Liebe Freund:innen des Demokratischen Salons,

der Newsletter und alle neuen Beiträge des Demokratischen Salons von September und Oktober 2025 sind online. Am 22. und 23. September begann das jüdische Jahr 5786, am 1. Oktober feierten Jüdinnen und Juden Yom Kippur, mit dem Aufruf zu Teschuwa, zur Umkehr. Der 13. Oktober war ein Tag der Freude. Nach 738 Tagen kamen die letzten 20 überlebenden Geiseln wieder nach Hause. Ein Tag voller neuer Hoffnung. Für eine Zukunft in Frieden, Freiheit und Demokratie für alle, in Israel, in Gaza, in der Ukraine, im Sudan und an den vielen Orten der Verzweiflung in dieser Welt. Wir können mit den Dingen, die wir tun, etwas für eine solche Zukunft tun, nach besten Kräften, auch wenn es manchmal den Anschein hat, als wollten wir mit einem Fingerhut das Meer ausschöpfen. Viele kleine Dinge können etwas Großes werden! Dies wusste Georg Stefan Troller sel. A., der am 26. September 2023 im Alter von 103 Jahren in Paris starb, „der Jahrhundertmensch“, wie ihn Christoph Amend in seinem Nachruf in der ZEIT nannte. Er schaute genau hin, er war ein „Augenmensch“ – so Stefan Robiné zu seinem 85. Geburtstag in der Jüdischen Allgemeinen. Er schätzte die Menschen, die er porträtierte, und nahm sie an, so wie sie waren.

Beerdigung von Shiri, Ariel und Kfir Bibas. Foto: Matth. Knight. Wikimedia Commons, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.

Anstatt eines Editorials finden Sie drei Texte zu drei aktuellen Themen, die meines Erachtens die Themen sind, die im Oktober 2025 berühren:

  • „738 Tage – Israel zwei Jahre nach dem 7. Oktober 2023 zur Befreiung der letzten 20 Geiseln aus der Gewalt der Hamas und den Perspektiven der israelischen Demokratie. Was geschah am 7. Oktober, 6:29 Uhr, was in den folgenden 738 Tagen? Was lehrt der 13. Oktober 2025? Welche Botschaft geben uns die zurückgekehrten Geiseln und ihre Familien? (Rubriken: Levantische Aussichten, Antisemitismus).
  • „Das Einheitspuzzle – Drei Bücher zum 35. Jahrestag des 3. Oktober 2023“, eine Vorstellung von drei Büchern zur Stimmungslage in Ostdeutschland. Wer erzählt wem warum welche Glücks-, welche Unglücksgeschichten? Wie lassen sich die Fragmente der Erinnerungen wieder zusammensetzen? Wie ließe sich trauern, wo gibt es Trost und Hoffnung? Welche Botschaft hätte Thomas Mann für uns? (Treibhäuser, DDR)
  • Der Rechtspopulismus und die Hoffnung auf den Butt“ zu den Strategien neurechter Parteien und ihres eitlen Rollenmodells aus den USA (Rubriken: Treibhäuser, Weltweite Entwicklungen). Worin besteht die Attraktivität der AfD und anderer Rechtspopulist:innen auch für Migrant:innen? Mit welcher Strategie ist die Partei erfolgreich? Lässt sich „Schamlosigkeit“ beschämen? (Rubriken: Treibhäuser, Weltweite Entwicklungen)

Weitere Inhalte der im September und Oktober 2025 neu veröffentlichten Texte im Demokratischen Salon sind der 60. Jahrestag von „Nostra Aetate“ (Andreas Renz), die Bildungsangebote im Haus der Wannsee-Konferenz (Aya Zarfati), ein Vergleich der Verfassungsgerichte in Deutschland, Italien und den USA (Matteo Gentile), die aktuellen Verfassungsänderungen in der Slowakei (Martina Winkler), Active Citizenship im Irak und in Nord-Syrien (Autor:innen von Wadi e.V.), Interkulturelles Lernen in Zeiten des Krieges (Pavlo Shopin), der US-amerikanische Wissenschaftler Carl Sagan (Fritz Heidorn), eine Begegnung von Margaret Atwood und Max Ernst (Corinna Heumann), eine Studie von Paweł Zajas zur polnischen Literatur in DDR und Bundesrepublik (Rezension von Norbert Reichel), Ungeliebte Utopien in der DDR (Wolfgang Both), sowie antikapitalistische Debatten um den Klimawandel (Lisa Poettinger).

Themen der Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen sind das October 7 Digital Memorial des Jüdischen Nationalfonds, das 25jährige Jubiläum der Stiftung EVZ, die Ausgabe des bürgerAktiv Magazins für das Jahr 2025, der Deutsche Kinder- und Jugendhilfemonitor 2025, die Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit, das Vielfaltsbarometer der Robert-Bosch-Stiftung, der Deutsche Kulturrat zur sprachlichen Vielfalt, die App Re:Think der Bildungsstätte Anne Frank, Auswirkungen des 7. Oktobers auf Jüdinnen und Juden sowie israelische Staatsbürger:innen in Deutschland sowie auf Holocaust Education und Citizen Science (zwei Texte), Freiheit der Kunst nach dem 7. Oktober, die Verleihung des Friedensnobelpreises, Woke Doppelmoral, 100 Karten zum Rechtsextremismus, Verbraucherschutz (ein Gespräch mit Ramona Pop), eine Studie zur rassistischen Diskriminierung in der frühkindlichen Bildung, Sozialstaat und Inklusion (ein Gespräch mit der VDK-Präsidentin Verena Bentele), eine Studie zum Verhältnis der AfD zum Sozialstaat, die Debatte um staatliche Förderung von Nicht-Regierungsorganisationen, Bürger- und Frauenrechte in Syrien (zwei Texte), Klimawandel im Irak, Kunst aus Gefängnissen in Myanmar (Htein Lin). Zum Abschluss finden Sie Links zu fünf weiteren Übersetzungen von Texten aus dem Demokratischen Salon ins Ukrainische durch Studierende an der Drahomanov Universität in Kyjiw unter Leitung von Pavlo Shopin.

Empfehlungen für den Besuch von Veranstaltungen und Ausstellungen finden Sie auf einer eigenen Seite, nach Orten sortiert.

Die neuen Texte im Demokratischen Salon:

  • Andreas Renz zieht in „60 Jahre Nostra Aetate“ eine Bilanz dieses Paradigmenwechsels für das Verhältnis des Katholizismus zu Judentum und Islam. Er analysiert die Inhalte im Kontext mit weiteren Verlautbarungen des Vatikans, den sich durch die jeweiligen Päpste verändernden Schwerpunktsetzungen sowie von Stellungnahmen jüdischer und islamischer Gremien. Konflikte und Trennlinien finden sich heute weniger zwischen den Religionen als innerhalb der Religionen selbst. (Rubriken: Weltweite Entwicklungen, Antisemitismus, Islam)
  • Aya Zarfati stellt die Bildungsangebote der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz vor, Vorgeschichte und Folgen einer „Besprechung mit anschließendem Frühstück“ wie es auf der offiziellen Einladung hieß. Thema sind didaktische Leitgedanken, Stil und Inhalte der Besprechung, die biedere Bürgerlichkeit der Teilnehmer sowie Reaktionen von Besucher:innen der Gedenkstätte, nicht zuletzt zur Frage, was man aus der Geschichte lernen könne, auch im Hinblick auf den 7. Oktober 2023. (Rubrik: Shoah)
  • Matteo Gentile fragt anknüpfend an Philip Manow: „Wie politisch ist das Verfassungsgericht?“ Er vergleicht verfassungsrechtliche Grundlagen, Besetzungsverfahren und Aufgaben der Verfassungsgerichte in Deutschland und in Italien sowie des Supreme Court in den USA. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit sind ein „Konsensmechanismus im Lichte von Legitimität und Vertrauen“ sowie Auswahlverfahren für die Richter:innen, die die Gewaltenteilung fördern. (Rubriken: Liberale Demokratie, Weltweite Entwicklungen)
  • Martina Winkler kommentiert in „Drehbuch zur Demontage der Demokratie“, den Verfassungscoup des slowakischen Premierministers Robert Fico vom September 2025. Er nutzte das Gender-Thema, um sich weiter von Europa zu entfernen. Laut Verfassung gibt es nur noch zwei Geschlechter. Mit dieser und einigen weiteren damit verknüpften Verfassungsänderungen gelang es Fico, die Opposition zu schwächen und zu spalten, indem er die Christdemokratie und eine weitere Partei für seine Ziele gewann. (Rubriken: Osteuropa, Gender)
  • Wadi e.V. engagiert sich im Nordirak und in benachbarten Ländern für „Active Citizenship“. Mitarbeiter:innen von Wadi e.V. stellen im Beitrag „Vom Untertan zum Bürger“ konkrete und erfolgreiche Projekte und Programme für Demokratie, Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und gegen Gewalt vor. Die nach wie vor hohe Gefährdung êzîdischer Familien belastet die Arbeit. Dies wird noch dadurch verschärft, dass Êzîd:innen in Deutschland trotz unveränderter Bedrohungslage abgeschoben werden. (Rubrik: Levantinische Aussichten)
  • Pavlo Shopin dokumentiert in „Interkulturelles Lernen in Kriegszeiten“ vier Theaterbesuche mit Studierenden der Germanistik an der Mykhailo Drahomanov Universität im Rahmen eines Programms des Goethe-Instituts. Sie besuchten Stücke von beziehungsweise nach Erich Maria Remarque, Friedrich Dürrenmatt,T.A. Hoffmann und Helmut Krausser. Die Studierenden kommen selbst zu Wort. Der Beitrag bietet eine Fülle methodischer Anregungen, auch zur Frage der Nutzung der ukrainischen Fassungen. (Rubriken: Osteuropa, Kultur)
  • Fritz Heidorn porträtiert den US-amerikanischen „Wissenschaftler, Visionär und Ratgeber der Menschheit“ Carl Sagan: „Wir sind Sternenstaub“. Dessen größter Erfolg war sein Beitrag zu den „Golden Records“ der Voyager-Sonden, die uns ermöglichen, uns selbst aus der Ferne in Demut als „Pale Blue Dot“ zu erkennen. Sagan dachte über Kontakte zu Außerirdischen nach und tauschte sich mit Arthur C. Clarke und Stephen Hawking über Raum und Zeit aus: „Science is a candle in the dark“. (Rubriken: Utopien / Science Fiction, Weltweite Entwicklungen)
  • Corinna Heumann dokumentiert in „Atwoodian Utopias“ ihre Bilderserie für die Bonner Ausstellung „Heldinnen“. Sie entlarvt über Begegnungen von Margaret Atwood, „The Handmaid’s Tale“, mit Max Ernst, „Une semaine de bonté“, patriarchalische Fantasien als Grundlage totalitärer Herrschaft. Sie fragt: Wer sind die Heldinnen, die sich auflehnen? Welche Kraft hat Imagination? In der heutigen Wirklichkeit gibt es offensichtlich eine „popkulturelle Wende“, die Dystopien nutzt, um Utopien zu schaffen. (Rubriken: Gender, Utopien / Science Fiction)
  • Paweł Zajas hat in seiner Studie „Sozialistische Transnationalisierung“ die Literaturbeziehungen zwischen Polen und der DDR untersucht. Norbert Reichel stellt sie in „Polen in der DDR – eine Fallstudie“ als exemplarisch für Literaturbeziehungen im ehemaligen „Ostblock“ und im Auf und Ab von repressiven und liberalen Phasen vor. Auch der Westen spielte eine ambivalente Rolle, nicht zuletzt über Kontakte auf Buchmessen in Frankfurt und Warschau. Mancher Verlag lavierte, in Ost und West. (Rubriken: DDR, Osteuropa, Kultur)
  • Wolfgang Both stellt in „Ungeliebte Utopien“ sozialistische Science Fiction des frühen 20. Jahrhunderts vor. Grundlage ist sein Buch „Rote Blaupausen“. Gegenstand sind beliebte Utopien der Zeit vor 1933, die eine „neue Gesellschaft“ oder gar einen „neuen Menschen“ In Sowjetunion und DDR waren sie verpönt, weil sie nicht den Postulaten des „wissenschaftlichen Sozialismus“ entsprachen. Sie wurden aber auch im Westen erst viele Jahrzehnte nach 1945 entdeckt. (Rubriken: Utopien / Science Fiction, DDR)
  • Lisa Poettinger engagiert sich für Klimagerechtigkeit. Sie ist überzeugte Demokratin, Antikapitalistin und im Sinne von Martin Luther King jr. eine „kreative Nonkonformistin“. In dem Beitrag „Utopien bauen!“ finden Sie eine Besprechung ihres beim oekom-Verlag erschienenen Buches „Klimakollaps und soziale Kämpfe“, ein Gespräch mit ihr über ihr politisches Engagement sowie einen Kommentar zu der nicht nachvollziehbaren Weigerung des bayerischen Staates, sie als Lehrerin arbeiten zu lassen. (Rubriken: Liberale Demokratie, Treibhäuser)

Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen
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  • Erinnerung an den 7. Oktober
    : Die Geiseln sind frei, der Krieg in Gaza scheint beendet. Und dennoch gibt es noch viele offene Fragen. Wie können und sollten wir uns an den 7. Oktober erinnern? Was geschieht im Westjordanland, wird es eine Perspektive für einen palästinensischen Staat geben, in dem die Menschen in Frieden mit dem Nachbarn Israel leben können? Zur Erinnerung an die Menschen, die am 7. Oktober ermordet oder entführt wurden, in der Geiselhaft der Hamas starben, und ihre Angehörigen hat der Jüdische Nationalfonds gemeinsam mit der israelischen Nationalbibliothek und weiteren Partnern ein digitales Archiv entwickelt, „ein lebendiges Mahnmal und eine unerschütterliche Antwort auf jene, die versuchen, die Realität dieses Angriffs zu leugnen oder zu verzerren“: das October 7 Digital Memorial. Das Memorial bietet mehr als bloße Daten, es „sammelt, sichert und katalogisiert WhatsApp-Nachrichten, Sprachaufnahmen, Fotos und Videos von Überlebenden, Angehörigen und Ersthelfern. Jede Erinnerung wird sorgfältig geprüft, mit dem Einverständnis der Betroffenen archiviert und thematisch erschlossen.“ (Quelle: Jüdischer Nationalfonds / Keren Hayesod)
  • 25 Jahre Stiftung EVZ
    : Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ begeht in der Zeit vom 2. August 2025 bis zum 13. Juni 2026 ihr 25jähriges Bestehen. Dazu gibt es zahlreiche Veranstaltungen, die Stimmen der Überlebenden, Perspektiven junger Menschen, künstlerische und journalistische Beiträge, Einblicke in die Stiftungsgeschichte sowie Begegnungen der Generationen. Es begann im Jahr 2000 mit einer Einigung über die Entschädigung der in der NS-Zeit in Deutschland beziehungsweise von Deutschen gequälten Zwangsarbeiter:innen. Inzwischen bietet die Stiftung ein umfangreiches Programm zur Förderung und Sicherung der Demokratie. Der Auftrag lautet: „Keine Zeit zu vergessen“: „Denn wer die Vergangenheit ausblendet, überlässt die Deutung der Geschichte denjenigen, die sie für menschen- und demokratiefeindliche Zwecke instrumentalisieren. Vergessen schafft eine Leere, die sich allzu leicht mit Hass, Hetze und historischen Verzerrungen füllt. Unser Jubiläumsjahr setzt daher ein klares Zeichen: Erinnerung darf nicht verblassen. Verantwortung endet nicht. Zukunft braucht Haltung und gemeinsames Engagement.“
  • Bürgerschaftliches Engagement
    : Die Stiftung Aktive Bürgerschaft hat im Herbst 2025 ihr jährlich erscheinendes Magazin veröffentlicht, das „bürgerAktiv Magazin“. Die nächste Ausgabe nächste im Herbst 2026. Es dokumentiert die vielfältigen Aktivitäten der Stiftung und macht vor allem Mut. Viele junge und ältere Menschen engagieren sich in ihrem Umfeld für ihre Mitmenschen, für die Demokratie im Rahmen von „Service Learning“, Genossenschaftsbanken oder örtliche Bürgerstiftungen, in denen über 400.000 Menschen mitwirken. Es gibt Veranstaltungen und Preise, beispielsweise für Schulen im Rahmen des Programms „Sozialgenial“, das auch im Demokratischen Salon vorgestellt wurde: „Mehr als genial – sozialgenial“. Auf der Internetseite der Stiftung sind auch die Ausgaben des Magazins aus den vergangenen Jahren zu sehen.
  • Deutscher Kinder und Jugendhilfemontor 2025
    : Anlässlich des 18. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetags (DJHT) 2025 stellte die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) den Deutschen Kinder- und Jugend(hilfe)MONITOR 2025 vor (Download hier). Unter dem Leitsatz „Junge Perspektiven ernst nehmen – politische Forderungen für mehr Generationengerechtigkeit“ formuliert der Bericht dringende Handlungsbedarfe für die Politik und analysiert Strukturen für eine zukunftsfähige Kinder- und Jugendhilfe. Der Bericht analysiert aktuelle Daten zu sechs zentralen gesellschaftspolitischen Themen: (1) Demokratie, (2) Generationengerechtigkeit, (3) Vielfalt, (4) Armut, (5) Jungsein in Ostdeutschland und (6) Fachkräftemangel. Grundlage der Analyse sind die neuesten Berichte und Studien der Sozial- und Bildungsberichterstattung sowie das Kinder- und Jugendpolitische Leitpapier, das den programmatischen Rahmen des DJHT vorgab. (Auszug aus der Pressemeldung des Landschaftsverbands Rheinland vom 3. September 2025.)
  • Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit
    : Kinder- und Jugendarbeit ist mit wenigen Ausnahmen eine freiwillige kommunale Aufgabe. Pflichtleistungen sind die Hilfen zur Erziehung sowie die Aufnahme unbegleiteter Minderjährige aus dem Ausland. Das Recht auf einen KiTa-Platz beziehungsweise – ab 2026 – auf einen Ganztagsplatz für Grundschulkinder gilt dem Grunde nach als Pflichtaufgabe, in welchem finanziellen Umfang diese Aufgabe erfüllt wird, bleibt jedoch den Landesausführungsgesetzen zum SGB VIII, oft auch den Kommunen überlassen. Offene Jugendarbeit, Demokratieprojekte, Projekte der kulturellen Jugendbildung – all dies ist hochgradig prekär, wird oft nur von Jahr auf Jahr bewilligt. Bundes- und Landeszuschüsse werden ebenso wie die kommunalen Ausgaben nur von Jahr auf Jahr zur Verfügung gestellt. Da die Haushaltsbeschlüsse in der Regel immer erst Ende des Jahres erfolgen, müssen sich Mitarbeiter:innen im Herbst arbeitssuchend melden, weil sie sich nicht darauf verlassen können, dass die Finanzierung im kommenden Jahr gesichert ist. Dies erschwert die kontinuierliche Arbeit und führt dazu, dass die Mitarbeiter:innen oft wechseln, weil sie anderswo eine längerfristige Stelle erhalten. Bundesweit einzigartig ist der Kinder- und Jugendförderplan in Nordrhein-Westfalen. Er sieht eine langfristige Finanzierung von Kinder- und Jugendarbeit vor. Es gibt eine gesetzlich festgeschriebene Summe, die jährlich dynamisiert wird. Ähnliches hat jetzt aufgrund der Wirkung zivilgesellschaftlichen Engagements die Stadt Frankfurt am Main beschlossen. Die Mittel wurden deutlich erhöht und dynamisiert. (Quelle: Journal für politische Bildung). Wünschenswert wäre, wenn auf Bundesebene demnächst zum Beispiel endlich ein Demokratiefördergesetz verabschiedet würde. Dies sollte eigentlich schon seit 2017 vom Bundestag beschlossen werden, doch bisher kam es nicht dazu. Der nordrhein-westfälische Kinder- und Jugendförderplan und das Vorgehen der Stadt Frankfurt am Main zeigen, wie es aussehen könnte und sollte.
  • Vielfaltsbarometer
    : Das „Vielfaltsbarometer“ der Robert Bosch Stiftung (Download hier) verzeichnet im Vergleich zum Jahr 2019 sinkende Akzeptanz von Vielfalt in der Bevölkerung. Befragt wurden 4.761 Personen ab 16 Jahren, davon 1.074 mit einer migrantischen Familiengeschichte. Die Befragung wurde online in deutscher Sprache durchgeführt. Konzeption und Auswertung der Studie erfolgte durch die Constructor University Bremen. „Während 2019 noch 63 Prozent der Befragten zunehmende Vielfalt eher oder sehr stark als Bereicherung erachteten, waren es 2025 noch 45 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil derjenigen, die Vielfalt als Bedrohung wahrnehmen, um 17 Prozent. Der Vielfaltsgesamtindex fällt von 68 Punkten im Jahr 2019 auf aktuell 63 Punkte (Skala 0–100). Zwar liegt dieser Wert weiterhin über dem Mittelwert, der Rückgang ist jedoch ein deutliches Signal für wachsende gesellschaftliche Spannungen.“ Insbesondere ethnische und religiöse Vielfalt werden abgelehnt, die höchste Akzeptanz haben Menschen mit Behinderungen, spürbar ist die sinkende Akzeptanz von sexuellen Orientierungen jenseits der traditionellen Heterosexualität. Nur etwa ein Drittel der Befragten akzeptiert Muslim:innen. Auch die Akzeptanz sozioökonomischer Benachteiligungen sinkt deutlich. Ost-West-Unterschiede gleichen sich an, leider mit Trend zum Negativen.
  • Sprachliche Vielfalt
    : Am 8. Oktober 2025 veröffentlichte der Deutsche Kulturrat die Erklärung „Vielfalt in der Sprache schützen und fördern“. Die Erklärung enthält vier Punkte zur geschlechtergerechten Sprache. Er betont, dass es in kein Gebot gab und gibt, geschlechtergerechte Sprache im Kulturbereich zu verwenden. Dies sei eine individuelle Entscheidung jedes Einzelnen beziehungsweise jeder einzelnen Institution. Er wendet sich gegen ein Verbot, da dies der grundgesetzlich garantierten Medien- und Kunstfreiheit widerspreche. Weder die Anwendung noch die Ablehnung geschlechtergerechter Sprache darf ein Kriterium für die Förderung von Kunst, Kultur und Medien sein. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Vor 20 Jahren ist die Bundesrepublik Deutschland mit der Ratifizierung der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen die Verpflichtung eingegangen, kulturelle Vielfalt zu schützen und weiterzuentwickeln. Diese Verpflichtung schließt selbstverständlich auch die Vielfalt der Sprache ein. Künstlerinnen, Künstler und Kulturinstitutionen sind frei in der Entscheidung, ob und wie sie gendergerechte Sprache anwenden. Dabei muss es bleiben.“
  • Demokratie lernen
    : Die Bildungsstätte Anne-Frank in Frankfurt am Main hat als virtuelle Erweiterung ihres Lernbüros die App Re:Think. Sie richtet sich an 13-16jährige Jugendliche, an Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte in schulischer und außerschulischer Bildung. Sie kann natürlich auch von allen anderen Altersgruppen genutzt werden. Die App steht seit dem 25. August 2025 kostenfrei zum Download zur Verfügung. Angekündigt für das Jahresende 2025 wurde Begleitmaterial für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte. Im Herbst 2025 wird die App in einem Fachtag vorgestellt. Es handelt sich um 12 intuitive Mini-Games für spielerische Interaktionen zu Themen wie Antisemitismus, Rassismus, Hatespeech und Verschwörungserzählungen. Auf der Seite der Bildungsstätte werden auch weitere Materialien vorgestellt.
  • Auswirkungen des 7. Oktober 2023 auf Jüdinnen und Juden sowie Israelis in Deutschland
    : Am 30. September 2025 stellten Marina Chernivsky (KOAS) und Friederike Lorenz-Sinai (FH Potsdam) einen Zwischenbericht zur bundesweiten Studie zu den Auswirkungen des terroristischen Anschlags am 7. Oktober 2023 auf jüdische und israelische Communities in Deutschland auf der Bundespressekonferenz vor. Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman ordneten die Ergebnisse ein. Der Forschungsbericht erscheint im Frühjahr 2026. Den Zwischenbericht zu den Ergebnissen der Studie finden Sie kostenfrei auf der Webseite des Kompetenzzentrums antisemitismuskritische Bildung und Forschung (KOAS). Bei Fragen zur Studie melden Sie sich gerne bei der Studienkoordinatorin Sophia Hoppe unter hoppe@koas-bildungundforschung.de.
  • Auswirkungen des 7. Oktober 2023 auf Holocaust Education und Citizen Science: Irene Aue-Ben-David und Bettina Farack (LBI Jerusalem) und Kinga Bloch von der Library of Lost Books haben in einem Gastkommentar für die Stiftung EVZ die Herausforderungen und Chancen von Citizen Science und die (Un-)Möglichkeiten der Holocaust Education nach dem 7. Oktober 2023 beschrieben. In dem Projekt ging es um Provenienzforschung durch Jugendliche. Die Macherinnen des Projekts beschreiben das Konzept, den anfänglich hohen Zuspruch, aber auch die Folgen der Hasskampagnen gegen Jüdinnen und Juden nach dem 7. Oktober (hier der vollständige Kommentar). So musste eine geplante TikTok-Kampagne abgesagt werden: „Es war für uns keine Option, junge Menschen einer Welle verbaler Gewalt im digitalen Raum auszusetzen.“ Veranstaltungen waren nur noch mit Sicherheitsbriefings möglich. Immerhin vermag das Projekt 45.000 Nutzer:innen der Internetseite sowie 4.865 Buchfunde zu vermelden. (Quelle: Newsletter des Leo Baeck Instituts New York / Berlin)
  • Freiheit der Kunst nach dem 7. Oktober
    : Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, hat am 12. September 2025 im 37. Kulturwochenreport des Verbandes deutliche Worte zur die Absage eines Konzerts der Münchner Philharmoniker mit ihrem israelischen Dirigenten Lahav Shani in Gent (Belgien) gefunden. Hier die Stellungnahme von Olaf Zimmermann im Wortlaut: „Die Konzertabsage reiht sich leider in eine Reihe von Fällen ein, bei denen von Künstlerinnen und Künstler eine politische Pro- oder Contra-Haltung zu dem Staat, in dem sie leben oder in dem sie geboren sind, verlangt wird. Nach dem verbrecherischen Überfall Russlands auf die Ukraine wurden russische Künstlerinnen und Künstler ausgeladen, wenn sie sich nicht klar gegen Russland positioniert haben. Teilweise ging es so weit, dass russische Dichter oder Komponisten nicht mehr gespielt werden sollten – auch wenn es sich gar nicht um Zeitgenossen, sondern um das Erbe handelt. Jetzt geht es um Israel. Eine vollkommen andere politische Situation, die nicht mit dem russischen Angriffskrieg zu vergleichen ist, aber wieder wird von Künstlerinnen und Künstlern eine politische Haltung verlangt, und zwar eine gegen den Staat, in dem sie geboren sind, leben und aktuell arbeiten. Ich halte die Ausladung für absolut falsch! Künstlerinnen und Künstler sind keine Diplomaten oder Politikerinnen. Ihr Arbeitsfeld ist die Kunst. Von Künstlerinnen und Künstlern zu verlangen, dass sie sich für oder gegen den Staat positionieren, in dem sie leben, oder aus dem sie kommen, kommt einer Gesinnungsprüfung gleich. Ich hatte gehofft, solche Zeiten sind überwunden. Mir wurde in der letzten Zeit in Gesprächen von israelischen Künstlerinnen und Künstler immer wieder berichtet, dass von ihnen oft von Kolleginnen und Kollegen erwartet wird, dass sie sich von der Regierung ihres Heimatlandes distanzieren. Das ist in meinen Augen ein nicht hinnehmbarer Übergriff. Was wir brauchen, ist mehr Differenzierung zwischen Kunst und Politik. Von einem Künstler zu verlangen, dass er sich von der Regierung des Staates distanziert, in dem er lebt, geht eindeutig zu weit. Was soll der nächste Schritt sein, sollen Künstlerinnen und Künstler offenlegen, wen sie gewählt haben, um noch auftreten zu dürfen? Die Kunst ist frei, das ist in Deutschland die grundgesetzliche Maßgabe. Diese Freiheit erstreckt sich auch auf Künstlerinnen und Künstler.“
  • Friedensnobelpreis
    : Donald Trump bekam ihn nicht, aber die Preisträgerin María Corina Machado ist auch nicht unproblematisch. Man könnte allerdings von subtiler Ironie sprechen, dass eine Politikerin den Nobelpreis bekam, deren politische Agenda Trump unterstützt, weil beide einen gemeinsamen Feind haben, das Regime in Venezuela unter Nicolás Maduro. Jan Heidtmann wies in der Süddeutschen Zeitung darauf hin, dass die Preisträgerin im Jahr 2002 an einem Putschversuch gegen den damals in der Bevölkerung noch weitgehend unterstützten Präsidenten Hugo Chávez mitwirkte und dass sie 2020 die „Carta de Madrid“ zur Verteidigung der „Iberosphäre“ gegen den Kommunismus mitunterzeichnete. Organisator war ein der rechtsextremistischen spanischen Partei Vox nahestehender Think-Tank, Mitunterzeichner waren unter anderen Giorgia Meloni, Javier Milei und Jair Bolsonaro. Machado unterhält enge Beziehungen zur ungarischen FIDESZ und zum französischen Rassemblement National. Die Preisträgerin vertritt einen radikal wirtschaftsliberalen Kurs, den Putschversuch von 2002 richtete sich gegen die Sozialprogramme der damaligen venezuelanischen Regierung, die ungeachtet deren grundsätzlich illiberaler Ausrichtung viele Menschen aus der Armut holten. Ähnlich argumentiert Daniel Deckers in der FAZ: „In dieser Lage ist ein großer politischer Fehler, dass Machado den Preis nicht nur dem leidenden venezolanische Volk widmete, sondern auch dem amerikanischen Präsidenten Trump. Die Preisträgerin, die auch Trumps ‚Schiffe versenken‘ in der Karibik gutheißt, weckt die Erinnerung an die vielen Jahrzehnte, in denen die ‚gringos‘ in ihrem Hinterhof alles und jedes mit eisernem Besen auskehrten, was ihnen nicht zu Willen war.“
  • Woke Doppelmoral nach dem 7. Oktober
    : Thomas Chatterton Williams, Autor bei The Atlantic, hat am 27. September 2025 im Gespräch mit Sascha Chaimowicz im ZEITmagazin darauf hingewiesen: „Ein Klima, in dem viele lieber schweigen. Das machte Woke so wirksam“. Und beförderte den Kampf Trumps und der neuen Rechten gegen alle, die sich gegen Diskriminierung engagieren. Williams nennt mehrere Fälle der Vergangenheit, in denen Journalist:innen oder Kurator:innen in Museen entlassen wurden, weil sie sich nicht entschieden genug für „Black Lives Matter“ engagiert hätten, Autor:innen heftig kritisiert wurden, weil sie es – wie zum Beispiel Chimanda Ngozi Adichie – wagten darüber nachzudenken, dass ihre Erfahrungen als Frau andere wären als die von Transfrauen (sogenannte TERFs = „Trans Excluding Radical Feminists“). Ein Wendepunkt ist aus seiner Sicht allerdings der 7. Oktober 2023: „Ich sehe den 7. Oktober 2023 als den eigentlichen Wendepunkt, das Ende der Woke-Ära in den USA. Bis dahin hatten Institutionen wie Harvard, Elite-Unis und Kulturhäuser jede Mikroaggression, jede vermeintliche Diskriminierung thematisiert, oft zu Recht. Doch als Jüdinnen und Juden sagten: ‚Auch wir sind eine Minderheit. Auch wir sind verletzlich‘, brach die Solidarität. Plötzlich galten sie nicht mehr als marginalisiert, sondern als weiß, privilegiert, Teil der Macht. In den USA feierten Studierende teils noch in derselben Nacht das Massaker – ein Schock für viele liberale Juden, die sich als Teil der antirassistischen Bewegung verstanden hatten. Und dann kam die Doppelmoral: Dieselben Institutionen, die bei George Floyd Haltung gezeigt hatten, erklärten nun, es sei nicht ihre Aufgabe, Stellung zu beziehen.“ Diese selektive Empathie hat die Woke-Koalition im Kern gespalten.“ Doron Rabinovici hat diesen Gedanken in seinem Beitrag „Im Morgengrauen – Verbrechen und Auslöschung“ (in: Tania Martini / Klaus Bittermann, Hg., Nach dem 7. Oktober, Essays über das genozidale Massaker und seine Folgen, Berlin, Edition Tiamat, 2024) angesichts der Äußerung einer sich propalästinensisch gebenden Aktivistin beschrieben: „Die Aktivistin erklärte, es sei falsch, die Kibbuzniks zu ‚humanisieren‘. Solche Äußerungen sind zwar Randerscheinungen, doch sie sind zugleich Teil einer Tendenz, das antisemitische Wesen der Hamas und ihrer Massaker zu beschönigen oder nicht wahrzunehmen. Wir erleben einen Prozess der Irrealisierung. Was den Opfern widerfuhr, wird nicht anerkannt. Das ist die zweite Auslöschung ihrer Existenz. Wie wollte sonst erklärt werden, dass internationale Frauenorganisationen und darauf spezialisierte UN-Organisationen wochenlang zu den Vergewaltigungen und den Verstümmelungen von Geschlechtsteilen schwiegen, obgleich ihnen Berichte von Überlebenden und Beweise für diese Verbrechen vorgelegt wurden? Israelische Feministinnen prägten daraufhin den ironischen Slogan: ‚Me Too Unless You’re a Jew‘.“
  • Rechtsextremismus
    : Auf der Frankfurter Buchmesse haben CORRECTIV und KATAPULT das Buch „100 Karten über Rechtsextremismus“ Sozialwissenschaftliche Studien und Statistiken werden auf 100 Karten gut verständlich und anschaulich dargestellt. Themen sind unter anderem die verschiedenen Netzwerke und Medien des Rechtsextremismus, die in den Landesverfassungsschutzberichten genannten Parteien, aber auch Möglichkeiten, gegen Rechtsextremist:innen vorzugehen, beispielsweise durch Festivals, durch Wegschnappen von Markenrechten oder auch durch Szene-T-Shirts, die nach dem Waschen für Aussteigerprogramme werben.
  • Verbraucherschutz
    : Ramona Pop, Vorständin im Verbraucherzentrale Bundesverband, stellte im Gespräch mit Heike Jaberg, das der Tagesspiegel am 24. September 2025 veröffentlichte, die Arbeit ihres Verbandes vor. Sie sagte, sie könne sich nicht beschweren, dass sie nicht gehört werde. Sie wisse um die Schwierigkeiten, die Tricks von Wirtschaftsunternehmen zu erkennen. Auch sie selbst sei als Verbraucherin nicht davor gefeit. Die Grenzen verschwimmen, beispielsweise weil soziale Medien zugleich als Verkaufsplattformen funktionieren. Sie kritisierte, dass in der EU, eigentlich Vorreiterin im Datenschutz, zurzeit diskutiert werde, dass Unternehmen in Zukunft nicht mehr dokumentieren müssten, was sie mit den bei Käufen erhobenen Daten machten. Einerseits brauche es klare Regeln, andererseits aber auch mehr Verlässlichkeit in der Politik. „Planungssicherheit ist genau das, was die Menschen brauchen. Ständiges Hü und Hott verunsichert die Leute, im Zweifel machen sie dann gar nichts. Dieses Hin und Her hinterlässt Spuren. Das sehen wir in unseren Energieberatungen. Viele Verbraucher sagen, dass sie jetzt erst mal abwarten wollen, wie es mit der Förderung weitergeht. Dabei ist schon heute absehbar, dass fossile Energien wegen des EU-Emissionshandels immer teurer werden. Sich jetzt noch eine Öl- oder Gasheizung einbauen zu lassen, könnte zur Kostenfalle werden.“ Ramona Pop plädiert für eine „Preisbeobachtungsstelle“ nach französischem Vorbild, die dokumentiert, wer an Preissteigerungen verdiene. Zurzeit behaupten Bauern ebenso wie Händler, dass sie nichts daran verdienten, dies sei jedoch ein Widerspruch: „Wenn am Ende herauskommt, dass die Preissteigerungen gerechtfertigt waren, dann ist das doch auch eine wichtige Erkenntnis. Aber wenn Menschen das Gefühl haben, dass sich jemand auf ihre Kosten bereichert, dann macht das etwas mit ihnen. Und würden wir überhaupt mal genau hinschauen, hätte das hoffentlich auch eine preisdämpfende Wirkung.“ Ihr Verband sei bei mehreren Klagen sehr erfolgreich, nicht nur beim Dieselskandal, nach dem mehr als 240.000 Menschen von VW mit insgesamt 770 Millionen EUR entschädigt worden wären. Erfolgreich verklagt wurden zum Beispiel „Fitnessketten, Sportstreaminganbieter, Energieversorger und Sparkassen“. Zurzeit läuft eine Sammelklage gegen Vodaphone, der man noch beitreten könne. Ramona Pop ist ebenso wie ihr Vorgänger Klaus Müller Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen. Klaus Müller leitet inzwischen die Bundesnetzagentur.
  • Rassistische Diskriminierungen in der frühkindlichen Bildung
    : Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) hat Daten zu Zugangsbarrieren und Teilhabepraktiken in der frühkindlichen Bildung in Berlin vorgelegt, die Seyran Bostancı und Benedikt Wirth erhoben haben. Sie fordern „eine transparente Platzvergabe, verlässliche Datenerhebung, institutionell verankerte Antirassismus-Strategien, regelmäßige Weiterbildungen für Fachkräfte, die Anerkennung internationaler Abschlüsse und ein Verständnis von Mehrsprachigkeit als Ressource“, viel zu oft sei Unterstützung „abhängig vom Engagement Einzelner – und damit strukturell unwirksam“. Seyran Bostancı hat sich im März 2024 im Demokratischen Salon ausführlich über Hintergründe und Perspektiven geäußert: „Auf dem Weg zur rassismuskritischen KiTa“. Die neue Studie bestätigt weitgehend die Ergebnisse vorangehender Studien.
  • Sozialstaat und Inklusion
    : Verena Bentele, Präsidentin des VDK, ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und Weltbehindertensportlerin, ist blind. In einem Gespräch mit Ann-Kathrin Eckardt und Katharina Riehl für den Tagesspiegel sagte sie: „Ich kann gar nicht zählen, wie vielen Taxifahrern ich meine PIN verraten habe“. Im Biathlon gewann sie 12 Goldmedaillen. Sie berichtet von den Problemen, die sie in Schule und Hochschule zu überwinden hatte, und wie es ist, mit einem Begleitläufer zu laufen. Schwierig sei es zurzeit an manchen Baustellen, beispielsweise am Münchner Hauptbahnhof. Inklusion im Alltag sei schwierig: „Versuchen Sie zum Beispiel mal, eine Waschmaschine zu kaufen, die für blinde Menschen bedienbar ist. Oder aus einem Geldautomaten Geld zu bekommen. Oder mit Karte zu bezahlen. Das Verschwinden von Tasten ist für Blinde ein großes Problem.“ Der VDK ist mit 2,3 Millionen Mitgliedern der größte Sozialverband Deutschlands, Verena Bentele bedauert, dass es von Seiten des Bundeskanzlers zwar immer wieder Autogipfel gebe, aber „nur relativ selten Sozialgipfel“. Die Debatte um den Sozialstaat werde auf Bürgergeld und Arbeitslosigkeit reduziert, obwohl dies nur etwa fünf Prozent der gesamten Sozialausgaben ausmache. Es gebe auch weitere Ungleichgewichte: „Der Sanktionsbetrug beim Bürgergeld kostet den Staat ungefähr 57 Millionen Euro. Bei Steuerhinterziehung und Steuervermeidung gehen die Schätzungen von 100 bis 150 Milliarden Euro aus.“ Verena Benteles nächstes persönliches Ziel ist der Berlin-Marathon.
  • Der Sozialstaat und die AfD
    : Regelmäßig wird nach Wahlniederlagen der SPD darauf verwiesen, dass Stimmenverluste nach rechts nur rückgängig gemacht werden könnten, wenn der Sozialstaat gesichert und möglichst sogar ausgebaut werde. Damit verbunden ist die Annahme, dass Wähler:innen der AfD erkennen müssten, dass die Politik der AfD, sollte sie jemals umgesetzt werden, ihnen persönlich schade. Die German Longitudinal Election Study kam zu einem anderen Ergebnis. Julius Kölzer und Mark Schieritz berichteten am 16. September 2025 in der ZEIT: „Wer wenig hat, ist in ihren Augen selbst schuld. Seit 2009 beobachten die Deutschen Gesellschaft für Wahlforschung und das Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften in Mannheim die Entwicklung. „Aus diesen Daten – die nach der vergangenen Bundestagswahl erhoben wurden – geht hervor, dass die Anhänger der AfD mit Sozialpolitik in ihrer klassischen Ausprägung nicht sehr viel anfangen können. Die Unterstützung für höhere Steuern und mehr Sozialstaat ist im Mittel so gering wie bei keiner anderen im Bundestag vertretenen Partei. Sogar die Wähler der Union stehen demnach einer Ausweitung von Sozialleistungen alles in allem aufgeschlossener gegenüber als die Wähler der AfD.“ Vereinfacht gesprochen ließe sich sagen, dass es weniger von Bedeutung ist, dass es den Wähler:innen der AfD bei einer anderen Wirtschaftspolitik besser gehen könnte, sondern eher, dass es Menschen gibt, denen es schlechter gehen soll, weil sie staatliche Unterstützung nicht verdient hätten. Über Wirtschafts- und Sozialpolitik allein lassen sich die Wähler:innen der AfD nicht zurückgewinnen. Es gibt allerdings weitere Studien, die das Bild etwas differenzieren: „Daraus folgt nicht, dass die Stimmenzuwächse für die AfD keine ökonomische Dimension hätten. Aus Studien geht hervor (Link von der ZEIT), dass speziell der Abbau der öffentlichen Daseinsvorsorge rechtspopulistische Parteien stärkt. Was die Umfragen aber zeigen: Mehr Geld allein wird nicht dazu führen, dass diese Wähler in die demokratische Mitte zurückkommen.“ Die Berliner Künstlerin Katja Berlin karikierte dies mit einer ihrer „Torten der Wahrheit“: Menschen wollten früher, dass es ihnen und ihren Kindern besser geht, heute wollen viele vor allem, dass es anderen schlechter geht.
  • Staatliche Förderung für NGO’s
    : Mit ihrer umfangreichen Anfrage im Bundestag suggerierten CDU und CSU, dass vor allem politisch aktive Nichtregierungsorganisationen aus staatlichen Mitteln, sei es aus einzelnen Programmen oder über Steuererleichterungen gefördert wurden. Immer wieder wurden die „Omas gegen rechts“ genannt, die in Wirklichkeit jedoch gerade einmal 23.000 EUR erhalten hatten und auch nicht – obwohl das immer wieder behauptet wird – nicht gemeinnützig sind. Andrea Böhm und Petra Pinzler haben in der ZEIT dokumentiert, welche NGO’s staatliche Mittel erhalten: „Der Staat päppelt nur die Linken? Von wegen“. Gefördert werden Sportvereine, Heimatvereine, Wohlfahrtsverbände, die Landjugend und manch andere vergleichbare Organisationen und Vereine: „Die mit Abstand größten Fördersummen gehen an Sport- und Wohlfahrtsverbände. Das Argument dafür: Erstere übernehmen eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe, Letztere nehmen dem Staat unter anderem durch Pflegeeinrichtungen und soziale Dienste Arbeit ab. Links sind beide nicht.“ Die beiden Autorinnen dokumentieren allerdings auch mehrere Fälle, in denen Gemeinderäte mit den Stimmen von CDU und AfD verhinderten, dass die jeweiligen Gemeinden komplementäre Eigenmittel für vom Bund beziehungsweise vom Land geförderte Demokratieprojekte bereitstellen konnten, beispielsweise in Salzwedel (Sachsen-Anhalt) und in Wurzen (Sachsen). Anlass für die Anfrage von CDU und CSU waren die Demonstrationen gegen die Abstimmung vom 29. Januar 2029: „Bei der Kundgebung ‚ZusammenGegenRechts‘ war beispielsweise auch die Diakonie, der gemeinnützige Wohlfahrtsverband der evangelischen Kirchen, mit dabei. Auch als Tausende von Bauern Anfang 2024 aus Wut über den Abbau von Dieselsubventionen in mehreren Städten mit Treckern den Verkehr lahmlegten, waren Gruppen dabei, die staatliche Gelder erhalten – zum Beispiel der Bund der Deutschen Landjugend. Oder der Bayerische Bauernverband. Dabei konnte man all diese Aktionen auch als gezielte Proteste gegen die damaligen oder künftige Regierungsparteien werten. Es kam im Bundestag aber niemand auf die Idee, die Unterstützung für diese Organisationen infrage zu stellen. Oder sie an eine politische Neutralitätspflicht zu erinnern. Die gibt es in dieser Form auch gar nicht. Staatlich geförderte Vereine oder Initiativen müssen zwar parteipolitisch neutral bleiben. Doch der Staat darf ihnen keine komplette politische Enthaltsamkeit verordnen.“
  • Bürgerrechte in Syrien
    : Auf der Plattform mena-watch informiert Thomas von der Osten-Sacken regelmäßig über Entwicklungen in Syrien. Am September 2025 berichtete er über den Auftritt der kurdischen Juristin Zahra Albarazi, die der syrische Interimsaußenminister zur Beraterin für die Übergangsjustiz bestellt hatte, auf dem Syria Forum in New York. Sie habe auf ein Problem hingewiesen, das nicht nur Syrien betreffe, sondern auch andere Staaten der MENA-Region: „Der Gesellschaftsvertrag im Land ist völlig zerbrochen und es besteht kein Vertrauen der Bürger in die Behörden. Es besteht kein Vertrauen in die politischen Prozesse. Es besteht kein Vertrauen in die Verfahren. Es besteht kein Vertrauen in die Regierungsstellen. Es besteht kein Vertrauen in die internationale Gemeinschaft.“ Bemerkenswert sei, dass dies von einem Mitglied der Regierung so deutlich ausgesprochen werde. Thomas von der Osten-Sacken verweist auf das „Konzept der politischen Staatsbürgerschaft“, wie es der Gründer des Syrian Network for Human Rights Fadel Abdulghany gefordert habe. Er hat dieses Konzept nicht nur in dem hier referierten Beitrag auf mena-watch, sondern auch im Demokratischen Salon ausführlich beschrieben: „Neues Syrien, neue Levante?“.
  • Zukunft der Frauen in Syrien: Am 12. Oktober 2025 berichtete Thomas von der Osten-Sacken über die Wahlen in Syrien und die Repräsentanz von Frauen. Es gibt bei aller Kritik Anlass zu Zuversicht: „Die Reaktionen aus Syrien zeigen immerhin, dass die Zeiten, in denen weitgehend unhinterfragt Parlamente in der Region mehrheitlich reine Männerversammlungen waren, eindeutig Geschichte sind.“ Vielleicht könnte das jordanische Wahlgesetz von 2022 auch ein Vorbild für die Zukunft in Syrien werde? Am 14. Oktober 2025 berichtete er über Streitpunkte und Annäherungen zwischen Damaskus und den kurdischen SDF in Syrien. Hier spielt unter anderem die Frage der Integration der weiblichen Kämpferinnen der kurdischen Milizen in das syrische Militär eine Rolle.
  • Klimawandel im Irak
    : am 9. September 2025 berichtete Thomas von der Osten-Sacken auf mena-watch über den Klimawandel im Irak. „Der Irak trocknet aus“: „Zwar mehren sich inzwischen die Meldungen über Dürre und Missernten in Syrien und dem Irak, chronische Wasserknappheit und Temperaturen, die teilweise die fünfzig Grad übersteigen, nur scheint kaum ein Bewusstsein dafür zu existieren, welche Folgen diese Entwicklungen, die immer schneller und bedrohlicher voranzuschreiten scheinen, für den Alltag der Menschen bedeuten.“ (Links im Text von mena-watch.) Der Beitrag enthält mehrere konkrete Beispiele, was die Veränderungen für den Alltag der Menschen bedeuten. Vor 30 Jahren lagen die Temperaturen noch etwa 15 Grad tiefer.
  • Kunst aus dem Gefängnis in Myanmar
    : Für den Tagesspiegel sprach Birgit Rieger mit dem Künstler Htein Lin, der 1998 bis 2005 sieben Jahre inhaftiert war. Seine Gemälde wurden jetzt in Berlin ausgestellt. Htein Lin berichtet von den Haftbedingungen, den Schikanen und kleinen Formen des Widerstands. Einzelhaft war für ihn nicht so schlecht, weil er heimlich malen konnte. „Einzelhaft ist nicht immer etwas Schlechtes. Eine eigene Zelle ist besser, als sie mit dreißig anderen zu teilen. Das Gefängnis war eine Gelegenheit, zu meditieren und schlechte Gewohnheiten aufzugeben. Es war eine Chance zu improvisieren und mit Malerei und Performance zu experimentieren. Vieles meiner heutigen Kunst ist von damals inspiriert. Und die Gefängnisse in Myanmar sind voller Intellektueller, es gab also immer gute Gespräche und Möglichkeiten zu lernen.“ Er arbeitete mit einfachsten Techniken, auf Stoffen der Uniform „mit Zahnbürsten, Spritzen, Tablettenfläschchen, Rasierklingen, Fischernetzen – allem, was ich fand oder was mir kunstfreundliche Wärter brachten.“ Htein Lin lebt in Myanmar.

Der nächste Newsletter des Demokratischen Salons erscheint im Dezember 2025. Neue Beiträge werden selbstverständlich wie bisher laufend eingestellt, die Veranstaltungsrubrik wird regelmäßig aktualisiert. Es lohnt sich somit immer ein Blick hinein.

Mit den besten Grüßen verbleibe ich

Ihr Norbert Reichel

(Alle Internetzugriffe erfolgten am 18. Oktober 2025.)

P.S.: Sollte jemand an weiteren Sendungen meines Newsletters nicht interessiert sein, bitte Nachricht an info@demokratischer-salon.de. Willkommen sind unter dieser Adresse natürlich auch wertschätzende und / oder kritische Kommentare und / oder sonstige Anregungen.