Science Fiction – Instrument der Erkenntnis

Zwei Gespräche von Fritz Heidorn mit Phillip P. Peterson und Klaus Seibel

„Dystopien sind die Kehrseite der Utopien. Beide transportieren sie Gefühle, die unsere gemeinsame Zukunft betreffen; Utopien drücken die Hoffnungen im Hinblick auf unser Zusammenleben aus, Dystopien unsere diesbezüglichen Ängste. Heutzutage gibt es eine Menge Dystopien, und das ist auch nicht verwunderlich, denn wir hegen Zukunftsängste.“ (Kim Stanley Robinson, Dystopien – jetzt! zitiert nach: Fritz Heidorn, Kim Stanley Robinson – Erzähler des Klimawandels, Berlin, Hirnkost, 2022, auch veröffentlicht im Demokratischen Salon.)

„Zukunftsängste“ sind die eine Seite, die andere sind unsere Zukunftshoffnungen. Diese gehen mitunter in all unseren heutigen Krisendiskursen unter, aber wir dürfen uns nicht in „Dystopien“ ergehen. Kim Stanley Robinson schreibt im letzten Absatz des zitierten Textes: „Diese Situationsbeschreibung wird vielleicht nicht mehr viele Jahre gültig sein, doch solange sie es ist, sollten wir, da es möglich ist, eine nachhaltige Zivilisation auch erschaffen. Wenn uns die Dystopie derart in Angst versetzt, dass wir härter an diesem Ziel arbeiten, was sie möglichweise auch tut, dann wunderbar: Dystopie. Aber immer im Dienst des eigentlichen Ziels, das da heißt: Utopia.“

Treffender kann man meines Erachtens Science Fiction nicht beschreiben. Dies ist auch das Anliegen von Fritz Heidorn, einer der engagiertesten und belesensten Experten für Science Fiction. Viele amerikanische und deutsche Autoren kennt er persönlich. Im Februar 2025 hat er Phillip P. Peterson (sein bürgerlicher Name ist Peter Bourauel) und Klaus Seibel interviewt. Sie haben über die Inhalte ihrer Romane und die Ziele guter und zeitgemäßer Science Fiction gesprochen, geben Literaturempfehlungen und nicht zuletzt haben beide Interviewpartner einen Rat an die jungen Autor:innen gegeben, die sich an dem von Fritz Heidorn und Sylvia Mlynek organisierten Literaturwettbewerb „Klimazukünfte 2050“ beteiligen. Fritz Heidorn und Sylvia Mlynek erhielten für die im Hirnkost Verlag erschienene Dokumentation der Texte des Wettbewerbs 2024 den Kurd-Laßwitz-Preis.

Fritz Heidorn veröffentlicht regelmäßig im Demokratischen Salon. Eine Liste seiner bisherigen Veröffentlichungen im Demokratischen Salon sowie seiner bei Dieter von Reeken und Hirnkost erschienenen Bücher finden Sie am Schluss dieses Beitrags.

Das Gespräch mit Phillip P. Peterson

Fritz Heidorn: Wie sind Sie zur literarischen Bearbeitung der Themen aus der tiefen Kosmologie gekommen, wie Sie dies beispielsweise in der „Paradox“-Trilogie so wunderbar ausgearbeitet haben?

Phillip P. Peterson: Kosmologie hat mich schon immer interessiert. Als Jugendlicher habe ich „Eine kurze Geschichte der Zeit“ von Stephen Hawking verschlungen, das mich unheimlich fasziniert hat. Seitdem habe ich jedes Buch über Kosmologie gelesen, das ich in die Finger bekommen habe. Später im Studium habe ich auch Vorlesungen über Kosmologie besucht. Ich denke gerne darüber nach, welche Position der Mensch im Universum hat und diese Frage kann man sehr gut literarisch bearbeiten.

Fritz Heidorn: Wie hängen Ihre beruflichen Tätigkeiten als Raumfahrttechniker, Strahlenschäden-Experte und Erdbeobachtungsspezialist mit der narrativen Kunst der Science-Fiction Literatur zusammen?

Phillip P. Peterson: Ich habe mich früher fürchterlich über Science-Fiction-Romane aufgeregt, die Raumfahrt, Kosmologie oder Wissenschaft im Allgemeinen nicht richtig darstellen. Ein gutes Beispiel ist, wenn Raumschiffe sich in Action-Romanen wie Flugzeuge bewegen. Das ist nicht korrekt und als Ingenieur kann ich so etwas kaum ertragen. Leider haben viele Romane solche Schwächen und ich habe als Autor mit dem Anspruch begonnen, es besser zu machen und Technik und Wissenschaft realistisch darzustellen – auch wenn ich mir gerne künstlerische Freiheiten nehme.

Fritz Heidorn: Inhalte von Raumfahrtvisionen, Zukunft der Menschheit und Erzählertalent – wie verhält sich dies und wo lernt man es?

Phillip P. Peterson: Mein Wissen über Raumfahrt habe ich natürlich im Studium und bei meiner Arbeit als Ingenieur gelernt. Dazu kommt ein tiefes Interesse für diese Themen. Ebenso wie für Literatur. Ich habe Unmengen an Romanen, natürlich auch Science-Fiction gelesen und da lernt man schon bis zu einem gewissen Grad, was ein Buch lesenswert macht und was nicht. Natürlich muss man als angehender Autor auch seine Hausaufgaben machen. Bevor ich mit dem Schreiben meines ersten Romans begonnen habe, habe ich sehr viele Schreibratgeber gelesen und eine Autorenschule bei Bastei-Lübbe besucht. Auch muss man den Anspruch haben, sich selber permanent verbessern zu wollen.

Fritz Heidorn: Die wissenschaftliche Ausbildung und das Erzählertalent scheinen mir eigentlich eher ein Widerspruch zu sein, nach dem Motto: Rationalität, Fachsprache, Mathematik einerseits und narrative Kunst, literarische Qualität und gehaltvolle Sprache, Handlung, Bilder und Personenzeichnung andererseits. Würden Sie diesem Statement zustimmen?

Phillip P. Peterson: Nein, das sehe ich anders. Der Mensch kann viele Talente haben und technisches Interesse und Talent als Erzähler schließen sich nicht aus. Im angloamerikanischen Bereich gibt es gerade in der SF viele Autoren mit technisch-mathematischen Hintergrund. Man denke nur an Stephen Baxter, Gregory Benford, Arthur C. Clarke, Isaac Asimov, Greg Egan und viele andere. Bei mir selber sehe ich eine gewisse Stärke darin, komplexe Sachverhalte anschaulich darzustellen.

Fritz Heidorn: Für mich ist Ihre „Paradox“-Trilogie ein tiefgehendes Werk der Science-Fiction Literatur des 21. Jahrhunderts, vergleichbar mit der „Drei-Sonnen“-Trilogie von Cixin Liu oder dem „Rama“-Zyklus von Arthur C. Clarke und Gentry Lee (der NASA-Wissenschaftler war).

Phillip P. Peterson: Danke für das Kompliment. Die von Ihnen genannten Vorbilder habe ich selber gelesen und ich mag die epische Wucht, die diese Bücher liefern und habe sie mir bei der Paradox-Trilogie zum Vorbild genommen. Sehr gute epische Werke, die bis in die weiteste Zukunft reichen, hat zum Beispiel auch Stephen Baxter geschrieben. Isaac Asimov konnte dies ebenfalls. Vom Schreibstil her schätze ich Larry Niven, John Scalzi und Stephen King.

Fritz Heidorn: Was macht für Sie die Bedeutung von guter Science-Fiction- Literatur aus? Und wie hängen gute Science-Fiction-Literatur, Wissenschaft, Technik, Politik und Alltagsleben zusammen? Gibt es so etwas wie utopische Empfehlungen aus der SF-Literatur für die Gestaltung des Alltagslebens der Gegenwart nach dem Motto: Wir können unsere Zukunft gestalten?

Phillip P. Peterson: Im Zentrum guter Science Fiction steht immer der Mensch. Viele Autoren und Leser meinen, es geht um die Technik oder um die Wissenschaft, aber das stimmt nicht. Es geht um die Frage, was Wissenschaft und Technik mit dem Menschen machen. Und der Mensch steht hier im Mittelpunkt.

Nun, es gibt sicher viele utopische SF-Romane, in denen die Menschheit in der Zukunft die aktuellen Krisen überwunden hat. Das Bild von einer geeinten Menschheit vermittelt schon die Perry-Rhodan-Heftromanserie. Ich muss aber gestehen, dass mich Dystopien als Warnung, wie mein eigenes Buch „Nano“, eher reizen.

Fritz Heidorn: Haben Sie eine Leseempfehlung für ein interessantes Buch, das man im Jahre 2025 lesen sollte?

Phillip P. Peterson: Wer es noch nicht getan hat, sollte das Sachbuch „Factfulness“ von Hans Rosling lesen. In einer komplexer werdenden Welt, die von Desinformation und Alarmismus geprägt ist, hilft dieses Buch bei der Einordnung der Nachrichtenflut in ein ganzheitliches Bild der Welt.

Fritz Heidorn: Warum publiziert ein Erfolgsautor seine Werke überwiegend als Self-Publishing Bücher? Es gibt doch eigentlich genug Verlage für gute Science-Fiction Literatur in Deutschland, oder?

Phillip P. Peterson: Meine letzten Bücher sind alle bei namhaften Verlagen erschienen. Ich plane allerdings auch wieder Fortsetzungen einer Serie im Selfpublishing, da man hier mitunter mehr Geld verdienen kann, da man es nicht mit einem Verlag teilen muss.

Fritz Heidorn: Welche Themen oder Narrative stehen bei Ihnen als nächstes an? Werden Sie zukünftig auch über Megatrends schreiben wie zum Beispiel Klimawandel, Anthropozän, Künstliche Intelligenz, Transhumanismus?

Phillip P. Peterson: Künstliche Intelligenz und Transhumanismus kommen regelmäßig als Elemente in meinen Büchern vor. Andeutungen zu Klimawandel und Anthropozän gibt es auch in einigen meiner Romane. Im Moment reizen mich Ausflüge in andere Genres. Zurzeit schreibe ich einen übernatürlichen Horror-Thriller im Stil von Stephen King.

Fritz Heidorn: Haben Sie Ratschläge für die jungen Autorinnen und Autoren, die sich bei unserem Literaturwettbewerb Klimazukünfte2050 in der dritten Runde im Jahre 2025 beteiligen möchten?

Phillip P. Peterson: Zum einen sollte man wirklich mit dem Herzen beim Thema sein und dann ist die detaillierte Überarbeitung eines Textes oft der wichtigste Schlüssel zum Erfolg.

Das Gespräch mit Klaus Seibel

Fritz Heidorn: Wie sind Sie zur literarischen Bearbeitung der Thematik der ersten Menschheit gekommen? Mir gefällt in den ersten drei Bänden besonders die thematisch interessante und gut ausgeführte narrative Bandbreite der Erzählung in der Konfrontation unserer „Vorfahren“ mit uns, dem „modernen“ Homo sapiens beziehungsweise die Auseinandersetzung von uns mit uns selbst, um die es ja wohl eigentlich geht. Ich habe allerdings auch das Gefühl, dass in den dreizehn Bänden der Reihe die thematische Bandbreite später etwas zu weit ausgebreitet wurde und dass dadurch das Rahmenthema der ersten Menschheit verlorengeht. Ist das beabsichtigt? Oder wäre eine neue Reihe besser gewesen?

Klaus Seibel: Es gibt unzählige Science-Fiction Geschichten, die in ferner Zukunft spielen und in denen die Menschen in die Weiten des Universums fliegen. Dem wollte ich keine neue hinzufügen, sondern etwas Neues entwickeln. Dazu gehörte die Überlegung: Warum zu den Aliens fliegen, lasst sie doch auf die Erde kommen. Und das nicht als Invasoren in Raumschiffen, und vor allem so, dass es tatsächlich auch passieren könnte.

Auf die erste Menschheit bin ich gekommen, weil mir bewusst geworden ist, was die gewaltigen Zeiträume wirklich bedeuten, die die Geschichte unserer Erde ausmachen. Wir hantieren hier mit Millionen von Jahren oder sogar Milliarden. Das ist so ungeheuer lange, dass man darin ein ganzes Dutzend Zivilisationen unterbringen könnte. Wie lange existiert die Menschheit als wirkliche Zivilisation? Wie kurz ist der Zeitraum, in dem wir dauerhaft Spuren hinterlassen? Dass wir von möglichen früheren Zivilisationen keine Spuren finden, ist nicht ungewöhnlich. In Millionen von Jahren verändert die Erde ihr Gesicht. Dazu kommen kosmische Katastrophen, wie der Meteoriteneinschlag in Yucatan, der die Saurier getötet hat. Und in meinem Fall auch die erste Menschheit. Glücklicherweise hatten die ersten Menschen vorgesorgt und ihre DNA und ihre Bewusstseine gespeichert und sicher untergebracht. An ähnlichen Technologien arbeiten auch wir, sodass sie keine bloße Fantasie sind. Indem die Menschen ihre Vorfahren wieder zum Leben erwecken, ergeben sich fantastische Möglichkeiten für wunderbare Geschichten.

Fritz Heidorn: Ihre Ausbildung als Pastor, die Arbeit mit Computern und das Erzählertalent scheinen mir eigentlich eher ein Widerspruch zu sein, nach dem Motto: Glaube und Spiritualität einerseits, Technologie und Rationalität andererseits, und die narrative Kunst, literarische Qualität und die gehaltvolle Sprache, Handlung, Bilder und Personenzeichnung auf einer ganz anderen Ebene.

Klaus Seibel: Aus Dingen, die scheinbar nicht zusammenpassen, ergeben sich manchmal die erstaunlichsten Mischungen. Bei mir war es aber so, dass ich schon immer an den Naturwissenschaften interessiert war. Und an Computern. Ich war einer der ersten Pastoren im Land, die solch ein Gerät eingesetzt haben.

Was die Sprache betrifft: Als Theologe beschäftigt man sich viel mit Literatur, mit Philosophen und anderen hochintelligenten Leuten. Aber oft habe ich gedacht: Könnt ihr euch nicht so ausdrücken, dass auch ein normaler Mensch euch versteht? Daraus habe ich den Ehrgeiz entwickelt, es besser zu machen. Meine Predigten sollten spannend sein und für jeden verständlich. Erstaunlicherweise ist es oft schwieriger, ein komplexes Thema mit einfachen Worten auszudrücken, als sich hinter Fachvokabular zu verstecken. Das war mir dann auch in meinen Büchern wichtig. Spannend sollten sie sein und so geschrieben, dass jeder sie ohne Mühe verstehen kann. Wenn ich dann Briefe bekomme, „Durch Sie habe ich wieder Freude am Lesen bekommen“, empfinde ich das als größten Erfolg.

Fritz Heidorn: Sie haben in dem Interview mit Laura Kühbach/tolino Media vom 29. August 2018 gesagt, dass Sie nach fünfzehn Jahren als Pastor erkannt haben, dass das nicht stimmt, was Sie verkündigen und dass Sie anderen Menschen nicht etwas erzählen möchten, an das Sie selbst nicht glauben. Woran glauben Sie heute, im März 2025? Oder anders gefragt: Gibt es Botschaften oder Ethikansätze oder Normen, die Sie durch Ihre Erzählungen den Leserinnen und Lesern mitgeben möchten? Eine Moral der Geschichte vielleicht? Oder geht es Ihnen zuerst oder ausschließlich um eine spannende Erzählung, die die Leserinnen und Lesern unterhalten soll?

Klaus Seibel. Foto: privat.

Klaus Seibel: Wenn etwas wahr sein soll, muss es auch logisch stimmig sein. Das ist der Glaube nicht. Es hat lange gedauert, das zu erkennen, weil ich darin aufgewachsen bin. Aber irgendwann hat die Vernunft gesiegt. Nebenbei: Science-Fiction-Stories dürfen gerne sehr fantasievoll sein, aber in meinen Augen nicht unlogisch. Dann mag ich auch diese Geschichten nicht.

Spannung und Unterhaltung ist das A und O einer Geschichte. Meine Leser sollen Spaß am Lesen haben. Aber wer möchte, findet darüber hinaus auch jede Menge Gedankenanregungen. Es gibt davon in meinen Büchern so viele, dass ich sie hier nicht alle aufzählen kann, aber zwei Beispiele:

Das eine ist die Frage: Wer ist ein Mensch? Was so einfach zu beantworten scheint, wird mit zunehmenden technischen Möglichkeiten immer schwieriger. Wie weit darf ich mich technisch verbessern und bleibe dabei ein Mensch? Bei einem Herzschrittmacher ist das keine Frage, aber bei einem Chip im Gehirn, der mich an das Internet anschließt oder der Gedankenkommunikation ermöglicht? Oder bei genetischen Verbesserungen? Ab wann wird man zum „Übermenschen“?

Das zweite ist der Punkt, wie wir miteinander umgehen. Wenn wir tatsächlich fremdem Leben begegnen, oder intelligenten KIs. In meinen Büchern lege ich Wert darauf, einen Weg zu finden, wie man zusammen leben und zusammen arbeiten kann, auch wenn man extrem verschieden ist. Mit etwas Fantasie findet man immer einen Weg, auf dem alle profitieren.

Fritz Heidorn: Inhalte von Science-Fiction, Vergangenheit und Zukunft der Menschheit und Erzählertalent – wie verhält sich dies zueinander und wo lernt man es? Welche Autorinnen und Autoren und welche von deren Themen bzw. Erzählungen sind Ihre Vorbilder? Was kann man von anderen Schriftstellerinnen und Schriftstellern lernen?

Klaus Seibel: Ich habe viel gelesen. Natürlich Science Fiction, aber auch viel populärwissenschaftliche Literatur. Ich mag es, neues Wissen zu lernen. Dazu kommen eine Menge Bücher und Artikel über gutes Schreiben. Wirkliche Vorbilder kann ich kaum benennen. Gelesen habe ich Julies Verne, Isaac Asimov, Andreas Eschbach, mehr als 1000 Perry Rhodan-Hefte, Andreas Brandhorst, Daniel Suarez und und …Wenn man ein Buch liest, sollte man sich fragen: Warum gefällt mir gerade dieses Buch? Oder warum gefällt es mir nicht? Was würde ich anders/besser machen?

Fritz Heidorn: Was macht für Sie die Bedeutung von guter Science-Fiction Literatur aus? Und wie hängen gute Science-Fiction Literatur, Wissenschaft, Technik, Politik und Alltagsleben zusammen? Gibt es so etwas wie utopische Empfehlungen aus der SF-Literatur für die Gestaltung des Alltagslebens der Gegenwart nach dem Motto: Wir können unsere Zukunft gestalten?

Klaus Seibel: Science Fiction ist meiner Meinung nach das wichtigste Genre. Sie dient zur Unterhaltung, kann aber weit darüber hinausgehen. In diesem Genre kann man quasi spielerisch die Zukunft durchleben. Man kann Entwicklungen vorwegnehmen und daraus lernen, bevor es zu spät ist. Man kann sich gedanklich auf die Zukunft einstellen – die oft gar nicht mehr weit entfernt ist. Die Zukunft liegt quasi vor unserer Tür, und Leser von Science Fiction sind besser darauf eingestellt, als andere Menschen.

Für mich hängen alle genannten Bereiche zusammen, denn sie machen das Leben aus. Ein gutes Science Fiction Buch ist wissenschaftlich und technisch fundiert und ohne grobe Logik-Fehler. Und wenn die Geschichten in unserer Welt spielen, darf man gerne auch politische Anspielungen unterbringen. Wie Science Fiktion in unser Alltagsleben hineinragen kann? Sie bereitet uns darauf vor, mit Fortschritt umzugehen

Fritz Heidorn: Werden Sie zukünftig auch über andere gesellschaftliche Megatrends schreiben wie zum Beispiel Klimawandel, Anthropozän, Künstliche Intelligenz, Transhumanismus?

Klaus Seibel: KI kommt in vielen meiner Bücher bereits vor. „Kiara“ habe ich komplett einer KI gewidmet. Hierbei wollte ich mal wieder etwas Neues ausprobieren. Deshalb habe ich das Buch aus der Sicht einer KI geschrieben, von ihrer „Geburt“ bis zur hochstehenden Intelligenz. So eine Geschichte gibt es meines Wissens noch nicht. Darin geht es unter anderem auch um die Frage, wie man eine KI in die richtigen Bahnen lenken kann, damit sie die Menschheit eben nicht vernichtet.

Transhumanismus ist ebenfalls ein großes Thema, ohne dass ich dieses Wort verwende, weil es vielen Menschen fremd ist und abgehoben klingt. Dabei stecken wir mitten in dieser Entwicklung, ohne dass uns die Konsequenzen bewusst sind. Wir Menschen haben die grundsätzliche Neigung, uns zu verbessern. Künstliche Zähne, eine Brille oder ein Hörgerät empfindet niemand als unnatürlich, obwohl es technische Verbesserungen sind. Und wenn man durch smarte Kontaktlinsen das Sehspektrum erweitern oder durch eine kleine Gentherapie die Intelligenz steigern könnte, würden die wenigsten nein sagen. Mensch und Technik werden immer weiter verschmelzen, ohne dass wir es merken. In den Science Force-Bänden geht es um ein Team, das diese Verbesserungen ausprobiert. Sehr spannend.

Fritz Heidorn: Welche Themen oder Narrative stehen bei Ihnen als nächstes an?

Klaus Seibel: Das eine ist eine Fortsetzung von „Fabrik der Schwarzen Löcher“. Hier tauchen plötzlich künstlich erzeugte Schwarze Löcher im Sonnensystem auf und bedrohen die Erde. Die Science Force ist deshalb gezwungen ins Sonnensystem aufzubrechen, was sehr viel schwieriger ist, als man denkt. Hier bieten die Mikroben aus „Aufstand der Mikroben“ vollkommen neue Ideen, an die auch noch kein Mensch denkt. Und dann könnte noch eine Fortsetzung von „Antarktis Anomalie“ kommen. Darin wird eine weitere Möglichkeit beschrieben, wie sehr fremdes Leben auf die Erde gelangt. Aber dieses Buch liegt noch in der Zukunft.

Fritz Heidorn: Haben Sie eine Leseempfehlung für ein interessantes Buch, das man im Jahre 2025 lesen sollte?

Klaus Seibel: „Virtua“ von Karl Olsberg. Darin geht es um eine KI und den Versuch, sie zu kontrollieren. Diese Herausforderung wird demnächst auf uns zukommen, denn die Entwicklungen bei KI sind so schnell, dass man gar nicht hinterherkommt, sie überhaupt alle zu kennen.

Fritz Heidorn: Warum publiziert ein Erfolgsautor wie Sie seine Werke überwiegend als Self-Publishing Bücher? Es gibt doch eigentlich genug Verlage für gute Science-Fiction Literatur in Deutschland, oder?

Klaus Seibel: Weil ich im Self-Publishing frei bin, meine Themen, Cover und alles andere selbst zu bestimmen. Verlage/Agenten haben mir früher mal gesagt „Was Sie schreiben, interessiert unsere Leser nicht“. Aha. Das haben meine Leser offensichtlich anders gesehen. Bei zwei Büchern, die ich bei einem Verlag hatte, habe ich mir die Rechte zurückgeholt und vermarkte sie selbst. Das funktioniert für mich einfach besser. Ich würde niemals in einen Verlag wechseln wollen.

Fritz Heidorn: Haben Sie Ratschläge für die jungen Autorinnen und Autoren, die sich zum Beispiel bei unserem Literaturwettbewerb Klimazukünfte2050 in der dritten Runde im Jahre 2025/2026 beteiligen möchten?

Klaus Seibel: Viel lesen. Viel schreiben. Alles lernen, was man lernen kann. Habt keine Angst vor verrückten Ideen. Heißt sie willkommen und macht etwas daraus. Und schreibt immer weiter, wenn ein Buch fertig ist. Ein Buch ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Und wer vom Schriftstellersein leben will, sollte bereit sein, viele Marathons zu laufen.

Bücher und Essays von Fritz Heidorn zur Science Fiction 2018 – 2025:

(Anmerkungen: Erstveröffentlichung im April 2025, Anmoderation Norbert Reichel. lnternetzugriffe zuletzt am 5. April 2025. Titelbild: Aiki Mira, erstellt mit openart.)