die ganze Rede lesen Sie hier.
  • Rubriken Antisemitismus und Shoah: Shulamit Volkov sprach vom „kulturellen Code“ des Antisemitismus, der sich über Jahrhunderte verbreitete und trotz diverser Varianten immer wieder denselben Kern enthält: Hass auf Juden, Verschwörungserzählungen, nach denen Juden die Welt beherrschen wollten. Monika Schwarz-Friesel hat in ihren Büchern immer wieder die Sprache des Antisemitismus analysiert und entlarvt. Gegenstand der neuen Bücher von Monika Schwarz-Friesel („Toxische Sprache und geistige Gewalt“) und Shulamit Volkov („Deutschland aus jüdischer Sicht“) ist die „Kulturgeschichte des Antisemitismus“. Beide Bücher stellt Norbert Reichel in seinem Essay „Mainstream Antisemitismus“ Der Titel des Essays greift eine These von Cas Mudde auf, die dieser unter anderem in seinem Buch „Rechtsaußen“ entfaltet hat. Der Begriff der „Mitte“ hilft nicht, die Verbreitung von Antisemitismus und anderen üblicherweise damit verbundenen anti-demokratischen und menschenfeindlichen Erzählungen zu erklären. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie diese Einstellungen zum Mainstream werden. Dazu tragen die Stereotype des „kulturellen Codes“ des Antisemitismus bei, der nicht – wie das August Bebel fälschlicherweise zugeschriebene Wort vom „Socialismus der dummen Kerls“ vermuten lässt – eine Angelegenheit ungebildeter Menschen wäre, sondern von gebildeten Menschen formuliert und immer wieder wiederholt wird und in den Worten von Monika Schwarz-Friesel als „Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung“ wirkt. Den vollständigen Essay lesen Sie hier.
  • Synagoge in Görlitz. Foto und Rechte: Hans Peter Schaefer

    Rubriken Antisemitismus und DDR: Die Sowjetunion unterstützte 1948 in den Vereinten Nationen die Staatenbildung Israels, wandte sich jedoch zu Beginn der 1950er Jahre von Israel ab. Antisemitismus in Gestalt eines kruden Antizionismus wurde Staatsdoktrin. Erst 1988 gab es Korrekturen, die einzige jemals demokratisch gewählte Volkskammer ermöglichte ab dem Jahr 1990 den Zuzug sowjetischer Jüdinnen*Juden nach Deutschland. Anetta Kahane und Martin Jander haben 14 Jüdinnen*Juden aus der DDR und zwei Menschen, die sie unterstützten, darunter der SED-Funktionär Paul Merker, der dies mit Degradierung und Haft büßte, in dem Band „Juden in der DDR“ Der Band erschien im Verlag Hentrich & Hentrich. Er gibt ein umfassendes Bild der ambivalenten und oft auch gefährlichen Lage von Jüdinnen*Juden in der DDR. Die vollständige Rezension des Buches lesen Sie hier.

  • Rubriken Levantinische Aussichten und Weltweite Entwicklungen: Was geschieht zurzeit im Iran? Ein Aufstand unter vielen ohne Aussicht auf Erfolg? Oder ist tatsächlich ein freiheitlich-demokratischer Wandel denkbar? Norbert Reichel geht dieser Frage in seinem Essay „Eine feministische Revolution“ Im Zentrum des Essays stehen Beiträge des von Stephan Grigat herausgegebenen und nach wie vor einzigartigen Sammelbandes „Iran – Israel – Deutschland“. Antisemitismus, die Vernichtung Israels und die Unterdrückung von Frauen gehören zur Staatsraison der Islamischen Republik Iran, Kritik wird zum „Krieg gegen Gott“ erklärt. Seit 1979 wird jedoch in Deutschland der Terror in der Islamischen Republik Iran systematisch verharmlost, unbeschadet der jeweiligen politischen Couleur. Dies beklagt nicht nur Navid Kermani, dies ist durchgehend Tenor in Texten, Podcasts, Debatten, an denen sich Exil-Iraner*innen beteiligen. Es gibt den im Verborgenen der privaten Wohnungen durchaus blühenden, aber stets vom Terror des Regimes bedrohten Iran. Viele – nicht nur Frauen, auch Männer – wagen sich auf die Straßen, in Gefahr für Leib und Leben. Welche Hoffnung gibt es? Kurz nachdem wir den Essay veröffentlichten, lasen wir die Meldung, dass das iranische Parlament für alle 1.400 bisher verhafteten Menschen die Todesstrafe forderte. Den vollständigen Essay lesen Sie hier.
  • Rubrik Treibhäuser. In dem Essay „Nebeneinander der Identitäten – Gemeinschaft der Ungewählten“ sucht Beate Blatz Orientierung „im unübersichtlichen Feld unterschiedlichster Denkrichtungen, einhegender und eingehegter Überzeugungen und erbitterter Kämpfe um Deutungshoheiten“. Der Begriff der „Gemeinschaft der Ungewählten“ greift einen Buchtitel von Sabine Hark auf, die fragte, welche Gesellschaft wir eigentlich wollen. Sie führt den Begriff der „Caring Democracy“ Zu ihrem 60. Geburtstag erschien ein Band, der feministische und queere, non-binäre Ansätze thematisierte. In den Debatten kann es nicht darum gehen, welche Position die richtige ist. Es geht nicht um essentialistische Zuschreibungen – so auch Koschka Linkerhand in dem Sammelband „Feministisch streiten“. Es geht – so Sabine Hark – um „Kohabitation“, um „Ver-Antwortung statt Ver-Anderung“, das heißt letztlich auch um die Bündnisfähigkeit in der Vielfalt der Identitäten und damit auch der Feminismen, denn die eine „Identität“, den einen „Feminismus“ gibt es nicht. Fazit: „‘Wir lernen, die Welt zu teilen und in Gesellschaft aller Menschen zu leben, oder wir leben nicht.‘ Kleiner haben wir es nicht mehr.“ Der Essay schließt mit dem Verweis auf Vorschläge zur Umsetzung beispielsweise in der sozialen Arbeit, die im Verlag Beltz Juventa erschienen sind. Den vollständigen Essay lesen Sie hier.
  • Rubriken Kultur, DDR, Opfer und Täter*innen: Das „Archiv unterdrückter Literatur der DDR“, das in der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur eingesehen werden kann, enthält Texte von über 100 Autor*innen, die in der DDR schikaniert, verhaftet, verurteilt, aus dem Land vertrieben oder sogar in den Tod getrieben wurden. Einige haben Ines Geipel und Joachim Walther sel.A. in der „Verschwiegenen Bibliothek“ veröffentlicht und in dem Buch „Gesperrte Ablage“ Am 19. Oktober 2022 haben Ines Geipel, die Schauspieler*innen Petra Kalkutsche und Rolf Mautz sowie Norbert Reichel Texte über und von neun Autor*innen in der szenischen Lesung „Unter Verschluss“ vorgestellt. Wir veröffentlichen hier das Skript dieser Lesung. Die Uraufführung, die von Gesprächen mit Ines Geipel und der Germanistin Kerstin Stüssel gerahmt wurde, können Sie auf youtube nachverfolgen. Das Skript finden Sie hier.

Veranstaltungen mit Beteiligung des Demokratischen Salons:

  • Transitional Writing: Am Dezember 2022, 18 – 20 Uhr, bieten die Landeszentrale für politische Bildung NRW, die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Demokratische Salon die dritte Veranstaltung der nach dem 24. Februar 2022 begonnenen Reihe zu Vorgeschichte und Folgen des Kriegs um die Ukraine an. Es geht um „Literatur in und aus sowjetischer und post-sowjetischer Zeit“. Gesprächspartner*innen sind die Autorin und Mitbegründerin des „Archivs unterdrückter Literatur in der DDR“ Ines Geipel, die belarussische Übersetzerin und Kuratorin Iryna Herasimovich, die zurzeit im Exil in Zürich lebt, und der slowakische Autor Michal Hvorecký. Norbert Reichel moderiert. Das Programm finden Sie hier, den Livestream können Sie hier verfolgen. Die vorangegangenen Veranstaltungen können nach wie vor im Netz nachverfolgt werden.

Weitere Veranstaltungen, Ausstellungen und Wettbewerbe:

  • Ukrainische Matinee: Im Foyer der Bonner Oper findet am November 2022, 11 Uhr, die ukrainische Matinee „Vom Horizont ins Zentrum“ statt (Eintritt frei). Partner sind u.a. die Abteilung Osteuropäische Geschichte der Bonner Universität, das Theater Bonn und das Literaturhaus Bonn. Ziel ist es, ukrainische Literatur und Musik bekannt(er) zu machen.
  • Oskar Zügel, Selbstbildnis, 1935. Öl auf Hartfaserplatte 46×38 cm. Bürgerstiftung für verfolgte Künste – Else-Lasker-Schüler-Zentrum – Sammlung Gerhard Schneider im Zentrum für verfolgte Künste.

    Oscar Zügel im Museum für verfolgte Künste: Vom November 2022 bis 5. Februar 2023 zeigt das Museum das vielfältige Oeuvre von Oscar Zügel (1892-1968). Ein Teil des Nachlasses konnte 2017 durch Mittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien angekauft werden. Das aus über 350 Aktenordnern bestehende, sogenannte „Oscar-Zügel-Archiv“ gelangte im Jahr 2018 durch die testamentarische Verfügung der Tochter Katja Zügel nach Solingen. Inzwischen gibt es dank der Unterstützung des nordrhein-westfälischen Kulturministeriums im Museum eine eigene Stelle für die Erschließung dieses Nachlasses. In der Ankündigung heißt es: „Für das Museum für verfolgte Künste ist Oscar Zügel (1892-1968) mit seinem bewegten Leben und seiner antifaschistischen Haltung ein wichtiger Vertreter der Sammlung mit dem sich das Haus bereits seit einigen Jahren intensiv beschäftigt.“ Die Eröffnung findet am 17. November 2022 um 18 Uhr statt. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite des Museums, Informationen über die Sammlung Gerhard Schneider im Gespräch von Norbert Reichel mit dem Direktor des Museums Jürgen Kaumkötter lesen Sie hier.

  • Von Transit und Trauma. Jüdische Erfahrungen in der Nachkriegszeit im Film: Dies ist der Titel eines Filmseminars der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das Seminar findet vom 23. bis zum 25. November 2022 in Wiesbaden statt. Es geht um Dokumentar- und Spielfilme, in denen die Erfahrungen von Jüdinnen und Juden in der Nachkriegszeit sichtbar werden, in DP-Camps, in der Weiterreise in welches Land auch immer, in der Rückkehr in ein Land, in dem nicht mehr von dem vorhergehenden Besitz übriggeblieben war und Nachbar*innen zu Feind*innen geworden waren. Thema sind die traumatischen Erfahrungen für jede*n Einzelne*n wie für die jüdische Gemeinschaft. Referent*innen sind Christine von Wahlert, Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, sowie Lea Wohl von Haselberg und Tirza Seene, beide Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Mehrere Filme werden gezeigt und diskutiert. Zur Anmeldung geht es hier.
  • 30 Jahre Unrechtsbereinigungsgesetz: Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur lädt ein zur Veranstaltung „30 Jahre SED-Unrechtsbereinigungsgesetze – Eine Bilanz“. Sie findet am 28. November 2022, 18 Uhr Thema ist das am 4. November 1992 in Kraft getretene Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Ende 2019 entfielen die Antragsfristen. Das Fachgespräch untersucht die Fragen, was erreicht wurde, was noch offen ist, wo noch Handlungsbedarf besteht. Auf dem Podium sprechen Evelyn Zupke, Anne Drescher, Dieter Dombrowski und Hansgeorg Bräutigam. Die Direktorin der Stiftung, Anna Kaminsky, und Katrin Budde MdB werden eröffnen. Das Programm finden Sie hier, zum Livestream geht es hier.
  • Stipendienprogramm „Memory Work“: Die Beauftragte für Kultur und Medien hat für das bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur angesiedelte Internationale Stipendienprogramm „Memory Work“ Sondermittel in Höhe von 750.000 € für das Jahr 2022 zur Verfügung gestellt. Dank dieser Mittel kann die Stiftung Stipendien für geflüchtete Akteur*innen der Zivilgesellschaft aus Russland, der Ukraine und Belarus zur Verfügung zu stellen. Die Stipendien können ab sofort mit einer Laufzeit längstens bis 31. Dezember 2022 beantragt werden. Hier der Ausschreibungstext, hier das Antragsformular. Weitere Informationen über diese Adresse, ebenso über diese.
  • Kriegslandschaften: Die Fotokünstlerin Mila Teshaieva präsentiert im Museum Europäischer Kulturen Berlin ihre Fotoausstellung „Splitter des Lebens“. Die Ausstellung ist bis zum 15. Januar 2023 geöffnet. Die Künstlerin versteht sich nicht als Kriegsfotografin, sondern will zeigen, wie Menschen im Krieg leben. Ihr Kriegstagebuch ist auf der Plattform decoder.org erschienen. Der Berliner Tagesspiegel berichtete. Weitere Hinweise zur Ausstellung finden Sie hier.
  • Rechte: Mohamed Bardane.

    Ausstellung „The Forgotten Team“ in Hilden: Nicht nur anlässlich der Fußballweltmeisterschaft in Qatar ist diese Ausstellung in der Stadtbibliothek Hilden vom 25. November bis zum 15. Dezember 2022 zu sehen. In der Ankündigung heißt es: „Das fotografische Erzählprojekt des Künstlers Mohamed Badarne rückt das Leben der Arbeitsmigrant*innen in den Mittelpunkt, die den Grundstein für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar gelegt haben. Ohne sie – das vergessene Team – wäre die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar 2022 nicht möglich: Die Infrastruktur der Spiele ist von Arbeiter*innen aus südasiatischen und afrikanischen Ländern gebaut worden. Doch während die FIFA damit große Profite erzielt, sind Arbeitsmigrant*innen in Katar schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Im Laufe von fünf Jahren, zwischen 2017 und 2022, besuchte Mohamed Badarne mehrmals Katar und Nepal, um sich mit Arbeiter*innen und ihren Familien zu treffen und ihre Geschichten festzuhalten.“

Kurznachrichten und weitere Empfehlungen:

  • Leo-Baeck-Preis an Cem Özdemir: Am 20. Oktober 2022 verlieh der Zentralrat der Juden in Deutschland in Berlin seine höchste Auszeichnung, den Leo-Baeck-Preis an Cem Özdemir. Die Laudatio hielt Ronya Othmann. Am Tag der Preisverleihung gab Cem Özdemir der Jüdischen Allgemeinen ein Interview mit den wesentlichen Botschaften seiner beeindruckenden Rede. Die gesamte Preisverleihung ist auf dem youtube-Kanal des Zentralrates verfügbar. Zum Abschluss seiner Dankesrede beklagte Cem Özdemir, dass er fast nur über Antisemitismus geredet habe, jedoch nur wenig über Jüdisches Leben, was angesichts der eindrucksvollen Ergebnisse des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ durchaus gerechtfertigt gewesen wäre. Er verwies auf die Wirklichkeit und sagte, er hoffe, dass zukünftige Preisträger*innen die Prioritäten ihrer Rede anders setzen könnten.
  • Bayerischer Buchpreis 2022: Den Preis in der Kategorie für das beste Sachbuch erhielten 2022 Katja Makhotina und Franziska Davies für ihr bei wbg Theiss erschienenes Buch „Offene Wunden Osteuropas“. Herzlichen Glückwunsch!
  • Gerhart R. Baum zum 90. Geburtstag: Er ist einer der Menschen, die die Bezeichnung „Liberale“ im besten Sinne des Wortes verdienen. Er war einer der Protagonist*innen der FDP im sozialliberalen Jahrzehnt der 1970er Jahre und blieb seinen Positionen und der Partei treu, so schwer dies manchmal wohl auch gewesen sein mag. Zuletzt lasen wir, dass er zwischen dem deutschen Staat und den Angehörigen des Olympia-Attentats von 1972 vermittelte, damit diese endlich die „Entschädigung“ – so unangemessen dieses Wort ist, welches andere gäbe es – erhielten, die ihnen schon lange hätte zugesprochen werden müssen. Mit Burkhard HirschA. und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sorgte er dafür, dass das Bundesverfassungsgericht den sogenannten „Großen Lauschangriff“, dem ihre Partei im Bundestag zugestimmt hatte, für verfassungswidrig erklärte. Ich hatte die Ehre, mich am 6. Februar 2018 mit ihm zu unterhalten. Er signierte mir sein Buch „Rettet die Grundrechte! Bürgerfreiheit contra Sicherheitswahn – Eine Streitschrift“ (Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2009) und erzählte mir, das Buch sei gerade ins Russische übersetzt worden. Eines der vielen Interviews und Portraits, die zurzeit in verschiedenen Zeitungen zu lesen waren, veröffentlichte Detlef Esslinger am 24. Oktober 2022 in der Süddeutschen Zeitung, als Titel wählte er einen aktuellen Satz des großen Liberalen: „Eines Tages wird Putin vor Gericht stehen“. Auch der Demokratische Salon gratuliert von ganzem Herzen.
  • Yad Vashem – Janus Korczak. Foto und Rechte: Hans Peter Schaefer

    Josef Bau: Er wurde 1920 in Krakau geboren und starb 2022 in Tel Aviv. Er war einer der Menschen auf Schindlers Liste. Er war Zeichner und Graphiker, schrieb das Buch „Dear God, have you ever been hungry“. Auf dem den Namen gebenden Bild ist eine von SS-Männern bewachte lange Menschenschlange zu sehen, die sich in Richtung eines Schornsteins bewegt, dessen weißer Rauch sich in weiße Gestalten verwandelt. Er arbeitete auch für den Mossad, beispielsweise sorgte er für die Pässe von Eli Cohen und der Männer, die Adolf Eichmann entführten. Seine Töchter Hadasa und Clila pflegen sein Museum in Tel Aviv, das jedoch zu klein ist, um staatliche Zuschüsse zu erhalten. Das Haus soll jetzt von einem Investor abgerissen werden. Die beiden Damen suchen nach einer Lösung, gegebenenfalls wollen sie das Haus kaufen. Und vielleicht findet sich auch ein deutscher Verlag, der sein Buch in deutscher Sprache veröffentlicht? Peter Münch hat Josef Bau und das Museum am 30. September 2022 in der Süddeutschen Zeitung portraitiert. Das vollständige Portrait lesen Sie hier, empfehlenswert auch ein Blick in die Internetseite des Josef-Bau-Hauses.

  • Schreibwettbewerb L’Chaim: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Initiative Integration haben diesen bundesweiten Schreibwettbewerb ausgelobt. 182 Beiträge gingen bis Anfang Juni ein. Zehn Texte wurde prämiert und am 6. Oktober 2022 im Literaturhaus Berlin vorgestellt. Diese Beiträge können zu einem geringen Unkostenpreis beim Deutschen Kulturrat bestellt werden. Den ersten Platz erhielt Dana Vowinckel (*1996) mit dem Text „In my Jewish Bag“. Der Text beginnt provokant: „Sie dürfen, wie im mittelschlechten Lifestylemagazin auf der Seite vor den Kopenhagen-Reisetipps, in meine jüdische Handtasche schauen. Alles, was ich hier mache, ist jüdisch. Wenn ich schreibe, ohne auch nur einmal Jude zu sagen, schreibe ich jüdische Texte. Also ist auch meine Handtasche Jude.“ Sie wollen weiterlesen? Tun Sie das, bestellen Sie die kleine Broschüre hier.
  • Russische Besatzung in Cherson: Seit dem 11. November 2022 weht in Cherson wieder die ukrainische Fahne, die ukrainischen Soldat*innen wurden von den gebliebenen Bürger*innen freudig begrüßt. Eine Dokumentation der BBC, die auf youtube verfügbar ist, zeigt das Grauen der russischen Besatzung, das keines weiteren Kommentars bedarf. Vielleicht der Hinweis, dass bei allem Verständnis für Finanzbedarfe der Plattform Werbung vor einem solchen Dokument völlig unangemessen ist.
  • Sinti und Roma: Die EU-Grundrechteagentur (FRA) veröffentlichte am 25. Oktober 2020 ihren Bericht zur Lage der Sinti und Roma in den EU-Mitgliedstaaten. Sinti und Roma sind die größte Minderheit in Deutschland. 80 Prozent leben in Armut. Der Bericht stellt fest, es gebe „keine Verbesserung gegenüber dem zuvor gemessenen Zustand“. Er dokumentiert Diskriminierung, Gewalt, Wohnungssituation, Teilhabe an Bildung, Lebenserwartung. Gleichwohl gibt es durchaus auch Lichtblicke.
  • Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma: Am 24. Oktober 2022 sprachen der Bundespräsident und der Vorsitzende des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma, Romani Rose, zum 10. Jahrestag der Eröffnung des Mahnmals im Berliner Tiergarten. Andrea Dernbach kritisierte am 25. Oktober 2022 im Berliner Tagesspiegel, dass der Bundespräsident nicht erwähnt habe, dass das Mahnmal in Gefahr sei. Die Deutsche Bahn will eine unterirdische S-Bahn-Trasse anlegen, die das Mahnmal gefährde. Bisher hat der Bauausschuss des Bundestages das Anliegen abgelehnt. Zur Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland siehe das Interview mit Romani Rose im Demokratischen Salon.
  • Menschenrechte in Saudi-Arabien: Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit erinnert regelmäßig mit dem Rafi-Badawi-Talk an Rafi Badawi, so auch am 21. Oktober 2022 mit seiner Frau Ensaf Badawi während der Frankfurter Buchmesse. Rafi Badawi wurde wegen seines Plädoyers für Religionsfreiheit zehn Jahre in einem saudi-arabischen Gefängnis festgehalten und ausgepeitscht. Er wurde am 11. März 2022 freigelassen, die Haftdauer wurde nicht verkürzt. Er steht nach wie vor unter Beobachtung und darf das Land nicht verlassen. Seine Familie rettete sich nach Kanada und sucht von dort aus Unterstützung für ihn. Die Stiftung vergibt regelmäßig den Rafi-Badawi-Award for Courageous Journalists. Die Veranstaltung vom 21. Oktober können Sie auf youtube nachverfolgen.
  • Bilderstürme: Sollen wir Denkmäler von Menschen, die nachweislich Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, zerstören? Oder sollten wir besser Wege finden, die Erinnerung an ihre Verbrechen wachzuhalten, mit welchen Mitteln auch immer? Die französische Historikerin Laure Murat schrieb am 21. Oktober 2022 zu diesem schwierigen und höchst kontroversen Thema einen Gastbeitrag für den Berliner Tagesspiegel. Letztlich geht es – auch im Anschluss an den Aufsatz von Fernand Braudel „Die Verantwortung der Geschichte“ aus dem Jahr 1951 – um eine intensive und nachhaltige Auseinandersetzung der dunklen Seite der Geschichte, weltweit. Laure Murat schreibt: Von Felwine Sarrs und Bénédicte Savoys Bericht über die Rückgabe afrikanischen Kulturerbes (2018) bis hin zu der Ausstellung im Rijksmuseum Amsterdam (8. Juni bis 29. August 2021), die zum ersten Mal die Sklavenvergangenheit der Niederlande erforscht, gibt es keine einzige kulturelle Institution mehr, die um eine politische Neuinterpretation ihrer Geschichte herumkommt.“
  • Corona-Kita-Studie: Deutsches Jugendinstitut und Robert-Koch-Institut haben mit Mitteln von Familien- und Gesundheitsministerium eine Corona-Kita-Studie vorgelegt, deren Ergebnis nicht mehr überraschen dürfte: die Schließungen der Kitas waren unnötig, die Kinder litten ebenso wie ihre Eltern, Kinder, die eine besondere Förderung brauchten, haben den Anschluss verloren, die erratischen Regelungen haben Personal, Eltern und Kinder irritiert. Eine kurze Zusammenfassung bietet Nora Burgard-Arp unter dem Titel „Kleine Verlierer“ in der Süddeutschen Zeitung. Eine vergleichbare Schulstudie wird es nicht geben, denn dafür wären die Länder zuständig. Aber die Ergebnisse ließen sich durchaus erschließen, oder?
  • Plastikkrise: Es ist nicht nur die Klimakrise, nicht nur der viel zu hohe Fleischkonsum, nicht nur der Mangel an Süßwasser, nicht nur die Zerstörung von Regenwäldern. Eine der großen Bedrohungen ist Plastikmüll. Greenpeace hat gemeinsam mit mehreren anderen Nicht-Regierungsorganisationen einen Katalog mit 15 Forderungen an die Bundesregierung vorgelegt, wie der Plastikkrise begegnet werden könnte und sollte.

Wir wünschen allen unseren Leser*innen viel Gewinn beim Lesen und Nachdenken! Unser herzlicher Dank gilt all denen, die den Demokratischen Salon durch Anregungen, Gespräche, Korrekturen so diskussionsfreudig unterstützen. Wir würden uns freuen, wenn diejenigen, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, dort auf den Demokratischen Salon hinweisen.

In etwa vier Wochen melden wir uns wieder.

Wir grüßen Sie alle herzlich.

Ihre Beate Blatz und Ihr Norbert Reichel

(Alle Internetzugriffe erfolgten zwischen dem 6. und 12. November 2022.)

P.S.: Sollte jemand an weiteren Sendungen meines Newsletters nicht interessiert sein, bitten wir um Nachricht an info@demokratischer-salon.de. Willkommen sind unter dieser Adresse natürlich auch wertschätzende und / oder kritische Kommentare und / oder sonstige Anregungen.